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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 03.08.2005
Aktenzeichen: 1 K 558/04
Rechtsgebiete: EStG 2001


Vorschriften:

EStG 2001 § 34 Abs. 1 S. 2
EStG 2001 § 34 Abs. 2 Nr. 4
EStG 2001 § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

wegen Einkommensteuer 2001

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht, des Richters am Finanzgericht und des Richters am Finanzgericht sowie der ehrenamtlichen Richter und auf Grund mündlicher Verhandlung vom 03. August 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Die Klägerin (Klin) ist bei der Fa. M GmbH (im Folgenden: M-GmbH) angestellt. In der Anlage N ihrer Einkommensteuererklärung 2001 erklärte sie neben ihren regulären Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch den Bezug von Arbeitslohn für mehrere Jahre in Höhe von 190.495 DM. Insoweit handelte es sich um einen geldwerten Vorteil aus dem begünstigten Erwerb von Aktien (Stock-Options) der Muttergesellschaft der M-GmbH. Die Höhe dieses Betrags ist unstreitig. Im Einkommensteuerbescheid 2001 vom 14. Februar 2003 berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) zwar diesen Betrag bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wandte darauf aber nicht den ermäßigten Steuersatz gem. § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) an.

Aus dem im Einspruchsverfahren nachgereichten Vertrag über die Einräumung von Optionsrechten (Grand Summary) vom 20. Dezember 1994 (Einkommensteuerakte Bl 53), auf den Bezug genommen wird, ergibt sich, dass der Klin von ihrer Arbeitgeberin das Recht eingeräumt worden war, in acht, halbjährlich aufeinander folgenden Zeitpunkten jeweils 1.440 Aktien der Muttergesellschaft zum Preis von 3,7422 US-$ je Aktie zu erwerben (insgesamt 11.520 Stück). Die möglichen Optionszeitpunkte waren wie folgt festgelegt worden:

 Anzahl der AktienMögliche Zeitpunke der Ausübung der Optionsrechte
1.44020.12.1995
1.44020.06.1996
1.44020.12.1996
1.44020.06.1997
1.44020.12.1997
1.44020.06.1998
1.44020.12.1998
1.44020.06.1999

Von ihren Optionsrechten machte die Klin in zwei Schritten Gebrauch. Am 8. November 1998 erwarb sie 8.640 Aktien und am 17. Dezember 2001 die restlichen 2.880 Aktien. Hieraus ergaben sich geldwerte Vorteile in Höhe von 343.032 DM (1998) und 190.495 DM (2001). Auf den geldwerten Vorteil des Jahres 1998 wandte das FA erklärungsgemäß die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG in der für dieses Jahr geltenden Fassung an. Der entsprechende Einkommensteuerbescheid 1998 vom 18. Dezember 2002 (Einkommensteuer: 6.915 DM) wurde bestandskräftig.

Während des Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 setzte das FA mit Verfügung vom 29. April 2003 die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids in Höhe von 6.328,77 EUR (Einkommensteuer) und 348,09 EUR (Solidaritätszuschlag) aus.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung -EE- vom 8. Januar 2004).

Mit der Klage wird nach wie vor die Anwendung des § 34 EStG geltend gemacht. Eine Zusammenballung von Einkünften liege nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch dann vor, wenn die Optionsrechte wie im Streitfall in zwei Kalenderjahren ausgeübt werden. Nicht erforderlich sei insoweit, dass die betreffenden Einkünfte in lediglich einem Veranlagungszeitraum zufließen.

Die Klin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 14. Februar 2003 in Gestalt der EE vom 8. Januar 2004 in der Weise zu ändern, dass hinsichtlich der durch die Ausübung der Aktienoptionsrechte erlangten geldwerten Vorteile (190.495 DM) die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG berücksichtigt wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 3. August 2005 wird Bezug

genommen.

Gründe

II.

Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat die Anwendung der Tarifvergünstigung gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit Abs. 2 Nr. 4 EStG zu Recht versagt.

Wird einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Hinblick auf das Dienstverhältnis ein nicht handelbares Aktienoptionsrecht eingeräumt, hat er den daraus erzielten Vorteil im Zeitpunkt der Ausübung der Option als geldwerten Vorteil im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu versteuern. Dies ist auch dann anzunehmen, wenn die Aktien von einem Dritten verbilligt überlassen werden (BFH-Urteile vom 24. Januar 2001 I R 100/98 und I R 119/98, BFHE 195, 102 und 110, BStBI II 2001, 509 und 512, sowie vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689). Durch die Optionseinräumung soll der Berechtigte u.a. für die Zukunft an den Arbeitgeber gebunden werden. Insoweit kann der geldwerte Vorteil aus der Ausübung des Optionsrechts je nach Lage des Einzelfalles als eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i. S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG einzustufen sein (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509, unter Verweisung auf das BFH-Urteil vom 21. März 1975 VI R 55/73, BFHE 115, 366, BStBI II 1975, 690).

