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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 10 K 463/06
Rechtsgebiete: EigZulG, II. WoBauG


Vorschriften:

EigZulG § 2 Abs. 1 S. 1
EigZulG § 9 Abs. 2 S. 1
II. WoBauG § 17 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

10 K 463/06

Eigenheimzulage ab 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 10. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob den Klägern die Eigenheimzulage für einen Neubau oder nur der niedrigere Betrag für einen Ausbau bzw. eine Erweiterung zusteht.

I. Die Kläger (Kl) sind zu je 1/2 Eigentümer des Anwesens A. Das Gebäude wurde 1976 als Einfamilienhaus hergestellt (Herstellungskosten 228.000 DM) und bestand aus Unter-, Erd- und Dachgeschoss. Die Wohnfläche im Erd- und Untergeschoss betrug 128 qm. Das Dachgeschoss erreichte ursprünglich nur auf einer Breite von ca. 1,5 m eine Raumhöhe von 1,90 m und enthielt keine Wohnräume. Im Jahr 1999 ließen die Kl den Ausbau des Dachgeschosses genehmigen. Im Jahr 2003 begannen sie mit den entsprechenden Baumaßnahmen. Dabei wurde u.a. der Kniestock auf der Straßenseite um über 1 m angehoben, der Dachstuhl verändert, auf beiden Dachgeschossseiten je eine Dachgaube errichtet und Trennwände zur Zimmerabgrenzung eingezogen. Mit dem Umbau wurden 3 Zimmer, Küche und Bad/WC mit insgesamt ca. 64 qm geschaffen. Die Räume sind durch eine Tür vom Treppenhaus getrennt. Die Treppe führt in den Flur der Wohnung der Kl. Von dort besteht direkter Zugang zu den Wohnräumen der Eltern im Erd- und Untergeschoss und zum gemeinsamen Hauseingang.

Die Baukosten beliefen sich nach Angabe der Kl auf 101.005,43 EUR. Zur Zusammensetzung im Einzelnen wird auf die Aufstellung im Klägerschriftsatz vom 23. Januar 2006 Bezug genommen. Die Dachgeschosswohnung wurde nach Angaben der Kl im Antrag auf Eigenheimzulage vom 16. Februar 2004 in 2003 fertig gestellt und wird seit 15. Februar 2004 der Tochter der Kl unentgeltlich zur Nutzung überlassen. Mit Bescheid über Eigenheimzulage vom 05. April 2004 setzte das FA Eigenheimzulage für die Jahre 2004 bis 2010 in Höhe von jährlich 1.278 EUR fest. Der Fördergrundbetrag wurde auf der Basis einer Bemessungsgrundlage von 80.000 EUR und eines hierauf angewandten Prozentsatzes von 2,5 mit 2.000 EUR berechnet und auf den Höchstbetrag von 1.278 EUR beschränkt. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 30. Dezember 2005 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Den Kl stehe eine Eigenheimzulage in Höhe von jährlich 2.556 EUR zu, da sie neuen vollwertigen Wohnraum geschaffen hätten. Es handele sich nicht nur um eine Erweiterung des Altbaus. Das Gebäude sei äußerlich erheblich verändert worden, so dass im Ergebnis nicht nur die bisherige Wohnfläche vergrößert worden sei, sondern vielmehr der Gesamtkomplex ein neues Haus bilde. Der neue Gebäudeteil stelle insbesondere durch die Dachgauben das kennzeichnende Merkmal des Gebäudes dar und gebe dem Haus ein völlig neues Erscheinungsbild. Auch bei einer Gegenüberstellung von ursprünglichen Herstellungskosten und Umbaukosten könne letzteren nicht nur untergeordnete Bedeutung zugemessen werden. Im Ergebnis sei daher von der Herstellung eines neuen Hauses auszugehen.

Die Kl beantragen,

den Bescheid über Eigenheimzulage vom 05. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Dezember 2005 dahingehend abzuändern, dass die Eigenheimzulage ab 2004 auf jährlich 2.556 EUR festgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es im Wesentlichen darauf, dass es sich um einen Ausbau bzw. eine Erweiterung handele, die mit nur 2,5% der Bemessungsgrundlage --höchstens 1.278 EUR- gefördert würden. An einer tief greifenden Umgestaltung oder so weit gehenden Erweiterung, dass die eingefügten Teile dem Gesamtgebäude das Gepräge geben, fehle es. Ebenso seien die verwendeten Altteile wertmäßig nicht nur von untergeordneter Bedeutung. Die ursprünglichen Herstellungskosten müssten unter Berücksichtigung des Baukostenindexes mindestens verdoppelt werden.

Im Übrigen wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze, die Akten und insbesondere die darin befindlichen Grundrisse und Objektfotos Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die Umbaumaßnahmen zu Recht als Ausbau bzw. Erweiterung qualifiziert.

