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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.02.2008
Aktenzeichen: 13 K 1062/06
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 126 Abs. 1 Nr. 2
AO § 126 Abs. 2
AO § 227
AO § 234
AO § 237
AO § 240
FGO § 101 S. 1
FGO § 101 S. 2
FGO § 102
FGO § 136 Abs. 1 S. 1
1. Nach einer unzutreffenden Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung hat das Finanzamt den Erlass von rückständigen Säumniszuschlägen und Erstattung von entrichteten Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu prüfen.

2. Erhebt der Steuerpflichtige eine Verpflichtungsklage, mit dem Ziel einen Billigkeitserlass durch das Finanzamt zu erreichen, spricht das Gericht bei fehlender Spruchreife die Verpflichtung des Finanzamt zur Verbescheidung aus.

3. Erhält der Kläger statt der in erster Linie erstrebten Verpflichtungsurteils nur ein Verbescheidungsurteil, ist regelmäßig Teilung der Gerichtskosten angebracht.


Finanzgericht München

13 K 1062/06

Erlass von Säumniszuschlägen

In der Streitsache

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[...]

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 19. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2006 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Gründe:

Streitig ist, ob Säumniszuschläge zu erlassen bzw. zu erstatten sind.

I. Nach einer beim Kläger und der [...] L-GmbH durchgeführten Fahndungsprüfung wurden dem Kläger verdeckte Gewinnausschüttungen zugerechnet. Das gegen die Einkommensteueränderungsbescheide für 1990 bis 1995 und Vermögensteueränderungsbescheide auf 1.1.1991, 1.1.1993 und 1.1.1995 (vom 29. Juli 1999 bzw. 18. August 1999) nach erfolglosem Einspruchsverfahren geführte Klageverfahren [...] beendeten die Beteiligten dadurch, dass sie übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärten (Erledigungserklärungen vom 22. November 2003 und 4. Dezember 2003). Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - legte den Abhilfebescheiden bei den Einkommensteuer- und Vermögensteuerfestsetzungen den Vorschlag des finanzgerichtlichen Buchsachverständigen zugrunde [...].

Zuvor hatten das FA mit Bescheid vom 29. Januar 2002 und das Finanzgericht (FG) mit Beschluss vom 20. Februar 2003 [...] Anträge auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Steueränderungsbescheide nach Steuerfahndung abgelehnt.

Nachdem der Kläger sämtliche Hauptschulden beim FA bezahlt hatte, beantragte er mit Schreiben vom 30. September 2004 den Erlass sämtlicher Säumniszuschläge. Ausweislich von Rückstandsaufstellungen in Form sog. O-Abfragen in den vom FA vorgelegten Akten hatten die rückständigen Säumniszuschläge am 7. April 2005 einen Stand von 119.010,33 EUR erreicht. Seinen Erlassantrag begründete der Kläger damit, dass ihm zu Unrecht AdV nicht gewährt worden sei. Die Schätzungen der Steuerfahndung seien in sich nicht schlüssig gewesen [...]. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2004 (ohne Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung) lehnte das FA den Antrag ab.

Darauf beantragte der Kläger erneut mit Schreiben vom 29. November 2004 einen Erlass der Säumniszuschläge. Seinen Antrag begründete er erneut damit, dass die AdV zu Unrecht nicht gewährt worden sei und außerdem damit, dass persönliche Billigkeitsgründe vorliegen würden [...]. Die rechtswidrigen und überzogenen Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung hätten seine wirtschaftliche Existenz in Deutschland vernichtet. Um sich der Inhaftierung zu entziehen, sei er nach Griechenland geflohen und hätte dadurch seine Existenz in Deutschland verloren. Nach der Flucht habe er seine gesamten nach dem gerichtlichen Klageverfahren verbliebenen steuerlichen Hauptschulden nur mit Hilfe der gesamten Familie bezahlen können. Sollte das FA auf die Zahlung der Säumniszuschläge bestehen, drohe die Insolvenz. Mit Verwaltungsakt vom 18. Januar 2005 lehnte das FA den Erlassantrag ab, da die Voraussetzungen eines Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen nicht nachgewiesen seien und die Voraussetzungen eines - auch nur teilweisen - Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht vorliegen würden.

