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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.06.2007
Aktenzeichen: 1 K 621/05
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
EStG § 12 Nr. 1 S. 1
EStG § 52 Abs. 23b
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

1 K 621/05

In der Streitsache

hat der 1. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger Aufwendungen für eine Zweitwohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung in voller Höhe als Sonderbetriebsausgaben abziehen darf.

Die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit im Rahmen der beigeladenen Rechtsanwaltssozietät werden für das Streitjahr 2001 beim Beklagten - dem Finanzamt (FA) - einheitlich und gesondert festgestellt. Im Rahmen des Gewinnfeststellungsverfahrens erklärte die Beigeladene Sonderbetriebsausgaben des Klägers - Mehraufwand wegen doppelter Haushaltsführung - in Höhe von 33.816 DM. Die geltend gemachten Aufwendungen setzen sich wie folgt zusammen: DM Miete Stadtwohnung 10 Monate je 2.921 DM 29.210 Miete 2 Monate je 3.621 DM 7.242 Reinigung -Haushaltshilfe 12 Monate je 400 DM 4.800 Familienheimfahrten Gewinnzurechnung -11.076 abzugsfähig 3.640 33.816 Das FA erkannte die Familienheimfahrten an, von den Mietaufwendungen für die 120 qm große Wohnung in München und den Aufwendungen für die Haushaltshilfe berücksichtigte es jedoch nur die Hälfte. Der Einspruch des Klägers blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 13. Januar 2005 ohne Erfolg. Das FA begründete seine Entscheidung damit, dass die Aufwendungen nur in der anerkannten Höhe - dem Aufwand für eine 60-qm-Wohnung - notwendig bzw. angemessen seien. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die EE verwiesen.

Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, das Gesetz sehe zwar in § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - also bei den Werbungskosten - die Prüfung der "Notwendigkeit" vor, in § 4 Abs. 4 EStG - also bei den Betriebsausgaben - werde der Begriff jedoch nicht verwendet. Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Notwendigkeit der Aufwendungen auch bei Betriebsausgaben als Tatbestandsvoraussetzung zu prüfen ist, sei die Entscheidung über die Notwendigkeit oder Angemessenheit anhand der Wohnungsgröße - insbesondere die Festlegung des FA auf 60 qm willkürlich. Sie sei nicht durch nachvollziehbare Kriterien begründbar. Es sei nicht einzusehen, weshalb die "Erforderlichkeit" mit 60 qm und nicht mit weniger zu bemessen sei.

Faktisch würde im Rahmen einer doppelten Haushaltführung auch ein möbliertes Zimmer ("Studentenbude") bzw. jede überdachte Unterkunft genügen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit 2001 der A Gesellschaft bürgerlichen Rechts vom 13. November 2003 und der EE vom 13. Januar 2005 die Einkünfte des Klägers um zusätzliche Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 20.626 DM (= 10.545,91 EUR) verringert festzusetzen.

Das FA beantragt

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die EE.

Die Rechtsanwaltsgesellschaft wurde mit Beschluss vom 11. Juni 2007 gem. § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig beigeladen. Sie hat keine eigenen Anträge gestellt.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2007 wird Bezug genommen; ebenso auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten im Einspruchs- und Klageverfahren.

II.

Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat zu Recht die geltend gemachten Aufwendungen nur zu einem Teil steuerlich berücksichtigt.

1. Unter den Beteiligten ist unstreitig, dass dem Grunde nach eine doppelte Haushaltführung anzuerkennen ist, weshalb sich das Gericht auf die Frage der aus rechtlichen Gründen steuermindernd zu berücksichtigenden Höhe der Aufwendungen für Wohnung und Reinigung beschränken kann.

