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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 12.10.2006
Aktenzeichen: 14 K 3791/04
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 10 Abs. 1 S. 1
UStG § 10 Abs. 1 S. 2
UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1a
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
UStG § 16 Abs. 1
UStG § 17 Abs. 1
UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 3791/04

Umsatzsteuer 2001

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Gründe:

I. Streitig ist, ob eine der Klägerin zustehende Forderung uneinbringlich ist und damit eine Änderung der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer durchzuführen ist.

Der Gegenstand des Unternehmens der Klägerin umfasst unter anderem die Verwaltung von Immobilien. Ihre Umsätze werden nach dem Sollprinzip versteuert, ein Antrag auf Istbesteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) wurde nicht gestellt.

Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin, H M, ist an einer weiteren GmbH, der L & R GmbH, beteiligt und als Geschäftsführer tätig. Der Gesellschaftszweck der L & R GmbH besteht im Erwerb und in der Verwirklichung vermögensrechtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit der Enteignung der ehemaligen Firma L und R in G. Seit dem Jahr 2002 ist die L & R GmbH Eigentümerin eines Grundstücks in G.

In der am 29. Januar 2002 vom Geschäftsführer abgegebenen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2001 wurden die Umsätze der Klägerin mit 0 DM erklärt und mit Bescheid vom 6. September 2002 festgesetzt.

Am 25. Juni 2003 wurde eine weitere Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2001 abgeben, die von einem Steuerberater gefertigt und vom Geschäftsführer am 23. Juni 2001 unterschrieben worden war. Darin wurden die Umsätze unverändert mit 0 DM erklärt, die Vorsteuer aber mit einem um 20 DM niedrigeren Betrag angesetzt.

Mit Schreiben des Steuerberaters vom 4. September 2003 wurde dem Finanzamt (FA) mitgeteilt, dass die Klägerin der L & R GmbH am 6. November 2001 eine Rechnung über Immobilienmanagement in Höhe von 83.580 DM zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 13.372,80 DM gestellt habe. Die L & R GmbH habe diese Rechnung entsprechend verbucht und Vorsteuer geltend gemacht, die Klägerin habe den Betrag jedoch nicht der Umsatzsteuer unterworfen.

Mit Bescheid vom 31. Oktober 2003 änderte das FA die Umsatzsteuer für das Jahr 2001 und setzte sie auf 6.527,66 EUR (12.767,00 DM) fest.

Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2004 als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, dass ihre Forderung gegenüber der L & R GmbH wegen Uneinbringlichkeit in entsprechender Anwendung des § 17 UStG nicht der Umsatzsteuer unterliege.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2001 hätten die Gesellschafter der L & R GmbH vereinbart, dass die Vergütung der von der Klägerin in Rechnung gestellten Leistungen zu Gesellschafterdarlehenskonditionen gestundet würde. Erst bei entsprechender Liquidität bzw. tatsächlichem Überschuss sollte eine Auszahlung erfolgen. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage der L & R GmbH sei dies jedoch nicht erfolgt.

Die L & R GmbH verfolge nunmehr seit 14 Jahren zwei Unternehmensrückgabeansprüche gegen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. Durch Verfahrensverzögerungen würde der L & R GmbH seit mehr als 10 Jahren die Auskehrung eines Entschädigungsanspruchs vorenthalten. Erst nach massiven Interventionen beim S Staatsministerium des Inneren sei im Januar 2005 wenigstens eine Teilzahlung in Aussicht gestellt worden.

Ohne dieses Kapital könne auch das der L & R GmbH im Jahre 2002 übertragene Grundstück, bei dem es sich um eine Industriebrache handle, nicht in einen vermietbaren Zustand versetzt werden. Entgegen des bilanziellen Wertansatzes mit 450.000 EUR belaufe sich der tatsächliche Wert des Grundstücks unter Zugrundelegung vergleichbarer Objekte nur auf 39.000,00 EUR und reiche daher nicht aus, um die Vergütungsforderung der Klägerin zu begleichen.

Eine weitere Geschäftstätigkeit, die der Gesellschaft Liquidität bringen könne, bestehe nicht. Da auch eine Darlehensaufnahme bei Kreditinstituten aufgrund der finanziellen Situation nicht möglich sei, werde die Liquidität ausschließlich über Einlagen der Gesellschafter aufrechterhalten. Dabei würden jedoch höchstens so viele liquide Mittel zur Verfügung gestellt, wie die Gesellschaft benötige, um Nichtgesellschafter oder aber solche Gesellschafter zu befriedigen, die ausnahmsweise aufgrund von echten Drittforderungen Nichtgesellschaftern insolvenzrechtlich gleich stünden.

