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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 10.03.2008
Aktenzeichen: 13 K 459/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 24b
EStG § 33 Abs. 1
EStG § 33 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

13 K 459/06

Einkommensteuer 2001, 2002, 2003 und 2004

In der Streitsache

...

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 10. März 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2004 vom 14. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006 wird die Einkommensteuer für 2004 auf 13.055,00 EUR herabgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Klägerin ist gelernte Fleischereifachverkäuferin und führt sei 1986 einen Fleischereifachhandel [...] L-Stadt. Sie wurde am 4. November 2002 geschieden und lebt seit Januar 2000 von ihrem ehemaligen Ehemann (M) getrennt.

Die Klägerin und M erwarben mit Kaufvertrag vom 15. September 1988 für einen Kaufpreis von 406.000 DM ein Einfamilienhaus in [...] O-Dorf. Die beiden gemeinsamen Kinder (Zwillinge, geb. 11. Januar 1988) und die alleinstehende Klägerin bilden seit dem Auszug von M eine Hausgemeinschaft in der gemeinsamen Wohnung.

Die [...] V-BANK gewährte am 29. Mai 1996 M als alleinigem Darlehensnehmer ein Darlehen in Höhe von 570.000 DM (Darlehen Nr. [...] 424), das M benötigte um eine eigene Metzgerei in O-Dorf zu übernehmen (Gewerbeanmeldung vom 1. April 1996).

Als Sicherheit dient der V-BANK eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Klägerin, die diese bis zu einem Höchstbetrag von 570.000 DM am 17. April 1996 gegenüber der V-BANK für alle gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten des M bei der V-BANK übernahm. Nachdem M auch mit seinem Kontokorrentkonto in Rückstand war und die Bürgschaft der Klägerin nicht mehr zur Absicherung der Verbindlichkeiten des M bei der V-BANK ausreichte, wurde auf das Hausgrundstück am 28. Januar 1997 eine weitere Grundschuld in Höhe von 200.000 DM nach einer nicht mehr in voller Höhe valutierten Grundschuld über 350.000 DM eingetragen.

Zum 16. Juni 1997 gab M seinen Gewerbebetrieb wieder auf, da sich trotz der Mithilfe der Klägerin seine Metzgerei nicht wie erwartet entwickelt hatte. Am 21. Juli 1998 kündigte die VBANK das Darlehen gegenüber M. Mit notariellem Vertrag vom 28. Juli 1998 übertrug M seinen Miteigentumsanteil am Hausgrundstück auf die Klägerin; in diesem notariellen Vertrag war u.a. vereinbart, dass die Klägerin auch die mit den auf dem Grundbesitz eingetragenen Grundschulden gesicherten Verbindlichkeiten zur dinglichen und persönlichen Haftung allein übernimmt. Außerdem übernahm die Klägerin am selben Tag eine weitere Grundschuld über 200.000 DM gegenüber der V-BANK, die am 28. August 1998 im Grundbuch eingetragen wurde. Die V-BANK nahm mit Schreiben vom 7. August 1998 die Klägerin aus der abgegebenen Bürgschaft über einen Gesamtbetrag von 617.496,82 DM in Anspruch (Rechtsbehelfsakte Bl. 82), da M das für die Eröffnung seiner Metzgerei gewährte Darlehen und einen weiteren Kredit nicht bedienen konnte. Die Klägerin kam dieser Zahlungsaufforderung in vollem Umfang nach. Die Klägerin finanzierte die Bürgschaftsinanspruchnahme über zwei Darlehen bei der V-BANK in Höhe von 180.000 DM und 580.000 DM (Nr. 780 301 667 und Nr. 780 591 673).

Die Klägerin hat mit M im Jahr 2007 einen Vergleich über ihre Rückgriffsansprüche nach der Tilgung ihrer Bürgschaftsschulden und der übernommenen Verbindlichkeiten vereinbart; sie hat aber bisher auf ihre Ansprüche keine Zahlungen erhalten, da M über kein Vermögen verfügt.

