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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.06.2007
Aktenzeichen: 13 K 2991/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

13 K 2991/04

In der Streitsache

...

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung

am 19. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Einkommensteuerbescheide für 1998 bis 2000 und die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1998 bis 2000, jeweils vom 13. März 2003, sowie der Einkommensteuerbescheid für 2001 und der Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2001, jeweils vom 29. Dezember 2003, werden unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2004 abgeändert.

Dem Beklagten wird aufgegeben, die Einkommensteuer für 1998 bis 2001 sowie den Gewerbesteuermessbetrag für 1998 bis 2001 nach Maßgabe der Textziffer II 1. c) der Entscheidungsgründe des Urteils zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft des Urteils neu bekannt zu geben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Gründe:

I. Streitig ist, in welcher Höhe die Klägerin Aufwendungen für zwei häusliche, betrieblich genutzte Räume als Betriebsausgaben bei ihren Einkünften aus Gewerbebetrieb geltend machen kann.

Die Klägerin wurde bei dem Beklagten (dem Finanzamt - FA -) in den Streitjahren 1998 bis 2001 u.a. mit Einkünften aus Gewerbebetrieb zur Einkommensteuer (ESt) und zum Gewerbesteuermessbetrag (GewStMB) veranlagt. Die Klägerin betreibt als Einzelunternehmerin ein Unternehmen zur xxx. Diese wurden im Jahr 1998 mit zehn Leasingfahrzeugen, im Jahr 1999 mit insgesamt 15 Leasing-bzw. eigenen Fahrzeugen, im Jahr 2000 mit insgesamt 14 Leasing-bzw. eigenen Fahrzeugen und im Jahr 2001 mit insgesamt zwölf Leasing-bzw. eigenen Fahrzeugen durchgeführt. Für die Fahrten beschäftigte die Klägerin in den Streitjahren durchschnittlich 28 bis 35 Fahrer, wofür nach den Gewinnermittlungen der Klägerin ein Personalaufwand zwischen rund 218.000 DM bis rund 266.000 DM entstand. Die Klägerin nutzte in den Streitjahren zwei Räume (im Folgenden: Büro) in ihrer angemieteten Doppelhaushälfte als Büroräume (einen Raum von 26 qm im Keller und einen Raum von 8,5 qm im ersten Obergeschoss; beide Räume sind mit Schreibtischen, Bürostühlen, Regalen sowie Büroschränken ausgestattet). In ihren Einkommen-bzw. Gewerbesteuererklärungen machte die Klägerin der Höhe nach unstreitige Aufwendungen für Raumkosten für das Büro in Höhe von 8.538,29 DM im Jahr 1998, 11.365,17 DM im Jahr 1999, 12.327,64 DM im Jahr 2000 und 12.980,61 DM im Jahr 2001 als Betriebsausgaben geltend. Das FA folgte der jeweiligen Gewinnermittlung der Klägerin zunächst und setzte die ESt bzw. den GewStMB für die Streitjahre erklärungsgemäß fest, für 2000 und 2001 jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer für die Streitjahre 1998 bis 2000 durchgeführten Außenprüfung stellte die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts L. u.a. fest, dass auch die Klägerin xx Fahrten als Fahrerin oder als Begleitperson durchgeführt hatte, und vertrat aus diesem Grund in seinem Bericht über die Außenprüfung vom 3. Januar 2003 (Bericht) die Auffassung, dass die abziehbaren Aufwendungen für das Büro auf 2.400 DM pro Jahr zu begrenzen seien und der Gewinn der Klägerin aus diesem Grund im Jahr 1998 um 6.138,29 DM, im Jahr 1999 um 8.965,17 DM und im Jahr 2000 um 9.689,36 DM zu erhöhen sei. Das FA folgte dieser Auffassung und setzte die ESt sowie den GewStMB für die Streitjahre 1998 bis 2000 jeweils mit Bescheiden vom 13. März 2003 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO 1977) bzw. § 164 Abs. 2 AO 1977 entsprechend höher fest. Mit ESt-Bescheid für 2001 bzw. GewStMB-Bescheid für 2001 jeweils vom 29. Dezember 2003 berücksichtigte das FA nach § 164 Abs. 2 AO 1977 die Aufwendungen für das Büro ebenfalls nur noch in Höhe von 2.400 DM anstatt bisher mit 12.980,61 DM und erhöhte den Gewinn aus Gewerbebetrieb jeweils um 10.580 DM (nebst einer weiteren nicht streiterheblichen Erhöhung des Gewerbeertrags um 3.000 DM).