So hätte auf eigenen Antrag der L & R GmbH am 11.4.2003 die vorläufige Insolvenzverwaltung beantragt werden müssen, da ein Mitgesellschafter die von ihm geschuldete Einlage nicht erbracht habe. Zwischenzeitlich sei der Antrag wieder zurückgenommen worden.

Aufgrund der Vorschriften der §§ 32a, 32 b des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-i.V.m. § 283 c Strafgesetzbuch-StGB-müsse die streitgegenständliche Forderung als uneinbringlich behandelt werden, da ihr die Einrede der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners entgegenstünde. In entsprechender Anwendung des § 17 UStG komme eine Besteuerung daher nicht in Betracht.

Der streitgegenständliche Betrag sei zwischenzeitlich bezahlt worden.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 31.Oktober 2003 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2004 die Umsatzsteuer für das Jahr 2001 um 6.837,40 EUR herabzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Klageerwiderung verweist es auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2004.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet, das Finanzamt hat die Änderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu Recht abgelehnt.

1. Die von der Klägerin erbrachte Tätigkeit unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG als sonstige Leistung der Umsatzsteuer. Die Steuer entsteht bei Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG).

Die Steuer bemisst sich nach dem Entgelt. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 S. 1 und 2 UStG). Nach dem Grundsatz der Sollbesteuerung ist der steuerbare Umsatz zunächst ohne Rücksicht auf den Zahlungseingang der vereinbarten Gegenleistung zu besteuern (§§ 16 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG).

Das FA hat die Forderung der Klägerin auf Vergütung der erbrachten Verwaltungstätigkeit daher im Jahr 2001 zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen.

2. Eine nachträgliche Änderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs.1 UStG kommt nicht in Betracht, da die der Klägerin gegenüber der L & R GmbH zustehende Forderung nicht uneinbringlich ist.

a) Die Vorschrift des § 17 UStG berücksichtigt, dass die Besteuerung nach dem Sollprinzip -Entstehen der Umsatzsteuer und die Abziehbarkeit der in Rechnung gestellten Vorsteuer mit Ausführung der Leistung ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung der Gegenleistung (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG und § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) -auf der am Regelfall orientierten Erwartung des Gesetzes beruht, der Leistungsempfänger werde die Forderung des Leistenden befriedigen und damit das betragsmäßige Gleichgewicht von Vorsteuerabzug und Umsatzsteuerschuld herstellen (Urteil des Bundesfinanzhof - BFH vom 15. September 1983 V R 125/78, BStBl II 1984, 71). Für den Fall der (vollständigen oder teilweisen) Uneinbringlichkeit ermöglicht § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug die Korrektur der Steuerbelastung, gleichzeitig aber auch die Rückforderung der Vorsteuer.

§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG definiert den Begriff der Uneinbringlichkeit nicht, das Gesetz geht jedoch davon aus, dass trotz "Uneinbringlichkeit" noch Zahlungen eingehen können (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Der Begriff der Uneinbringlichkeit ist hiernach auch mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Mai 2001 V R 71/99, BStBl II 2003, 206). "Uneinbringlich" ist eine Forderung nicht schon, wenn der Leistungsempfänger die Zahlung nach Fälligkeit verzögert, sondern erst, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf unabsehbare Zeit nicht durchsetzen kann (BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 21/04, BFH/NV 2005, 928 undvom 22. April 2004 V R 72/03, BStBl II 2004, 684).

b) Hauptanwendungsfall des § 17 Abs. 2 UStG stellt die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners dar (vgl. BFH-Beschluss vom 10.03.1983 V B 46/80, BStBl. II 1983, 389). Nach der seit 01.01.1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung (InsO) liegt eine drohende Zahlungsunfähigkeit, die bereits als Eröffnungsgrund gilt, schon dann vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Dies entspricht der früher geltenden gesetzlichen Regelung (§ 102 Abs. 2 KO).

c) Im Streitfall liegen jedoch keine Anhaltspunkte für die Zahlungsunfähigkeit der L & R GmbH vor:

In ihrer Bilanz für das Jahr 2002 setzte sie das ihr übertragene Grundstück in Höhe von 450.000 EUR an. Dieser Wert wurde in einem Gutachten unter Berücksichtigung eines Risikoabschlags von 30% ermittelt. Selbst wenn man den Angaben der Klägerin folgt und den tatsächlichen Wert des Grundstücks unter Zugrundelegung vergleichbarer Objekte nur mit 39.000,00 EUR festlegt, stellt es einen nicht unerheblichen Vermögensgegenstand der L & R GmbH dar. Da sich der ausschließliche Gesellschaftszweck der L & R GmbH auf die Verfolgung von Rückgabe und Entschädigungsansprüchen richtet, besteht bis zur Entschädigung durch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben keine andere Quelle laufender Einnahmen als die immer wieder erfolgte Kapitalzuführung durch die Gesellschafter. Laut Angaben der Klägerin wurde jedoch im Januar 2005 mit Abschlagszahlungen auf die Entschädigungsansprüche begonnen.

Wie sich aus Punkt 4 der Niederschrift der Gesellschafterversammlung der L & R GmbH vom 10. Juli 2001 ergibt, war es durch die Gewährung von Gesellschafterdarlehen auch in diesem Jahr möglich, Liquidität zur Begleichung fälliger Rechnungen zu schaffen. So konnte unter anderem eine weitere Rechnung der Klägerin vom 5. Februar 2001 für Leistungen vom 1. April 2000 bis 31. Januar 2001 zur Zahlung angewiesen werden. Unter Punkt 6 der Niederschrift wurde geregelt, dass "nunmehr" auch die Abrechnung für die seit Februar 2001 erbrachten Tätigkeiten erfolgen sollte. Bei objektiver Betrachtung konnte daher damit gerechnet werden, dass die Leistende (Klägerin) ihre Entgeltforderung auf absehbare Zeit durchsetzen konnte.

d) Die von der Klägerin angeführten Vorschriften des GmbH-Gesetzes sind nicht einschlägig, da über das Vermögen des Leistungsempfängers kein Insolvenzverfahren eröffnet ist.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass es für die Festsetzung der Umsatzsteuer keine Rolle spielt, ob die streitgegenständliche Forderung nach den Vorschriften des Gesellschafts- oder Insolvenzrecht möglicherweise als kapitalersetzendes Darlehen anzusehen ist und ihre Eigenschaft als erfüllbare Drittforderung verliert. Die Forderung stellt das umsatzsteuerliche Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1 UStG dar, nach der sich die Umsatzsteuer bemisst. Nach dem Grundsatz der Sollbesteuerung ist der steuerbare Umsatz ohne Rücksicht auf den Zahlungseingang der vereinbarten Gegenleistung zu besteuern (§ 16 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG).

e) Die vom Kläger angeführten Entscheidungen des BFH sind nicht einschlägig:

In seinem Beschluss vom 10. März 1983 (V B 46/80, BStBl II 1983, 389) hat der BFH entschieden, dass Uneinbringlichkeit i. S. d § 17 Abs. 2 UStG wegen eines vereinbarten Einforderungsverzichts des Gläubigers vorliegt, wenn dieser dem Schuldner vertraglich zusichert, er werde seine Forderung nur noch im Umfang eines genau festgelegten Nachbesserungsfalles geltend machten.

Im Streitfall wurde der Vergütungsanspruch bis zu einer "entsprechenden Liquidität" der Gesellschaft gestundet, die wie der Kläger ausgeführt hat, durch neue Gesellschaftereinlagen immer wieder hergestellt werden konnte. Zudem wurde im Januar 2005 mit der Auskehrung einer Entschädigungszahlung durch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben begonnen. Da Liquidität der Gesellschaft daher immer vorlag, konnte die Klägerin einen etwaigen Einforderungsverzicht gerade nicht geltend machen. Im Übrigen liegt seitens des Klägers kein Verzicht auf die Erfüllung seiner Forderung vor.

Auch die Ausführungen des BFH im Urteil vom 31. Mai 2001 sind auf den hier zu entscheidenden Fall nicht anwendbar (V R 71/99, BStBl II 2003, 206 ). Danach liegen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 UStG auch dann vor, wenn und ggf. soweit der Leistungsempfänger das Bestehen der Entgeltsforderung selbst oder deren Höhe substantiiert bestreitet und damit erklärt, dass er die Forderung (ganz oder teilweise) nicht bezahlen werde. Eine derartige Erklärung wurde seitens der L & R GmbH jedoch nicht abgegeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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