Die Klägerin machte in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre jeweils die Zins- und Tilgungszahlungen auf diese zur Tilgung der Bürgschaftsverpflichtungen aufgenommenen Darlehen in Höhe von 43.373,00 DM im Jahr 2001 und von jeweils 22.176,00 EUR in den Jahren 2002, 2003 und 2004 als außergewöhnliche Belastungen (agB) geltend. Die Klägerin begründete dies damit, dass nur ein Anteil an den Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 18,75% als Betriebsausgaben bei ihrer Metzgerei anerkannt worden sei; der restliche Anteil in Höhe von 81,25% sei demgemäß als agB abzugsfähig. Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - folgte den Angaben der Klägerin in den Einkommensteuererklärungen insoweit nicht und ließ die Aufwendungen nicht als agB zum Abzug zu (Einkommensteuerbescheide für 2001 vom 5. Dezember 2002, für 2002 vom 22. Juli 2003, für 2003 vom 11. März 2005, für 2004 vom 14. September 2005). Die dagegen gerichteten Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006).

Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin begründet ihre Klage damit, dass die Aufwendungen der Klägerin als agB abzugsfähig seien, da sie zwangsläufig entstanden seien. Die Klägerin habe keine Möglichkeit gehabt, den Aufwendungen auszuweichen; sie sei aus sittlichen Gründen zur Übernahme der Bürgschaftsverpflichtungen gezwungen gewesen. Denn M habe zunehmend energischer gegenüber der Klägerin auf die Abgabe der Bürgschaftserklärung gedrängt. Die Klägerin habe aus Sorge um ihre aufgebaute Existenz, das Einfamilienhaus und das Wohl der gemeinsamen Kinder deshalb dem Drängen des M nachgegeben und die geforderte Bürgschaft abgegeben. Würde die Zwangsläufigkeit verneint, sei die logische Folge, dass die Bürgschaftsübernahme freiwillig erfolgt sei. Dann müsste aber die Bürgschaft der eigenen gewerblichen Tätigkeit der Klägerin zugerechnet werden. Sie habe auch zuerst die Zahlungen auf die zur Bürgschaftstilgung aufgenommenen Darlehen bei ihrer eigenen Metzgerei als Betriebsausgaben geltend gemacht. Der Abzug als Betriebsausgaben sei jedoch vom Betriebsstättenfinanzamt in den Bescheiden über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1998, 1999 und 2000 nicht gewährt worden (Einspruchsentscheidung des Betriebsstättenfinanzamts vom 1. März 2002; Rechtsbehelfsakte Bl. 110 ff.). Sofern man sich auf den Standpunkt stellen wollte, dass die Klägerin als Gegenwert für die Übernahme der Grundschuld bzw. der damit gesicherten Verbindlichkeiten in Höhe von 200.000 DM als Gegenwert den hälftigen Miteigentumsanteil des M erworben habe, müsse man zumindest auch zu der Schlussfolgerung gelangen, dass dann wenigstens der restliche Teil der übernommenen Verbindlichkeiten des M in Höhe von 417.496,82 DM (Berechnung: 617.496,82 - 200.000 = 417.496,82) als zwangsläufig entstanden zu betrachten sei und die Zins- und Tilgungsleistungen auf diesen Teil als agB zu berücksichtigen seien. Dieser Anteil würde dazu führen, dass zumindest 68% (417.496 / 617.496 = 0,68) der geltend gemachten Beträge, also 29.494 DM bzw. 15.080 EUR, als agB abzugsfähig seien.

Die Klägerin beantragt

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2001 vom 5. Dezember 2002, für 2002 vom 22. Juli 2003, für 2003 vom 11. März 2005 und für 2004 vom 14. September 2005 - alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006 - außergewöhnliche Belastungen in Höhe von jährlich 22.176,45 EUR (bzw. 43.373,36 DM) anzuerkennen, sowie für 2004 einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zu gewähren und die Einkommensteuer entsprechend festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt

für das Jahr 2004 einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zu gewähren und im Übrigen die Klage abzuweisen.

Das FA verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die Bürgschaftsübernahme nicht zwangsläufig gewesen sei, denn die Klägerin hätte die Übernahme ablehnen können, was sogar wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre. Im Übrigen seien die Einwendungen der Klägerin, dass, sofern keine agB gegeben seien, zumindest Betriebsausgaben vorliegen müssen, im vorliegenden Streitfall unzulässig. Diese Einwendungen wären nämlich allein gegen die Feststellungsbescheide des Betriebsstättenfinanzamts als Grundlagenbescheide gerichtet.

