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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.06.2007
Aktenzeichen: 1 K 4055/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 4
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 5
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 6
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 22 Nr. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 4055/04

Einkommensteuer 1999 und 2000

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

... sowie

der ehrenamtlichen Richter ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Abänderung der geänderten Einkommensteuerbescheide für 1999 und 2000 vom 18. Juni 2007 werden die Einkommensteuer für 1999 auf 31.729,75 EUR und die Einkommensteuer für 2000 auf 25.313,04 EUR herabgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Gründe:

I. Streitig ist die Steuerbarkeit von Entschädigungszahlungen.

Die Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre 1999 und 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin betreibt in einem Gewerbegebiet der Gemeinde Gl einen Papier- und Schreibwarengroßhandel. Auf den Grundstücken in dem Gewerbegebiet, die zum größten Teil den Klägern gemeinsam gehören, befinden sich zwei 1983 und 1995 errichtete Lagerhallen; auf den Lageplan wird Bezug genommen (Finanzgerichts -FG Akte, Bl 57). An die 1983 errichtete Lagerhalle war ein Wohngebäude angebaut. Im Erdgeschoß des Wohngebäudes befand sich das Büro für den Papier- und Schreibwarengroßhandel.

Im Obergeschoß bewohnten die Kläger mit ihren drei minderjährigen Kindern aufgrund einer Ausnahmeregelung im Bebauungsplan gem. § 8 Abs. 3 Ziffer 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) eine so genannte Betriebsinhaberwohnung (132 qm). Neben der 1995 errichteten Lagerhalle planten die Kläger den Bau eines Wohnhauses, für das bereits eine Baugenehmigung vorlag. In der Nachbarschaft der Wohnung befand sich das Betriebsgelände der Eheleute W, die dort die beiden Diskotheken "A" und "R" sowie eine Go-Kart- Bahn mit entsprechenden Parkflächen betrieben. Die Kläger hatten als Nachbarn die baurechtliche Zustimmung zu der Bebauung durch die Eheleute W erteilt.

Im Laufe der Zeit kam es zu Auseinandersetzungen der Kläger mit den Eheleuten W wegen Überschreitungen der zulässigen Lärmschutzgrenzwerte während der Öffnungszeiten der Diskotheken und wegen der Nichteinhaltung der Sperrzeiten. Die von den Klägern gegen die Eheleute W beim zuständigen Landratsamt angestrengten Verfahren insbesondere gegen Sperrzeitverkürzungen dienten dem Zweck, den Klägern und ihren minderjährigen Kindern die benötigte Nachtruhe zu verschaffen. Eine Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs der Klägerin war nicht gegeben. Zur Einhaltung der Lärmrichtwerte waren von den Eheleuten W Investitionen in einem Gesamtvolumen von 500.000 DM vorgesehen.

In einem Verfahren wegen Arrest und einstweiliger Verfügung, das die Kläger vor dem Landgericht D mit dem Ziel eingeleitet hatten, die Beachtung der Sperrzeit und Wahrung der Nachtruhe sicher zu stellen, wurde ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 11. Mai 1999, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Einkommensteuerakte 2001, Bl 58 ff.), von den Klägern der Vorschlag unterbreitet, dass gegen eine Entschädigung in Höhe von 700.000 DM auf das Wohnrecht bezüglich der Betriebsinhaberwohnung verzichtet werden könnte. Dementsprechend wurde in der Sitzung folgender Vergleich geschlossen: In § 1 des Vergleichs wurde der Verzicht der Kläger "für sich und ihre Rechtsnachfolger sowie für ihre Kinder auf jegliche Wohnnutzung auf ihren in dem Gewerbegebiet gelegenen Grundstücken" ausgesprochen. Der Verzicht umfasste sowohl die Nutzung der bestehenden Betriebsinhaberwohnung, die in Büroräume umgewidmet werden sollte, als auch die bereits erteilte Baugenehmigung für das Wohnhaus (Nr. 1). Weiter verzichteten die Kläger auf jegliche Rechtsbehelfe insbesondere gegen Sperrzeitverkürzungen und auf alle Rechte aus eventuellen Lärmbelästigungen durch die Betriebe der Eheleute W (Nr. 2). Ferner enthält der Vergleich eine Konkurrenzausschlussklausel, nach der die Kläger sich verpflichteten auf ihrem Grundstück keine Diskotheken oder Tanzbetriebe in Konkurrenz zu den Betrieben der Eheleute W zu unterhalten (Nr. 3). Zudem erklärten sich die Kläger mit einer entsprechenden Änderung des Bebauungsplans für das Gewerbegebiet des Inhalts einverstanden, dass keine Wohnungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO zugelassen werden, und verzichteten gegenüber der Gemeinde G auf ihr Einspruchsrecht in dem dafür vorgesehenen Bebauungsplanänderungsverfahren (Nr. 5). Der Auszug der Kläger aus der Betriebsinhaberwohnung sollte schnellstmöglich, spätestens bis zum 31. Dezember 2000 erfolgen (Nr. 6). Bis zu diesem Zeitpunkt verpflichteten sich die Kläger, passive Lärmschutzmaßnahmen durchzuführen, insbesondere Schallschutzfenster mit schallisolierten Belüftungssystemen einzubauen (Nr. 7).