2. Ausgaben für den Haushalt gehören grundsätzlich zu den steuerlich nicht abziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 1 EStG). Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG kann der Steuerpflichtige allerdings im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung auch Kosten für eine Unterkunft am Beschäftigungsort als Werbungskosten steuerlich geltend machen. Diese müssen jedoch ihrem Umfang nach notwendig sein. Die zeitliche Begrenzung auf zwei Jahre ist mit der Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003, BGBl. I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710, weggefallen. Diese Fassung ist auf den hier zu entscheidenden Fall nach § 52 Abs. 23b EStG i.d.F. des StÄndG 2003, jetzt Abs. 23d der Vorschrift, anzuwenden.

Nach allgemeiner Meinung sind unter entsprechenden Voraussetzungen solche Aufwendungen bei den Gewinneinkunftsarten als Betriebsausgaben abzugsfähig (vgl. BFH- Urteil vom 16. Dezember 2004 IV R 8/04, BFHE 209, 73, BStBl II 2005, 475, m.w.N.). Die Voraussetzungen für einen Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten entsprechen einander, insbesondere ist auch bei Betriebsausgaben der Abzug von Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren, insoweit nicht möglich, als sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind (§ 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG).

Notwendig sind die Kosten für eine Unterkunft insbesondere dann nicht, wenn die Größe der Zweitwohnung den für eine Einzelperson erforderlichen Wohnraum deutlich übersteigt (BFH- Urteil vom 16. März 1979 VI R 126/78, BFHE 127, 393, BStBl II 1979, 473; BFH-Urteil vom 27. Juli 1995 VI R 32/95, BFHE 178, 348, BStBl II 1995, 841; Urteil des Finanzgerichts -FG Rheinland- Pfalz vom 15. Februar 1995 1 K 1672/94, Juris; Urteil des FG Köln vom 14. Mai 1997 2 K 4711/95, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG -1997, 1108). Als höchstens erforderlich erachteten die Finanzgerichte grundsätzlich eine Wohnfläche von 60 qm und eine Miete zum Mittelwert des unteren Mietpreisgefüges, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist (Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 15. Februar 1995 1 K 1672/94, Juris; Urteil des FG Düsseldorf vom 17. Februar 2004 17 K 6386/02 E, EFG 2005, 1758; Urteil des Hess.

Finanzgerichts vom 25. August 2005, 13 K 11/05, EFG 2006, 1750; Urteil des FG Köln vom 14. Mai 1997 2 K 4711/95, EFG 1997, 1108; etwas großzügiger: FG München, Urteil des 8. Senats vom 29. Dezember 2003 8 K 4428/00, EFG 2005, 1677).

3. Der erkennende Senat schließt sich der nahezu einhelligen Ansicht der Finanzgerichte an.

Danach scheidet im Streitfall der Abzug weiterer Aufwendungen über den vom FA anerkannten Betrag hinaus aus.

Eine Wohnfläche von 60 qm ist für eine Einzelperson als ausreichend zu beurteilen. Diese Grundfläche entspricht einer typischen mittleren 2-Zi-Wohnung in München, so dass bei einer derartigen Fläche das allgemeine Bedürfnis nach einer Trennung von Wohn- und Schlafzimmer befriedigt werden kann.

Das FA hat von den geltend gemachten 36.453 DM die Hälfte, also 18.226 DM anerkannt.

Dies entspricht einer monatlichen Miete je qm bei einer angenommenen 60-qm-Wohnung in Höhe von 25,31 DM. Ein solcher Mietzins lag in München im Jahr 2001 selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass kleinere Wohnungen teuerer sind als große, nach eigener Kenntnis des Senats deutlich über dem Mittelwert des unteren Mietpreisgefüges.

Die geltend gemachten Reinigungskosten beziehen sich auf die gesamte Wohnung. Sie sind daher vom Finanzamt auf die Hälfte beschränkt - entsprechend der etwa hälftigen als notwendig anzuerkennenden Fläche - anerkannt worden. Diese Aufteilung im Schätzungswege nach dem Erfahrungssatz, dass Reinigungskosten und zu reinigende Fläche in einem direkten Verhältnis stehen, ist nach dem Vorstehenden nicht zu beanstanden.