Das FA hat im Streitjahr 2004 für die Klägerin bisher keinen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b Einkommensteuergesetz (EStG) berücksichtigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

II. Die Klage ist - zum großen Teil - unbegründet.

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BStBl II 2007, 764 m.w.N.). Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen ( § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die vorstehend aufgeführten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag. Entscheidend ist daher, ob das Ereignis, dessen Folge die Aufwendungen oder die Verpflichtung zur Bestreitung der Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Dabei ist nicht darauf abzustellen, ob sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühlte. Maßgebend ist vielmehr die Verkehrsanschauung (BFH-Urteile vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BStBl II 1995, 774; vom 29. März 2000 X R 99/95, BFH/NV 2000, 1188).

2. Die Übernahme der Bürgschaft für die Schulden aus der Geschäftsgründung des M und die Übernahme von Verbindlichkeiten des M war für die Klägerin nicht zwangsläufig. Hierfür bestand keine rechtliche, tatsächliche oder sittliche Notwendigkeit.

Verpflichtungen aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen können für sich allein eine Zwangsläufigkeit i.S. des § 33 Abs. 2 EStG regelmäßig nicht begründen. Zwangsläufigkeit kann in derartigen Fällen vielmehr nur bejaht werden, wenn zusätzlich zu der selbst begründeten Rechtspflicht eine weitere rechtliche oder sittliche Verpflichtung bzw. eine tatsächliche Zwangslage zur Leistung der Aufwendungen tritt. Entsprechendes gilt, wenn die Übernahme der Rechtspflicht ihrerseits auf rechtlichen oder sittlichen Verpflichtungen oder auf einer tatsächlichen Zwangslage beruht (BFH-Urteil in BStBl II 1995, 774). Demgemäß kann auch die Tilgung von Schulden eine außergewöhnliche Belastung sein, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst worden war, die ihrerseits zwangsläufig und außergewöhnlich waren. Dies bedeutet, dass hinsichtlich der Zwangsläufigkeit und damit hinsichtlich der Außergewöhnlichkeit bei der Aufnahme von Schulden oder bei der Übernahme einer Bürgschaft immer die Vorgänge als maßgebend anzusehen sind, die ursprünglich die spätere Verpflichtung aus den Schulden, bzw. aus der Bürgschaft ausgelöst haben. Im Falle einer Bürgschaft kann die Zwangsläufigkeit deshalb nur dann bejaht werden, wenn die Übernahme der Bürgschaft und nicht nur die spätere Zahlung aufgrund der Bürgschaft zwangsläufig war (BFHUrteil vom 18. November 1977 VI R 142/75, BStBl II 1978, 147 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 8. Oktober 1998 III B 21/98, BFH/NV 1999, 496; FG Köln, Urteil vom 2. März 1995 2 K 3852/94, EFG 1995, 719; Schmidt/Loschelder, EStG, 26. Aufl. 2007, § 33 Rz. 35, Stichworte: Bürgschaft und Schuldentilgung, jeweils m.w.N.; Nacke in Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, 15. Aufl. Loseblatt Stand Mai 2007, § 33 EStG Anh. 1 ABC der agB, Stichwort: Bürgschaft, m.w.N.; Arndt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Loseblatt Stand Januar 2001, § 33 Rz. C 63, Stichwort: Bürgschaft).

Daraus folgt für den Streitfall: Die Bürgschaftsübernahme und die Übernahme der Verbindlichkeiten war nicht zwangsläufig, da die Klägerin dazu rechtlich nicht verpflichtet war. Die Klägerin war nicht aufgrund der seinerzeit noch bestehenden Ehe verpflichtet, sich für die Schulden ihres Ehepartners zu verbürgen. Dies gilt auch im Hinblick auf die sich aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergebende eheliche Beistandspflicht. Diese Beistandspflicht beinhaltet in erster Linie persönliche Handlungspflichten, wie z.B. die Pflicht im Erwerbsgeschäft des Ehegatten mitzuwirken (Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl. 2007, § 1353 Rz. 8 m.w.N.). Nicht aber folgt aus der Vorschrift die Pflicht, für den Gewerbebetrieb des anderen Ehegatten Verbindlichkeiten zu begleichen, Bürgschaften oder dingliche Sicherheiten zu übernehmen oder bereits vom Ehegatten eingegangene Verbindlichkeiten zu übernehmen (MünchnerKommentar/Wacke, BGB, 4. Aufl. 2000, § 1353 Rz. 28).