In § 2 des Vergleichs verpflichteten sich die Eheleute W als Entschädigung für die vorstehenden Verzichte und Verpflichtungen der Kläger zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags von 700.000 DM (Nr. 1), die in Teilbeträgen von 200.000 DM, 300.000 DM und weiteren 200.000 DM fällig sein sollten (Nr. 2). In § 3 des Vergleichs bewilligten die Kläger auf ihren Grundstücken in dem Gewerbegebiet (dienende Grundstücke) zur Sicherung der ungehinderten Nutzung der Grundstücke der Eheleute W, auf denen die Diskotheken und die Go- Kart-Bahn betrieben werden (herrschende Grundstücke), eine Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass auf den dienenden Grundstücken keine Wohnräume errichtet werden dürfen und jede Art von Wohnnutzung auch im Sinne von § 8 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO nicht gestattet und zu unterlassen ist, ebenso alle Arten von lärmempfindlichen Nutzungen im Sinne der BauN- VO. In § 5 des Vergleichs wird für den Fall einer 5-jährigen durchgehenden ununterbrochenen Einstellung bzw. Stilllegung der Betriebe der Eheleute W bzw. von deren Rechtsnachfolgern ein Verzicht auf sämtliche Rechte ausgesprochen, die sich aus der vorliegenden Vereinbarung gegenüber den Klägern ergeben.

Noch am 11. Mai 1999 wurde von der Gemeinde G in abendlicher Sitzung der in § 1 Nr. 5 des Vergleichs angekündigte Beschluss über die Änderung des Bebauungsplans, auf den Bezug genommen wird (Einkommensteuerakte 2001, Bl 66), dahin gefasst, dass die Errichtung von Wohnungen gem. § 8 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO in dem Gewerbegebiet unzulässig ist. Als Begründung wird angegeben, dass in dem Gewerbegebiet die zulässige gewerbliche Nutzung nach § 8 Abs. 1 und 2 BauNVO uneingeschränkt ermöglicht werden und insoweit keinen Beeinträchtigungen unterliegen soll und dass deshalb die ausnahmsweise für zulässig erklärte Nutzung als Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter im Sinne von § 8 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO untersagt werden soll.

Vereinbarungsgemäß zogen die Kläger mit ihren Kindern am 31. Dezember 2000 aus der Betriebsinhaberwohnung aus. Sie haben zwischenzeitlich ein Wohnhaus in der nahe gelegenen Gemarkung T errichtet. Hierfür haben sie die Entschädigung in Höhe von 700.000 DM eingesetzt (vgl. in der mündlichen Verhandlung übergebene Kostenaufstellung; FG-Akte, Bl 106). Die Zahlung des Entschädigungsbetrags erfolgte während der Streitjahre und dem Jahr 2001 in den drei vereinbarten Raten (1999: 200.000 DM; 2000: 300.000 DM; 2001: 200.000 DM).

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) unterwarf in geänderten Steuerbescheiden für die Streitjahre und das Jahr 2001 jeweils vom 4. Dezember 2002 die Raten des Entschädigungsbetrags nach § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) zunächst in vollem Umfang der Einkommensteuer; hiergegen wurde Einspruch eingelegt. Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung für 1999 -2001 wurde die Auffassung des FA hinsichtlich der Entschädigung vom Prüfer bestätigt (Prüfungsbericht vom 23. Dezember 2003). Die aufgrund der Außenprüfung für die Streitjahre und das Jahr 2001 erneut geänderten Steuerbescheide, in denen der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, datieren vom 11. März 2004.

