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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.07.2007
Aktenzeichen: 14 K 2688/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 3 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 2688/06

Umsatzsteuer 1996 -2000

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Richters am Finanzgericht als Vorsitzender,

der Richterin am Finanzgericht und

des Richters am Finanzgericht sowie

der ehrenamtlichen Richter und

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die vom Kläger erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen.

Der Kläger ist unter anderem als selbständiger Reiseleiter unternehmerisch tätig. Aufgrund einer für den Besteuerungszeitraum 1996 bis 2000 durchgeführten Betriebsprüfung kam das Finanzamt (FA) zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger aus dieser Tätigkeit vereinnahmten Beträge der Umsatzsteuer unterliegen.

Daraufhin wurde die Umsatzsteuer für die Streitjahre jeweils mit Bescheid vom 19. Juli 2002 wie folgt festgesetzt:

für das Jahr 1996 in Höhe von 2.885,22 EUR

für das Jahr 1997 in Höhe von 2.964,98 EUR

für das Jahr 1998 in Höhe von 5.554,16 EUR

für das Jahr 1999 in Höhe von 7.150,93 EUR

für das Jahr 2000 in Höhe von 6.493,41 EUR.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 9. Juni 2006 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die von ihm erbrachten Leistungen als Reiseleiter nicht umsatzsteuerpflichtig seien, da sie im Ausland erbracht würden. Zu Unrecht vergleiche das FA seine Tätigkeit mit einem normalen Reiseleiter einer Touristikreise. Er sei als wissenschaftlicher Reiseleiter für Veranstalter von Studienreisen tätig. Die hierfür erforderliche Qualifikation habe er durch das Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie erworben. Während die Flüge und Unterkünfte bei den jeweiligen Veranstaltern gebucht würden, sei er für die Planung, Vorbereitung sowie Durchführung der Reisen zuständig. Bei den Reiseteilnehmern handele es sich regelmäßig um ältere Leute mit hohem Bildungstand, die der Kläger bereits vor der Reise mit Begleitliteratur auf die Reise einstimme und vor Ort durch Museen, Kirchen und Ausgrabungsstätten begleite. Er besitze keine Fremdenführer-Lizenz, soweit erforderlich werde eine solche jedoch im Einzelfall besorgt.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 2000 jeweils vom 19. Juli 2002 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2006 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Die hier streitigen Leistungen als Reiseleiter sind gemäß § 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (UStG) steuerbar und steuerpflichtig, da sie am Unternehmenssitz des Klägers im Inland ausgeführt worden sind. Mit seiner Tätigkeit als Reiseleiter hat der Kläger sonstige Leistungen i. S. von § 3 Abs. 9 UStG erbracht. Leistungsempfänger war nicht der einzelne Reiseteilnehmer, sondern der jeweilige Reiseveranstalter. Diesem schuldete der Kläger die Planung und wissenschaftliche Leitung der angebotenen Reisen. Die Buchung der Reisen durch die Reiseteilnehmer erfolgte stets über den Veranstalter, dieser trat den Reisenden als Vertragspartner gegenüber und schuldete ihnen die Durchführung der gebuchten Reise. Grundsätzlich wird eine sonstige Leistung nach § 3 a Abs. 1 UStG an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte aus geführt, so gilt die Betriebsstätte als Ort der sonstigen Leistung (§ 3 a Abs. 1 Satz 2 UStG).

Jedoch werden künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter dort ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird (§ 3 a Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a UStG).

Diese Sonderregelungen treffen aber nur auf sonstige Leistungen zu, bei denen die genannten Leistungen der Hauptzweck der Leistung sind, ohne dass ein anderer wirtschaftlicher Vorgang im Vordergrund steht. Ist die fragliche sonstige Leistung hingegen lediglich Teil der vereinbarten Leistung, mit der sie verbunden ist, steht dies einer eigenständigen umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung nach § 3 a Abs. 2 UStG nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung entgegen.

Eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung darf im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht in mehrere selbständige Leistungen zerlegt werden, wenn sie wirtschaftlich ein unteilbares Ganzes bilden. Daher ist bei Erbringung eines Bündels von Leistungen das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln und aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH --, Urteil vom 25. Februar 1999, Rs. C-349/96, Card Protection Plan, UVR 1999, 157, Rz. 29; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 1 RdNr. 15 ff.). Umsatzsteuerrechtlich ist eine einheitliche nicht aufteilbare Leistung anzunehmen, wenn die verschiedenen Leistungselemente aus der Sicht eines durchschnittlichen Leistungsempfängers zur Erreichung eines einheitlichen wirtschaftlichen Ziels beitragen und hinter dem Ganzen zurücktreten (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 8. September 1994 V R 46/92, BStBl II 1994, 957; Lange, Steuer und Wirtschaft --StuW --1999, 264).

Davon ausgehend hat der Kläger in den Streitjahren keine eigenständigen unterrichtenden, unterhaltenden oder ähnlichen Leistungen im Ausland bewirkt (vgl. auch BFH-Urteil vom 23. September 1993 V R 132/89, BStBl II 1994, 272). Mit der Planung, Organisation, Durchführung und Betreuung hat er typische Reisebetreuungsleistungen vorgenommen, die nach den Vorstellungen des jeweiligen Reiseveranstalters ein wirtschaftliches Ganzes bilden, bei dem nicht eine einzelne Leistung den alleinigen Hauptzweck darstellt. Denn für den Reiseveranstalter steht weder die Planung der Reiseziele noch die Betreuung der Reiseteilnehmer vor Ort allein im Vordergrund der von dem Kläger bezogenen Leistungen. Der Ort der vom Kläger erbrachten Reisebetreuungsleistung bestimmt sich daher mangels einer Sonderregelung für diese Leistungen nach der allgemeinen Vorschrift des § 3 a Abs. 1 UStG.

Nach Art. 43 (bisher Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 77/388/EWG) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 (ABl EG Nr. 1 347/1 vom 11. Dezember 2006) über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRl--, der § 3 a Abs. 1 UStG zugrunde liegt, gilt als Ort einer Dienstleistung u.a. der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird.

Der maßgebliche Leistungsort ist daher der Sitz des Klägers im Inland. Damit wird zweckdienlich an den Ort angeknüpft, an dem der Kläger die Reisen tatsächlich geplant und organisiert hat. Diese steuerlich sinnvolle Lösung führt weder zu einem Konflikt mit anderen Mitgliedstaaten noch zu Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen (vgl. BFH-Urteil vom 19.11.1998 V R 30/98, BStBl II 1999, 108).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

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