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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 14 K 2276/06
Rechtsgebiete: UStG, AO


Vorschriften:

UStG § 1b Abs. 2
UStG § 15 Abs. 1
AO § 90 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob der Kläger Vorsteuern aus den Kosten für die Anschaffung und den Betrieb eines Fahrzeugs geltend machen kann.

Der Kläger war in den Streitjahren neben seiner nichtselbständigen Arbeit unternehmerisch als Finanzberater tätig. Für das Jahr 2000 erklärte er Umsätze in Höhe von 500 DM und Vorsteuern von 33.187,97 DM, für das Jahr 2001 keine Umsätze und Vorsteuern von 7.490,20 DM und für das Jahr 2002 Umsätze von 750 EUR sowie Vorsteuern von 844,86 EUR.

Zum 31. Dezember 2003 gab der Kläger seinen Betrieb auf.

Im Rahmen einer für die Jahre 1999 bis 2001 durchgeführten Außenprüfung stellte das Finanzamt (FA) fest, dass der Kläger im Juli 2000 ein Fahrzeug des Typs Ferrari 355 erworben hatte. Der Pkw wurde in der Zeit vom Mai bis Oktober genutzt und während der Wintermonate abgemeldet (vgl. Bl. 46 BNV-Akte). Im Jahr 2004 wurde das Fahrzeug wieder verkauft.

Neben dem Ferrari stand dem Kläger ein weiteres Fahrzeug (Audi Avant) ganzjährig zur Verfügung (vgl. Bl. 57 BNV-Akte).

Kundendateien sowie Unterlagen über Geschäftsabschlüsse, Werbe- oder Vertragsanbahnungen konnte der Kläger nicht vorlegen. In einer als Business Plan bezeichneten Aufstellung waren die mehrtägigen Reisen des Klägers beschrieben. Darin gab er an, dass er 2000 auf einer Frankreichreise und 2001 in der Schweiz Kunden in Lokalen und Hotels getroffen habe, aber nicht über Adressen verfüge (vgl. Bl. 89 ff BNV-Akte). Eine Anfrage bei dem Arbeitgeber des Klägers ergab, dass er im Jahr 2000 an 21 Tagen Urlaub genommen hatte.

Für die Jahre 2001 und 2002 habe ihm ein Urlaubsanspruch von jeweils 30 Tagen zugestanden, Urlaubsanträge wurden für diesen Zeitraum jedoch nicht gestellt. Die Genehmigung einer Nebentätigkeit habe der Kläger nicht gestellt (vgl. Bl. 118 ff Rechtsbehelfsakte).

Aufgrund dieser Erkenntnisse nahm das FA eine Kürzung der geltend gemachten Vorsteuern vor, da es den Nachweis der unternehmerischen Nutzung des Ferraris als nicht erbracht ansah, ein vom Kläger geführtes Fahrtenbuch wurde nicht anerkannt (vgl. Bl. 39 ff Gerichtsakte).

Mit Bescheid jeweils vom 11. August 2004 setzte das FA die Umsatzsteuer 2000 und 2001 auf 0 und mit Bescheid vom 11. Oktober 2004 die Umsatzsteuer 2002 auf 120 EUR fest.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte überwiegend keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 24. November 2005 setzte das FA die Umsatzsteuer 2000 auf einen Negativbetrag von 124,76 EUR, die Umsatzsteuer 2001 auf einen Negativbetrag von 599,23 EUR und die Umsatzsteuer 2002 auf einen Negativbetrag von 25,44 EUR fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass das FA den begehrten Vorsteuerabzug zu Unrecht versage. Da er mit seiner Beratungstätigkeit vermögende nationale und internationale Privatkunden gewinnen wollte, habe er ganz bewusst ein Fahrzeug der obersten Klasse gewählt, da es ausschließlich zu Repräsentationszwecken eingesetzt worden sei. Anhand der von ihm geführten Fahrtenbücher sei ersichtlich, dass er das Fahrzeug im Jahr der Anschaffung selbst bei Weglassen der Auslandsfahrten zu 40% für betriebliche Zwecke genutzt habe. In den folgenden Jahren habe die Nutzung immer deutlich mehr als 10% betragen.