Entgegen der Ansicht der Klägerin war die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung auch nicht deshalb zwangsläufig, weil die Klägerin aus sittlichen Gründen hierzu genötigt gewesen wäre. Für eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen reicht es nicht aus, dass ein Steuerpflichtiger sich zu Aufwendungen für einen Dritten verpflichtet fühlt und dass andere Steuerpflichtige sich in einer vergleichbaren Situation entsprechend verhalten hätten. Erforderlich ist vielmehr, dass der Steuerpflichtige sich nach dem Urteil aller billig und gerecht denkenden Menschen zu der erbrachten Leistung für verpflichtet halten muss und jede Möglichkeit, sich dem geltend gemachten Anspruch zu entziehen, ausgeschlossen ist, da dies im sittlichmoralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene Sanktionen für den Steuerpflichtigen zur Folge hätte. Eine die Zwangsläufigkeit gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG begründende sittliche Pflicht ist demnach zu bejahen, wenn diese so unabwendbar auftritt, dass sie ähnlich einer Rechtspflicht von außen her als eine Forderung oder jedoch zumindest Erwartung der Gesellschaft der Art auf den Steuerpflichtigen einwirkt, dass ihre Erfüllung als selbstverständliche Handlung erwartet und die Missachtung dieser Erwartung als moralisch anstößig angesehen wird (BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 III R 145/85, BStBl II 1990, 895).

Im Streitfall konnte M es nicht als Selbstverständlichkeit erwarten, dass seine Ehefrau sich für seine geschäftlichen Schulden verbürgte. Da die Klägerin bereits seit Jahren über eine gut gehende Metzgerei am [... Markt] (in bester [...] Lage in L-Stadt) verfügte und M bisher in diesem Betrieb mitgearbeitet hatte, wäre es unter diesen Umständen objektiv nicht etwa moralisch anstößig, sondern vielmehr vernünftig gewesen, die Übernahme der Bürgschaft für das Darlehen zur Übernehme des Betriebes für M abzulehnen und statt dessen M als Geschäftspartner und Mitunternehmer in die Metzgerei mit aufzunehmen. Die Klägerin hat stattdessen aufgrund einer - wie sie in der mündlichen Verhandlung ausführen ließ - wirtschaftlich rationalen Entscheidung eine Bürgschaft für M übernommen, nachdem sie die Geschäftsaussichten für den Gewerbebetrieb von M aufgrund ihrer eigenen fachlichen Kenntnisse als positiv beurteilt hatte. Im sittlich-moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene hat es aber keine Sanktionen zur Folge, wenn man zwischen mehreren wirtschaftlich sinnvollen Optionen wählen kann und dann letztlich keine der Möglichkeiten ergreift oder auch nur eine sich ergebende wirtschaftlich sinnvolle Alternative nicht nutzt oder den Ehegatten dabei nicht unterstützt. Für die Entscheidung der Klägerin für die Bürgschaftsübernahme als wirtschaftlich sinnvoll betrachtete Alternative fehlt damit - neben der rechtlichen - auch die sittliche Verpflichtung.