Den dagegen gerichteten Einspruch begründete der Kläger neben den bisherigen Argumenten auch damit, dass die Schätzungsbescheide aufgrund des Steuerfahndungsberichts schwerwiegende Mängel aufgewiesen hätten und deshalb nichtig gewesen seien. Ursprünglich sei er beschuldigt worden, 800.000 DM hinterzogen zu haben; die Buchprüfung im Rahmen des Klageverfahrens hätte aber ergeben, dass nicht einmal ein Betrag von ca. 10% der geschätzten Summe zutreffend gewesen sei. Außerdem sei er durch die Zahlung seiner Hauptschulden bis zu den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit belastet worden und die Tilgung sei nur durch eine Fremdfinanzierung möglich gewesen [...].

Mit Schreiben vom 8. September 2005 [...] teilte das FA dem Kläger mit, dass diverse Buchungen über Einkommensteuerbescheide 1996 bis 2001 im Steuerkonto storniert werden.

Wegen unzutreffender Adressierung seien diese Steuerbescheide nicht wirksam bekanntgegeben worden. Nach der Stornierung erläuterte das FA gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 30. November 2005, dass das Steuerkonto des Klägers noch rückständige Säumniszuschläge in Höhe von 81.116,27 EUR ausweisen würde [...]. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2005 wies der Kläger das FA darauf hin, dass die Bank ihre Zusage gegenüber dem Kläger, ihm ein Darlehen zur Tilgung der Säumniszuschläge zu gewähren, zurückgenommen habe.

Er schlage dem FA aber vor, dass mit Zahlung von 25% der Säumniszuschläge die Streitsache beendet werden könne und damit auch das Vollstreckungsersuchen des FA in Griechenland zurückgenommen werden könne [...].

Aus den vom FA vorgelegten Akten ist ersichtlich, dass am 9. Januar 2006 Säumniszuschläge in Höhe von 57.211,99 EUR rückständig waren [...] und es ist vermerkt, dass der Kläger am 30. November 2005 auf die rückständigen Säumniszuschläge eine Zahlung in Höhe von 23.904,28 EUR geleistet hat [...].

Mit Bescheid vom 25. Januar 2006 erließ das FA Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1990, 1992, 1993, 1994 und 1995, zur Vermögensteuer 1991, 1992, 1993, 1994, 1995 und 1996 sowie zum Solidaritätszuschlag 1992 und 1995 in Höhe von insgesamt 28.134,76 EUR [...] und lehnte einen weiteren Erlass ab. Es seien nur Säumniszuschläge zu erlassen gewesen, soweit sie auf die nach dem Klageverfahren herabgesetzten Steuern entfallen würden. Der Erlass sei insoweit nur in Höhe von 50% der auf diese Steuerbeträge entfallenden Säumniszuschläge auszusprechen gewesen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2006 wies das FA anschließend den weiter aufrechterhaltenen Einspruch als unbegründet zurück. Seine Einspruchsentscheidung begründete das FA damit, dass keine sachliche Unbilligkeit für den Erlass weiterer Säumniszuschläge aus dem rückständigen Betrag von 81.116,27 EUR vorliegen würde (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen).

Der Kläger beantragt

die Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, neben den bereits erlassenen Säumniszuschlägen in Höhe von 28.134,76 EUR weitere Säumniszuschläge in Höhe von 52.981,51 EUR zu erstatten,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt

die Klageabweisung.

Das FA verweist zur Begründung seines Antrags auf die Einspruchsentscheidung.

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 7. Juli 2006 [...] den Antrag des Klägers auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz als unzulässig abgelehnt.

