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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Gerichtsbescheid verkündet am 02.11.2006
Aktenzeichen: 13 K 190/04
Rechtsgebiete: EStG, FGO, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 17 Abs. 1
EStG § 17 Abs. 4
FGO § 47 Abs. 1
FGO § 56 Abs. 2 S. 4
AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

13 K 190/04

In der Streitsache

...

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 02. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob ein Auflösungsverlust des Klägers aus der Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Streitjahr steuerlich zu berücksichtigen ist.

Der Kläger wurde im Jahr 1999 bei dem Beklagten (dem Finanzamt - FA) mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb und aus Vermietung und Verpachtung mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.

Der Kläger war seit Gründung der Fa. B GmbH - vormals xxxx GmbH - (GmbH) im Jahr 1996 am Stammkapital der GmbH in Höhe von 50.000 DM mit insgesamt 25.000 DM (davon 13.000 DM als Treugeber) beteiligt. Der Vater des Klägers erwarb im Oktober 1997 ebenfalls einen Geschäftsanteil. Mit Beschluss des Amtsgerichts xx vom 26. August 1998 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgewiesen, die GmbH am xx. November 1999 im Handelsregister gelöscht. In den Jahren 1996 und 1997 gewährte der Kläger der GmbH Darlehen in Höhe von insgesamt 497.875 DM, die sich im Jahr 1997 durch Zahlungen der GmbH auf 436.119 DM verringerten. Ein Darlehen an die GmbH in Höhe von 249.000 DM, das im Januar 1997 auf ein Konto der GmbH überwiesen wurde, finanzierten der Kläger und seine Ehefrau mit Vertrag vom xx. Dezember 1996 durch Aufnahme eines Darlehens bei der xBank in Höhe von 250.000 DM, nachdem die Mutter des Klägers zur Sicherung der Ansprüche der xBank gegen den Kläger u.a. aus diesem Darlehen eine Grundschuld in Höhe von 250.000 DM an ihrem Grundstück in xx bestellt hatte. Zur Vermeidung der Vollstreckung in die Grundschuld schlossen die Eltern des Klägers mit Vertrag vom 10. März 1998 mit der xBank einen Darlehensvertrag über 230.900,88 DM. Dieses Darlehen sollte zur Übernahme einer Schuld des Klägers und seiner Ehefrau dienen. Am 2. Februar 2001 vereinbarten der Kläger und sein Vater, dass sie sich darüber einig seien, dass die Darlehensschuld laut Vertrag vom 10. März 1998 von ihnen gemeinsam zu tragen sei. Weiter war Gegenstand der Übereinkunft, dass Zins- und Tilgungsleistungen gegenüber der xBank der Vater des Klägers erbringen sollte (Ziff. II. 1.), im Innenverhältnis der Kläger von der Darlehensschuld 130.900,88 DM und der Vater des Klägers 100.000 DM tragen sollten (Ziff. II. 2), der Kläger seinem Vater den entsprechenden Anteil an Zins-und Tilgungsleistungen erstatten sollte (Ziff. II 3.) und diese Vereinbarung der mündlich bereits zu Weihnachten 1999 getroffenen entspreche (Ziff. III.).

