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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 11.07.2008
Aktenzeichen: 14 K 3128/07
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 284 Abs. 1 Nr. 1
AO § 284 Abs. 1 Nr. 2
AO § 284 Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 3128/07

Vorlage eines Vermögensverzeichnisses

Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung

In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 14. Senat,

durch

den Richter am Finanzgericht ...... als Einzelrichter

ohne mündliche Verhandlung

am 11. Juli 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Beklagte (das Hauptzollamt -HZA-) den Kläger zu Recht zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses aufgefordert und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen hat.

Das HZA X forderte mit bestandskräftigem Steuerbescheid vom 28. November 1988 vom Kläger Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 457.308,07 DM an. Auf Antrag des Klägers vom 28. März 1989 wurde ihm Stundung in Form von Ratenzahlungen gewährt. Die letzte Ratenzahlung erfolgte im Dezember 1995. Am 27. Januar 1997 beauftragte das mittlerweile zuständige HZA Y seine Vollstreckungsstelle mit der Vollstreckung einer Restforderung in Höhe von 113.431,07 DM (= 57.996,39 EUR). Aufgrund dieses Vollstreckungsauftrags wurden durch die Vollstreckungsstelle Z beim Kläger am 20. März 1997 und am 19. Januar 1999 fruchtlose Pfändungen durchgeführt.

Am 8. März 1999 richtete das HZA Y ein Auskunftsersuchen über die Anschrift des Klägers an die spanische Zollverwaltung. Lt. Antwort vom 17. Mai 1999 konnte diese jedoch keinen Wohnsitz des Klägers in Spanien ermitteln.

Daraufhin pfändete das HZA Y mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 21. November 2000 den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Arbeitseinkommen gegenüber der Firma D. Mit Schreiben vom 5. Februar 2001 teilte der Kläger unter Bezugnahme auf das Aktenzeichen der Pfändungs- und Einziehungsverfügung mit, dass sein Arbeitsverhältnis bei der Firma D ruhe und er deshalb Stundung der Restschuld beantrage.

Am 19. Oktober 2000 waren jeweils Auskunftsersuchen an die AOK A, das Arbeitsamt X und das Einwohnermeldeamt der Gemeinde W zur Ermittlung der aktuellen Anschrift des Klägers gestellt worden. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes hatte sich der Kläger am 7. Januar 1999 mit unbekannter Anschrift nach B/Spanien abgemeldet. Auf ein weiteres Auskunftsersuchen des HZA vom 26. März 2004 teilte das Einwohnermeldeamt mit, dass sich der Kläger ab dem 13. Oktober 2003 in der M-Str. 6, K/Deutschland angemeldet hatte. Eine Anfrage vom 23. September 2004 beim Einwohnermeldeamt der Verwaltungsgemeinschaft M ergab, dass sich der Kläger wieder nach B/Spanien abgemeldet hatte.

Am 1. Dezember 2004 ersuchte das jetzt zuständige HZA R die spanische Zollverwaltung um die Beitreibung der noch offenen Forderung in Spanien unter der vom Kläger dem HZA telefonisch mitgeteilten spanischen Anschrift in L. Die spanische Zollverwaltung teilte am 24. November 2006 jedoch mit, dass unter der angegebenen Anschrift keine Beitreibung möglich gewesen sei.

Lt. einer Auskunft der Zollfahndung vom 25. Mai 2005 war der Kläger bereits ab 13. Oktober 2003 wieder in K/Deutschland gemeldet, ohne dort aber einen Wohnsitz begründet zu haben. Er war von der Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Vollstreckungsvereitelung zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben.

Bereits mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 2004 war der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Arbeitseinkommen gegenüber der Firma D erneut gepfändet worden. Mit weiterer Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 9. Mai 2006 wurden die Ansprüche des Klägers auf Zahlung der fortlaufenden Rente bei der Rentenversicherung gepfändet.

Am 7. Juni 2006 erteilte das HZA G auf Ersuchen des HZA R der zuständigen Vollstreckungsstelle einen weiteren Vollstreckungsauftrag wegen einer Restschuld in Höhe von 55.782,39 EUR. Daraufhin wurde beim Kläger am 14. Juni 2006 erneut eine fruchtlose Pfändung vorgenommen.