In den Einspruchsentscheidungen für die Streitjahre und das Jahr 2001 jeweils vom 1. September 2004 modifizierte das FA seine Auffassung hinsichtlich der Entschädigung zugunsten der Kläger dahin, dass es den Teil der Leistung, der aus seiner Sicht auf den Verzicht des Rechts auf die Wohnnutzung entfiel, aus der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG herausnahm, denn insoweit sei von der Aufgabe einer einen eigenständigen Vermögenswert bildenden Rechtsposition auszugehen, die im Vermögensbereich liege. Das kapitalisierte Wohnrecht bewertete das FA, indem es von einer 50-jährigen Nutzungsdauer ausging, mit aufgerundet 165.000 DM (130 qm x 6 DM x 12 Monate x 17,397 Vervielfältiger für 50 Jahre = 162.835 DM). Den übersteigenden Betrag in Höhe von 535.000 DM (= 700.000 DM ./. 165.000 DM) rechnete es den Klägern zu jeweils gleichen Teilen zu und unterwarf ihn für die Streitjahre und das Jahr 2001 im Verhältnis der zugeflossenen Ratenzahlungen der Einkommensteuer (für 1999: 76.428 DM Kläger + 76.429 DM Klägerin = 152.857 DM; für 2000: 114.643 DM Kläger + 114.643 DM Klägerin = 229.286 DM; für 2001: 76.428 DM Kläger + 76.429 DM Klägerin = 152.857 DM).

Mit der vorliegenden für die Jahre 1999 -2001 erhobenen Klage halten die Kläger an ihrer Auffassung fest, dass die streitige Entschädigung in voller Höhe nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar sei. Der endgültige Verzicht auf das Wohnrecht stelle eine substantielle Aufgabe dieses nicht der Einkommensteuer unterliegenden Vermögenswertes dar. Wenn es sich nicht um eine Betriebsleiterwohnung innerhalb einer bestehenden gewerblichen Einheit, die Existenzgrundlage der Kläger war, gehandelt hätte, wäre das Problem dadurch gelöst worden, dass die Eheleute W das Wohnhaus als Ganzes gekauft hätten. Die Entschädigung habe, indem sie für den Erwerb eines neuen Baugrundstücks eingesetzt worden sei, letztlich auf eine Substitution der Wohnsituation und damit auf eine reine - nicht steuerbare - Vermögensumschichtung abgezielt.

Der in den Vergleich aufgenommenen Konkurrenzausschlussklausel (§ 1 Nr. 3) komme keine rechtliche Relevanz zu, da die Kläger niemals die Absicht gehabt hätten, auf ihrem Grundstück Diskotheken o.ä. zu betreiben und derartige Vorhaben auch nicht genehmigungsfähig gewesen wären (vgl. Schreiben der Gemeinde G vom 15. Juni 2004, FG-Akte, Bl 91). Diese Klausel sei nur auf Veranlassung des Anwalts der Eheleute W aufgenommen worden, um etwaige Regressforderungen wegen der Nichtaufnahme einer solchen Klausel auszuschließen. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass die Kläger 535.000 DM, also mehr als 75% der Entschädigung für den Verzicht auf ein Widerspruchsrecht bzw. für die Erklärung, keine Diskotheken auf dem Grundstück zu betreiben, erhalten hätten. Auch sei die streitige Betriebsinhaberwohnung nach dem Auszug der Kläger nicht gewerblich genutzt worden, denn dafür habe kein Bedarf und wegen des schlechten wirtschaftlichen Umfelds in T und Umgebung auch keine Möglichkeit bestanden. Wegen der Ausführungen der Kläger im Einzelnen und der angeführten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird auf den Klageschriftsatz vom 16. September 2004 und den zuletzt eingereichten Schriftsatz vom 18. Juni 2007 Bezug genommen.

