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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Gerichtsbescheid verkündet am 01.07.2008
Aktenzeichen: 10 K 1639/06
Rechtsgebiete: AStG


Vorschriften:

AStG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 1639/06

Gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1999 und 2000 Gewerbesteuermessbetrag 1999 und 2000

In der Streitsache

...

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 01. Juli 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Abänderung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1999 und 2000 jeweils vom 03. Mai 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. März 2006 werden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1999 auf ... EUR und für 2000 auf ... EUR herabgesetzt.

2. Unter Abänderung der Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 1999 und 2000 jeweils vom 12. Mai 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. März 2006 wird der Gewerbesteuermessbetrag für 1999 auf ... EUR sowie für 2000 auf ... EUR herabgesetzt.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist die Zurechnung von fiktiven Zinseinnahmen aufgrund unentgeltlicher Darlehensvergabe an ausländische Gesellschaften.

I. Die Klägerin erzielt in der Rechtsform einer GmbH und Co.KG gewerbliche Einkünfte. Gegenstand des Unternehmens ist die Projektierung, die Herstellung, der Vertrieb, die Instandsetzung und der Handel von ... Die Klägerin ist u.a. alleinige Anteilseignerin der XHolding GmbH. Die X-Holding GmbH ist wiederum u.a. alleinige Anteilseignerin der Auslandsgesellschaften X-Canada Inc. sowie X-S.A.Ltd., Südafrika. Die Enkelgesellschaften X-Canada und X-Südafrika waren nur mit einem sehr geringen Eigenkapital ausgestattet, das nicht ausreichte, um selbst als Marktteilnehmer aufzutreten. Die Gesellschaften waren auf die Zuwendung von Mitteln der Klägerin angewiesen, um ihrer Geschäftstätigkeit nachzugehen. Daher stellte die Klägerin ihren Enkelgesellschaften in den Jahren 1999 und 2000 zinslose Lieferkredite zur Verfügung. Eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung mit Prüfung der Auslandsbeziehungen (vgl. Bericht vom 20.02.2004 sowie Teilbericht über die Prüfung der Auslandsbeziehungen vom 18.12.2003) kam zu dem - unbestrittenen - Ergebnis, dass es sich bei den von der Klägerin ihren Enkelgesellschaften in den Jahren 1999 und 2000 zinslos gewährten Lieferkrediten um Darlehen handle, die aufgrund des nicht ausreichenden Eigenkapitals gewährt wurden. Nach den Feststellungen des Auslandsprüfers war die X-Canada während der Jahre 1999 bis 2001 durchgängig überschuldet, die X-Südafrika hatte bei einem Gesellschaftskapital von rund 25 DM bereits 748.000 DM Verluste bis zum Ende des Prüfungszeitraums erzielt und war ebenfalls überschuldet. Bezüglich der zinslosen Überlassung der Lieferkredite an X-Canada und X-Südafrika (soweit nicht eine verdeckte Einlage angenommen wurde) vertrat der Auslandsprüfer die Auffassung, dass es sich um eine Vorteilsgewährung im Sinne von § 1 Außensteuergesetz (AStG) handle. Den Vorteil setzte er - unbestritten - mit 4 Prozent p.a. eines im Prüfungsbericht näher dargelegten Mittelwert der Lieferkredite an und errechnete so für das Jahr 1999 ... DM und für das Jahr 2000 ... DM Zuschlagsbeträge nach § 1 Abs. 1 AStG.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte mit zusammengefasstem Feststellungsbescheid vom 03. Mai 2004 für die Streitjahre die Einkünfte aus Gewerbebetrieb entsprechend höher an. Mit Bescheiden vom 12. Mai 2004 wurden auch die Gewerbesteuermessbeträge für 1999 und 2000 entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung heraufgesetzt.