Auf die Verfügungen des Berichterstatters vom 9. August 2006 und 26. September 2006 hat das FA mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung keine Säumniszuschläge mehr rückständig waren und eine sog. I-Abfrage vorgelegt, aus der ersichtlich ist, dass der Kläger am 27. Januar 2006 einen Betrag von 30.000 EUR auf die rückständigen Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten entrichtet hat.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

II. Die Klage ist teilweise begründet.

1. Gemäß § 227 Abgabenordnung (AO) können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

a) Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 227 AO ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) gezogenen Grenzen nachprüfbar ist (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603). Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung des den Erlass oder die Erstattung ablehnenden Bescheides und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen auf Ermessensfehler sind dementsprechend die tatsächlichen Verhältnisse, die der Finanzbehörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - hier der Einspruchsentscheidung des FA - bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. März 1990 VII S 3/90, BFH/NV 1991, 171; vom 29. September 1994 III S 5/94, BFH/NV 1995, 370 m.w.N.). Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, dass die Finanzbehörden ihre Ermessensentscheidung aufgrund einer einwandfreien und erschöpfenden Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts getroffen und alle für die Ermessensausübung wesentlichen Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art spätestens im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung berücksichtigt haben. Wegen des hier geltenden Amtsermittlungsprinzips hat auch das Finanzgericht (FG) bei seiner Überprüfung der Ermessensentscheidung der Verwaltung den Sachverhalt ebenfalls für den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung selbst festzustellen und zu würdigen. Der Untersuchungsgrundsatz wird jedoch begrenzt durch die dem Steuerpflichtigen gemäß § 90 AO auferlegten Mitwirkungspflichten (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1990 VII R 106/87, BFH/NV 1991, 509;vom 16. September 1992 X R 169/90, BFH/NV 1993, 510 m.w.N.).

b) Das FG darf in der Regel nur die Verpflichtung aussprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Nur dann, wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeschränkt ist, dass lediglich eine Entscheidung ganz bestimmten Inhalts als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null), kann das Gericht ausnahmsweise eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen. In keinem Fall darf es Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis selbst erlassen (§ 101 Satz 1 FGO; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297;vom 27. September 2001 X R 134/98, BStBl II 2002, 176).

c) Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO sind Säumniszuschläge zu entrichten, falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wird. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Gleichzeitig haben sie den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten und die Verwaltungsaufwendungen, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass fällige Steuern nicht oder nicht fristgemäß bezahlt werden, abzugelten (BFH-Urteil vom 7. Juli 1999 X R 87/96, BFH/NV 2000, 161, m.w.N.).

Die einen Erlass von Säumniszuschlägen begründende Unbilligkeit kann entweder in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe).

Sachlich unbillig

ist die Erhebung von Säumniszuschlägen u.a. dann, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 161, m.w.N.). Jedoch kommt in diesen Fällen nur ein Teilerlass in Betracht, da Säumniszuschläge auch als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands dienen. Sie sind nur zur Hälfte zu erlassen, denn ein säumiger Steuerpflichtiger soll grundsätzlich nicht besser stehen als ein Steuerpflichtiger, dem AdV oder Stundung gewährt wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 161, m.w.N.).

Persönliche Unbilligkeit

ist gegeben, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde. Das ist der Fall, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann (BFHBeschluss vom 24. Oktober 1988 X B 54/88, BFH/NV 1989, 285, m.w.N.). Dabei ist dem Steuerpflichtigen grundsätzlich zuzumuten, zur Begleichung seiner Steuerverbindlichkeiten alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel - auch unter Inanspruchnahme eines Kredits und ihm zustehender Unterhaltsansprüche - einzusetzen (BFH-Beschlüsse vom 14. März 2006 X B 172/05, BFH/NV 2006, 1318; in BFH/NV 1995, 370 m.w.N.). Wird, wie im Streitfall, die Erstattung bereits entrichteter Säumniszuschläge im Erlasswege begehrt, setzt dies voraus, dass deren Einziehung im Zeitpunkt der Entrichtung - beurteilt aus der Sicht der Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - unbillig war (BFH-Urteile vom 23. Januar 1964 IV 393/61 U, BStBl III 1964, 252;vom 26. Februar 1987 IV R 298/84, BStBl II 1987, 612).

