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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.12.2007
Aktenzeichen: 14 K 4704/05
Rechtsgebiete: ZK, ZKDVO, FGO, AO


Vorschriften:

ZK Art. 232 Abs. 2 Buchst. a
ZK Art. 239 Abs. 1
ZKDVO Art. 899 Abs. 1 Anstrich 1
ZKDVO Art. 899 Abs. 2
ZKDVO Art. 899 Abs. 2
ZKDVO Art. 900 Abs. 1 Buchst. e
FGO § 102
AO § 227
AO § 240 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 4704/05

Erlass von Einfuhrabgaben und Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen

In der Streitsache

hat das Finanzgericht München, 14. Senat,

durch

den Richter am Finanzgericht ...... als Einzelrichter

ohne mündliche Verhandlung

am 19. Dezember 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Erlass von Einfuhrabgaben und Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen hat.

Der Beklagte (das Hauptzollamt -HZA-) forderte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Mai 2004 vom Kläger Einfuhrabgaben i.H.v. insgesamt 4.484,42 EUR an, weil er am 8. April 2004 mit seinem in Polen zugelassen Pkw nach Deutschland eingereist ist und zu diesem Zeitpunkt in Deutschland ansässig gewesen sei. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2004 als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage (14 K 3554/04) wurde durch Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 2007 abgewiesen.

Mit Schreiben vom 17. März 2005 beantragte der Kläger, die Abgabenschuld nebst eventuellen Säumniszuschlägen zu erlassen.

Das HZA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. April 2005 ab, weil weder die Voraussetzungen für einen Erlass von Einfuhrabgaben noch für einen Erlass von Säumniszuschlägen vorlägen. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 22. November 2005 als unbegründet zurück.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage bringt der Kläger zunächst vor, dass die Einfuhrabgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt sei, weil er seinen Lebensmittelpunkt in Polen habe. Ein Erlass der Einfuhrabgaben sei gerechtfertigt, weil in der Tatsache, dass drei Wochen nach der streitgegenständlichen Einreise der EU-Beitritt Polens erfolgt sei, ein besonderer Umstand i.S.v. Art. 239 Zollkodex (ZK) liege und er weder betrügerisch noch offensichtlich fahrlässig gehandelt habe. Es habe eine Unkenntnis von der bis dahin geltenden Rechtslage vorgelegen. Im Übrigen sei er sowohl erlasswürdig als auch erlassbedürftig.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das HZA unter Aufhebung des Bescheids vom 11. April 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 22. November 2005 zu verpflichten, über den Erlassantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bringt vor, dass sich durch den Beitritt Polens zur EU am 1. Mai 2004 zwar eine grundsätzliche Änderung der Rechtslage ergeben habe. Der Kläger habe sich dabei aber in keiner außergewöhnlichen Lage befunden, weil hiervon alle Wirtschaftsbeteiligten in gleicher Weise betroffen gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Mit Beschluss vom 20. November 2007 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO).

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das HZA hat den Antrag des Klägers auf Erlass von Einfuhrabgaben und Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen zu Recht abgelehnt.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass von Einfuhrabgaben aus Billigkeitsgründen. Der Erlass von Einfuhrabgaben aus Billigkeitsgründen richtet sich nach Art. 239 ZK. Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor. Gem. Art. 239 Abs. 1 ZK i.V.m. Art. 899 Abs. 1 Anstrich 1 und Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum ZK (ZKDVO) kann das HZA Einfuhrabgaben erstatten oder erlassen, wenn ein Fall der Art. 900 bis 903 ZKDVO vorliegt oder in besonderen Fällen, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.

Zunächst ist festzustellen, dass kein Fall der Art. 900 bis 903 ZKDVO vorliegt. Insbesondere die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 900 Abs. 1 Buchst. e ZKDVO sind nicht erfüllt. Der Pkw des Klägers ist zwar wieder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden, er war aber nicht vorher unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden. Von der Erhebung der Einfuhrabgaben ist am 8. April 2004 nur unter der Voraussetzung abgesehen worden, dass eine Überprüfung ergibt, dass die Voraussetzungen für das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben vorliegen.