Auf die schriftliche Vereinbarung vom 2. Februar 2001 wird im Übrigen Bezug genommen. Mit ESt-Bescheid vom 25. April 2001 setzte das FA die ESt für das Jahr 1999 auf 0 DM fest. Im Bescheid vom selben Tage über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt zum 31. Dezember 1999 wurde der verbleibende Verlustvortrag für die Einkünfte aus Land-und Forstwirtschaft der Ehefrau auf 3.162 DM und der verbleibende Verlustvortrag für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers auf 13.473 DM festgestellt. Dabei berücksichtigte das FA den vom Kläger geltend gemachten Verlust in Höhe von 361.119 DM (Anschaffungskosten der Geschäftsanteile in Höhe von 25.000 DM zuzüglich Wertverlust der Gesellschafterdarlehen in Höhe von 436.119 DM abzüglich 100.000 DM laut Vereinbarung Weihnachten 1999) aus der Auflösung der GmbH nicht. Der hiergegen erhobene Einspruch des Klägers und seiner Ehefrau blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 28. November 2003 ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FA im Wesentlichen aus, dass der Verlust des Klägers aus der Auflösung der GmbH nicht im Streitjahr, sondern bereits im Jahr 1998 entstanden sei. Zum Zeitpunkt des Beschlusses des Amtsgerichts xx vom xx. August 1998 sei mit wesentlichen Änderungen des bereits feststehenden Verlusts des Klägers nicht mehr zu rechnen gewesen, da mit Zahlungen der GmbH auf die vom Kläger erbrachte Einlage (kapitalersetzende Darlehen) nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Regelungsinhalt der Vereinbarung von Weihnachten 1999 sei nur gewesen, wer den feststehenden Verlust wirtschaftlich zu tragen habe. Die Entstehung des Auflösungsverlusts einer GmbH könne nicht davon abhängen, zu welchem Zeitpunkt sich die Gesellschafter der GmbH einigen, wer in welcher Höhe den Verlust wirtschaftlich zu tragen habe. Die EE war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen und wurde laut Absendevermerk des FA am 1. Dezember 2003 zur Post gegeben. Die vom Kläger im Original an das Gericht übersandte EE trägt einen Vermerk, wonach die EE beim steuerlichen Vertreter des Klägers bereits am 2. Dezember 2003 eingegangen ist.

Hiergegen richtet sich die am 2. Januar 2004 per Einschreiben abgesandte, am 7. Januar 2004 beim Finanzgericht München eingegangene Klage.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 25. April 2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt zum 31. Dezember 1999 in Gestalt der EE vom 28. November 2003 abzuändern und den verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb auf 374.592 DM festzustellen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen und bezieht sich auf die EE.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Verlust des Klägers aus der Auflösung der GmbH gemäß § 17 Abs. 2 und 4 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) nicht im Streitjahr 1999 sondern bereits im Jahr 1998 entstanden ist.

1. Die Klage ist trotz Versäumung der Klagefrist nach § 47 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, weil dem Kläger nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch ohne Antrag zu gewähren war. Nach § 47 Abs. 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO 1977) bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Die EE des FA vom 28. November 2003 war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wurde laut Absendevermerk des FA am 1. Dezember 2003 zur Post gegeben und gilt daher nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 am 4. Dezember 2003 als bekannt gegeben. Von einer späteren Bekanntgabe der EE ist nicht auszugehen, da die vom Kläger im Original übersandte EE einen Vermerk trägt, wonach die EE beim steuerlichen Vertreter des Klägers bereits am 2. Dezember 2003 eingegangen ist. Die Klagefrist endete folglich am 5. Januar 2004 (der 4. Januar 2004 fiel auf einen Sonntag; § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Da die Klage erst am 7. Januar 2004 beim Finanzgericht München einging, wurde die Klagefrist nicht gewahrt.

Dem Kläger war jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil die Versäumung der Klagefrist nicht auf einem Verschulden des Klägers beruht. Der Kläger hat die Klage ausweislich des Briefumschlags, in dem sich die Klageschrift befand, am Freitag, dem 2. Januar 2004, per Einschreiben zur Post aufgegeben und konnte daher bei gewöhnlichem Postlauf damit rechnen, dass die Klage noch vor Ablauf der Klagefrist am 5. Januar 2004 bei Gericht eingehen würde. Der Senat ist an der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch nicht durch Ablauf der Jahresfrist des § 56 Abs. 3 FGO gehindert, da die für die Wiedereinsetzung sprechende Tatsache, nämlich die rechtzeitige Aufgabe der Klageschrift zur Post, für das Gericht vor Ablauf der Jahresfrist erkennbar war (Bundesfinanzhof- BFH-Urteil vom 15. Mai 1996 X R 99/92, BFH/NV 1996, 891).