2. Dies zugrunde gelegt, war die Entscheidung des FA, den weitergehenden Erlassantrag des Klägers - über den Betrag von 28.134,76 EUR hinaus - abzulehnen, ermessensfehlerhaft.

a) Das FA war nämlich nach seiner Begründung in der Einspruchsentscheidung davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt seiner Einspruchsentscheidung noch Säumniszuschläge in Höhe von 57.211,99 EUR abzüglich des erlassenen Betrages von 28.134,76 EUR (somit noch 29.077,23 EUR) rückständig waren. Dies ist nach der Auffassung des erkennenden Senats zum einen daraus ersichtlich, dass die letzte sog. O-Abfrage in der Rechtsbehelfsakte vom 13. Januar 2006 stammt und diesen Rückstand von 57.211,99 EUR ausweist [...]. Außerdem schließt dies der erkennende Senat daraus, dass das FA in seiner Einspruchsentscheidung im Tatbestand die Summe aller angefallenen Säumniszuschläge mit einem Betrag von 81.116,27 EUR beschreibt und anschließend ausführt, dass es mit Verwaltungsakt vom 25. Januar 2006 Säumniszuschläge in Höhe von 28.134,76 EUR erlassen hat und von einer Tilgung der übrigen Säumniszuschläge durch den Kläger keine weitere Rede mehr ist. Anschließend behandelt das FA in seiner Einspruchsentscheidung auch nur mehr die Frage, ob es zu Recht den Antrag des Klägers weitere Säumniszuschläge zu erlassen, zu Recht abgelehnt hat. Da aber zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung keine Säumniszuschläge mehr rückständig waren, hätte das FA in seiner Einspruchsentscheidung die Frage behandeln müssen, ob es bereits vom Kläger gezahlte Säumniszuschläge nach § 227 2. Halbsatz AO zu erstatten hat (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 1999 VII B 150/98, BFH/NV 1999, 1057).

Zwar sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 227 AO die Voraussetzungen für einen Erlass und die Voraussetzungen für eine Erstattung bereits bezahlter Säumniszuschläge dieselben.

Jedoch kann nicht eingewendet werden, dass aus diesem Grund fehlende Feststellungen des FA dazu, dass im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung keine Säumniszuschläge mehr offen waren, unerheblich seien. Die Tatsachenfrage, ob die Säumniszuschläge rückständig und deshalb zu erlassen oder ob sie getilgt und deshalb zu erstatten waren, ist für die Ermessensentscheidung des FA nämlich auch deshalb bedeutsam, weil der Kläger seinen Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge auch damit begründet hatte, dass persönliche Billigkeitsgründe im Streitfall gegeben sind [...]. Da der Kläger aber imstande war, vor dem Ergehen der Einspruchsentscheidung die rückständigen Säumniszuschläge zu tilgen, lagen im Streitfall persönliche Billigkeitsgründe für eine Erstattung der bezahlten Säumniszuschläge möglicherweise nicht vor.

b) Im Übrigen hat das FA in seiner Einspruchsentscheidung auch nicht die Frage behandelt, ob es zu Recht den Erlassantrag des Klägers mit dem Verwaltungsakt vom 18. Januar 2005 mit der Begründung abgelehnt hat, dass auch keine persönlichen Billigkeitsgründe vom Kläger nachgewiesen wurden. Die Einspruchsentscheidung behandelt an keiner Stelle persönliche Billigkeitsgründe, obwohl sich im Streitfall nach der Antragsbegründung des Klägers solche aufgedrängt haben. Und es stellt einen Ermessensfehler dar, wenn sich die Verwaltungsbehörde vor Entscheidung über den Erlassantrag keine umfassende Entscheidungsgrundlage verschafft und Tatsachen oder Aufklärungsmittel außer Acht lässt, die sich nach Lage des Falles aufdrängen, denn der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO) gilt auch im Billigkeitsverfahren.