Ebenso wenig kommt ein Erlass nach Art. 899 Abs. 2 ZKDVO in Betracht. Art. 899 Abs. 2 ZKDVO, der die Regelung des Art. 239 ZK präzisiert und weiterentwickelt, stellt eine allgemeine Billigkeitsklausel insbesondere für außergewöhnliche Fälle dar, die als solche unter keinen der in den Art. 900 bis 903 ZKDVO beschriebenen Tatbestände fallen (Urteil des EuGH vom 25. Februar 1999 C-86/97, Trans-Ex-Import, Sammlung der Rechtsprechung 1999, I-1041). Aus Art. 899 Abs. 2 ZKDVO ergibt sich, dass die Erstattung von Einfuhrabgaben von der Erfüllung zweier kumulativer Voraussetzungen abhängt, nämlich erstens vom Vorliegen eines besonderen Falles und zweitens vom Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit und betrügerischer Absicht des Beteiligten. Der Erlass der Abgaben ist daher bereits dann zu versagen, wenn eine der beiden Voraussetzungen fehlt (Urteil des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften -EuG- vom 13. September 2005 T-53/02, Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, E 2459).

Im Streitfall fehlt es bereits am Vorliegen eines besonderen Falls, so dass es nicht mehr darauf ankommt, ob der Kläger fahrlässig gehandelt hat.

Der Begriff des besonderen Falles ist gesetzlich nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung liegen besondere Umstände vor, wenn sich aus ihnen ergibt, dass sich der Abgabenschuldner im Vergleich zu anderen Wirtschaftsteilnehmern, die die gleiche Tätigkeit ausüben, in einer außergewöhnlichen Lage befindet und dass er ohne diese Umstände den Nachteil, der in der Nacherhebung der Abgaben liegt, nicht erlitten hätte (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 7. September 1999 C-61/98, Sammlung der Rechtsprechung 1999, I-5005 und vom 27. September 2001 C-253/99, HFR 2001, 1210). Dafür sind vorliegend aber keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Umstand, dass der EU-Beitritt Polens drei Wochen nach der streitgegenständlichen Einreise erfolgt ist, kann schon deshalb keinen besonderen Umstand begründen, weil die Voraussetzungen für eine einfuhrabgabenfreie Verwendung von in Drittländern zugelassenen Pkw für alle Reisenden gleichermaßen bis zum Beitritt der neuen Mitgliedstaaten gegolten haben. Im Übrigen haben die Voraussetzungen für die einfuhrabgabenfreie Verwendung des in Polen zugelassenen Pkw des Klägers auch schon bei seinen früheren

Einreisen nicht vorgelegen (vgl. Beschlüsse des Gerichts vom 11. Februar 2005 14 S 3541/04 und vom 2. August 2005 14 V 3540/04). Schließlich stellt auch die angebliche Unkenntnis von den geltenden Vorschriften keinen besonderen Umstand i.S.v. Art. 239 Abs. 1 ZK dar.

Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der Frage, wo er im maßgeblichen Zeitpunkt seinen Lebensmittelpunkt gehabt hat, betrifft nur die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung und ist für das Erlassverfahren nach Art. 239 ZK nicht maßgeblich, da dieses eine bestehende Abgabenschuld voraussetzt.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erlass von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen. Der Erlass von Säumniszuschlägen aus persönlichen Billigkeitsgründen richtet sich nach Art. 232 Abs. 2 Buchst. a ZK, der Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen richtet sich nach nationalem Recht (§ 227 der Abgabenordnung -AO-), da der ZK insoweit keine Regelung enthält.

