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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.03.2009
Aktenzeichen: 14 K 4535/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 14 Abs. 3
UStG § 14 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist die Festsetzung der Umsatzsteuer 1994.

Die am 21. Juni 1918 geborene Klägerin meldete zum 1. Januar 1994 bei der Stadt D eine gewerbliche Tätigkeit (X-Verlag) an.

Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, dass der X-Verlag ab Mai 1994 an diverse Firmen bzw. Unternehmen im gesamten Bundesgebiet unaufgefordert circa 464.000 als Rechnungen bezeichnete Formulare verschickt hatte, die für einen Eintrag in ein noch zu erstellendes Telefaxverzeichnis gelten sollten. Der Gesamtbetrag der "Rechnung" lautete auf 998 DM, die darin enthaltene Umsatzsteuer von 130,17 DM war offen ausgewiesen. Aus der Rechnung war ersichtlich, dass es sich bei dem Inhaber des X-Verlags um die Klägerin handelte. Nach Ansicht der Steuerfahndung sei durch die Übersendung der Rechnungen bei den jeweiligen Empfängern der Eindruck erweckt worden, bereits einen Auftrag für ein entsprechendes Inserat oder eine Veröffentlichung in dem Telefaxverzeichnis erteilt zu haben. Tatsächlich sei die Erstellung eines Telefaxverzeichnisses nie beabsichtigt gewesen. Überwiegend seien die Rechnungen nicht bezahlt worden.

Nachforschungen beim Postamt D hätten ergeben, dass vom X- Verlag im Zeitraum 3. Mai 1994 bis 13. Juni 1994 so genannte Wertvorgaben für Freistempel im Wert von 190.500 DM gekauft worden seien. Die ausgehenden kuvertierten Rechnungen seien jeweils mit einem Freistempel im Wert von 0,41 DM versandt worden.

Die Steuerfahndung und ihr folgend das Finanzamt (FA) kamen zu dem Ergebnis, dass die Umsatzsteuer in den Rechnungen zu Unrecht ausgewiesen worden seien. Mit Bescheid vom 21. September 1998 setzte das FA auf Grundlage der gekauften Freistempel die Umsatzsteuer 1994 vorläufig auf 32.610.728 DM (Bl. 99 ff Umsatzsteuerakte) und mit Bescheid vom 25. November 2005 endgültig auf 2.356.374,53 EUR (4.608.668 DM) fest (Bl. 205 ff Umsatzsteuerakten). Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 24.Oktober 2006).

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass sie weder Aufgaben der Geschäftsführung noch sonst in irgendeiner Form Tätigkeiten für den X-Verlag übernommen habe, sondern sich lediglich auf Drängen ihres Sohnes bereit erklärt hatte, das Gewerbe auf ihren Namen anzumelden. Sie habe die Rechnungen nicht gekannt und an deren Herstellung nicht mitgewirkt. Weder zu deren Erstellung noch zur Versendung habe sie ihr Einverständnis erteilt.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheids vom 25. November 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2006 die Umsatzsteuer 1994 auf 226.619,13 EUR festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung. Insbesondere habe die Antragstellerin am 8. Juli 1994 gegenüber dem FA und der Steuerfahndung ausgesagt, dass nur sie Inhaberin und Leiterin des Verlags sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Klage hat keinen Erfolg. Das FA hat die Umsatzsteuer 1994 zutreffend festgesetzt, da die Klägerin die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) schuldet.

Wenn jemand in einer Rechnung oder anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt, schuldet er nach der vorbezeichneten Vorschrift den ausgewiesenen Betrag (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Februar 1998 V R 65/97, BStBl II 1998, 415). Diese Regelung enthält einen Gefährdungstatbestand besonderer Art und soll die unberechtigte Ausgabe von Abrechnungen mit gesondert ausgewiesener Steuer verhindern. Eine Gefährdung des Steueraufkommens wird dadurch herbeigeführt, dass der Empfänger der Abrechnung in den Stand versetzt wird, unberechtigt einen Vorsteuerabzug vorzunehmen (vgl. BFH-Urteile vom 8. September 1994 V R 70/91, BFHE 175, 463, BStBl II 1995, 32 sowie vom 4. Mai 1995 V R 29/94, BFHE 177, 554, BStBl II 1995, 747).

Im Streitfall sind die in § 14 Abs. 3 Satz 2, 2. Alternative UStG vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale erfüllt, da die Klägerin als Unternehmerin eine "Rechnung" mit gesondert ausgewiesenem Steuerbetrag über eine Lieferung ausgegeben hat, die sie nicht ausgeführt hat, da von Anfang an geplant war, keine Eintragungen in ein Telefax-Verzeichnis vorzunehmen.

Die Klägerin hat das Abrechnungspapier auch als "Rechnung" bezeichnet. Es enthält die gemäß § 14 Abs. 4 UStG notwendigen Angaben wie sie für Zwecke des Vorsteuerabzugs und als Grundlage für das Eingreifen des § 14 Abs. 3 UStG erforderlich sind.

Die Klägerin kann sich auch nicht damit entlasten, dass sie nur als "Strohmann" für ihren Sohn gehandelt habe. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann auch ein Strohmann Leistender im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFH/NV 2002, 835). Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch ist grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist, d.h. derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist. Ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtungen höchstpersönlich ausführt oder durch andere ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts verbleibt. Tritt jemand im Rechtsverkehr im eigenen Namen aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" die Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat.

Im Streitfall hat die Klägerin mit ihren Unterschriften auf der Gewerbeanmeldung den Rechtschein gesetzt, dass sie Inhaberin des X-Verlags ist. Sie ist nach außen hin als leistender Unternehmer aufgetreten, selbst wenn sie nach der Gewerbeanmeldung nicht mehr im Rahmen des Verlags tätig gewesen ist. Als eine im Geschäftsverkehr auftretende Unternehmerin hätte sich die Klägerin um die Belange ihrer Firma kümmern müssen. Sie wäre verpflichtet gewesen, die Verwendung von Briefpapier ihres Unternehmens zu überwachen, Abrechnungen gegenüber Auftraggebern zu erstellen sowie die vereinnahmten Entgelte vollständig und wahrheitsgemäß in den Steuererklärungen anzugeben.

Als eine im Geschäftsverkehr auftretende Unternehmerin hätte sich die Klägerin um die Belange ihrer Firma kümmern müssen. Sie wäre verpflichtet gewesen, die Verwendung von Briefpapier ihres Unternehmens zu überwachen, Abrechnungen gegenüber Auftraggebern zu erstellen sowie die vereinnahmten Entgelte vollständig und wahrheitsgemäß in den Steuererklärungen anzugeben.

Sie kann sich auch nicht damit entschuldigen, dass die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Denn hinsichtlich der Überlassung von Aufgaben an Dritte besteht nach Rechtsprechung des BFH die Pflicht des Geschäftsführers bzw. Firmeninhabers zur sorgfältigen Auswahl sowie laufenden Überwachung des Dritten bei der Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben (BFH-Urteil vom 27. November 1990 VII R 20/89, BStBl II 1991, 284). Er muss sich insbesondere so eingehend über den Geschäftsgang unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen und ein Fehlverhalten des Beauftragten rechtzeitig erkennen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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