Darüber hinaus sei in einer Schlussbesprechung mit dem FA über alle strittigen Punkte Einigung erzielt worden. Es sei ihm völlig unverständlich, warum in der Einspruchsentscheidung entgegen dieser Absprache die unternehmerische Nutzung des Fahrzeugs nicht anerkannt worden sei.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 2000 und 2001 jeweils vom 11. August 2004, den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 11. Oktober 2004 sowie die Einspruchsentscheidung vom 24. November 2005 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2002 auf einen Negativbetrag von 724,86 EUR festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es vor, dass das vom Kläger geführte elektronische Fahrtenbuch nicht anerkannt werden könne. Darüber hinaus führten die mit dem Ferrari vorgenommenen Fahrten in touristisch attraktive Gebiete.

Da der Kläger keine Geschäftsunterlagen aufbewahrt habe, sei auch eine Überprüfung der geschäftlichen Veranlassung der einzelnen Fahrten nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet, das FA hat dem Kläger zu Recht den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung und den laufenden Kosten des Pkws versagt.

Ein Unternehmer kann Vorsteuerbeträge für Leistungen an sein Unternehmen abziehen, die in Rechnungen des leistenden Unternehmers gesondert ausgewiesen sind (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung - UStG-).

In tatsächlicher Hinsicht trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. September 1993 V B 113/93, BFH/NV 1994, 281).

Gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 UStG gilt die Lieferung eines Gegenstands als nicht für das Unternehmen ausgeführt, wenn der Unternehmer ihn zu weniger als 10 vom Hundert für sein Unternehmen nutzt. Bei der Anschaffung von Fahrzeugen i.S.d. § 1b Abs. 2 UStG, die auch für den privaten Bedarf des Unternehmers oder für andere unternehmensfremde Zwecke verwendet werden, ist der Vorsteuerabzug der Höhe nach gemäß § 15 Abs. 1 b UStG auf die Hälfte begrenzt.

Die Zuordnung eines Leistungsbezugs zu einem Unternehmen ist dann nicht möglich, wenn der Unternehmer einen Gegenstand oder eine Dienstleistung ausschließlich für seinen nicht unternehmerischen Bereich verwendet. In diesem Fall eröffnet sich ihm nicht das Recht zum Vorsteuerabzug (vgl. EuGH-Urteil vom 11. Juli 1991 Rs. C-97/90, Lennartz, Slg. 1991, I- 3795). Dem entspricht Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und stellt gleichzeitig klar, dass der Steuerpflichtige nur dann berechtigt ist, Mehrwehrsteuer als Vorsteuer abzuziehen, soweit er die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet. Maßgebend für die Überprüfung der durch objektive Anhaltspunkte belegten Verwendungsabsicht ist der jeweilige Zeitpunkt des Leistungsbezugs, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; BFH-Urteil vom 8. März 2001 V R 24/98 in BFH/NV 2001, 876).

Nach diesen Grundsätzen steht die vom Kläger bezogene Eingangsleistung nicht in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit. Selbst wenn man vorliegend davon ausgeht, dass der Kläger das hier streitige Fahrzeug seinem Unternehmen zuordnen konnte und durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs auch zugeordnet hat, ist eine unternehmerische Verwendung im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang nicht ersichtlich. Aufgrund objektiver Anhaltspunkte ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger im Zeitpunkt des Bezugs der Lieferung weder beabsichtigte, das Fahrzeug zu mindestens 10% unternehmerisch zu nutzen, noch es tatsächlich in diesem Umfang genutzt hat.

Objektiv nachprüfbare Unterlagen zum Nachweis einer unternehmerischen Nutzung von mindestens 10% der Gesamtnutzung liegen im Streitfall nicht vor. Das vorgelegte Fahrtenbuch ist nicht geeignet, eine derartige Nutzung zu belegen, da es den Voraussetzungen, die von der Rechtsprechung an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch gestellt werden, nicht genügt.

Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich zwar nicht näher bestimmt.

