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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: 10 K 1965/06
Rechtsgebiete: GewStG, EStG


Vorschriften:

GewStG § 2 Abs. 5
GewStG § 10a
EStG § 15 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[....]

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob der bis zum 31. Dezember 1997 bei der K-KG entstandene gewerbesteuerliche Verlustvortrag bei der Klägerin - einer KG - berücksichtigt werden kann.

Die K-KG bestand aus X als alleinigem Kommanditisten und der K-GmbH als Komplementärin, die nicht am Vermögen der K-KG beteiligt war. Mit Einbringungs- und Ausscheidensvertrag vom 22. Dezember 1997 ... trat der alleinige Kommanditist X seinen Kommanditanteil an der K-KG mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.1997 an die T-KG ab; ebenfalls mit Ablauf des 31.12.1997 trat die Komplementärin der K-KG aus der K-KG aus. Die T-KG bestand aus X als alleinigem Kommanditisten und der Y-GmbH als Komplementärin, die nicht am Vermögen der T-KG beteiligt war.

Mit Verschmelzungsvertrag vom 10. August 2001 und Beschlüssen der Gesellschafterversammlungen vom selben Tag ... wurde die T-KG mit der Klägerin verschmolzen.

Aufgrund der Feststellungen einer Außenprüfung bei der (vormaligen) T-KG erließ das beklagte Finanzamt (FA) einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid ... über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1997 ... . Mit dem Bescheid setzte das FA den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1997 auf ... EUR (= ... DM) fest. Dabei ging es davon aus, dass der bis zum 31.12.1997 bei der K-KG entstandene gewerbesteuerliche Verlustvortrag in Höhe von ... DM durch die Klägerin nicht genutzt werden könne.

Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom ... als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Berücksichtigung des übernommenen Gewerbeverlustes.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Gemäß § 10a Satz 1 Gewerbesteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) wird der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen (§ 10a Satz 2 GewStG).

Den Verlustabzug kann der Unternehmer nur für solche Fehlbeträge in Anspruch nehmen, die früher in demselben Gewerbebetrieb bei ihm als Unternehmer des Betriebs entstanden sind; der Steuerpflichtige muss danach sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbeertrags Unternehmensinhaber gewesen sein (Erfordernis der Unternehmeridentität, ständige Rechtsprechung, grundlegend Bundesfinanzhof -BFH-Beschluss vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BStBl II 1993, 616 m.w.N.; vgl. auch Abschn. 68 Abs. 1 GewStR 1998).

Bei Personengesellschaften und anderen Mitunternehmerschaften sind Träger des Rechts auf den Verlustabzug die einzelnen Mitunternehmer; daher führt das Ausscheiden eines Gesellschafters in dem Umfang zu einem Untergang von Fehlbeträgen, in dem der Gewerbeverlust im Entstehungsjahr auf den ausscheidenden Gesellschafter entfiel (ständige Rechtsprechung, grundlegend BFH-Beschluss vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BStBl II 1993, 616 m.w.N.; ebenso Abschn. 68 Abs. 3 GewStR 1998).

Ein schädlicher Gesellschafterwechsel liegt auch vor, wenn ein Gesellschafter seine unmittelbare Beteiligung aufgibt und mittelbar über eine Obergesellschaft beteiligt bleibt, denn bei der Beteiligung einer Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) sind nicht die Gesellschafter der Obergesellschaft, sondern ist die Obergesellschaft als solche Gesellschafterin der Untergesellschaft (BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 VIII R 41/95, BStBl II 1997, 179 m.w.N.).

2. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist im Streitfall der begehrte Verlustabzug nicht zu gewähren.

Denn der Kommanditist X war zwar zu 100 v.H. am Vermögen, Gewinn und Verlust der KKG beteiligt, so dass der auf den 31.12.1997 festgestellte Fehlbetrag zu 100 v.H. auf ihn entfiel. Mit dem Ausscheiden des Kommanditisten X aus der K-KG kann jedoch auch der bereits festgestellte Fehlbetrag in vollem Umfang nicht mehr mit späteren Gewinnen verrechnet werden.

a) Bei der Übereignung der Anteile an einer Personengesellschaft wird das Mitgliedschaftsrecht als ein "Bündel" von Rechten und Pflichten übertragen, ohne dass dazu zivilrechtlich Einzelübertragungsakte erforderlich sind (§§ 398, 413 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-; BFH-Urteil vom 14. Dezember 1995 II R 79/94, BStBl II 1996, 546). Durch die Abtretung des allein von X zu 100% gehaltenen Kommanditanteils an die T-KG erlangt die T-KG als Kommanditistin (statt des ausgeschiedenen X) die Mitgliedschaftsrechte an der K-KG.

b) Die T-KG war für eine logische Sekunde Kommanditistin an der K-KG.

