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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 13 K 2970/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 72 Abs. 2 S. 3
1. Entsteht Streit über Vorliegen, Wirksamkeit oder Bestand der Klagerücknahme, entscheidet darüber das mit der Sache befasste Gericht (§ 72 Abs. 2 Satz 3 FGO).

2. Besteht der Streit bereits vor dem Erlass des Einstellungsbeschlusses, ist in dem Klageverfahren immer durch Urteil zu entscheiden.

3. Das Gericht hat in dem (dann fortzusetzenden) Urteilsverfahren entweder in der Sache zu entscheiden oder aber auszusprechen, dass die Klage zurückgenommen ist.


Finanzgericht München

13 K 2970/05

Gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2000 und 2001

Umsatzsteuer 2000, 2001 Verspätungszuschläge

In der Streitsache

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[...]

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass die Klage zurückgenommen ist.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob die Klage wirksam zurückgenommen ist.

I. Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die im Dezember 1997 gegründet wurde und seit Januar 1999 nach einem Gesellschafterwechsel aus den beiden Gesellschaftern [...] B und S besteht und unter ihrem heutigen Namen firmiert.

Nachdem die Klägerin trotz Aufforderungen die Steuererklärungen für die Streitjahre 2000 und 2001 nicht eingereicht hatte, schätzte der Beklagte - das Finanzamt (FA) - die Besteuerungsgrundlagen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Das FA stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin für 2000 und 2001 gesondert und einheitlich jeweils mit 0 DM fest (Bescheide vom 14. November 2003); die Umsatzsteuer wurde für die Jahre 2000 und 2001 jeweils mit 2.351,94 EUR festgesetzt (Bescheide vom 26. November 2003); außerdem setzte das FA in diesen Bescheiden Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer für 2000 und für 2001 in Höhe von jeweils 102,26 EUR fest.

Mit Bescheiden vom 11. November 2004 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung bei den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre 2000 und 2001 auf. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2005).

Das FA habe keinen Anlass von seinen Schätzungen abzuweichen, da die Klägerin auch im Einspruchsverfahren die Steuererklärungen nicht vorgelegt habe.

Dagegen erhob die Klägerin vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage. Außerdem beantragte die Klägerin im März 2006 die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Feststellungs- und Umsatzsteuerbescheide. Dieses Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen (Az.) 13 V 1218/06 registriert.

Im Juni 2006 reichte die Klägerin nach mehreren Fristverlängerungsantragen zur Begründung ihrer Klage die Steuererklärungen (Feststellungs-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärung) für 2000 und 2001 beim FA ein. Die Klägerin erklärte für das Jahr 2000 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19.410 DM und eine festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von 1.334,95 DM und für das Jahr 2001 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.537 DM und eine festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von 1.998,88 DM.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2006, das am selben Tag dem Finanzgericht (FG) per Telefax übermittelt wurde, erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wörtlich:

"[...] wegen Gesonderter und einheitlicher Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung und Umsatzsteuer 2000 und 2001 und Aussetzung der Vollziehung Az.: 13 K 2970/05 Az.: 13 V 1218/06 Heute hat Herr S die oben genannten Steuererklärungen beim Finanzamt F [...] abgegeben.

Dadurch ist eine Entscheidung des Finanzgerichts in dieser Sache nicht mehr erforderlich.

Ich nehme deshalb die Klagen zurück.

Mit freundlichen Grüßen".

Am 21. Juni 2006 ging beim FG per Telefax ein Schreiben vom selben Tag ein, in dem die Klägerin persönlich erklärte, dass nur der Antrag auf AdV mit dem Az. 13 V 1218/06 zurückgenommen wird, die Klage mit dem Az. 13 K 2970/05 jedoch bestehen bleiben soll.

Mit Beschluss vom 5. Juli 2006 hat der Berichterstatter das Verfahren Az. 13 V 1218/06 nach Rücknahme des Antrags eingestellt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine Rücknahme der Klage nicht erfolgt ist. Aus den Schriftsätzen der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten würde sich ergeben, dass eine Änderung der angefochtenen Bescheide unter Zugrundelegung der Steuererklärungen gewollt gewesen sei. Dies würde sich auch aus den Telefonaten des S mit dem vormals zuständigen Berichterstatter des Senats ergeben.

Das FA ist der Auffassung, dass nach Rücknahme der Klage eine Änderung der Steuerbescheide nicht mehr möglich ist.

Mit Anordnung vom 6. November 2006 hat der Berichterstatter angeregt, dass die Klägerin klarstellt, dass sie ihre Klagen durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten für zurückgenommen erachtet.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass eine Klagerücknahme nicht vorliegen würde.