Am 2. März 2007 wurde der Kläger schließlich von der Vollstreckungsstelle des HZA R zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses aufgefordert und gleichzeitig zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 3. August 2007 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass hinsichtlich der zu vollstreckenden Forderung Ende 2004 Zahlungsverjährung eingetreten und die Vollstreckung deshalb nicht mehr zulässig sei. Da sein Aufenthaltsort immer bekannt gewesen sei, hätte die Verjährung nicht mehr durch Maßnahmen zur Aufenthaltsfeststellung unterbrochen werden können. Eine Bekanntgabe der Vollstreckungsmaßnahmen im Jahr 2004 unter der dem HZA bekannten Adresse in Spanien sei nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 2. März 2007 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bringt vor, dass durch die Stundung in Form von Ratenzahlungen und durch die durchgeführten Vollstreckungshandlungen in den Jahren 1997, 1999, 2004, 2006 und 2007 die Zahlungsverjährung jeweils unterbrochen worden sei und deshalb frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2012 eintreten werde. Die Verjährungsfrist sei insbesondere durch die Pfändung und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 2004 durch Zustellung an den Drittschuldner unterbrochen worden, unabhängig davon, ob der Kläger davon Kenntnis erlangt habe. Außerdem sei die Zahlungsverjährung durch die jeweiligen Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Klägers unterbrochen worden.

Mit Beschluss vom 23. Januar 2008 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. März 2008 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO).

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das HZA hat den Kläger zu Recht zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses aufgefordert und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen.

1. Nach § 284 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) hat der Vollstreckungsschuldner der Vollstreckungsbehörde auf Verlangen ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen, wenn die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen nicht zu einer vollständigen Befriedigung geführt hat oder anzunehmen ist, dass durch die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen eine vollständige Befriedigung nicht zu erlangen sein wird. Diese Voraussetzungen sind bei dem vorliegenden unstreitigen Sachverhalt erfüllt.

Nach § 284 Abs. 3 Satz 1 AO hat der Vollstreckungsschuldner zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er die von ihm verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht hat. Die Vollstreckungsbehörde kann von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung absehen (§ 284 Absatz 3 Satz 2 AO).

Bei der Entscheidung nach § 284 Absatz 3 Satz 2 AO handelt es sich zwar um eine Ermessensentscheidung. Da der Kläger aber nicht einmal der Primärforderung des HZA nachgekommen ist, dass Vermögensverzeichnis vorzulegen, hatte das HZA noch nicht zu prüfen, ob es nach § 284 Abs. 3 Satz 2 AO von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung Abstand nehmen könne (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. April 2006 VII B 181/05, BFH/NV 2006, 1438 und vom 14. Juni 2007 VII B 143/06, BFH/NV 2007, 1803).

2. Die Vollstreckung ist auch nicht nach § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO einzustellen. Der Anspruch des HZA aus dem der Vollstreckung zu Grunde liegenden bestandskräftigen Steuerbescheid ist nicht durch Verjährung gemäß § 232 AO erloschen.

Die Frist für die Zahlungsverjährung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis beträgt gemäß § 228 AO fünf Jahre. Die Verjährung beginnt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist.

Da der streitgegenständliche Steuerbescheid dem Kläger am 3. Dezember 1988 zugegangen ist und die festgesetzte Abgabenschuld binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu zahlen war, ist der Anspruch am 3. Januar 1989 erstmalig fällig geworden. Die Verjährung hat demnach mit Ablauf des Jahres 1989 begonnen.

Sie ist erstmalig im März 1989 durch die dem Kläger gewährte Stundung gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen worden. Die Unterbrechung hat gemäß § 231 Abs. 2 Satz 1 AO bis zum Ablauf der Stundung angedauert. Da die letzte Ratenzahlung im Rahmen der gewährten Stundung im Dezember 1995 bei der Zahlstelle des HZA eingegangen und im Januar 1996 erstmalig keine Zahlung mehr erfolgt ist, galt die gewährte Stundung mit Ablauf des Monats Januar 1996 als widerrufen bzw. abgelaufen.