a) Die Entscheidung über ein Erlassbegehren nach diesen Vorschriften ist jeweils eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar ist. Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung des den Erlass ablehnenden Bescheides und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das Gericht darf in der Regel nur die Verpflichtung aussprechen, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Nur dann, wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeschränkt ist, dass lediglich eine Entscheidung ganz bestimmten Inhalts als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null), kann das Gericht ausnahmsweise eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen (§ 101 Satz 1 FGO, BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297). Abzustellen ist für die gerichtliche Prüfung der Ermessensentscheidung der Verwaltung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung (Gräber/von Groll, Kommentar zur FGO, § 102 Rdn. 13 m.w.N.).

b) Nach Art. 232 Abs. 2 Buchst. a ZK können die Zollbehörden auf die Erhebung von Säumniszinsen verzichten, wenn diese aufgrund der Verhältnisse der Beteiligten zu erheblichen wirtschaftlichen oder sozialen Schwierigkeiten führen würden.

Im Streitfall ist nicht erkennbar, dass das HZA das ihm zustehende Ermessen insoweit fehlerhaft ausgeübt hat. Die seit Fälligkeit der Abgabenschuld aus dem Steuerbescheid vom 18. Mai 2004 bis zur Einspruchsentscheidung vom 22. November 2005 kraft Gesetz gem. § 240 Abs. 1 AO durch Zeitablauf entstandenen Säumniszuschläge haben ca. 700,-EUR betragen. Dies entspricht etwa zwei Monatsgehältern des Klägers im Jahr 2005. Das HZA musste deshalb nicht davon ausgehen, dass die Erhebung von Säumniszinsen beim Kläger zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen würde, zumal er im Einspruchsverfahren außer seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Familie und seiner Lohnbescheinigung keine weiteren Gründe vorgetragen hatte. Auch im Klageverfahren hat der Kläger keine darüber hinausgehenden Gründe vorgetragen, die das HZA bei seiner Erlassentscheidung hätte berücksichtigen müssen. Die Angaben in der Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 31. Juli 2004, die dieser im Verfahren 14 S 3541/04 gegenüber dem Gericht vorgelegt hat, konnten vom HZA nicht berücksichtigt werden, da er diese dem HZA nicht zur Kenntnisnahme gegeben hat.

c) Die Ablehnung des Antrags auf Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis - zu denen auch der Anspruch auf Säumniszuschläge gehört (§ 3 Abs. 3 AO i.V.m. § 37 Abs. 1 AO) - ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO sind Säumniszuschläge zu entrichten, falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wird. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Gleichzeitig haben sie den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten und die Verwaltungsaufwendungen, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass fällige Steuern nicht oder nicht fristgemäß bezahlt werden, abzugelten (vgl. BFH-Urteile vom 7. Juli 1999 X R 87/96 , BFH/NV 2000, 161 undvom 27. September 2001 X R 134/98, BStBl II 2002, 176).

Unter Berücksichtigung des Zwecks der Säumniszuschläge und der oben genannten Grundsätze zur Ermessensausübung ist die Ablehnung des Erlasses nicht zu beanstanden.

Sachliche Billigkeitsgründe, wonach ein Erlass geboten ist, wenn die Einziehung von steuerlichen Nebenleistungen im Einzelfall nicht mehr zu rechtfertigen ist, weil die Erhebung - obwohl der Sachverhalt den gesetzlichen Tatbestand erfüllt -den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Der Kläger hat insbesondere im Einspruchsverfahren nicht substantiiert dargelegt, dass die Erhebung von Säumniszuschlägen etwa sachlich unbillig sei, weil ihm die rechtzeitige Zahlung der Einfuhrabgaben wegen Zahlungsunfähigkeit unmöglich sei und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliere. In diesem Falle wären die Säumniszuschläge aber auch nur zur Hälfte zu erlassen gewesen, damit er nicht besser gestellt wäre, als wenn ihm Stundung gewährt worden wäre (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2000, 161 und BStBl II 2002, 176). Die Vorlage der Gehaltsbescheinigung und der Hinweis auf die im Verfahren wegen Prozesskostenhilfe vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind insoweit nicht ausreichend.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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