Die Einsprüche blieben erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 16. März 2006). Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage wird im Wesentlichen vorgetragen: Die zinslose Gewährung der Lieferkredite durch die Klägerin und ihre Enkelgesellschaften stellten keine Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Abs. 1 und Abs. 4 AStG dar. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AStG seien nur erfüllt, wenn die von der Klägerin unverzinslich gewährten Lieferkredite als eine selbständige Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 1 AStG zu beurteilen seien. Bereits mit Urteil vom 30. Mai 1990 (BStBl II 1990, 875) habe aber der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 1 AStG nicht vorliege, wenn eine deutsche Muttergesellschaft ihrer ausländischen Tochtergesellschaft ein zinsloses Darlehen gewähre, wenn die Zuführung von Eigenkapital anzunehmen sei. Hieran anknüpfend habe der BFH in einem neueren Urteil vom 29. November 2000 (BStBl II 2002, 729 ) entschieden, dass eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 1 AStG nicht nur bei Vorliegen von Eigenkapitalersatz zu verneinen sei, sondern auch dann, wenn die begünstigte Gesellschaft mangels ausreichender Eigenkapitalausstattung ohne die - in diesem Fall vorliegende - Garantieerklärung ihre konzerninterne Funktion nicht erfüllen könne. Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 AStG sei es nämlich, bei einem grenzüberschreitenden Leistungsaustausch zwischen nahestehenden Personen, dessen Bedingungen einem Fremdvergleich nicht standhielten, den steuerlichen Ansatz eines angemessenen Entgelts zu ermöglichen. § 1 Abs. 1 AStG wolle jedoch nicht darüber hinaus diejenigen Vorgänge erfassen, die nicht als Leistungsaustausch zu qualifizieren, sondern im privaten Bereich oder im Gesellschaftsverhältnis veranlasst seien. Hierzu gehöre nicht nur die Ausstattung einer Gesellschaft mit Eigenkapital. Vielmehr müsse dasselbe gelten, wenn der Gesellschafter die Gewährung von Eigenkapital durch die Übernahme von Verpflichtungen zugunsten der Gesellschaft ersetze. Diese Fallgestaltung läge auch hier vor. Die Gewährung zinsloser Lieferkredite sei allein deshalb erforderlich gewesen, weil die Enkelgesellschaften andernfalls ihren Geschäftsbetrieb nicht hätten fortsetzen können. Im Fall der X-Südafrika habe ausweislich der Feststellungen der Auslandsprüfung eine Überschuldung vorgelegen. Auch XCanada sei während des Prüfungszeitraums durchgängig überschuldet gewesen. Die Gewährung zinsloser Lieferkredite sei erforderlich gewesen, um die Geschäftstätigkeit fortzusetzen. Ferner habe es der zinslosen Lieferkredite nur deshalb bedurft, weil die Enkelgesellschaften nicht mit einem ihrer Rolle entsprechenden Eigenkapital ausgestattet gewesen seien. Im Ergebnis sei durch die Darlehensgewährung durch die Klägerin eine funktionsgerechte Eigenkapitalausstattung der Enkelgesellschaften ersetzt worden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 19. April, 10. Juli sowie 20. September 2006 verwiesen.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1999 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um ... DM niedriger, somit auf ... DM herabgesetzt werden.

2. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2000 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um ... DM niedriger, somit auf... DM herabgesetzt werden.

3. Der Bescheid für 1999 über den Gewerbesteuermessbetrag wird dahingehend geändert, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um ... DM, somit auf ... DM herabgesetzt wird und der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend niedriger festgesetzt wird.

4. Der Bescheid für 2000 über den Gewerbesteuermessbetrag wird dahingehend geändert, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um ... DM, somit auf ... DM herabgesetzt wird und der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend niedriger festgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

Zulassung der Revision.

Zur Begründung wird im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung ausgeführt: Für das Bestehen einer Geschäftsbeziehung als solcher komme es nach § 1 Abs. 1 AStG nicht darauf an, ob sie betrieblich oder gesellschaftsrechtlich veranlasst sei, welche betrieblichen oder gesellschaftlichen Interessen ihr also zugrunde lägen. Schuldrechtliche Beziehungen des wesentlich beteiligten Gesellschafters zu der Gesellschaft verlören deshalb ihre Eigenschaft als Geschäftsbeziehungen nicht dadurch, dass sie betriebswirtschaftlich einen Eigenkapital ersetzenden Zweck verfolgten. Wortlaut, Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 AStG schlössen es aus, seinen Anwendungsbereich durch das für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung oder verdeckten Einlage vorausgesetzte Merkmal der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung einzuschränken. Außerdem sei das BFH-Urteil vom 29.11.2000 (a.a.O.) noch zur Rechtslage vor der Einführung des § 1 Abs. 4 AStG ergangen. Die durch die Vorschrift eingeführte Definition habe den Begriff der Geschäftsbeziehung erweitert, nachdem der BFH private Darlehen eines wesentlich beteiligten Gesellschafters an eine Kapitalgesellschaft vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AStG ausgeschlossen habe. Außerdem habe der Gesetz6 geber im StVergAbG vom 16.05.2003 § 1 Abs. 4 AStG erneut geändert und darin den Begriff der Geschäftsbeziehungen nochmals klarer definiert.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Finanzamts wird auf die Schriftsätze vom 09.06. und 07.08.2006 verwiesen.

