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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 24.10.2001
Aktenzeichen: 1 K 5201/99
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 34 Abs. 3
EStG § 19
EStG § 8 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...

des Richters am Finanzgericht ... und des Richters am Finanzgericht ...

sowie der ehrenamtlichen Richter ...

ohne mündliche Verhandlung am 24. Oktober 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Ehegatten und werden für das Streitjahr 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist seit April 1991 leitender Angestellter der Fa. O.. Zu seinem regulären Gehalt erhielt er Bezugsrechte zum Kauf von Aktien seiner Arbeitgeberin zu einem vorab festgelegten Kurs. Der Umfang der Optionsrechte wurde jährlich neu festgelegt. Grundlage hierfür war das Aktien-Optionsprogramm 1985 der Fa. O.. Ein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Aktienoptionen bestand danach nicht. Es wurden eingeschränkte und uneingeschränkte Optionsrechte ausgegeben. Eingeschränkte Optionsrechte konnten nur innerhalb von 5 Jahren ab Zusage eingelöst werden mit einer Rate von 1/60 der gesamten Zusage pro Monat. Uneingeschränkte Optionsrechte waren zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb von 10 Jahren ab dem Tag der Zusage einlösbar, vorausgesetzt, dass die jeweilige Option nicht öfter als zweimal innerhalb eines Kalenderjahres unter Berücksichtigung der gesamten Aktien ausgeübt wurde. Ob der Kläger eingeschränkte oder uneingeschränkte Optionsrechte erhielt, ist aus den vorliegenden, soweit es die 1993 und 1994 gegebenen Zusagen betrifft, widersprüchlichen Unterlagen nicht ersichtlich, aber auch nicht entscheidungserheblich.

Seine Optionsrechte übte der Kläger wie folgt aus:

 Option eingeräumt amAnzahlOption ausgeübt am
30.04.199147503.12.199325.08.199419.12.199414.06.1995    
09.12.19932.00025.08.199419.12.199414.06.199514.12.199514.06.199629.08.199812.11.199812.01.1999
08.12.19943.00014.12.199514.06.199629.06.199812.11.199812.01.199920.07.1999  
08.12.19952.00029.06.199812.11.199812.01.199920.07.1999   

Im Streitjahr 1998 erzielte der Kläger aus der Ausübung von Bezugsrechten insgesamt einen geldwerten Vorteil in Höhe von 1.153.084 DM. Er beantragte, hierfür die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz/EStG in der damals gültigen Fassung zu gewähren. Dem folgte der Beklagte (Finanzamt/FA) nicht. Da der Kläger nahezu regelmäßig Optionsrechte zugesagt bekommen und diese auch über mehrere Jahre hinweg ausgeübt habe, behandelte das FA seinen daraus resultierenden geldwerten Vorteil als laufenden Arbeitslohn. Mit Bescheid vom 19.07.1999 setzte es die Einkommensteuer 1998 auf 91.148 DM fest. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung/EE vom 05.11.1999 zurück.

Die Klage richtet sich weiterhin gegen die Besteuerung des geldwerten Vorteils des Klägers aus der Einlösung seiner Optionsrechte als laufender Arbeitslohn. Zur Begründung trägt der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des FG Köln vom 09.02.1998 (EFG 1998, 1634) vor, bei den Optionsrechten habe es sich um Vergütungen für mehrere Jahre gehandelt, auf die § 34 Abs. 3 EStG a.F. dem Grunde nach anzuwenden sei. 1998 habe er Teiltranchen seiner Optionsrechte aus den Jahren 1993, 1994 und 1995 eingelöst. Dies habe dazu geführt, dass er Einkünfte, die an sich Vergütungen für mehrere Jahre seien, zusammengeballt in diesem einen Jahr zu versteuern habe. Gerade die sich daraus ergebende Progressionswirkung sollte durch § 34 Abs. 3 EStG a.F. abgemildert werden. Dem stehe nicht entgegen, dass er den Zeitpunkt der Ausübung seiner Optionsrechte in dem von seiner Arbeitgeberin vorgegebenen Rahmen frei bestimmen konnte. Für die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG a.F. sei nur erforderlich, dass es aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen zu einer Zusammenballung von Einnahmen für mehrere Jahre gekommen sei. Die Gründe könnten sowohl in der Person des Arbeitnehmers wie auch des Arbeitgebers liegen. Im Streitfall habe der Kläger seine Bezugsrechte zu einem Zeitpunkt ausgeübt, als dies für ihn vom Börsenkurs her am günstigsten war. Dies reiche für die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG a.F. aus.

Der Kläger beantragt, seinen geldwerten Vorteil aus den im Jahr 1998 eingelösten Aktienoptionen nicht als laufenden Arbeitslohn sondern als nach § 34 Abs. 3 EStG steuerbegünstigte Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit zu behandeln und die Einkommensteuer 1998 entsprechend niedriger festzusetzen.

Das FA beantragt Klageabweisung.

Zur Begründung nimmt das FA Bezug auf die Ausführungen in der EE vom 05.11.1999.

Mit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung geändertem Bescheid wurde die Einkommensteuer 1998 auf 93.896 DM heraufgesetzt. Der Änderungsbescheid ist Gegenstand dieses Verfahrens (§ 68 Finanzgerichtsordnung/FGO).

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat zu Recht den geldwerten Vorteil des Klägers aus der Ausübung seiner Optionsrechte im Jahr 1998 als laufenden Arbeitslohn und nicht als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs. 3 EStG a.F. besteuert.