Gemäß § 231 Abs. 3 AO hat mit Ablauf des Jahres 1996 eine neue Verjährungsfrist begonnen. Diese ist wiederum erneut - unstreitig - gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO durch Vollstreckungsmaßnahmen des HZA, hier die fruchtlosen Pfändungen am 20. März 1997 und am 19. Januar 1999, unterbrochen worden.

Eine weitere Unterbrechung der Zahlungsverjährung nach dieser Vorschrift ist durch die Ermittlungen des HZA nach dem Wohnsitz oder den Aufenthaltsort des Klägers am 19. Oktober 2000 erfolgt.

Es ist zwar zutreffend, dass derartige Wohnsitzanfragen die Verjährung nur dann nach § 231 AO unterbrechen können, wenn das HZA besonderen Anlass zu der Anfrage hatte, weil ihm der Wohnsitz des Schuldners nicht bekannt war (BFH-Urteil vom 24. November 1992 VII R 63/92, BFHE 169, 493, BStBl II 1993, 220). Dies ist vorliegend jedoch der Fall. Im Jahr 2000 ist der Aufenthaltsort des Klägers dem HZA nicht bekannt gewesen. Aus der Niederschrift über die fruchtlose Pfändung vom 19. Januar 1999 ist ersichtlich, dass der Kläger aus seiner gemeldeten Wohnanschrift unbekannt verzogen war. Bereits am 4. Februar 1999 hatte das Einwohnermeldeamt der Verwaltungsgemeinschaft S mitgeteilt, dass der Kläger seit 7. Januar 1999 mit unbekannter Anschrift nach B/Spanien abgemeldet sei. Die genaue Anschrift des Klägers in Spanien ist dem HZA jedoch nicht bekannt gewesen, denn lt. Mitteilung der spanischen Zollverwaltung vom 17. Mai 1999 konnte diese keinen Wohnsitz des Klägers in Spanien ermitteln. Der Kläger hat dem HZA erst im Jahr 2004 telefonisch eine spanische Adresse mitgeteilt, unter der ihm aber auch keine Schriftstücke zugestellt werden konnten. Außerdem war der Kläger von der Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Vollstreckungsvereitelung zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Das HZA hatte somit einen besonderen Anlass für die Wohnsitzanfragen im Jahr 2000.

Dies gilt gleichermaßen für die Anfrage vom 26. März 2004, so dass nicht nur mit Ablauf des Jahres 2000, sondern auch erneut mit Ablauf des Jahres 2004 eine neue Verjährungsfrist begonnen hat (§ 231 Abs. 3 AO), die erst mit Ablauf des Jahres 2005 geendet hat bzw. mit Ablauf des Jahres 2009 enden wird.

Schließlich ist die Verjährung im Jahr 2000 auch durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 21. November 2000 unterbrochen worden. Diese ist dem Kläger auch bekannt gegeben worden, wie er in seinem Schreiben vom 5. Februar 2001 zu erkennen gegeben hat. Auch danach hat die Verjährungsfrist erst zum Ablauf des Jahres 2005 geendet.

Innerhalb dieser Frist ist die Verjährung erneut gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 10. Mai 2004 unterbrochen worden. Diese ist dem Drittschuldner am 13. Mai 2004 zugestellt worden. Damit galt die Pfändung als Vollstreckungsmaßnahme i.S.v. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO als bewirkt (§ 309 Abs. 2 Satz 1 AO). Darauf, ob die am 18. Mai 2004 an den Kläger versandte Abschrift der Pfändungs- und Einziehungsverfügung dem Kläger tatsächlich zugegangen ist, kommt es nicht an, denn die Wirksamkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber einem Drittschuldner wird nicht durch die fehlende Bekanntgabe des Verfügungsverbotes und der Mitteilung über die vorgenommene Zustellung einer Pfändungsverfügung an den Drittschuldner berührt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 80/84, BStBl II 1987, 251).

Auch danach hat somit mit Ablauf des Jahres 2004 gemäß § 231 Abs. 3 AO eine neue Verjährungsfrist begonnen.

Gleiches gilt für die weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 9. Mai 2006.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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