II. Die Klage ist begründet.

1. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit bei der Berechnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb Zuschlagsbeträge nach § 1 AStG berücksichtigt wurden.

Nach § 1 AStG sind, wenn ein Steuerpflichtiger Geschäftsbeziehungen zum Ausland unterhält, seine Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen für Zwecke der Besteuerung abweichend von der tatsächlich angefallenen Höhe anzusetzen. Voraussetzung für die von der Vorschrift angeordnete Berichtigung der Einkünfte ist, dass es sich um ein Verhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen, hier der Klägerin, auf die § 1 AStG anzuwenden ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. Mai 1990 I R 97/88, BStBl II 1990, 875) und ihr nahestehenden Personen (§ 1 Abs. 2 AStG), hier der X-Canada und der X-Südafrika, bei denen in den Streitjahren die X-Holding GmbH alleinige Anteilseignerin war, geht. Dabei muss dieses Verhältnis als "Geschäftsbeziehung" qualifiziert werden können (vgl. BFHUrteil vom 29. November 2000 I R 85/99, BStBl II 2002, 720 m.w.H.). Gemäß § 1 Abs. 4 AStG, in der in den Streitjahren geltenden Fassung, liegen Geschäftsbeziehungen vor, wenn die den Einkünften zugrunde liegende Beziehung entweder beim inländischen Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf welche die §§ 13, 15, 18, 21 EStG anzuwenden sind oder wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 1 AStG schließt sich das Gericht der Rechtsprechung des BFH vor Einführung des § 1 Abs. 4 AStG an (gleiche Ansicht: FG Münster, Urteil vom 24. August 2006, 6 K 2655/03 E, EFG 2007, 92; FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 13.03.2007, 6 K 120/05, EFG 2007, 1314 und FG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2008, 17 K 894/05 E, Haufe/Index 1979321). Danach soll § 1 AStG bei einem grenzüberschreitenden Leistungsaustauschs zwischen nahestehenden Personen, dessen Bedingungen einem Fremdvergleich nicht standhalten, den steuerlichen Ansatz eines angemessenen Entgelts ermöglichen. Die Vorschrift will jedoch nicht darüber hinaus diejenigen Vorgänge erfassen, die nicht als Leistungsaustausch zu qualifizieren sind, sondern im privaten Bereich oder im Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Zu denjenigen Vorgängen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, gehört nicht nur die Ausstattung einer Gesellschaft mit Eigenkapital. Dasselbe muss gelten, wenn die Gesellschafter die Gewährung von Eigenkapital durch die Übernahme von Verpflichtungen zugunsten der Gesellschaft ersetzen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Gesellschaft eine für ihren Geschäftszweck ausreichende Kapitalausstattung erhält oder ob der Gesellschafter sie nur mit unzureichendem Eigenkapital ausstattet, zum Ausgleich hierfür aber die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft durch unentgeltliche wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen ermöglicht. Auch dann handelt er nicht als Partner eines Austauschverhältnisses, sondern nur in seiner Eigenschaft als Gesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2000, a.a.O.). Eine derartige Situation ist nach übereinstimmender Meinung der Beteiligten auch im Streitfall gegeben. Denn der Gewährung der zinslosen Lieferkredite bedurfte es deshalb, weil die Enkelgesellschaften nicht mit einem ihrer Rolle entsprechenden Eigenkapital ausgestattet worden waren. Durch die Darlehensgewährungen ersetzte die Klägerin eine funktionsgerechte Eigenkapitalausstattung der Enkelgesellschaften. Das schließt die Annahme einer "Geschäftsbeziehung", und damit die Anwendung des § 1 AStG auf die Kreditgewährung aus.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 90 a Abs. 3, 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

Es erscheint sachgerecht, durch Gerichtsbescheid (§ 90 a FGO) zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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