S habe zwei ausführliche Telefonate mit dem vormals zuständigen Berichterstatter geführt.

Nach diesen Gesprächen habe sich die Klägerin entschlossen, den Antrag auf AdV - und nur diesen Antrag für das Verfahren Az. 13 V 1218/06 - zurückzunehmen, um Gebühren zu sparen. Diese ersparten Gebühren hätten dann dem Hauptverfahren mit dem anderen Az. 13 K 2970/05 zu gute kommen sollen. Außerdem habe sich S nach den Telefonaten mit dem Berichterstatter dazu entschlossen, die Steuererklärungen persönlich beim FA abzugeben, um anschließend dem Gericht dies schriftlich mitzuteilen. Die beiden Punkte, schriftliche Mitteilung der Abgabe der Steuererklärungen und Rücknahme des AdV-Antrages sollte der Prozessbevollmächtigte ausführen. Daraufhin habe der Prozessbevollmächtigte das missverständliche Schreiben vom 20. Juni 2006 gefertigt. Nachdem S die fehlerhafte Formulierung im Schreiben vom 20. Juni 2006 entdeckt habe, habe S sofort am 21. Juni 2006 beim Finanzgericht angerufen und dies der Geschäftsstelle und dem Berichterstatter mitgeteilt.

Außerdem habe die Klägerin sich sofort in dem Schreiben vom 21. Juni 2006 um eine Klarstellung bemüht und ausdrücklich erklärt, dass nur aus Kostengründen der AdV-Antrag zurückgenommen werden sollte. Dieses Schreiben habe der Berichterstatter von S gefordert.

Die Unerfahrenheit ihres Prozessbevollmächtigten in Klageverfahren vor dem FG solle der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Aus allen Telefonaten mit dem FG sei deutlich geworden, dass die Klage erhoben worden sei, um zu erreichen, dass die Steuerbescheide entsprechend der gefertigten Steuererklärungen geändert werden sollten. Dies alles könne insbesondere der früher zuständige Berichterstatter [...] X als Zeuge bestätigen.

Durch den Prozessbevollmächtigten lässt die Klägerin weiter vortragen, dass zumindest eine Umdeutung der falsch bezeichneten Prozesshandlung möglich sei, wenn die Falschbezeichnung für den Empfänger offensichtlich sei. Dies sei gegeben, denn in dem Schreiben vom 20. Juni 2006 habe er zum Ausdruck bringen wollen, dass das FA die Steuererklärungen seinen Änderungsbescheiden zugrunde legen wird und damit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Es sei auch kein Grund ersichtlich, dass die Klägerin nach der kostenintensiven Erstellung der Steuererklärungen auf die berichtigten Steuerbescheide verzichte. Es müsse deshalb die Klagerücknahme in eine Erledigungserklärung umgedeutet werden, die unter dem Vorbehalt erklärt worden sei, dass das FA die Steuererklärungen auch tatsächlich bearbeitet.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Klagerücknahme unwirksam ist, im Übrigen die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2000 und 2001 und die Bescheide über die Umsatzsteuer für 2000 und 2001 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2005 dahingehend zu ändern, dass im Jahr 2000 ein Verlust in Höhe von 19.410 DM und im Jahr 2001 ein Gewinn in Höhe von 1.537 DM festgestellt wird, sowie dass für 2000 eine Umsatzsteuer von 1.334,95 DM und für 2001 eine Umsatzsteuer von 1.998,88 DM festgesetzt wird und die Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer für 2000 und 2001 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

festzustellen, dass die Klagerücknahme wirksam ist und im Übrigen die Klage abzuweisen.

Das FA ist der Auffassung, dass die Klägerin vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 20. Juni 2006 die Klage wirksam zurückgenommen habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

II. 1. Die Klage ist wirksam zurück genommen worden.

Die Klagerücknahme führt zur rückwirkenden Beseitigung der Rechtshängigkeit der Sache und (damit) zur Beendigung des Verfahrens, ohne dass dazu eine Entscheidung über das geltend gemachte Recht ergeht. Der Beschluss nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) stellt diese Rechtsfolge zwar (deklaratorisch) fest, entscheidet aber nicht konstitutiv über das Vorliegen, die Wirksamkeit und den Bestand der Klagerücknahme. Entsteht (nachträglich) Streit über Vorliegen, Wirksamkeit oder Bestand der Klagerücknahme, so hat das mit der Sache befasste Gericht darüber zu entscheiden (§ 72 Abs. 2 Satz 3 FGO). Besteht der Streit bereits vor dem Erlass des Einstellungsbeschlusses, ist in dem Klageverfahren immer durch Urteil zu entscheiden, weil § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht auf streitige Entscheidungen zugeschnitten ist. Das Gericht hat in dem (dann fortzusetzenden) Urteilsverfahren entweder in der Sache zu entscheiden oder aber auszusprechen, dass die Klage zurückgenommen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. März 1990 II B 163/89, BStBl II 1990, 503; vom 23. Dezember 2005 VIII B 61/05, BFH/NV 2006, 788; Gräber/Koch, FGO, 6. Aufl. 2006, § 72 Rz. 38; FG Niedersachsen, Urteil vom 29. August 2002, 12 K 394/01, EFG 2003, 404).