Die hiergegen erhobenen Einsprüche blieben in der Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2004 ohne Erfolg. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, die Raumkosten für das Büro in voller Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Zur Begründung trägt die Klägerin im wesentlichen vor, in ihrem Büro folgende für ihren Beruf wesentliche Leistungen zu erbringen: Personal-Vorstellungsgespräche und Personaleinstellung, Einteilung der Tourenpläne, Umdisponieren im Krankheitsfällen, Verwaltung des Fuhrparks und der Tachoscheiben, Organisation von KfZ-Reparaturen, Aquirieren von Aufträgen, Kalkulation und Erstellung von Angeboten bzw. Kundenabrechnungen, Telefondienst. In dem Büro finde Publikumsverkehr statt und die Aushilfe der Klägerin sei hier beschäftigt. Kleinere Touren fahre die Klägerin auch selbst (drei Stunden täglich, mindestens die gleiche Zeit verbringe sie jedoch mit Arbeiten im Büro). Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse bilde das Büro den Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit der Klägerin.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Abänderung der ESt-Bescheide für 1998 bis 2000 und der GewStMB-Bescheide für 1998 bis 2000, jeweils vom 13. März 2003, sowie des ESt-Bescheides für 2001 und des GewStMB-Bescheides für 2001, jeweils vom 29. Dezember 2003, sowie Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2004 die ESt und den GewStMB unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in Höhe von

6.138,29 DM für 1998,

8.965,17 DM für 1999,

9.689,36 DM für 2000 und

10.580,00 DM für 2001

festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA verweist darauf, dass es sich bei dem Büro um ein häusliches Arbeitszimmer handle, auch wenn dort gelegentlich Publikumsverkehr stattfinde und eine Aushilfe tätig sei. Das Arbeitszimmer bilde jedoch nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung der Klägerin, da die Klägerin dort nicht diejenigen Handlungen vornehme und Leistungen erbringe, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend seien. Prägend für den Betrieb der Klägerin sei die Fahrtätigkeit, damit werde die nach außen für jeden erkennbare eigentliche betriebliche Leistung erbracht. Wo die hierzu erforderlichen organisatorischen, vorbereitenden bzw. begleitenden Tätigkeiten erledigt würden, sei demgegenüber sekundär.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die Klage ist begründet. Dabei kann offen bleiben, ob das hier zu beurteilende Büro als häusliches Arbeitszimmer i. S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Einkommensteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) angesehen werden kann. Selbst wenn man dies zu Ungunsten der Klägerin annimmt, hat die Klage Erfolg. Entgegen der Auffassung des FA bildete das Büro in den Streitjahren den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung der Klägerin, sodass die Aufwendungen für das Büro der Höhe nach nicht auf 2.400 DM zu beschränken waren.

1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v. H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2.400 DM begrenzt. Die Beschränkung der Höhe nach gilt jedoch nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG.

a) Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können ausnahmsweise unbegrenzt als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Qualitativ liegt der Schwerpunkt einer Betätigung dort, wo der Steuerpflichtige die Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Aus diesem Grund schließt das zeitliche Überwiegen der außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers ausgeübten Tätigkeit einen unbeschränkten Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ebenso wenig aus wie ein zeitliches Überwiegen der Tätigkeit im Arbeitszimmer dieses bereits zum Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung macht. Ein häusliches Arbeitszimmer ist auch nicht schon deswegen Tätigkeitsmittelpunkt, weil der Steuerpflichtige über keinen anderweitigen festen Arbeitsplatz verfügt. Diese Fallgestaltung ist in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG ausdrücklich geregelt und führt nach Satz 3 Halbsatz 1 dieser Bestimmung lediglich zu einer auf 2.400 DM begrenzten Anerkennung der Aufwendungen. Der Gesichtspunkt, dass im häuslichen Arbeitszimmer die geschäftsleitenden Ideen entwickelt und die unternehmensbezogenen Entscheidungen für einen auswärtigen Tätigkeitsbereich getroffen werden, macht dieses nur dann zum Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, wenn die Entwicklung von Ideen und das Fällen von Entscheidungen für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen insgesamt prägend sind. Dient die Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer lediglich der Vor- bzw. Nachbereitung und der Unterstützung der eigentlichen Tätigkeit, die außer Haus verrichtet wird, ist das häusliche Arbeitszimmer nicht Tätigkeitsmittelpunkt i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Alternative 2 EStG. Bestimmend ist das Auftreten nach außen. Andererseits ist nicht entscheidend, an welchem Ort die Einnahmen erwirtschaftet werden (BFH-Urteile vom 6. Juli 2005 XI R 87/03, BStBl II 2006, 18, undvom 13. November 2002 VI R 104/01, BStBl II 2004, 65, jeweils m.w.N.).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze lag der Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit der Klägerin in den Streitjahren in ihrem Büro. Die Klägerin betrieb ein Unternehmen zur Personenbeförderung mit im Durchschnitt 28 bis 35 Fahrern, die mit mindestens zehn Fahrzeugen xx Fahrten durchführten, wobei die Klägerin naturgemäß lediglich eines dieser Fahrzeuge selbst fahren konnte. Allein die Personalkosten und KfZ-Kosten betrugen im Verhältnis zu den Betriebseinnahmen in den einzelnen Streitjahren zwischen ca. 60 bis 70%. Angesichts dessen handelt es sich bei den im Büro vorgenommenen Tätigkeiten der Klägerin, insbesondere dem Führen von Personalgesprächen, der Personaleinstellung, der Einteilung von Tourenplänen, der Umdisponierung im Krankheitsfällen, der Verwaltung der Fuhrparks sowie der Organisation von KfZ-Reparaturen, dem Aquirieren von Aufträgen, der Kalkulation und Erstellung von Angeboten bzw. Kundenabrechnungen nicht lediglich um vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten, sondern um die Leistungen, die für den konkret ausgeübten Beruf der Klägerin, der Führung eines Unternehmens zur Personenbeförderung mit einer nicht unerheblichen Anzahl von Fahrzeugen und Fahrern, wesentlich und prägend waren. Die organisatorischen Aufgaben der Klägerin, die außerhalb ihres Büros auch nicht über eine externe Betriebsstätte verfügte, die etwa durch ein festes Betriebsgebäude lokalisiert war, in dem die eigentliche betriebliche Leistung erbracht worden wäre, sind im Verhältnis zu ihren eigenen Fahrleistungen qualitativ als die bedeutenderen Leistungen für ihr Unternehmen einzustufen.

c) Demgemäß sind bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb im Jahr 1998 weitere Betriebsausgaben in Höhe von 6.138,29 DM, im Jahr 1999 weitere Betriebsausgaben in Höhe von 8.965,17 DM, im Jahr 2000 weitere Betriebsausgaben in Höhe von 9.689,36 DM und im Jahr 2001 weitere Betriebsausgaben in Höhe von 10.580 DM anzuerkennen. Die Ermittlung des jeweils in den geänderten ESt-Bescheiden festzusetzenden Steuerbetrages bzw. des jeweils in den geänderten GewStMB-Bescheiden festzusetzenden Steuermessbetrages wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung [FGO]). Dabei ist für die Jahre 1998 bis 2000 hinsichtlich des jeweils zugrunde zu legenden Gewinns aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen, dass sich der Aufwandsposten "Mehrsteuern laut Betriebsprüfung" (siehe Seite 7 des Berichts) bei der Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in der angegebenen Höhe jeweils entsprechend verringert.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

4. Das Gericht entscheidet nach § 90 Abs. 2 FGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Ende der Entscheidung

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