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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 22.04.2008
Aktenzeichen: 13 K 653/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 4
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 50 Abs. 3 Satz 1
EStG § 50 Abs. 3 Satz 2
Der Mindeststeuersatz gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG von 25 v.H. des Einkommens eines beschränkt Steuerpflichtigen mit gewerblichen Einkünften verstößt weder gegen Gemeinschafts- noch gegen Verfassungsrecht, sofern er nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den betroffenen Steuerpflichtigen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrages ergeben würde.
Finanzgericht München

13 K 653/07

Einkommensteuer 2005

In der Streitsache

...

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[...]

ohne mündliche Verhandlung am 22. April 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, in welcher Höhe die Mindeststeuer gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) festgesetzt wird.

I.

Der Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger und wohnt in Österreich. Er arbeitete im Streitjahr als Elektromeister und erzielte aus seiner Beteiligung an der Fa. [...] S & atypisch Still im Streitjahr 2005 in Deutschland Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.189,00 EUR (lt. Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb vom 30. Januar 2007).

Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - setzte mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 27. November 2006 die Einkommensteuer 2005 in Höhe von 370,00 EUR fest. In den Erläuterungen zur Festsetzung führte das FA aus, dass die Steuer gem. § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG unter Berücksichtigung des Grundfreibetrages in Höhe von 7.664,00 EUR zu Gunsten des Klägers nach dem Grundtarif ermittelt worden sei.

Dagegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2007) erhobene Klage. Der Kläger begründet seine Klage damit, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und auch sein zu versteuerndes Einkommen 2.189,00 EUR betrage. Nach § 50 Abs. 3 Satz 1 EStG bemesse sich die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 32a Abs. 1 EStG. Nach § 32a Abs. 1 EStG bemisst sich aber die Einkommensteuer nach dem zu versteuernden Einkommen. Damit sei eindeutig bestimmt, dass der Steuersatz sich nur auf ein zu versteuerndes Einkommen und nicht auf den zusätzlich hinzugerechneten Grundfreibetrag beziehen dürfe. Satz 2 des Absatzes 3, der eine Mindeststeuer von 25 vom Hundert (v.H.) vom Einkommen anordne, sei durch Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eingeschränkt worden. Zur Berechnung des Steuersatzes sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. November 2003 (I R 34/02, BStBl II 2004, 773) und nach dem Urteil des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 12. Juni 2003 (Rs. C-234/01, BStBl II 2003, 859, "Gerritse") dem zu versteuernden Einkommen ein Grundfreibetrag hinzuzurechnen und daraus der Steuersatz zu berechnen. Aus den beiden Entscheidungen könne nicht abgeleitet werden, dass die festgesetzte Steuer aus dem zu versteuernden Einkommen zuzüglich des Grundfreibetrages zu berechnen sei. Die beiden Entscheidungen würden nur aussagen, dass aus der Summe beider Beträge der Steuersatz festzustellen sei. Das FA interpretiere die genannten Entscheidungen falsch. Das FA unterstelle, dass die auf § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG beruhende Steuer nicht höher sein dürfe als die Steuer, die sich aus der Anwendung des Steuertarifs auf das zu versteuernde Einkommen beschränkt Steuerpflichtiger zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrages ergeben würde. Die Entscheidung des FA beruhe auf dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 10. September 2004 (IV A 5 - S 2301 - 10/04, BStBl I 2004, 860). Dies besage, dass der Mindeststeuersatz von 25 v.H. nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG nur noch Anwendung finde, wenn die sich dadurch ergebende Steuer nicht höher sei als die Steuer, die sich aus der Anwendung des progressiven Steuersatzes auf das Einkommen des beschränkt Steuerpflichtigen zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrages ergebe. Diese Verwaltungsanweisung widerspreche aber der Rechtsprechung des BFH und des EuGH, denn sowohl der BFH wie auch der EuGH hätten eindeutig den Steuersatz und nicht die Steuer beschränkt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass sich im Streitfall ein Steuersatz von 3,77 v.H. ergeben würde. Würde man die Nettoeinkünfte in Höhe von 2.189,00 EUR und den Grundfreibetrag in Höhe von 7.664,00 EUR addieren, ergebe sich ein Betrag von 9.853,00 EUR. Daraus resultiere eine Einkommensteuer nach der Grundtabelle in Höhe von 370,00 EUR. Dies entspräche einem Steuersatz von 3,77 v.H.. Bei diesem Steuersatz und einem zu versteuernden Einkommen von 2.189,00 EUR ergäbe sich somit eine festzusetzende Einkommensteuer in Höhe von 82,52 EUR. Durch die Anwendung des ermittelten Steuersatzes von 3,77 v.H. auf das zu versteuernde Einkommen des beschränkt steuerpflichtigen Klägers sei gewährleistet, dass der Kläger nicht schlechter gestellt sei als ein unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger, dem die Vergünstigung eines Grundfreibetrages in vollem Umfang gewährt werde. Bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen betrage die festzusetzende Einkommensteuer bei einem zu versteuerndem Einkommen von 2.189,00 EUR gem. § 32a Abs. 1 EStG nach der Grundtabelle 0 EUR.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 27. November 2006 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2007 die Einkommensteuer in Höhe von 82,52 EUR festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt

Klageabweisung

und verweist zur Begrünung auf die Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2007. Sowohl der EuGH als auch der BFH hätten in ihren Urteilen darauf hingewiesen, dass der Grundfreibetrag eine Vergünstigung sei, die Personen vorbehalten werde, die ihr zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen im Besteuerungsstaat erzielt hätten. Die festzusetzende Einkommensteuer bemesse sich im Streitfall nach den im BMF-Schreiben vom 10. September 2004 (IV A 5 - S 2301 - 10/04, BStBl I 2004, 860) aufgestellten Grundsätzen als die Einkommensteuer, die sich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs des § 32a Abs. 1 EStG auf das Einkommen des Klägers zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrages ergäbe.

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

II.

Die Klage ist nicht begründet.

1. Der Kläger war im Streitjahr 2005 in Deutschland mit seinen Einkünften aus der gewerblichen Beteiligung gem. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 und § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG beschränkt steuerpflichtig.

Er wird mit den erzielten Einkünften im Inland veranlagt. Die Steuer ist grundsätzlich nach der Grundtabelle (§ 50 Abs. 3 Satz 1 EStG) zu erheben. Ausnahmsweise sieht § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG einen Mindeststeuersatz von 25 v. H. des Einkommens i.S.v. § 2 Abs. 4 EStG vor. § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG ist jedoch nach dem BFH-Urteil vom 19. November 2003 (I R 34/02, BStBl II 2004, 773) gemeinschaftsrechtswidrig, soweit der Mindeststeuersatz höher ist als der Steuersatz, der sich für den betroffenen Steuerpflichtigen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrages ergeben würde. Dem folgt die Finanzverwaltung für das Streitjahr auch ohne Gesetzesänderung (BMF-Schreiben vom 10. September 2004 IV A 5 - S 2301 - 10/04, BStBl I 2004, 860).

Im Streitfall hat das FA nicht den Mindeststeuersatz von 25 v. H. zugrunde gelegt (25 v. H. von 2.189,00 EUR ergäbe eine Steuer von 547,25 EUR), sondern hat die festzusetzende Steuer nach der Grundtabelle unter Berücksichtigung des erklärten zu versteuernden Einkommens und eines Betrags in Höhe des Grundfreibetrages ermittelt.