Denn würde - wie die Klägerin meint - gleichzeitig mit der Übertragung des Kommanditanteils die Komplementär-GmbH aus der K-KG ausscheiden, würde die KG von allein in sich zusammenfallen und die KG ohne Liquidation erlöschen (Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 12 I 4. b). Dann aber existierte die K-KG, deren Kommanditanteil übertragen werden soll, nicht mehr. Um das von den Vertragsparteien gewünschte Ergebnis - die Übertragung des Kommanditanteils als Mitgliedsrecht an einer bestehenden Gesellschaft - zu erreichen, musste daher die K-KG für eine logische Sekunde mit der T-KG als neuer Kommanditistin weiter bestehen. Erst nach Übergang der Mitgliedsrechte konnte dann - ohne Gefährdung des gewollten Ergebnisses - das Ausscheiden der Komplementär-GmbH (und damit das Erlöschen der KG) erfolgen.

An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass lediglich der Kommanditist der KKG an dem Vermögen der K-KG beteiligt war, nicht jedoch die K-GmbH. Denn sowohl Vermögens- wie Kapitalanteile drücken lediglich die vermögensmäßige Beteiligung an der K-KG aus, während der Gesellschaftsanteil - unabhängig von der vermögensmäßigen Beteiligung - die Mitgliedschaft an der Gesamthands-Personengesellschaft ausdrückt (vgl. Schmidt in Gesellschaftsrecht, § 47 III 1.).

Der streitige Sachverhalt ist insoweit nicht vergleichbar mit der gleichzeitigen Einbringung aller Anteile an einer GbR in eine KG (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 27. Januar 1994 IV R 137/91, BStBl II 1994, 477).

c) Auch wenn X an der T-KG wiederum alleiniger Kommanditist war, kann dennoch der begehrte Verlustabzug nicht gewährt werden.

Bleibt ein ausgeschiedener Gesellschafter an der Gesellschaft mittelbar über eine Obergesellschaft beteiligt (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG), so beschränkt sich der gewerbesteuerliche Verlustvortrag auf diejenigen Verluste der vorangegangenen Erhebungszeiträume, die im Sonderbetriebsvermögensbereich des ausgeschiedenen Gesellschafters entstanden sind (BFH-Urteil vom 6. September 2000 IV R 69/99, BStBl II 2001, 731). Dafür gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte.

d) Der untergegangene Verlustvortrag lebte nicht wieder auf, als innerhalb einer weiteren logischen Sekunde die K-GmbH aus der K-KG ausschied und das Gesellschaftsvermögen der (neuen Kommanditistin) T-KG anwuchs, an der X wiederum alleiniger Kommanditist war.

aa) Zwar wuchs infolge des Ausscheidens der K-GmbH als vorletzter Gesellschafterin einer Personengesellschaft das Gesellschaftsvermögen ohne Liquidation der T-KG als Alleinübernehmerin ohne besondere Übertragungsakte an (h.M., vgl. z.B. Orth in DStR 1999, 1012 mit Rechtsprechungs- und Literaturübersicht). Insoweit trat durch Anwachsung wieder eine Änderung in der rechtlichen Zuordnung des Vermögens bzw. eine Änderung der Rechtszuständigkeit ein, weswegen mit dem Übergang des Unternehmens auch ein Wechsel des Rechtsträgers stattfand.

Nach der Anwachsung bei der T-KG war alleiniger Rechtsträger des vormaligen Kapitals der K-KG wiederum X als alleiniger Kommanditist. X war damit sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbeertrags Mitunternehmer.

bb) Der (bereits) untergegangene Verlustvortrag lebte jedoch nicht wieder auf.

Die Formulierung des Erfordernisses, wonach der Steuerpflichtige sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des positiven Gewerbeertrags Unternehmensinhaber gewesen sein muss - mithin das Erfordernis der Unternehmeridentität - ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz: denn nach § 10a Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 1 GewStG entfällt der Verlustvortrag, wenn der Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht. Der Wortlaut dieser Regelung geht damit von einem "Wegfall" des Verlustvortrages aus, wodurch impliziert wird, dass der Verlustvortrag nicht - jedenfalls nicht ohne gesetzliche Regelung - wieder aufleben kann.