Bei diesem Fortsetzungsantrag, der im Rahmen des bisherigen Klageverfahrens erhoben wird, handelt es sich nicht um einen Feststellungsantrag, sondern um einen Antrag zur Fortsetzung der Anfechtungsklage (BFH-Beschluss vom 7. Februar 2005 IX B 185/03, BFH/NV 2005, 836).

Im Streitfall spricht der erkennende Senat demgemäß aus, dass die Klage wirksam zurück genommen worden ist und der gleichwohl aufrecht erhaltene Klageantrag keinen Erfolg hat.

2. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Telefax vom 20. Juni 2006 die Klage wirksam zurück genommen.

a) Bei der Klagerücknahme handelt es sich um eine Prozesserklärung (Prozesshandlung), an die der Erklärende grundsätzlich gebunden ist. Er kann sie nicht nach bürgerlichrechtlichen Regeln wegen Irrtums anfechten und auch nicht widerrufen (BFH-Urteile vom 6. Juli 2005 XI R 15/04, BStBl II 2005, 644 undvom 26. Oktober 2006 V R 40/05, BFH/NV 2007, 356, jeweils m.w.N.). Nur wegen einer besonders gelagerten Ausnahmesituation, z.B. bei einer unzulässigen Einwirkung der Behörde oder des Gerichts selbst, ist sie als unwirksam zu behandeln. Insbesondere kommen als Gründe, die die Klagerücknahme unwirksam machen könnten, nur Drohung, arglistige Täuschung, und bei rechtsunkundigen und unerfahrenen Steuerpflichtigen eine unrichtige, grob fehlerhafte Belehrung, dass der Rechtsbehelf aussichtslos sei und schließlich die Begründung in Betracht, dass der Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigter sich im Zeitpunkt der Klagerücknahme in einem die Prozessfähigkeit ausschließenden Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden habe (BFH-Urteile in BFH/NV 2007, 356 und in BStBl II 2005, 644, jeweils m.w.N.). Eine Umdeutung von Prozesserklärungen kommt nicht in Betracht, wenn ein Steuerberater - bei dem die Kenntnis der Prozessordnung vorausgesetzt wird - die Erklärung abgegeben hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. März 1995 VIII R 7/95 , BFH/NV 1995, 995; vom 25. März 1997I B 112/96 , BFH/NV 1997, 796; vom 25. Juni 2004 III R 16/04, BFH/NV 2004, 1539 jeweils m.w.N.). Die Klagerücknahme und die Erledigungserklärung sind wie jede andere Prozesshandlung (Prozesserklärung) bedingungsfeindlich (Gräber/ von Groll, FGO, 6. Aufl. 2006, vor § 33 Rz. 14).

b) Prozesserklärungen - wie Klagerücknahmen - sind wie sonstige Willenserklärungen auslegungsfähig (Gräber/von Groll, FGO, 6. Aufl. 2006, § 68 Rz. 5; vor § 33 Rz. 16; BFH- Beschluss vom 1. Oktober 1999 VII R 32/98, BStBl II 2000, 33). Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (vgl. § 133 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Dabei können auch außerhalb der Erklärung liegende weitere Umstände berücksichtigt werden. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (BFH-Urteile vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6; vom 18. März 1998 II R 41/97, BFH/NV 1998, 1235; BFH-Beschluss vom 29. November 1995 X B 328/94, BStBl II 1996, 322). Die Auslegung darf aber nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der (verkörperten) Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen (vgl. BFH in BFH/NV 1998, 1235 ). Eine Prozesshandlung, die nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat, ist nicht auslegungsbedürftig (vgl. BFH in BFH/NV 1998, 6; BFH-Urteil vom 9. November 1988 I R 202/84, BFH/NV 1989, 616; BFH-Beschluss vom 29. Juli 1992 IV B 44/91, BFH/NV 1993, 2).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2006 um eine Klagerücknahme. Für das Finanzgericht als Empfänger dieses Schriftsatzes ist der Wortlaut des Schreibens unmissverständlich; eine Auslegung ist deshalb gar nicht erforderlich. Der Prozessbevollmächtigte hat in dem Schreiben nachdem ausgeführt wurde, dass die Steuererklärungen abgegeben wurden, eindeutig formuliert: "Ich nehme deshalb die Klagen zurück." Dass diese Rücknahmeerklärung erst in der Zukunft erfolgen wird, nachdem die Steuererklärungen vom FA bearbeitet wurden, ist damit nicht zum Ausdruck gebracht worden; dann hätte die Klägerin nämlich eine Formulierung im Futur gebraucht, die z.B. lautet: Ich werde deshalb meine Klagen [...] zurücknehmen. Auch ist aus dem Schreiben vom 20. Juni 2006 für das Gericht gar nicht ersichtlich, dass ohne die weiter anhängige Klage eine Änderung der Steuerbescheide nicht möglich ist; denn z.B. ist die Frage, ob die Bescheide nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, nur aus den Steuerakten entscheidbar. Zudem können die Motive der Klägerin für ihren Entschluss, dass sie Ihre Klage zurücknimmt, vielfältig sein und es ist nicht Sache des Gerichts, diese Motive zu deuten oder zu erforschen. Im Übrigen scheitert eine Auslegung des Schreibens vom 20. Juni 2006 in eine Erledigungserklärung der Klägerin daran, dass sich dafür keine schriftlichen Anhaltspunkte finden.