Der Einwand des Klägers, die Grenzziehung bei einer fiktiven 60-qm-Wohnung sei willkürlich, trifft nicht zu. Vielmehr ist es Aufgabe der Gerichte, unbestimmte Rechtsbegriffe wie die "Notwendigkeit" von Mehraufwendungen im Einzelfall zu konkretisieren und - besonders im Steuerrecht - auch mit einem Betrag oder Grenzwert zu beziffern. Dies dient auch der Funktion der Justiz, möglichst zu einer Streitvermeidung bei gleichgelagerten Massensachverhalten beizutragen. Darüber hinaus ist gerade das Steuerrecht geprägt von einer starken Typisierung von Sachverhalten, vor allem in Bereichen, in denen die Lebensführung des Steuerpflichtigen besonders betroffen ist. Diese entziehen sich häufig den behördlichen Erkenntnismöglichkeiten und damit auch einer tiefgehend auf den Einzelfall abstellenden Würdigung durch die Finanzbehörde. Dieser notwendigen Typisierung trägt auch die Rechtsprechung Rechnung. Da die Instanzrechtsprechung unter Zugrundelegung nachvollziehbarer sachlicher Gründe mit der 60-qm-Grenze nahezu einheitlich eine solche Typisierung gefunden hat, hält der erkennende Senat es für geraten, sich dieser Grenze anzuschließen, solange nicht besondere Umstände des Einzelfalles eine Abkehr hiervon erfordern.

Aufgrund der Rechtsschutzfunktion des Gerichts ist dieses an einer Verböserung gehindert.

Der Senat braucht daher nicht die Frage zu entscheiden, ob aufgrund der Angemessenheitsprüfung weniger als die Hälfte der Aufwendungen anzusetzen wären, weil die oben errechneten 25,31 DM je qm über dem Mittelwert des unteren Mietpreisgefüges liegen. Aus demselben Grund erübrigt sich die genaue Bestimmung der maßgeblichen Vergleichsmiete.

Das Gericht braucht sich auch nicht näher mit der Frage zu beschäftigen, ob ein steuerlich zu berücksichtigendes Führen eines doppelten Haushalts dem Grunde nach vorliegt. Diese Frage ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sollte ein doppelter Haushalt dem Grunde nach nicht zu bejahen sein, wäre das Gericht aufgrund seiner Rechtsschutzfunktion an einer Verböserung gehindert.

4. Die Revision wird zugelassen, weil die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Zwar hat die Instanzrechtsprechung nahzu einheitlich die 60-qm-Grenze angewandt, jedoch hat der BFH diese Grenze noch nicht ausdrücklich bestätigt. Auch hat der 8. Senat des FG München (vgl. o. a. Urteil) etwas andere Kriterien für die Bestimmung der notwendigen Mehraufwendungen herangezogen. Da in drei Fällen entweder die Revision durch das Finanzgericht zugelassen und eingelegt worden ist oder Nichtzulassungsbeschwerden zur Anhängigkeit beim BFH geführt habe (vgl. anhängige BFH-Verfahren VI R 23/05, VI R 10/06, VI R 24/05), sprechen auch Gründe der Rechtsschutzgewährung dafür, dem Kläger die Möglichkeit einer Revision nicht abzuschneiden. Schließlich erhält der BFH auch die Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern, ob die 60-qm-Grenze für eine Einpersonen-Zweitwohnung die Grenze der "Notwendigkeit" markiert, wie es die bisherige Instanzrechtsprechung nahezu einhellig vertritt, oder ob unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Zweitwohnung am Beschäftigungsort gegenüber der Hauptwohnung nach der bisherigen Rechtsprechung deutlich untergeordnet sein muss und im Sozialhilferecht die angemessene Wohnungsgröße für einen Einpersonen-Haupthaushalt bei 45 qm angenommen wird, die Grenzziehung nicht unterhalb der 60-qm-Grenze erfolgen müsste.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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