2. Im Streitfall wurde die Einkommensteuer zutreffend in Höhe von 370,00 EUR festgesetzt.

Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ist bei beschränkt Steuerpflichtigen der Ansatz aller Freibeträge des § 32 EStG ausgeschlossen (§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG). Nicht anwendbar ist auch bei Mindestbesteuerung nach § 50 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz EStG der Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Da es sich insoweit um Regelungen aus dem Bereich des subjektiven Nettoprinzips handelt, verstößt der Ausschluss der beschränkt Steuerpflichtigen von den Freibeträgen nicht gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags (zum Grundfreibetrag BFH-Urteil in BStBl II 2004, 773 unter Tz. II.3.a. der Entscheidungsgründe und EuGH-Urteil vom 12. Juni 2003 Rs. C-234/01 "Gerritse", Sammlung der Rechtsprechung - Slg. - 2003, I-05933, Rdnr. 48 = BStBl II 2003, 859).

Wie der BFH und der EuGH in diesen Urteilen ausführen, ist die Mindeststeuer mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages nur eingeschränkt vereinbar. Allerdings widerspricht es den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nicht, wenn nach dem nationalen Recht die Einkünfte Gebietsfremder einer definitiven Besteuerung zu einem einheitlichen Steuersatz von 25 v.H. unterliegen, während die Einkünfte Gebietsansässiger nach einem progressiven Steuertarif mit einem Grundfreibetrag besteuert werden. Voraussetzung ist insofern allein, dass der Steuersatz von 25 v.H. nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den Betroffenen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrags ergeben würde. Der Steuersatz, dem der beschränkt Steuerpflichtige unterworfen ist, ist hiermit zu vergleichen; seine inländischen Einkünfte dürfen nur dem niedrigeren der beiden Steuersätze unterworfen werden (vgl. auch BFH-Urteile in BStBl II 2004, 773; vom 28. Januar 2004 I R 73/02, BStBl II 2005, 550; vom 10. Januar 2007 I R 87/03, BStBl II 2008, 22 = BFH/NV 2007, 1241 m.w.N.). Der BFH vergleicht somit bei seiner Prüfung, ob die Besteuerung gemeinschaftsrechtlich zulässig ist, nur diese beiden Steuersätze. Da dem beschränkt Steuerpflichtigen der Grundfreibetrag nicht gewährt zu werden braucht, muss um den progressiven Steuersatz nach der Grundtabelle zutreffend zu ermitteln, ein Betrag in Höhe des Grundfreibetrages den inländischen Einkünften hinzugerechnet werden, denn in der tariflichen Einkommensteuer ist der Grundfreibetrag bereits berücksichtigt ( § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).

Das FA hat somit zu Recht die Einkommensteuer in Höhe von 370,00 EUR festgesetzt, denn damit werden die Einkünfte des Klägers mit dem niedrigeren der beiden Steuersätze besteuert. Dieser Betrag von 370,00 EUR entspricht bezogen auf das zu versteuernde Einkommen von 2.189 EUR einem Steuersatz von 16,90 v.H. und unterschreitet damit den Mindeststeuersatz des § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG von 25,00 v.H.. Der Kläger kann sich für seine weiteren zusätzlichen Argumentationsschritte, dass er einen Prozentsatz von 3,76 v.H. ermittelt, der sich bei dem Betrag von 370,00 EUR für die Ausgangsgröße von 9.853,00 EUR (2.189 + 7.664) ergibt, und dass er diesen Prozentsatz anschließend auf das erzielte zu versteuernde Einkommen von 2.189,00 EUR anwendet und erst daraus die festzusetzende Einkommensteuer ermittelt, jedenfalls nicht auf die Rechtsprechung des BFH und EuGH stützen.

3. Das Verfahren war nicht wegen der anhängigen Verfassungsbeschwerde (Az.: 2 BvR 1178/07) gegen das BFH-Urteil in BStBl II 2008, 22 gemäß § 74 FGO auszusetzen. Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des BFH an, dass die Nichtgewährung des Grundfreibetrages an beschränkt Steuerpflichtige nicht verfassungswidrig ist (BFH-Urteil in BStBl II 2004, 773 unter Tz. II.3.b. der Entscheidungsgründe; Gräber/Koch, FGO, 6. Aufl. 2006, § 74 Rz. 13 und 15).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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