Dieses nach dem Wortlaut ermittelte Ergebnis wird zudem gestützt von der Regelung in § 2 Abs. 5 GewStG, wonach der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt gilt, wenn er im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht. Hierzu hat auch der BFH formuliert, dass sich der Gesetzgeber eindeutig dazu entschlossen habe, den Verlustabzug beim Unternehmerwechsel untergehen zu lassen (BFH-Beschluss vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BStBl II 1993, 616 [Rz. 85 gegen Ende]). In den Fällen des partiellen Unternehmerwechsels - wie im Streitfall - kommt es zwar nicht zu einem Übergang des Unternehmens im Ganzen. Es gehen jedoch ideelle Anteile am gesamten (ganzen) Betrieb über. Diese Vorgänge sind hinsichtlich ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Qualität miteinander verwandt und müssen im Interesse der gebotenen Gleichbehandlung nach einem einheitlichen Prinzip gehandhabt werden. Deshalb ist das Gesetz dahin auszulegen, dass für Zwecke des gewerbesteuerlichen Verlustabzugs der partielle Unternehmerwechsel dem totalen Unternehmerwechsel im Grundsatz gleichzustellen ist, auch wenn im Fall des bloßen Gesellschafterwechsels bei einer fortbestehenden Personengesellschaft die in § 2 Abs.5 GewStG angeordnete weitere Rechtsfolge, dass nämlich der Betrieb als eingestellt gilt und dass deshalb gesonderte Messbescheide für das als eingestellt geltende und das als neugegründet anzusehende Unternehmen ergehen, nicht eintritt (BFH-Beschluss vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BStBl II 1993, 616 [Rz. 92]).

Dass im Hinblick auf den Verlustvortrag dem Rechtsträgerwechsel die entscheidenden Rechtsfolgen zugemessen werden, auch wenn der Mitunternehmer weiterhin am Unternehmen beteiligt bleibt, nimmt die Rechtsprechung im Übrigen in Kauf. Dies ergibt sich z.B. aus der Entscheidung des BFH, wonach ein schädlicher Gesellschafterwechsel auch vorliegt, wenn ein Gesellschafter seine unmittelbare Beteiligung aufgibt und mittelbar über eine Obergesellschaft beteiligt bleibt (BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 VIII R 41/95, BStBl II 1997, 179 m.w.N.). Dies gilt entsprechend für eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft (BFH-Urteil vom 29. August 2000 VIII R 1/00, BStBl II 2001, 114).

cc) Anhaltspunkte, die dafür sprächen, den - wenn auch nur für eine logische Sekunde andauernden - Rechtsträgerwechsel außer acht zu lassen, sind nicht ersichtlich.

Vielmehr entspricht es einhelliger Ansicht, dass der Verlustvortrag weder für sich genommen noch in Verbindung mit der die Verluste verursachenden Einkunftsquelle (z.B. Betrieb) durch Rechtsgeschäft übertragen werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFH/NV 2008, 651). Auch aus den für einen interperiodischen Verlustausgleich sprechenden Grundsätzen können keine Anhaltspunkte für einen interpersonellen Verlustausgleich gewonnen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFH/NV 2008, 651).

e) Die Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.

Das Argument der Klägerin, der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt sei zu Grunde zu legen, kann im Streitfall nicht dazu führen, dass von einer Vertragsgestaltung ausgegangen wird, die unter gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten - wie dargestellt - nicht verwirklicht werden konnte. Da im Streitfall die "logische oder juristische Sekunde" den Wechsel der Rechtsträgerschaft betraf, ist sie - anders als bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen - insoweit nicht eine lediglich technisch wirkende Vereinbarung, die das tatsächliche Geschehen unberührt lässt (so BFH-Urteil vom 11. August 2004 I R 89/03, BStBl II 2004, 1080 für das Problem der "Ausschließlichkeit" einer begünstigten Tätigkeit § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG).

Der von der Klägerin geschilderte - angeblich dem Streitfall zu Grunde liegende - Sachverhalt der Einbringung des Betriebs einer Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft mit identischen Gesellschaftern sowohl bei der eingebrachten wie bei der aufnehmenden Gesellschaft war nicht Gegenstand der Vertragsgestaltung. Insoweit ist jedoch - wie von der Klägerin gefordert - der privatautonom vereinbarten eindeutigen Regelung (in der rechtlich möglichen Form) Geltung zu verschaffen.

Zudem spricht die Möglichkeit, dass der Kommanditist der K-KG mit der Vertragsgestaltung ggf. Haftungsrisiken vermeiden wollte, dagegen, die gewählte Vertragsgestaltung entgegen der Formulierung und nach rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise allein nach dem Gesichtspunkt auszulegen, wie der gewerbesteuerliche Verlustvortrag für die Klägerin nutzbar gemacht werden kann.

Der Hinweis auf die nicht unterbrochene wirtschaftliche Verfügungsmacht des X über den Verlustvortrag gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO geht fehl. Weder ist der Verlustvortrag ein Wirtschaftsgut i.S. dieser Vorschrift (vgl. zum einkommensteuerrechtlichen Verlustvortrag BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, DStR 2008, 545), noch kann die gewählte Rechtsform der (Ein-Mann-) KG nach Belieben entweder juristische Geltung haben oder wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterliegen.

Ende der Entscheidung

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