Ebenso fehlt es an einer sittlichen Verpflichtung der Klägerin dafür, dass sie mit der Eintragung einer Grundschuld über 200.000 DM im Januar 1997 am Hausgrundstück einverstanden war. Nachdem die V-BANK die Höchstbetragsbürgschaft als nicht mehr ausreichend betrachtet hat, wäre es für die Klägerin auch vertretbar - und rückblickend wirtschaftlich sinnvoll - gewesen, die Gewährung weiterer Sicherheiten für die geschäftlichen Verbindlichkeiten des M abzulehnen zumal nach ihren eigenen Angaben die erste Grundschuld zugunsten der V-BANK zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme nur mehr in Höhe von ca. 150.000 DM valutierte. Und nach den dargestellten Maßstäben fehlt es auch an einer sittlichen Verpflichtung der Klägerin für die Übernahme der weiteren Verbindlichkeiten des M aufgrund der Vereinbarung vom 28. Juli 1998. Denn in diesem Vertrag haben die Klägerin und M eine Vereinbarung über die Übertragung des Miteigentumsanteils von M auf die Klägerin getroffen und sich in diesem Zusammenhang auch über die Zuordnung der mit Grundschulden an diesem Objekt gesicherten Verbindlichkeiten geeinigt. Außerdem wurden die Auswirkungen dieser Übertragung auf einen etwaigen Zugewinnausgleich für den Fall der Scheidung vereinbart und Vereinbarungen über den Zugewinnausgleich werden nicht als existenziell notwendige private Aufwendungen betrachtet, was zusätzlich agB ausschließt (Schmidt/Loschelder, EStG, 26. Aufl. 2007, Rz. 35, Stichwort: Zugewinnausgleich). Auch die Bestellung der zweiten Grundschuld über 200.000 DM am Hausgrundstück am 28. Juli 1998 begründet keine agB i.S. des § 33 EStG, denn durch diese Grundschuld wurde nur eine weitere dingliche Sicherheit für die bereits bestehenden Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der V-BANK begründet.

3. Im Übrigen liegen auch soweit die Klägerin über die übernommene Bürgschaft hinaus Zahlungen an die V-BANK aufgrund der im Juli 1998 übernommenen Verbindlichkeiten geleistet hat, nach der sog. Gegenwerttheorie keine agB vor.

Denn insoweit handelt es sich um eine bloße Umschichtung von Vermögenswerten, die die Klägerin nicht (außergewöhnlich) "belastet" i.S. des § 33 Abs. 1 EStG. Nur soweit Werte aus dem Vermögen oder dem laufenden Einkommen endgültig abfließen, liegt bei einem Steuerpflichtigen - anders als bei einer reinen Vermögensumschichtung - eine Belastung vor (BFH-Urteile vom 10. Oktober 1996 III R 209/94, BStBl II 1997, 491; vom 15. Dezember 2005 III R 10/04, BFH/NV 2006, 931; vom 25. Januar 2007 III R 7/06, BFH/NV 2007, 1081; BFH-Beschluss vom 15. April 2004 III B 84/03, BFH/NV 2004, 1252, jeweils m.w.N.).

Im Streitfall hat die Klägerin - wie sie selbst einräumt - durch die Übernahme der mit der Grundschuld am Hausgrundstück gesicherten Darlehen der V-BANK über 200.000 DM aufgrund des notariellen Vertrages vom 28. Juli 1998 den Miteigentumsanteil des M als Gegenwert erhalten.

4. Das Argument der Klägerin, dass die Zins- und Tilgungsleistungen als Betriebsausgaben bei ihrer Metzgerei berücksichtigt werden müssen, wenn sie nicht als agB abgezogen werden können, bleibt in vorliegendem Rechtsstreit ohne Erfolg ( § 42 Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 351 Abs. 2 Abgabenordnung - AO -). Denn über den Gewinn der Metzgerei der Klägerin wird mit einem eigenen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ( § 180 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AO) entscheiden; dieser Verwaltungsakt ist bestandskräftig.

5. Das FA hat jedoch - worüber sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die Beteiligten einig sind - zu Unrecht im Streitjahr 2004 den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG in Höhe von 1.308,00 EUR nicht berücksichtigt. Deshalb vermindert sich der Gesamtbetrag der Einkünfte um 1.308,00 EUR; die festgesetzte Einkommensteuer für 2004 reduziert sich auf 13.055,00 EUR. Die Besteuerungsgrundlagen für 2004 ändern sich wie folgt:

 EUR
Zu versteuerndes Einkommen lt. Bescheid vom 14.09.2005 49.085
- Entlastungsbetrag gem. § 24b EStG -1.308
= Zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil 47.777
ergibt Einkommensteuer lt. Grundtabelle 12.705
- Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte -1.498
= verbleibende Einkommensteuer 11.207
+ Kindergeld (2 * 924 = 1.848) 1.848
= festzusetzende Einkommensteuer 13.055

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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