Wegen eines weiteren Streitpunktes, der die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG wegen getätigter Über- bzw. Unterentnahmen betrifft, hat das FA während des Klageverfahrens unter dem 18. Juni 2007 Teilabhilfebescheide für die Streitjahre 1999 und 2000 erlassen. Ferner wurde wegen dieses Streitpunkts durch Senatsbeschluss vom 21. Juni 2007 auf Antrag bzw. mit Einverständnis der Beteiligten das Klageverfahren in Sachen Einkommensteuer 2001 abgetrennt und im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren Az. X R 30/06 insoweit unter dem Az.: 1 K 2105/07 zum Ruhen gebracht.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung der geänderten Einkommensteuerbescheide für 1999 und 2000 vom 18. Juni 2007 die ersten beiden Raten der streitigen Entschädigung jeweils in voller Höhe von 200.000 DM für 1999 und 300.000 DM für 2000 nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen und die Einkommensteuer für 1999 und 2000 entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA vertritt die Auffassung, die Kläger hätten in dem Vergleich vom 11. Mai 1999 - neben dem außer Ansatz gebliebenen endgültigen Verzicht auf die Wohnnutzung der Betriebsinhaberwohnung - noch weitere Verpflichtungen übernommen, insbesondere den Verzicht auf Nachbarrechte, die Konkurrenzausschlussklausel und die Zustimmung zur Änderung des Bebauungsplans, die nach der BFH-Rechtsprechung als gemäß § 22 Nr. 3 EStG steuerbare (sonstige) Leistungen anzusehen seien. Auch seien die Aufwendungen für das neue Wohnhaus in T in Höhe von ca. 1 Mio. DM (mit Grundstück) deutlich höher gewesen als die vereinbarte Entschädigung.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2007 wird Bezug genommen.

II. Die Klage ist begründet.

Die streitige Entschädigungsleistung ist in voller Höhe einkommensteuerrechtlich nicht steuerbar; sie erfüllt insbesondere auch nicht den Tatbestand der sonstigen Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG.

1. Gem. § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen. Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst (BFH-Urteil vom 21. September 2004 IX R 13/02, BStBl II 2005, 44). Ausgenommen sind nach ständiger BFH-Rechtsprechung Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, dass ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird.

Dagegen beurteilt der BFH die bloße Hinnahme von Einschränkungen subjektiv-öffentlicher Rechte, z.B. von einer baurechtswidrigen Baumaßnahme durch den Nachbarn, gegen Entgelt als sonstige Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG. Ob eine Zahlung als Entgelt für eine sonstige Leistung oder für die endgültige Aufgabe eines Vermögenswerts in seiner Substanz zu qualifizieren ist, richtet sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der zugrunde liegenden Leistungen. Entscheidend ist dabei nicht, wie die Parteien diese Leistungen benannt, sondern was sie nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse wirklich gewollt und tatsächlich bewirkt haben (vgl. BFH-Beschluss vom 22. August 2003 IX B 85/03, BFH/NV 2004, 41; BFH-Urteile vom 18. Mai 2004 IX R 63/02, BFH/NV 2004, 1457;vom 19. Dezember 2000 IX R 96/97, BFH/NV 2001, 837;vom 9. August 1990 X R 140/88, BStBl II 1990, 1026).

Ferner fehlt es an einer (sonstigen) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG bzw. an einem entsprechenden Tun, Unterlassen oder Dulden, wenn hoheitlich in das Eigentumsrecht eines Steuerpflichtigen eingegriffen wird; gleichgestellt sind Fälle, in denen der Steuerpflichtige zur Vermeidung einer förmlichen Enteignung daran mitwirkt, eine dem Ergebnis eines Enteignungsverfahrens entsprechende Beschränkung seines Eigentums gegen Entschädigung hinzunehmen, etwa indem er eine Vereinbarung schließt, in der er sich zur Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 64/92, BStBl II 1995, 640).