Als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG kommen nur solche Einkünfte in Betracht, bei denen der Zweck der Vorschrift, die Progressionswirkung zusammengeballt zufließender Vergütungen zu mildern, erfüllt wird. In den Fällen des Zuflusses geldwerter Vorteile aus der Ausübung von Aktienoptionsrechten kann eine Zusammenballung in diesem Sinne nur dann bejaht werden, wenn die Einkünfte, die sich bei normalem Ablauf des Geschehens auf mehrere Jahre verteilt hätten, dem Steuerpflichtigen vollständig in einem einzigen Veranlagungszeitraum zufließen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 24. Oktober 2001 1 K 5201/99, Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 276; BFH Urteile vom 16. Juni 2004 XI R 55/03, BFHE 206, 544, BStBl II 2004, 1055, und vom 17. Dezember 1982 III R 136/79, BFHE 137, 345, BStBI II 1983, 221; Schmidt/Seeger, Komm. zum EStG, 24. Aufl. 2005, § 34 Rz. 42). Allein unter dieser Voraussetzung besteht ein sachlicher Grund für die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG. Denn nur in diesem Fall hat der Steuerpflichtige durch die Progressionssteigerung einen steuerlichen Nachteil, der durch Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG (Glättung des Tarifs) abgemildert werden soll (vgl. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1978 VI R 107/77, BFHE 126, 408, BStBI II 1979, 176, und vom 12. März 1975 l R 180/73, BFHE 115, 261, BStBI II 1975, 485). Daher ist die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG nicht zu gewähren, wenn eine Vergütung für mehrere Jahre in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen zufließt und bereits dadurch - bezogen auf die zu beurteilende Gesamteinnahme - die Progressionswirkung abgemildert wird (vgl. BFH-Urteile vom 10. Februar 1972 IV R 8/68, BFHE 105, 255, BStBI II 1972, 529, betreffend eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit; vom 30. Juli 1971 VI R 258/68, BFHE 103, 339, BStBI II 1971, 802, betreffend eine Zusatzgratifikation). Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitnehmer seine Aktienoptionsrechte in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen ausübt.

Da die Klin im Streitfall ihre Optionsrechte aus der Zusage der M-GmbH vom 20. Dezember 1994 in zwei Veranlagungszeiträumen (1998 und 2001) ausübte und die Progressionswirkung dadurch bereits abgemildert wurde, sind die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG nach Auffassung des Senats nicht erfüllt. Es fehlt an der erforderlichen Zusammenballung der gesamten daraus fließenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum. Ginge man dennoch von einer Zusammenballung aus, wäre die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG bzw. des § 34 Abs. 3 EStG a.F. sowohl auf die im Jahr 1998 als auch auf die im Jahr 2001 zugeflossenen Einkunftsteile anzuwenden. Eine mehrfache Anwendung der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG auf die aus einer einheitlichen Zusage fließenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ist aber mit dem Sinn und Zweck des § 34 Abs. 1 EStG nicht vereinbar. Anderenfalls hätte es der Steuerpflichtige durch Gestaltung in der Hand, die Optionsrechte über mehrere Jahre verteilt so auszuüben, dass die Voraussetzungen einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit für jeden einzelnen Teilbetrag erfüllt sind (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 14. Oktober 2004 VI R 46/99, BFHE 206, 573, BStBl II 2005, 289) und die Einkünfte über die aus der bloßen Aufteilung auf verschiedene Veranlagungszeiträume erzielten Progressionsvorteile hinaus in der Folge nochmals mehrfach tarifbegünstigt wären.

Aus diesen Gründen kann auch der u.a. im Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2003 (Az. S 2332-109-V B 3, Haufe-Index: 921681) niedergelegten Verwaltungsanweisung, wonach die Tarifermäßigung nur dann zu versagen ist, wenn der Arbeitnehmer die Aktien aufgrund eines einheitlichen Optionsrechts in mehr als zwei Kalenderjahren erwirbt, nicht gefolgt werden. Die darin enthaltene Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 21. März 1975 (VI R 55/73, BFHE 115, 366, BStBl II 1975, 690) ist jedenfalls für das Streitjahr nicht einschlägig, da dieses Urteil auf der Grundlage der bis einschließlich 1989 geltenden Fassung des § 34 Abs. 3 EStG ergangen ist, die eine Verteilung der außerordentlichen Einkünfte (einschließlich der Durchführung von Schattenveranlagungen) auf maximal drei der Jahre vorsah, in denen diese erzielt worden waren. Mit dem Wegfall dieser Regelung ab 1990 und der Einführung eines Mischtarifs (vgl. hierzu Borggreve in Littmann/Bitz/Pust, Komm. zum EStG, § 34 Rz 61) durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093) und der nochmaligen Änderung der Vorschrift ab 1999 (sog. Fünftelungsregelung in § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG) durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) ist der vom BFH damals herangezogene Vergleich der ehemaligen Dreijahresfrist mit der Anzahl der Zuflussjahre obsolet geworden.

Hinzu kommt, dass nach der früheren Rechtsprechung eine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit allenfalls dann steuerbegünstigt war, wenn sie dem Steuerpflichtigen aufgrund einer einheitlichen Entscheidung in zwei aufeinander folgenden Veranlagungszeiträumen zufloss (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 1966 VI 381/65, BFHE 86, 760, BStBl III 1967, 2). Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall ebenfalls nicht vor.

Die Kostentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, weil in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - noch nicht abschließend geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen Einkünfte aus der Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit als außerordentliche Einkünfte i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung zu beurteilen sind.

Ende der Entscheidung

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