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG in der vorliegend maßgeblichen Fassung beträgt der Fördergrundbetrag für die Herstellung einer im Inland belegenen Wohnung im eigenen Haus jährlich 5 v.H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.556 EUR, für Ausbauten und Erweiterungen dagegen nur 2,5 v.H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 1.278 EUR (§ 2 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 19 Abs. 4, 5 Eig- ZulG). Herstellen einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung (z.B. BFH-Urteile vom 20. November 2003 III R 14/03, BFH/NV 2004, 616;vom 15. Mai 2002 X R 36/99, BFH/NV 2002, 1158;vom 5. Juni 2003 III R 49/01, BFH/NV 2003, 1400). Grundsätzlich kann auch in einem bereits bestehenden Gebäude eine neue Wohnung hergestellt werden, wenn das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird (BFH-Urteil vom 11. September 1996 X R 46/93, BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94).

2. Ob eine Wohnung im Sinne des EigZulG vorhandenen ist, richtet sich nach dem Wohnungsbegriff des Bewertungsrechts. Danach ist eine Wohnung eine Zusammenfassung mehrerer Räume, in denen ein selbständiger Haushalt geführt werden kann; sie müssen nach außen abgeschlossen sein, über einen eigenen Zugang verfügen und es müssen wenigstens ein Bad oder eine Dusche und ein WC sowie eine Küche oder Kochgelegenheit vorhanden sein (BFH-Urteile in BFH/NV 2004, 616 m.w.N., undvom 14. Januar 2004 IX R 82/00, BFH/NV 2004, 777). Die Merkmale der "baulichen Abgeschlossenheit" und des "eigenen Zugangs" dienen grundsätzlich der Beurteilung, ob mehrere Wohnbereiche in einem Gebäude jeweils selbstständige Wohnungen bilden. Fehlt bei einem Gebäude mit zwei Wohnbereichen die bauliche Abgeschlossenheit oder ein eigener Zugang für einen Wohnbereich, liegt nur eine Wohnung vor. Eine Einheit, die für sich gesehen alle für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume aufweist, erfüllt nicht den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff, wenn sie nur durch ein Treppenhaus erreichbar ist, welches (auch) als Verkehrsfläche einer Wohnung dient, die aus den übrigen Räumen des Hauses besteht. Denn gemeinsame Verkehrsflächen stehen der Beurteilung von zwei Wohneinheiten als jeweils selbstständige Wohnung dann entgegen, wenn sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von beiden Wohnbereichen nicht vollständig getrennt sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 777; s.a. BFH-Urteil vom 04. November 2004 III R 13/04, BFH/NV 2005, 671 zum Fall der Schädlichkeit einer Verbindungstür zwischen zwei Wohnbereichen). Die Anwendung der genannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass im Dachgeschoss keine zweite Wohnung hergestellt wurde. Die Dachgeschossräume weisen zwar für sich alle für die Führung eines selbstständigen Haushalts notwendigen Voraussetzungen, insbesondere Mindestgröße, Bad/Dusche, WC und Kochgelegenheit auf. Nach den vorliegenden Grundrissen und Fotos fehlt es jedoch an der baulichen Abgeschlossenheit gegenüber den Wohnräumen im Erdgeschoss und an dem eigenen Eingang. Denn die Dachgeschossräume sind nur über den Flur der Erdgeschossräume erreichbar. Dieser Flur ist keine Gemeinschaftsfläche außerhalb des Wohnbereichs, sondern Teil des Wohnbereichs der Kl. So muss der Flur von den Kl zwangsläufig genutzt werden, wenn sie vom Schlafzimmer in den Wohnraum, das Bad, das WC oder die Wohnräume im Untergeschoss gelangen wollen. Bewohner der Dachgeschossräume gelangen nur über diesen privaten Wohnbereich der Kl zum Ausgang des Gebäudes.