2. a) Nach diesen Maßstäben liegt nach der gebotenen Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls - wie es zutreffend in der Einspruchsentscheidung auch das FA gesehen hat - in dem Verzicht der Kläger auf die Wohnnutzung der streitigen Grundstücke nach § 1 Nr. 1 des Vergleichs vom 11. Mai 1999 ein veräußerungsähnlicher Vorgang im privaten Bereich, bei dem ein Entgelt dafür erbracht wurde, dass ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wurde. Nach Auffassung des erkennenden Senat handelt es sich bei dem Recht auf Wohnnutzung sowohl um eine vom Eigentum abtrennbare Rechtsposition vergleichbar mit einem obligatorischen oder dinglichen Wohnrecht (§§ 1093 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) als auch um ein eigenständiges Wirtschaftsgut, das nicht nur Ausfluss der Eigentümerposition ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1990 X R 140/88, BStBl II 1990, 1026). Die Gegenleistung für den Verzicht auf ein Wohnrecht ist nicht steuerpflichtig und keine Entschädigung in Sinne von § 24 Nr. 1a EStG (Schmidt/Seeger, Komm. EStG, § 24 Rn 31). Dies entspricht auch der - angesichts der wenig scharfen Tatbestandsabgrenzung - gebotenen einschränkenden Auslegung des § 22 Nr. 3 EStG (vgl. Blümich/Stuhrmann, Komm. EStG, § 22 Rn 174). Die "Veräußerungsähnlichkeit" des Rechtsvorgangs wird im Streitfall noch dadurch verstärkt, dass von dem wirtschaftlichen Gehalt her die Nutzung der streitigen Betriebsinhaberwohnung vollständig aufgegeben wurde, da aufgrund der gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse auch eine gewerbliche Nutzung der Wohnräume z.B. als Büro des Gewerbebetriebs der Klägerin oder als gewerbliches Vermietungsobjekt nicht in Frage kam.

Einer endgültigen Aufgabe der Wohnnutzung steht - darin ist dem FA in der Einspruchsentscheidung ebenfalls beizupflichten - auch § 5 des Vergleichs nicht entgegen, wonach nach einer 5-jährigen durchgehenden ununterbrochenen Einstellung der Betriebe der Eheleute W bzw. von deren Rechtsnachfolgern die Grunddienstbarkeit zu löschen und eine Wohnnutzung der Grundstücke der Kläger (wieder) möglich wäre. Denn mit der Verwirklichung dieser Möglichkeit war nach den Gegebenheiten des Streitfalls in absehbarer Zeit nicht nur nicht zu rechnen, sondern sie war angesichts der von den Klägern nach § 1 Nr. 5 des Vergleichs hinzunehmenden und auch erfolgten Aufhebung des Rechts auf die Wohnnutzung nach § 8 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO im Wege der Änderung des Bebauungsplans auch rechtlich ausgeschlossen.

Das Vorliegen eines veräußerungsähnlichen Vorgangs wird ebenfalls nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Kläger mit dem Verzicht auf die Wohnnutzung auch auf eine Rechtsposition verzichtet haben, die ihnen nach einer Ausnahmebestimmung im Bebauungsplan aufgrund § 8 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO zustand. Nach § 8 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO können in einem Bebauungsplan in Gewerbegebieten ausnahmsweise Wohnungen für Aufsichts-und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zugelassen werden, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind. Zwar kann über dieses subjektiv-öffentliche Recht nicht verfügt werden, es kann aber dadurch gegenstandslos gemacht werden, dass durch privatrechtliche Vereinbarung nach § 1 Nr. 1 des Vergleichs - abgesichert durch die Bewilligung einer Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB - auf die Wohnnutzung verzichtet und die Wohnung tatsächlich geräumt wird. Dies geht über die bloße Hinnahme der Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechts auf die Wohnnutzung aus dem Bebauungsplan hinaus. Insofern haben - nach (tatsächlich erfolgter) Aufgabe der Wohnnutzung - der Verzicht auf Rechtsbehelfe zur Geltendmachung des subjektiv-öffentlichen Rechts auf die Wohnnutzung sowie die Zustimmung zur Änderung des Bebauungsplans in § 1 Nr. 2 und Nr. 5 des Vergleichs nur mehr rein deklaratorische Bedeutung und können - entgegen der Auffassung des FA - auch nicht mehr als gegenüber dem Verzicht auf die Wohnnutzung eigenständige sonstige Leistung(en) i.S. von § 22 Nr. 3 EStG aufgefasst werden.

Die Verpflichtung aus der Konkurrenzausschlussklausel nach § 1 Nr. 3 des Vergleichs kommt entgegen der Auffassung des FA als eigenständige sonstige Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ebenfalls nicht in Betracht. Nach den glaubwürdigen Ausführungen der Kläger bestand wegen deren fehlender Absicht, auf den streitigen Grundstücken - zusätzlich zu dem weiter betriebenen Papier-und Schreibwarengroßhandel - ebenfalls Diskotheken zu betreiben, kein Bedarf für diese Klausel, die außerdem, wie das Schreiben der Gemeinde G vom 15. Juni 2004 bestätigt, schon mangels Genehmigungsfähigkeit von konkurrierenden Diskothekenbetrieben auf den Grundstücken der Kläger ins Leere geht.