Nach der Rechtsprechung des BFH sind jedoch die Voraussetzungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, im Wesentlichen geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, und vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625). Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt worden ist. Eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt diesen Anforderungen nur dann, wenn nachträgliche Veränderungen in an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden (vgl. allgemein zu den Anforderungen an eine Computerdatei als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch BFH-Urteil vom 16.11.2005 VI R 64/04, BStBl II 2006, 410 m.w.N.).

Im Streitfall bietet die vom Kläger gewählte Form der Erstellung seines Fahrtenbuchs keine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben.

Die Erfassung der Fahrten auf einer Word-Datei kann nach Auffassung des Senats nicht als zeitnahe und hinreichend manipulationssichere Erfassung qualifiziert werden. Insbesondere sind nachträgliche Änderungen der Eingaben bzw. Abstimmungen nicht ausgeschlossen, da es möglich ist, die Daten in das Fahrtenbuchprogramm so einzugeben, dass jedes gewünschte Ergebnis erreicht werden kann. Der Ausdruck einer solchen Datei ist deshalb zum Nachweis der Vollständigkeit und Richtigkeit der erforderlichen Angaben nicht geeignet.

Der Kläger hat im Übrigen die Eintragungen in das Fahrtenbuch auch nicht durch Vorlage von Besprechungsprotokollen, Vertragsabschlüssen oder ähnlichen Geschäftsunterlagen glaubhaft gemacht. Es kann nicht mehr nachvollzogen werden, inwieweit tatsächlich Geschäftsbeziehungen bestanden haben oder angestrebt wurden. Soweit Adressen zum Nachweis von Kundenbeziehungen genannt wurden, liegen diese alle im Ausland, obwohl nach dem Vortrag des Klägers und den vorgelegten Fahrtenbüchern auch im Inland Gespräche über Finanzberatungen stattgefunden haben sollen. Im Ausland können jedoch Sachaufklärungsmaßnahmen durch inländische Behörden und Gericht nicht unmittelbar vorgenommen werden (vgl. § 90 Abs. 3 Abgabenordnung 1977 - AO -). Auch die internationale Rechts- und Amtshilfe unterliegt erheblichen rechtlichen Beschränkungen (§ 177 AO) und ist erst in Anspruch zu nehmen, wenn die nationalen Sachaufklärungsmittel nicht zum Ziel führen.

Vor diesem Hintergrund sind die angegebenen Adressen ohne weitere Nachweise nicht aussagekräftig. Dies gilt insbesondere deswegen, da den Kläger gemäß § 90 Abs. 2 AO eine gesteigerte Sachaufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht trifft und er verpflichtet ist, entsprechende Nachweise für eine Beratungstätigkeit im Ausland beizubringen.

Darüber hinaus ist es nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum der Kläger, der nach seinem Vorbringen die Beratertätigkeit zu seinem Hauptberuf ausbauen wollte und den Ferrari zu Repräsentationszwecken angeschafft hat, das Fahrzeug lediglich in der Zeit von Mai bis Oktober nutzte und in den Wintermonaten abmeldete. Sollte ein hochwertiger Pkw - wie der Kläger vorträgt - für seine Tätigkeit notwendig sein, bleibt offen, welches vergleichbare Fahrzeug er in den Wintermonaten nutzte. Ausgehend von allgemeinen Erfahrungssätzen ist eine nur annähernd 10% der Gesamtnutzung ausmachende Fahrleistung des Pkw als Nutzung für das Unternehmen auszuschließen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2000 V B 124/03, BFH/NV 2001, 492).

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er aufgrund einer im Rahmen der Schlussbesprechung getroffenen Zusage des FA auf die Gewährung des Vorsteuerabzugs vertrauen durfte. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt zwar, dass sich die Beteiligten an einer zulässigen und wirksamen tatsächlichen Verständigung festhalten lassen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 22.09.2004 III R 9/03, BStBl 2005, 160). Die Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung setzt jedoch voraus, dass sie sich auf Sachverhaltsfragen, nicht aber auf Rechtsfragen bezieht (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BStBl II 1985, 354 und vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BStBl 2004, 975). Folglich kann die Erklärung des FA im laufenden Einspruchsverfahren, den Ferrari dem Unternehmen zuzuordnen, keine Bindungswirkung entfalten, da die gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 1 UStG einer Disposition durch Steuerpflichtigen und FA nicht zugänglich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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