Wird einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Hinblick auf das Dienstverhältnis ein nicht handelbares Aktienoptionsrecht eingeräumt, hat er den daraus erzielten Vorteil im Zeitpunkt der Ausübung der Option als geldwerten Vorteil im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu versteuern (BFH-Urteile vom 24.01.2001 I R 100/98 und I R 119/98, BStBl II 2001, 509 und 512, sowie vom 20.06.2001 VI R 105/99, DStR 2001, 1341). Die Zusage der Aktienoption kann nach Lage des Einzelfalles als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs. 3 EStG a.F. einzustufen sein (BFH I R 100/98 unter Verweisung auf das BFH-Urteil vom 12.03.1975 I R 180/73, BFHE 115, 261, BStBl II 1975, 485). Ob dies bereits dann ausscheidet, wenn ein Arbeitnehmer - wie hier der Kläger - von seinem Arbeitgeber regelmäßig, d.h. annähernd jedes Jahr Optionsrechte zugesagt bekommt, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden (vgl. Urteil des Hessischen FG vom 21.12.2000 10 K 2270/00, EFG 2001, 503, Rev. Az. BFH VI R 24/01). Der Kläger hat alle seine Optionsrechte über mehrere Jahre verteilt ausgeübt. Aus diesem Grund liegt im vorliegenden Streitfall jedenfalls keine Zusammenballung von Einkünften i.S. des § 34 Abs. 3 EStG a.F. vor.

Eine Zusammenballung von Einkünften i.S. des § 34 Abs. 3 EStG a.F. liegt nur vor, wenn die Einkünfte, die sich bei normalem Ablauf des Geschehens auf mehrere Jahre verteilt hätten, dem Steuerpflichtigen vollständig in einem einzigen Veranlagungszeit zufließen (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.1982 III R 136/79, BFHE 137, 345, BStBl II 1983, 221 mit weiteren Hinweisen; Schmidt/Seeger, Komm. zum EStG, 20. Aufl. 2001, § 34 Rz. 42). Allein unter dieser Voraussetzung besteht ein sachlicher Grund für die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG. Denn nur in diesem Fall hat der Steuerpflichtige durch die Progressionssteigerung einen steuerlichen Nachteil, der durch Verteilung der zusammengeballt zugeflossenen Einkünfte auf drei Jahre entsprechend abgemildert werden soll (BFH-Urteile vom 20.10.1978 VI R 107/77, BFHE 126, 408, BStBl II 1979, 176, und vom 12.03.1975 I R 180/73, a.a.O., mit weiteren Hinweisen). Daher ist nach ständiger Rechtsprechung die Tarifermäßigung des § 34 EStG nicht zu gewähren, wenn eine Vergütung für mehrere Jahre in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen zufließt und bereits dadurch - bezogen auf die zu beurteilende Einnahme - die Progressionswirkung abgemildert wird (vgl. BFH-Urteile vom 10.02.1972 IV R 8/68, BFHE 105, 255, BStBl II 1972, 529, betreffend eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit; vom 30.07.1971 VI R 258/68, BFHE 103, 339, BStBl II 1971, 802, betreffend eine Zusatzgratifikation). Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitnehmer - wie im Streitfall der Kläger - seine Aktienoptionsrechte in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen ausübt (vgl. BFH-Urteil vom 21.03.1975 VI R 55/73, BFHE 115, 336, BStBl II 1975, 690; Kanzler, FR 2001, 741; Kessler/Strnad, StuB 2001, 652; Kroschel, BB 2001, 176). Ob der Steuerpflichtige seine Optionsrechte auf Grund der Vorgaben seines Arbeitgebers nur in Teiltranchen ausüben konnte - seinen widersprüchlichen Angaben nach konnte der Kläger in den ersten fünf Jahren von der jeweiligen Option maximal bis zu 1/60 pro Monat einlösen - oder ob und inwieweit er dies selbst steuern konnte, ist wegen der bereits tatsächlich gegebenen Progressionsentlastung weiter nicht entscheidungsrelevant.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es aus dem gleichen Grund auch nicht dadurch zu einer Einkünftezusammenballung i.S. des § 34 gekommen, dass er - wegen des aus seiner Sicht damals günstigen Börsenkurses - möglichst viele seiner Aktienoptionen aus den Jahren 1993, 1994 und 1995 im Streitjahr einlöste. Ob in unterschiedlichen Jahren zugesagte Optionen, auf die kein Rechtsanspruch bestand und die im Verhältnis zueinander teilweise unterschiedliche Zeiträume abdeckten, bei der Prüfung der Zusammenballung einer Vergütung für mehrere Jahre, überhaupt zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden können, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Der Kläger hat seine Optionen aus den Jahren 1993, 1994 und 1995 vom Jahr 1994 ab eingelöst und daraus bis Ende 1999 einen geldwerten Vorteil in Höhe von insgesamt 1.415.696 DM erzielt. Davon entfallen auf das Jahr 1998 nur etwa 81,6 % (= 1.153.084 DM). Die Ende 1999 noch nicht eingelösten Optionen aus den Jahren 1994 und 1995 hatten noch einen Wert von rd. 136.012 DM. Diesen Zahlen (die Anzahl der eingelösten bzw. noch vorhandenen Optionen ist wegen zwischenzeitlicher Aktiensplits nicht aussagekräftig) lässt sich entnehmen, dass ihm der gesamte geldwerte Vorteil aus seinen Optionen 1993, 1994 und 1995 nicht annähernd vollständig (= zusammengeballt) im Jahr 1998 zugeflossen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung/FGO.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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