3. Da somit die Baumaßnahmen nicht zu einer neuen Wohnung geführt haben, kommt es darauf an, ob die Baumaßnahmen an der bestehenden Wohnung über einen Ausbau bzw. eine Erweiterung hinausgehen. Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung können nur dann als Herstellung einer Wohnung i.S. des § 2 Abs. 1 EigZulG beurteilt werden, wenn diese Wohnung bautechnisch neu ist (BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565). Die Umgestaltung des umbauten Raums oder die grundlegende Sanierung reicht hierfür nicht aus. Vielmehr müssen die neu eingefügten Gebäudeteile dem Objekt das bautechnische Gepräge geben. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschossdecken und die Dachkonstruktion. Wird hingegen nur einer der für die Nutzungsdauer bestimmenden Gebäudeteile erneuert, so reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude nicht aus (BFH-Urteile vom 17. Juli 2003 III R 48/01 in Juris; und in BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565). Die neu eingefügten Gebäudeteile müssen der entstandenen Wohnung das bautechnische Gepräge geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen. Das kann der Fall sein, wenn der angefallene Bauaufwand zuzüglich des Werts der Eigenleistung nach überschlägiger Berechnung den Wert der Altbausubstanz (Verkehrswert) übersteigt (BFH-Urteil vom 07. Juli 2004, X R 30/03, BFH/NV 2005, 33). Bei diesem Vergleich müssen jedoch typische Erhaltungsaufwendungen außer Betracht bleiben. Nur Aufwendungen, durch welche die verwendete Bausubstanz so tief greifend umgestaltet oder in einem solchen Ausmaß erweitert wird, dass die eingefügten Teile der Wohnung das Gepräge geben, sind dem Wert der Altbausubstanz gegenüberzustellen. Aufwendungen wie z.B. für die Erneuerung von Bodenbelägen, Fenstern und Türen, die Modernisierung der Heizung, die Überholung und Erweiterung der Elektroinstallation, die Badsanierung, Neueindeckung des Daches und der Außenputz müssen deshalb außer Betracht bleiben (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1158). Vorliegend wurde nach der vorgelegten Baukostenaufstellung und den vorgelegten Grundrissen und Schnitten der Umbaumaßnahme im Wesentlichen nur einer der für die Nutzungsdauer bestimmenden Gebäudeteile teilweise erneuert bzw. verändert. Denn die Umbaumaßnahme beschränkte sich --soweit in die statische Gebäudesubstanz eingegriffen wurde--im Kern darauf, dass das Dach einseitig angehoben wurde, indem auf der Nordseite der Kniestock erhöht und die Dachsparren der Südseite verlängert wurden. Ansonsten wurde die vorhandene Gebäudesubstanz weder hinsichtlich der Fundamente, noch hinsichtlich der tragenden Außen- und Innenwände sowie der Geschossdecken verändert.

4. Die neu eingefügten Gebäudeteile geben der umgebauten Wohnung auch nicht das bautechnische Gepräge. Weder wurde das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes durch die einseitige Anhebung des Daches und die Einfügung von Gauben tief greifend verändert noch ist die zusätzliche Wohnfläche für das Gesamtgebäude prägend. Dies ergibt sich bereits aus dem Wohnflächenverhältnis zwischen Bestandswohnfläche (128 qm) und neu geschaffener Wohnfläche (64 qm). Zudem überschreiten auch die Bauaufwendungen, die in die Gebäudesubstanz eingreifen, nach überschlägiger Berechnung den Wert der Altbausubstanz (Verkehrswert) nicht. Denn insoweit wäre nur ein Teil der Holzbauarbeiten, ein Teil der Maurerarbeiten und ein Teil der Planungskosten einzubeziehen. Der Senat geht insoweit von ca. 2/3 der diesbezüglichen Aufwendungen (ca. 50.000 EUR) aus. Selbst wenn man danach von 35.000 EUR Bauaufwand ausgeht, kann dem Verkehrswert des 1976 erbauten Hauses (damalige Baukosten ca. 228.000 DM) keine untergeordnete Bedeutung zugemessen werden; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Erd- und Untergeschosswohnräume in Ihrer Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigt waren und von den Umbaumaßnahmen nicht berührt wurden.

5. Die von den Kl durchgeführten Baumaßnahmen sind als typische Ausbau- bzw. Erweiterungsmaßnahmen an einem Gebäude zu qualifizieren. Zur Auslegung der Begriffe Ausbau und Erweiterung sind die Begriffsbestimmungen in § 17 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (BFH-Urteile vom 14. Mai 2003 X R 32/00, BFH/NV 2003, 1178, zu § 10e EStG; und in BFHE 198, 435 , BStBl II 2002, 336, zu § 2 Abs. 2 EigZulG) bzw. --soweit eine Fortschreibung erfolgte-- deren inhaltsgleiche Nachfolgevorschrift (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 Wohnraumförderungsgesetz --WoFG--) heranzuziehen. Danach ist Wohnungsbau durch Erweiterung eines bestehenden Gebäudes das Schaffen von Wohnraum durch Aufstockung des Gebäudes oder durch Anbau an das Gebäude (§ 17 Abs. 2 II. WoBauG) unter wesentlichem Bauaufwand (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 WoFG). Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 II. WoBauG ist Ausbau eines bestehenden Gebäudes das Schaffen von Wohnraum durch Ausbau des Dachgeschosses oder durch eine unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umwandlung von Räumen, die nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung bisher anderen als Wohnzwecken dienten. Die Holzbau- und Maurerarbeiten zur Anhebung des Daches und zur Einfügung von Gauben führten zu einer Erweiterung der Wohnfläche. Im Übrigen betreffen die Aufwendungen typische Maßnahmen des Innenausbaus eines Dachgeschosses (Rolladen, Fliesen, Türen, Fenster, Böden, Sanitär, Heizung, Elektro, Dämmung, Dachinnenverkleidung, Putzarbeiten, Estrich, Innenwände). Eine kostenmäßige Abgrenzung zwischen Ausbaumaßnahmen einerseits und Erweiterungsmaßnahmen andererseits kann wegen der Identität der Rechtsfolgen unterbleiben.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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