Der Untersuchungsgrundsatz wird aber durch die dem Steuerpflichtigen gemäß § 90 AO auferlegten Mitwirkungspflichten begrenzt. Hätte das FA demgemäß vor seiner Ermessensausübung den Kläger vergeblich aufgefordert, detaillierte Unterlagen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse einzureichen, hätte er seine ihm durch § 90 Abs. 1 AO auferlegten Mitwirkungspflichten verletzt (BFH-Beschluss vom 13. März 1990 VII S 3/90, BFH/NV 1991, 171). Aus den Akten ist jedoch keine weitere Aufforderung an den Kläger ersichtlich, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachzuweisen, obwohl er im Einspruchsverfahren nochmals vorgetragen hat, dass die Bank seine Zusage auf Gewährung eines Darlehens zurückgezogen hat.

c) Außerdem hat das FA bei seiner Ermessensentscheidung nicht begründet, wieso es sein Ermessen dahingehend ausgeübt hat, dass es Säumniszuschläge über einen Betrag von 28.134,76 EUR erlassen hat, der der Hälfte der Säumniszuschläge entspricht, die auf die nach dem Klageverfahren herabgesetzten Steuern entfallen. Bei der Ermessensentscheidung des FA müssen aber die angestellten Erwägungen, die Abwägungen des Für und Wider erkennbar sein; diese Begründung muss spätestens aus der Einspruchsentscheidung ersichtlich sein (§ 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO), andernfalls ist die Entscheidung ermessensfehlerhaft und rechtswidrig (BFH-Beschluss vom 8. Juni 2007 VII B 280/06, BFH/NV 2007, 1822 m.w.N.). Insoweit hat das FA im Streitfall seine Ermessensentscheidung nicht ausreichend begründet. Das FA hat zwar zutreffend in seiner Einspruchsentscheidung darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des BFH eine sachliche Unbilligkeit für das weitere Entstehen von Säumniszuschlägen dann angenommen werden kann, wenn entweder die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide rechtswidrig seitens des FA abgelehnt worden wäre (vgl. BFH vom 4. Februar 1999 IX B 170/98, BFH/NV 1999, 908) oder wenn der Steuerpflichtige gegenüber dem FA vergeblich alles getan hätte, um die AdV zu erreichen (vgl. BFH vom 29. August 1991 V R 78/86, BStBl II 1991, 906; BFH-Beschluss vom 18. März 2003 X B 66/02, BFH/NV 2003, 886). Nach diesen Grundsätzen soll dann der Kläger in der Höhe mit Säumniszuschlägen belastet bleiben, in der im Fall der AdV oder der Stundung Zinsen angefallen wären. Diese Beträge sind jedoch unterschiedlich. Bei einer AdV wären Zinsen nach § 237 AO auf den geschuldeten Betrag festzusetzen gewesen, soweit der Rechtbehelf endgültig erfolglos geblieben ist; dieser Betrag würde der Hälfte der Säumniszuschläge, die auf die nach Abschluss des Klageverfahrens rückständigen Steuern entfallen, entsprechen. Bei einer Stundung wären Zinsen nach § 234 AO festzusetzen gewesen, die auf den gestundeten Betrag entfallen; dieser Betrag der Stundungszinsen würde der Hälfte der Säumniszuschläge entsprechen, die auf alle rückständigen Steuern aus den nach der Steuerfahndung ergangenen Bescheiden angefallen sind (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 2/04, BStBl II 2006, 612). Gründe dafür, wieso sich das FA für einen Erlass von Säumniszuschlägen in der Höhe entschieden hat, dass der Kläger so gestellt wird, als ob ihm die Steuerbeträge, um die die angefochtenen Steuerbescheide durch seine erfolgreiche Klage herabgesetzt worden sind, gestundet worden sind, sind der Einspruchsentscheidung nicht zu entnehmen. Die Einspruchsentscheidung endet nämlich auf Seite 9 mit Ausführungen zu allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die dem BFH-Urteil in BStBl II 1991, 906 auf Seite 909, linke Spalte bis vor Tz. 3 unmittelbar entnommen sind.