2. Das FA hat den Verlust des Klägers aus der Auflösung der GmbH zu Recht nicht bei der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum Ende des Veranlagungszeitraums 1999 berücksichtigt. a) Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste. Nach der ständigen Rechtssprechung des BFH setzt die Entstehung eines Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 2 und Abs. 4 EStG nicht nur die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft voraus; erforderlich ist zudem, dass feststeht, ob und in welcher Höhe der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG wesentlich beteiligte Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann, sowie ferner, welche nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Veräußerungs-/Aufgabekosten er persönlich zu tragen hat. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation häufig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt; findet diese mangels Masse jedoch nicht statt, so ist der auf einen Zeitpunkt zu ermittelnde Auflösungsverlust bereits bei Ablehnung des Antrags auf Konkurseröffnung entstanden (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1999 VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561 m.w.N.). b) Die Beteiligten sind übereinstimmend und zu Recht davon ausgegangen, dass die GmbH mit der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse durch den Beschluss des Amtsgerichts xx vom xx. August 1998 nach § 107 Abs. 1 Konkursordnung - KO -, § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 - LöschG - im Jahr 1998 zivilrechtlich aufgelöst wurde. Es haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger als wesentlich beteiligter Gesellschafter noch mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft hätte rechnen können oder weitere Auflösungskosten anfallen würden.

Entgegen der Auffassung des Klägers stand im Jahr 1998 darüber hinaus jedoch auch fest, welche nachträglichen Anschaffungskosten ihm durch die Auflösung der GmbH entstanden sind. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten auf eine Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 2 EStG gehört auch der Verlust von Darlehensforderungen des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft, wenn diese durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren und die Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter hatten (BFH-Urteil vom 3. Juni 1993 VIII R 23/92, BFH/NV 1994, 459). Dabei kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob die der GmbH vom Kläger gewährten Darlehen jeweils eigenkapitalersetzenden Charakter hatten; jedenfalls stand der Verlust auch der (Rest)Darlehensforderung des Klägers aus dem Darlehen über 249.000 DM aufgrund der Vermögenslosigkeit der GmbH zum Zeitpunkt der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse bereits im Jahr 1998, nicht erst im Streitjahr fest. Die Vereinbarung des Klägers mit seinem Vater von Weihnachten 1999 bzw. vom 2. Februar 2001 bezog sich auf eine Darlehensschuld der Eltern des Klägers gegenüber der xBank gemäß Vertrag vom 10. März 1998, wie sich insbesondere aus Ziff. II. 1. der Vereinbarung ergibt, und nicht auf die Darlehensforderung des Klägers gegenüber der GmbH. Entsprechendes gilt, soweit man aufgrund der Ziff. I. der Vereinbarung, wonach die Eltern des Klägers zu seinen und seiner Ehefrau Gunsten eine Darlehensschuld von 230.900,98 DM übernommen und sich zu deren Tilgung verpflichtet haben, davon ausgehen will, dass sich die Vereinbarung auch auf die Darlehensschuld des Klägers und seiner Ehefrau gegenüber der xBank gemäß Vertrag vom 20. Dezember 1996 bezog. Durch diese Vereinbarung wurde zwar zwischen dem Kläger und seinem Vater als Gesellschafter der GmbH geregelt, wer einen Teil des entstandenen Verlusts wirtschaftlich zu tragen hat. Die Höhe des vom Kläger der GmbH gewährten Darlehens und entsprechend der Verlust dieser Darlehensforderung durch den Konkurs der GmbH wurde dadurch jedoch nicht herabgesetzt, mag das Darlehen gegenüber der GmbH auch durch Darlehensaufnahme bei der xBank finanziert worden sein (vgl. auch BFH-Urteil vom 3. Juni 1993 VIII R 23/92 a. a. O). Entgegen der Auffassung des Klägers führt nicht die Belastung aufgrund der darlehensweisen Finanzierung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens durch den Wertverlust des Darlehensrückzahlungsanspruchs gegenüber der GmbH im Konkursfall zu nachträglichen Anschaffungskosten des Gesellschafters, sondern der Wertverlust des Anspruchs auf Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens selbst.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

4. Der Senat entscheidet durch - kostengünstigeren - Gerichtsbescheid (§ 90 a FGO).

Ende der Entscheidung

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