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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 14 K 4111/04
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 2 Abs. 1
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 4111/04

Umsatzsteuer 2000

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

ohne mündliche Verhandlung

am 7. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist die Anerkennung von Vorsteuerbeträgen.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (nachfolgend GmbH). Gegenstand ihres Unternehmens ist Holz-und Bautenschutz.

Für das Streitjahr erfolgte die Festsetzung der Umsatzsteuer zunächst entsprechend der abgegebenen Steuererklärungen.

Aufgrund der Feststellungen einer durchgeführten Steuerfahndungsprüfung kam das Finanzamt (FA) zu dem Ergebnis, dass eine Anerkennung von geltend gemachten Vorsteuerbeträgen in Höhe von 8.974,00 DM aus insgesamt sieben Rechnungen aus dem Jahr 2000 nicht möglich sei, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt seien. Die streitigen Beträge seien auf Rechnungsvordrucken der Firma M GmbH ausgewiesen worden. Die abgerechneten Estricharbeiten seien jedoch nicht von der M GmbH, sondern von den tatsächlich vor Ort aufgetretenen Kolonnenführer K und B erbracht worden. Um nicht als selbständige Unternehmer auftreten zu müssen, hätten sie über verschiedene im F Raum ansässige Gesellschaften - darunter im Streitjahr auch die M GmbH - abgerechnet. Die Vermittlung von GmbH-Rechnungsvordrucken sowie von weiteren, den jeweiligen Auftraggebern vorzulegenden Unterlagen wie beispielsweise Auszüge aus dem Handelsregister oder eine Vollmacht zur Rechnungserstellung hätten professionelle Hintermänner getätigt.

Die M GmbH sei am ... gegründet, am ... ins Handelsregister eingetragen und ... wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden. Steuererklärungen seien in den Jahren ihres Bestehens nicht abgegeben worden.

Bei dem in den verwendeten Geschäftspapieren angegebenen Sitz hätte es sich um eine Privatwohnung eines der Geschäftsführer und damit um einen Scheinsitz gehandelt. Geschäftsunterlagen der M GmbH hätten dort nicht aufgefunden werden können. Nach Aussagen ihrer vier Geschäftsführer hätte niemals eine Geschäftstätigkeit bestanden.

Zwischen der Klägerin und der M GmbH hätten keinerlei direkte schriftliche oder mündliche Kontakte bestanden. Die Auftragserteilung und Geschäftsabwicklung seitens der Klägerin sei ausschließlich gegenüber K und B erfolgt, die mit der Klägerin verhandelt und die Estrichverlegearbeiten unter Mithilfe von ihnen weisungsgebundenen Personen ausgeführt hätten. Die Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis seien von ihnen vor Ort selbst erstellt worden, sie hätten den Zahlungseingang überwacht und die Zahlungen in Form von Schecks grundsätzlich selbst in Empfang genommen.

Da auf den verwendeten Rechnungsvordrucken der Name des Geschäftsführer fehle, hätte die Klägerin erkennen müssen, dass es sich insoweit nicht um ein ordnungsgemäßes Geschäftspapier einer GmbH i.S.d. § 35 a Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gehandelt habe (vgl. Schreiben des FA A, Steuerfahndungsstelle, vom 15. Oktober 2003 mit weiteren Anlagen, S. 1 ff Betriebsprüfungsakte des FA).

Das FA änderte daraufhin mit Bescheid vom 4. November 2003 gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung 1977 (AO) die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2000 entsprechend.

Das dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 5. August 2004 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Mit der hiergegen eingelegten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass im Streitfall ein Leistungsaustausch mit der M GmbH stattgefunden habe. Sie sei davon ausgegangen, dass die Auftragsvergabe an diese Firma erfolgt sei. K und B seien bis 30. November 2000 bzw. 31. Dezember 1999 tatsächlich Arbeitnehmer der M GmbH gewesen. Der Klägerin sei es nach dem im Geschäftsverkehr mit Auftragnehmern üblichen Gepflogenheiten nicht möglich gewesen, Zweifel an ihrer Handlungsvollmacht zu erkennen, die sie ihm mit Schreiben der M GmbH vom 1. März 1999 vorgelegt hätten. Es hätte keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sie nicht im Namen der Firma handeln würden, da ihnen vom damaligen Geschäftsführer sogar Rechnungsvordrucke zur Verfügung gestellt worden seien. Die Firma M GmbH sei somit Rechnungsaussteller und in der Person ihrer Arbeitnehmer auch leistendes Unternehmen gewesen. Das FA versage den Vorsteuerabzug daher zu Unrecht.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 4. November 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 5. August 2004 das FA zu verpflichten, für das Jahr 2000 Umsatzsteuer in Höhe von 25.827,60 EUR (50.514,40 DM) festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet, da die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nicht vorliegen.

1. Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Aus dem Zweck der Rechnung, aus ihr die Person des Leistenden leicht und eindeutig bestimmen zu können, folgt zum einen, dass bei einer GmbH der in der Rechnung angegebene Sitz der Gesellschaft im Zeitpunkt der Ausführung der Leistung und dem Zeitpunkt der Rechnungserstellung tatsächlich bestanden haben muss (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Juli 1993 V B 102/92, BFH/NV 1994, 281). Aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Kontrollanforderungen an die Rechnungsangaben besteht insoweit eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten (Anschrift, Firma, Rechtsform u.Ä.) zu vergewissern (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93 BStBl II 1996, 620).

Weiterhin folgt aus dem genannten Zweck der Rechnung, dass zwischen dem in der Rechnung bezeichneten und dem tatsächlichen Leistungserbringer Identität bestehen muss (vgl. BFH-Urteil vom 04.09.2003 V R 9, 10/02, V R 9/02, V R 10/02, BStBl II 2004, 627 undvom 28. Januar 1999 V R 4/98, BStBl II 1999, 628, m.w.N.).

Regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem Anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem Anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines Anderen bei Ausführungen entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (vgl. BFH-Urteile vom 30. September 1999 V R 8/99 , BFH/NV 2000, 353 undvom 28. Juni 2000 V R 70/99 , BFH/NV 2001, 210 ).

Auch wer in fremdem Namen auftritt, erbringt jedoch eine eigene Leistung, wenn nach den erkennbaren Umständen durch sein Handeln in fremdem Namen lediglich verdeckt wird, dass er und nicht der Vertretene der Leistende ist (BFH-Urteil vom 4. September 2003 V R 9, 10/02, V R 9/02, V R 10/02, BStBl II 2004, 627 m.w.N.).

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze scheitert der Vorsteuerabzug aus den streitgegenständlichen Rechnungen bereits daran, dass im Zeitpunkt der Leistungserbringung und der Rechnungsstellung die M GmbH keinen Sitz an der in den Rechnungen angegebenen Geschäftsadresse inne gehabt hat (vgl. zu dieser Voraussetzung BFH-Beschluss vom 14. März 2000 V B 187/99, BFH/NV 2000, 1252). Vielmehr handelte es sich um einen Scheinsitz. Bei einer eingetragenen juristischen Person ist grundsätzlich der angegebener Sitz maßgebend ist. Auch ein "Briefkasten-Sitz" mit postalischer Erreichbarkeit der Gesellschaft kann insoweit im Einzelfall ausreichen kann (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93 BStBl II 1996, 620). Am eingetragenen Firmensitz hat jedoch keinerlei Geschäftsleitungs- und Arbeitgeberfunktion, Behördenkontakt und Zahlungsverkehr stattgefunden. Nach den unwidersprochenen Feststellungen der Steuerfahndung handelte es sich bei den in den Geschäftspapieren angegebenen Räumen um eine Privatwohnung ohne die für eine Geschäftsausübung erforderlichen Vorrichtungen. Aus der Aussage der eingetragenen Geschäftsführer ergibt sich, dass diese von den einzelnen, unter dem Namen der GmbH durchgeführten Geschäften keinerlei Kenntnis hatten.

Eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des Namens und der Anschrift des leistenden Unternehmers anhand der in der Rechnung angegebenen Angaben war somit nicht ermöglich.