3. Dem erkennenden Senat ist es aber im Streitfall verwehrt, die Verpflichtung des FA zum Erlass von Säumniszuschlägen auszusprechen, denn die Streitsache ist nicht spruchreif.

a) Werden nämlich persönliche Billigkeitsgründe geltend gemacht, ist regelmäßig keine Ermessensreduzierung auf Null gegeben. Außerdem fehlt es deshalb an der Spruchreife, weil das FA den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt hat und der Kläger auch keine Tatsachen vorgetragen und nachgewiesen hat, aus denen seine persönliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ersichtlich ist. Der erkennende Senat ist deshalb darauf beschränkt, die angefochtene Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Kläger neu zu verbescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Dem FG ist es bei fehlender Spruchreife aufgrund eines vom FA unvollständig ermittelten Sachverhalts verwehrt, zur Erreichung der Spruchreife eigene - vom FA nicht gemachte - Sachverhaltsermittlungen nachzuholen, denn dies würde einen unangemessenen Eingriff in Verwaltungskompetenzen darstellen (Gräber/v. Groll, FGO, 6. Aufl. 2006, § 101 Rz. 5 m.w.N.).

Der erkennende Senat spricht im Streitfall aus Gründen der Rechtsklarheit neben der Pflicht des FA den Kläger neu zu verbescheiden, zusätzlich noch wie vom Kläger beantragt, die Aufhebung der Einspruchsentscheidung (vgl. Gräber/v. Groll, FGO, 6. Aufl. 2006, § 44 Rz. 42; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO-Kommentar, § 101 FGO, Rz. 23; BFHUrteil vom 17. Mai 1977 VII R 101/78, BStBl II 1977, 706) aus.

b) Das FA wird bei seiner erneuten Entscheidung über den Erlassantrag des Klägers dazu Stellung zu nehmen zu haben, ob im Streitfall persönliche Billigkeitsgründe für eine Erstattung von Säumniszuschlägen vorliegen. Das FA hat in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es dem Kläger möglich war, am 27. Januar 2006 eine Zahlung über 30.000 EUR zu leisten. Das FA wird bei seiner Entscheidung davon auszugehen haben, dass zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung (am 28. Februar 2006) keine Säumniszuschläge mehr rückständig waren. Nach der Stornierung von Steuerbescheiden waren noch Säumniszuschläge in Höhe von 81.116,27 EUR rückständig und von diesem Betrag wurden im November 2005 23.904,28 EUR getilgt. Auf den Restbetrag von 57.211,99 EUR wurden nach dem Teilerlass in Höhe von 28.134,76 EUR vom Kläger seit dem 1. Januar 2006 ausweislich der sog. I-Abfrage Barzahlungen (Buchungstext 20) in Höhe von 30.000 EUR geleistet. Außerdem wird das FA zu den weiteren Punkten Stellung nehmen müssen, wieso es Säumniszuschläge nur über einen Betrag von 28.134,76 EUR erlassen hat, der der Hälfte der Säumniszuschläge entspricht, die auf die nach dem Klageverfahren herabgesetzten Steuern entfallen und wieso es den Kläger nicht so stellt, als ob sein Antrag auf AdV Erfolg gehabt hätte oder als ob alle rückständigen Steuern aus den angefochtenen Bescheiden gestundet wurden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Denn der Kläger ist mit seinem Begehren nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen. Statt der in erster Linie erstrebten Verpflichtung des FA zum begehrten Billigkeitserlass hat er nur ein Bescheidungsurteil erstritten (§ 101 Satz 2 FGO). In solchen Fällen ist regelmäßig Kostenteilung angebracht (vgl. BFH-Urteile vom 26. Januar 1988 VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695 und in BFH/NV 1993, 510).

5. Der Kläger konnte es auf Grund der Schwierigkeit der Streitsache für notwendig halten, schon im Vorverfahren einen fachkundigen Berater mit der Interessenvertretung zu beauftragen (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

6. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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