Bei der in § 1 Nr. 7 des Vergleichs übernommenen Verpflichtung, bis zum Auszug aus der Betriebsinhaberwohnung passive Lärmschutzmaßnahmen durchzuführen, handelt es sich um eine Nebenbestimmung, die eine bloße Obliegenheit zum Inhalt hat. Selbst wenn sich die Entschädigung deshalb um einen Aufwendungsersatz erhöht haben sollte, wofür in dem Vergleich aber kein Anhaltspunkt besteht, könnte in der Vereinbarung und Vereinnahmung eines solchen Aufwendungsersatzes für sich genommen keine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit gesehen werden (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 2006 IX R 32/04, BStBl II 2007, 44 zur Vereinnahmung eines Reugelds).

Für die vom FA in der Einspruchsentscheidung vorgenommene Aufspaltung der Entschädigung in ein nach § 22 Nr. 3 EStG nicht steuerbares Entgelt für die Aufgabe der Wohnungsnutzung und ein steuerbares Entgelt für die weiteren in dem Vergleich übernommenen Verpflichtungen besteht also keine Grundlage (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2004 IX R 63/02, BFH/NV 2004, 1457). Vielmehr war der Kern der streitigen Vergleichsvereinbarung der durch eine Grunddienstbarkeit abgesicherte Verzicht auf die Wohnnutzung sämtlicher Grundstücke der Kläger in dem Gewerbegebiet, einschließlich der - vom FA bei der Bewertung des Wohnrechts nicht berücksichtigten - Nichtausnutzung der bereits erteilten Baugenehmigung für ein Wohnhaus (siehe Vorspann und § 1 Nr. 1 des Vergleichs). Die vereinbarte Entschädigungszahlung stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung in voller Höhe von 700.000 DM als Entgelt bzw. Gegenleistung für diesen Verzicht dar. Dabei spielt es keine Rolle, dass bei der Vereinbarung der Höhe der Entschädigung möglicherweise auch die ersparten Aufwendungen der Gegenseite für Lärmschutzmaßnahmen in Höhe von 500.000 DM eine Rolle gespielt haben. Nicht von Belang ist auch das Verhältnis des Entschädigungsbetrags zu den für das neue Wohnhaus der Kläger in Teisnach angefallenen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.

b) Eine (sonstige) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG liegt im Streitfall auch unter dem Gesichtspunkt nicht vor, dass durch den Verzicht auf die Wohnnutzung der streitigen Grundstücke in dem Vergleich vom 11. Mai 1999 im Ergebnis nur der Beschluss der Gemeinde G vom selben Tag vorweggenommen wurde, in dem im Wege der Aufhebung der Ausnahmebestimmung in dem Bebauungsplan die bisher im Rahmen des § 8 Abs. 3 Ziffer 1 BauNVO zugelassene Wohnnutzung in dem Gewerbegebiet untersagt wurde. Ohne diesen Vergleich hätte die Bebauungsplanänderung sowohl im Hinblick auf die bisher zulässige Betriebsinhaberwohnung der Kläger als auch auf die ihnen bereits erteilte Baugenehmigung für das Wohnhaus eine Beeinträchtigung von Eigentumspositionen der Kläger bewirkt und die Gemeinde einem erheblichen Haftungs- bzw. Entschädigungsrisiko ausgesetzt (vgl. Karl Nüßgens, Karlheinz Boujong: Eigentum, Sozialbindung, Enteignung; Schriftenreihe der Neuen Juristischen Wochenschrift, Heft 44, 1987). Durch den streitigen Vergleich wurde eine derartige Enteignungswirkung und damit eine - nicht steuerbare - entsprechende Entschädigungsleistung durch die Gemeinde an die Kläger vermieden. Die Entschädigungsleistung wurde auf diese Weise - statt der Gemeinde aufgrund eines hoheitlichen Eingriffs - aufgrund des privatrechtlichen Vergleichs den Eheleuten W als den Nutznießern der Beschränkung des Eigentums der Kläger auferlegt.

3. Hinsichtlich der Höhe der hiernach festzusetzenden Einkommensteuer für 1999 und 2000 wird auf die Probeberechnungen des FA im Schriftsatz vom 11. Juni 2007 Bezug genommen (FG-Akte, Bl 54, 57, 63).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) und der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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