d) Im Streitfall kommt auch ein Widerruf dieser Klagerücknahme oder eine Irrtumsanfechtung nicht in Betracht. Der wirksame Widerruf der Klagerücknahme ist ausgeschlossen. Die Behauptung der Klägerin, ihr Prozessbevollmächtigter verfüge nicht über Erfahrung in finanzgerichtlichen Prozessen reicht für einen wirksamen Widerruf nicht aus, denn im finanzgerichtlichen Verfahren werden Steuerberater grundsätzlich als geeignete Bevollmächtigte betrachtet (§ 62 Abs. 2 Satz 1 FGO). Da die in dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2006 liegende Klagerücknahme mit ihrem Zugang bei Gericht wirksam wurde (Gräber/ Koch, FGO, 6. Aufl. 2006, § 72 Rz. 5 und 15) kann auch das einen Tag später zugegangene Schreiben der Klägerin vom 21. Juni 2006 die Wirkungen der Klagerücknahme nicht mehr beseitigen.

e) Die vom Prozessbevollmächtigten vertretene Auffassung, dass seine Klagerücknahme in eine Erledigungserklärung unter dem Vorbehalt der Bearbeitung der Erklärungen umgedeutet werden kann, ist unzutreffend. Zum einen scheidet die Umdeutung seiner Prozesserklärung nach den Grundsätzen der o.g. BFH-Rechtsprechung schon deshalb aus, weil er Steuerberater ist. Zum anderen kommt die Umdeutung auch deshalb nicht in Betracht, weil dies die Umdeutung in eine bedingte Erledigungserklärung und damit in eine unwirksame Prozesserklärung bedeuten würde. Denn die Klägerin trägt vor, dass sie die Erledigungserklärung unter der Bedingung abgeben wollte, dass das FA die Änderungsbescheide gemäß den Angaben in den Steuererklärungen erstellt. Zusätzlich scheidet eine Umdeutung darüber hinaus auch aus, wenn zwischen den beiden Prozesserklärungen erhebliche rechtliche und verfahrensmäßige Unterschiede bestehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH- Beschluss vom 24. November 1994 X R 115/94, BFH/NV 1995, 626 ). Solche erhebliche Unterstehen bestehen zwischen einer Klagerücknahme und einer Erledigungserklärung. Die Rücknahme beendet nämlich das Klageverfahren sofort, während die Beendigung des Klageverfahrens bei einer Erledigungserklärung des Klägers davon abhängig ist, dass auch der Beklagte die Erledigung der Hauptsache erklärt; außerdem kann die Erledigungserklärung des einen Beteiligten bis zum Zugang der Erledigungserklärung des anderen Beteiligten bei Gericht widerrufen werden (Gräber/Ruban, FGO, 6. Aufl. 2006, § 138 Rz. 16).

f) Die von der Klägerin beantragte Beweisaufnahme war nicht durchzuführen, da nicht entscheidungserheblich war, was S mit dem früher zuständigen Berichterstatter am Telefon besprochen hatte, sondern nur das, was in der schriftlichen Erklärung vom 20. Juni 2006 zum Ausdruck kommt.

2. Da die Klage wirksam zurückgenommen wurde, konnte der von der Klägerin weiter aufrechterhaltene Klageantrag, mit der die Klägerin ihr ursprüngliches Ziel, die angefochtenen Bescheide zu ändern und die Verspätungszuschläge aufzuheben, weiter verfolgt hat, keinen Erfolg haben.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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