3. Darüber hinaus ist im Streitfall davon auszugehen, dass die streitigen Leistungen nicht von der M GmbH, sondern tatsächlich von K und B erbracht worden sind. Die Bauleistungen sind demgemäß nicht der M GmbH, sondern denjenigen Subunternehmern zuzurechnen, die diese Leistungen tatsächlich erbracht haben. Die von der Rechtsprechung geforderte Identität zwischen Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer besteht daher nicht. Die M GmbH ist nicht als leistender Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG anzusehen, unter ihrem Namen wurden lediglich Rechnungen ausgestellt. Ihr Unternehmenszweck war von vornherein nicht auf die Erzielung von Einnahmen i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG, sondern darauf gerichtet, den Erbringern der Bauleistungen zu ermöglichen, unter fremdem Namen Verträge abzuschließen, Rechnungen zu erstellen und Gelder zu vereinnahmen. Zur Erbringung von Bauleistungen waren sie nach sachlicher und personeller Ausstattung auch gar nicht in der Lage.

Ihre Geschäftsführer hatten nach eigenen Angaben von den streitigen Leistungen keine konkreten Kenntnisse davon, sondern lediglich geduldet, dass sich so genannte Arbeitnehmer und Subunternehmer wie K und B des Namens und der Briefbögen der GmbH zu Tarnzwecken bedienten.

Eine wirksame Handelsvollmacht war nicht erteilt worden. Das der Klägerin vorgelegte Schriftstück wurde auf demselben Briefkopf erstellt wie die streitigen Rechnungen und diente wiederum dem Zweck, Baukolonnen scheinbar gültige Abrechnungspapiere zur Verfügung zu stellen. Hinzu kommt, dass die der Klägerin vorgelegte "Vollmacht" von dem zum 24. August 2000 ausgeschiedenen Geschäftsführer V. A. unterzeichnet wurde. Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung, die sich das Gericht zu Eigen macht, wurde von dem neuen Geschäftsführer weder K noch B jemals eine Vertretungsvollmacht erteilt. Bis auf zwei Ausnahmen wurden jedoch alle streitgegenständlichen Rechnungen nach dem Geschäftsführerwechsel erstellt.

Ein echtes Arbeitnehmerverhältnis zwischen K und B mit der M GmbH hat nie bestanden, sozialversicherungsrechtliche Meldungen wurden lediglich zum Schein abgegeben. Die Arbeitslöhne wurden so niedrig angesetzt, dass keine Lohnsteuerpflicht bestand. Die Vortäuschung der Arbeitnehmerverhältnisse erfolgte zur Vermeidung der Abführung von Steuern und Sozialabgaben sowie aus handwerksrechtlichen Gründen. Auch eine ordnungsgemäße Versteuerung der streitigen Leistungen erfolgte nicht (vgl. BFH-Urteil vom 30.09.1999 V R 8/99, BFH/NV 2000,353).

4. Für die Klägerin war es auch erkennbar, dass nicht die M GmbH, sondern K und B eigene Leistungen erbracht haben. Es entspricht nicht den allgemein üblichen Gepflogenheiten in der Baubranche, dass in allen Jahren der Zusammenarbeit mit der M GmbH keinerlei Geschäftsverkehr über deren angegebenen Firmensitz und Bankverbindungen abgewickelt wurde. Die Klägerin hat weder schriftlich noch telefonisch Absprachen über Auftragserteilung und Zahlungsmodalitäten getroffen. Unterlagen wie beispielsweise Unbedenklichkeitsbescheinigungen von Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Finanzämtern, die in der Baubranche üblicherweise vorgelegt werden, wurden von der Klägerin nicht angefordert. Alle Kontakte wurden mit den an den Baustellen tätigen Personen abgewickelt und ersichtlich für deren Rechnung mittels Scheckzahlung abgewickelt. Ihrer Obliegenheit als Leistungsempfänger, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten zu vergewissern, ist sie nicht nachgekommen. Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe hinsichtlich der ihm obliegenden Feststellungs- und Darlegungslast zur Person des Leistenden und Rechnungsausstellers sowie dessen Unternehmereigenschaft alles Zumutbare und Mögliche getan und gutgläubig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs ausgehen dürfen, ist darauf hinzuweisen, dass § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG den Schutz guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen grundsätzlich nicht vorsieht (BFH-Urteil vom 26. August 2004 V B 243/03, DStRE 2005,43).

5. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (s. § 90 Abs. 2 FGO).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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