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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 14 K 444/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1
UStG 1999 § 15a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 444/06

Umsatzsteuer 2001

In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 14. Senat,

durch

den Richter am Finanzgericht ... als Einzelrichter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. August 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Gründe:

I.

Streitig ist, in welchem Umfang der Kläger Vorsteuern aus den Kosten für den Betrieb eines für sein Unternehmen angeschafften Kfz geltend machen kann.

Der Kläger erzielte im Streitjahr Umsätze aus dem Betrieb eines Warenhandels und eines Kurierdienstes. Außerdem war er als Kraftfahrer bei der Fa. Transporte P GmbH angestellt. Zum Unternehmen des Klägers gehörten ein Mercedes Sprinter, ein Opel Astra (verkauft am 16. Februar 2001) und ein Ford Focus, der am 8. November 2000 zu einem Nettobetrag von 24.862,46 DM gekauft wurde.

Da der Kläger in seiner Umsatzsteuererklärung 2001 für keines seiner Fahrzeuge eine Privatnutzung erklärte, forderte ihn der Beklagte (das Finanzamt - FA) auf, die Privatnutzung nachzuerklären oder ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorzulegen. Daraufhin legte der Kläger eine Bestätigung vom 8. Januar 2002 vor, wonach er für private Fahrten ausschließlich ein auf P zugelassenes Kfz benutzt habe.

Das FA sah diese Bestätigung jedoch für einen Ausschluss der Privatnutzung nicht als ausreichend an und wich von der eingereichten Umsatzsteuererklärung 2001 im Steuerbescheid vom 4. Februar 2003 insoweit ab, als der Vorsteuerabzug aus den laufenden Kfz-Kosten anteilig mit der Hälfte als auf den Ford Focus entfallend geschätzt und dann um 50% (= 175 DM) gekürzt wurde. Des Weiteren wurde nach § 15a UStG aus dem Vorsteuerabzug von 3.978 DM aus dem Kauf des Ford Focus in 2000 anteilig eine Kürzung von einem Fünftel von 50% (= 398 DM) für 2001 vorgenommen.

Den gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2001 eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 31. März 2005 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Begrenzung des Vorsteuerabzugs auf 50% rechtsfehlerhaft sei, da er durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch die ausschließlich betriebliche Nutzung des Ford Focus im Einzelnen nachgewiesen habe.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer 2001 unter Aufhebung des Steuerbescheids vom 4. Februar 2003 und der Einspruchsentscheidung um 292,97 EUR auf 2.809,04 EUR herabzusetzen,

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bringt im Wesentlichen vor, dass der Kläger den Anscheinsbeweis der privaten Nutzung des Ford Focus nicht durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch widerlegt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die FA-Akten und die eingereichten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 7. August 2008 hingewiesen.

Mit Beschluss vom 25. Juni 2008 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Das FA hat zu Recht nur 50% der Vorsteuerbeträge aus den Betriebskosten für den Ford Focus anerkannt.

a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (UStG 1999) kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Nur zu 50% abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf die Anschaffung oder den Betrieb von Kfz entfallen, die auch für den privaten Bedarf des Unternehmers oder für andere unternehmensfremde Zwecke verwendet werden (§ 15 Abs. 1 b UStG 1999).

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Anscheinsbeweis gilt, dass ein Kfz typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt wird (vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330; vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; vom 11. Juli 2005 X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801; vom 30. November 2007 V B 205/06, BFH/NV 2008, 415). Es ist daher Sache des Klägers, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern oder zu entkräften. Dies ist möglich, indem ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Zum Nachweis einer ausschließlichen betrieblichen Nutzung bedarf es objektiv nachprüfbarer Unterlagen, wie z.B. eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs (z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330; vom 4. Juni 2004 VI B 256/01, BFH/NV 2004, 1416, m.w.N.; vom 11. Juli 2005 X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801 und vom 27. Oktober 2005 VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292).

b) Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen und nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger den Anscheinsbeweis für die nicht nur vereinzelte und gelegentliche Nutzung des Ford Focus für private bzw. unternehmensfremde Zwecke nicht entkräften konnte, denn es liegt kein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch für den Ford Focus vor.

Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich zwar nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des BFH sind jedoch die Voraussetzungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, im Wesentlichen geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, und vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625). Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss hiernach zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes müssen im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden (BFH-Urteil in BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408). Dabei ist jede einzelne berufliche Verwendung grundsätzlich für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Es genügt dann die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Kfz-Gesamtkilometerstands, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind. Wird andererseits der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen, so stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstands zu dokumentieren ist.

Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen außerdem eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Sie müssen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Weisen die Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen (BFH-Urteil in BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625). Ebenso wie eine Buchführung trotz einiger formeller Mängel aufgrund der Gesamtbewertung noch als formell ordnungsgemäß erscheinen kann, führen jedoch auch kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs. Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Kfz möglich ist (BFH-Urteil vom 10. April 2008 VI R 38/06, BFH/NV 2008, 1382).

c) Vorliegend genügt das Fahrtenbuch für den Ford Focus für das Jahr 2001 schon deshalb nicht den vom BFH aufgestellten Anforderungen, weil z.B. hinsichtlich der Fahrten zum Zwecke der Paketeauslieferung an verschiedene Kunden weder deren Namen noch die zeitlichen Reihenfolge im Fahrtenbuch aufgeführt worden sind, in der sie aufgesucht worden sind. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch reichen aber allenfalls dann aus, wenn sich der aufgesuchte Kunde aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt, oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 212, 546).

Diese Vorraussetzung sind hinsichtlich der Fahrten zu "verschiedenen Kunden" nicht erfüllt, da die Namen der Kunden nicht mit vertretbarem Aufwand zweifelsfrei aus den vom Kläger mit Schriftsatz vom 29. Mai 2006 eingereichten Belegen ermittelt werden können. Diese betreffen vielmehr, wie vom Kläger selbst vorgetragen, sowohl Fahrten zu Kunden, die nicht angetroffen worden sind und für die somit keine Belege existieren als auch mit dem Mercedes Sprinter durchgeführte Fahrten. Überdies ist zum Teil für die betreffenden Fahrten in den Belegen das Kennzeichen des Mercedes Sprinter als Beförderungsmittel eingetragen (15., 16., 17. 01., 26.02., 28.03.2001). Dass die Eintragung des falschen Kennzeichens in den vorgelegten Rechnungen ggf. durch einen weiteren Abgleich mit dem Fahrtenbuch für den Mercedes Sprinter geklärt werden kann, ist nach o.g. Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 212, 546) nicht ausreichend.

Hinzukommt, dass für einige Fahrten die eingereichte Belege den Eintragungen im Fahrtenbuch nicht zugeordnet werden können. So enthält der für die Fahrt zu D am 2.02.2001 eingereichte Beleg ein anderes Datum. Der für die eingetragene Fahrt am 20.02.2001 zu Pro Markt vorgelegte Beleg ist nach der Zeitangabe nicht zuordenbar.

Schließlich sind die für weitere eingetragene Fahrten z.B. zu B, D und S (u.a. am 16., 26. und 29.01. sowie 01., 02., 06. und 28.02.2001 und 02.03.2001) vorgelegten Rechnungen, die den Aussteller nicht erkennen lassen, keine geeigneten Nachweise dafür, dass diese Fahrten für das Unternehmen des Klägers durchgeführt worden sind. Diesen Rechnungen liegen jeweils Aufträge der Fa. V gegenüber der Spedition P GmbH zugrunde. Es ist deshalb nachvollziehbar, warum für diese Fahrten vom Kläger Rechnungen an den Auftraggeber der Kurierfahrten vorgelegt werden. Denn wenn der Kläger diese als selbständiger Subunternehmer für das Unternehmen P GmbH durchgeführt hätte, müssten gegenüber diesem Unternehmen ausgestellte Rechnungen für die durchgeführten Transportleistungen vorliegen.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei der P GmbH als Kurierfahrer angestellt gewesen ist und die Rechnungen zum Teil das Kennzeichen des Mercedes Sprinter enthalten (s.o.) Diese Umstände sprechen dafür, dass diese Fahrten für das Unternehmen der P, und nicht für das Unternehmen des Klägers durchgeführt worden sind.

Die Richtigkeit der Aufzeichnungen im Fahrtenbuch kann anhand der vorgelegten Belege somit nicht mit vertretbarem Aufwand überprüft werden. Insgesamt gesehen liegen nicht nur leichte Mängel des Fahrtenbuchs vor, so dass keine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben darin gegeben ist.

d) Soweit man davon ausgeht, den Nachweis, ein betriebliches Kfz nicht für private oder unternehmensfremde Zwecke eingesetzt zu haben, grundsätzlich auch auf andere Art und Weise als durch die Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs führen zu können (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2006 VI B 20/06, BFH/NV 2007, 716), ist der Anscheinsbeweis im Streitfall ebenfalls nicht entkräftet worden. Der Kläger hat nämlich keine Umstände vorgetragen, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit einer ausschließlich unternehmerischen Nutzung des Ford Focus durch den Kläger ergeben würde.

Selbst wenn dem Kläger für private Fahrten ein Kfz seiner Lebenspartnerin P und ein Motorrad zur Verfügung gestanden haben, ist es unglaubwürdig, dass keine Privatfahrten mit dem Ford Focus durchgeführt worden sind. Es widerspricht nämlich jeglicher Lebenserfahrung, dass der Kläger weder den Mercedes Sprinter noch den Ford Focus und so auch den im Jahr 2002 angeschafften Mercedes laut den Eintragungen in den Fahrtenbüchern nicht einmal vereinzelt - in umsatzsteuerrechtlich unschädlicher Weise - auch für private Fahrten verwendet bzw. betriebliche Fahrten für private Angelegenheiten unterbrochen hat. Im Übrigen sprechen auch insoweit die oben unter c) genannten Umstände gegen eine ausschließlich unternehmerische Nutzung des Ford Focus durch den Kläger.

2. Demzufolge hat das FA in 2001 auch zu Recht eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG vorgenommen.

Nach § 15 a Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a UStG 1999 müssen, wenn ein zunächst unternehmerisch genutztes Fahrzeug, bei dessen Erwerb der Unternehmer den Vorsteuerabzug zulässigerweise in voller Hohe in Anspruch genommen hat, später auch für private oder nichtunternehmerische Zwecke verwendet wird, im fünfjährigen Berichtigungszeitraum nach § 15a Abs. 2 UStG 1999 die auf die Anschaffungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge für jedes Jahr der Nutzungsänderung um ein Fünftel berichtigt werden.

Hierbei ist der Umfang der Nutzungsänderung zu berücksichtigen, der im Streitfall gemäß § 15 Abs. 1 b UStG 1999 50% beträgt. Demnach war der Vorsteuerabzug von 3.978 DM aus dem Kauf des Ford Focus im Jahr 2000 im Streitjahr anteilig um ein Fünftel aus 50% (= 398 DM) zu berichtigen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



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