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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 14 K 4956/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 2
UStG § 14 Abs. 2
UStG § 15 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 9. August 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2006 wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke zu erteilen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

I. Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die durch Gesellschaftsvertrag vom 13. Februar 2006 errichtet und am 22. Februar 2006 unter der Nummer HRB 161150 in das Handelsregister des Amtsgerichts München eingetragen worden ist (vgl. Bl. 2 ff und 11 Dauerunterlagen des Finanzamts - FA -). Unternehmensgegenstand ist Gebäudemanagement, Gebäudereinigung, der Handel und Vertrieb von Reinigungsartikeln sowie Sanitär- und Hygienebedarf. Alleiniger Gesellschafter ist Herr N, zum alleinigen Geschäftsführer wurde Herr M bestellt, beide sind in der P wohnhaft.

Aufgrund der Einreichung des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung wegen Gründung einer Kapitalgesellschaft forderte das Finanzamt (FA) die Klägerin am 2. Juni 2006 zur Beantwortung verschiedener Fragen sowie zur Einreichung von Unterlagen auf, um über die Vergabe einer Steuernummer entscheiden zu können (Bl. 21 Rechtsbehelfsakte FA).

Im Rahmen einer am 11. Juli 2006 gegen 14 Uhr erfolgten Umsatzsteuer-Nachschau traf das FA in P keinen gesetzlichen Vertreter der Klägerin an. Außerdem stellte das FA fest, dass weder am Briefkasten noch am Klingelschild Hinweise vorhanden waren, die auf die Existenz der Firmenräume der Klägerin hindeuteten (Bl. 9 ff Rechtsbehelfsakte FA). Der Geschäftsführer teilte dem FA darauf am 17. Juli 2006 mit, dass er bisher keinerlei geschäftliche Aktivitäten unternommen habe und den Beginn der unternehmerischen Tätigkeit weder belegen noch glaubhaft machen könne (Bl. 8 Rechtsbehelfsakte FA).

Das FA kam darauf hin zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nicht als selbständige Unternehmerin anzusehen sei und lehnte mit Schreiben vom 9. August 2006 die Vergabe einer Steuernummer ab (Bl. 5 Rechtsbehelfsakte FA).

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 21. September 2006 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Es vertrat unter anderem die Ansicht, dass die Klägerin nicht wirtschaftlich tätig sei und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Steuernummer nach § 139 a der Abgabenordnung 1977 (AO) nicht vorlägen.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass es ihr ohne die Erteilung einer Steuernummer nicht möglich sei, sich mit ausreichender Aussicht auf Erfolg am Markt zu beteiligen. Das FA mache es der Klägerin bereits im Anfangstadium der beabsichtigten wirtschaftlichen Betätigung weitgehend unmöglich, beständige und erfolgreiche Leistungsbeziehungen zu anderen Unternehmen aufzubauen. Im Übrigen habe sie alle vom FA gestellten Fragen bereitwillig und nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet und insbesondere mitgeteilt, dass der operative Geschäftsbetrieb erst nach Erteilung einer Steuernummer aufgenommen werden könne.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. August 2006, soweit hierin eine Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgelehnt worden ist, und der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2006 zu verpflichten, ihr eine Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke zu erteilen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass berechtigte Zweifel an der Unternehmereigenschaft der Klägerin bestünden.

Im Übrigen erleide die Klägerin wegen der vorerst nicht erteilten Steuernummer keine Nachteile, da sie es durch ihre eigene Mitwirkung selbst in der Hand habe, die Vorbereitung der unternehmerischen Tätigkeit nachzuweisen. Seitens der Klägerin seien jedoch keinerlei Nachweise, beispielsweise die Vorlage von Miet- oder Arbeitsverträgen, erbracht worden. Das FA müsse daher davon ausgehen, dass die Klägerin zumindest derzeit nicht unternehmerisch tätig sei und die Voraussetzungen für ein unternehmerisches Handeln in keinerlei Hinsicht erfüllt seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist begründet, da das FA den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Steuernummer zu Unrecht abgelehnt hat.

Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung besteht grundsätzlich ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Februar 2008 II B 6/08 BFH/NV 2008, 1004-1006, Finanzgericht - FG - München , Beschluss vom 25. August 2006 14 V 2078/06, DStRE 2007, 1571, a.A. FG Saarland vom 5.9.1996 1 V 150/96, EFG 1997, 251, zur alten Rechtslage ohne Verpflichtung zum Ausweis einer Steuernummer in der Rechnung).

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der hier maßgebenden Fassung (UStG) ist der Unternehmer verpflichtet, eine Rechnung auszustellen, soweit er einen Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, soweit sie nicht Unternehmer ist, ausführt. Die Rechnung muss neben anderen Angaben auch die ihm vom FA erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteueridentifikationsnummer (für die Erteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer verlangt das Bundeszentralamt für Steuern gemäß § 27a UStG allerdings die vorherige Übermittlung der Steuernummer durch die Landesfinanzbehörden) enthalten.

Da der Besitz einer nach den Vorschriften des §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung die Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG darstellt, wird die Steuernummer des Auftragnehmers bzw. leistenden Unternehmers im Geschäftsleben üblicherweise bereits bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmern abgefragt. Stellt sich heraus, dass das FA dem Auftragnehmer - aus welchen Gründen auch immer - keine Steuernummer erteilt hat, ist es für seinen Geschäftspartner offensichtlich, dass er aus einer später vom Auftragnehmer gestellten Rechnung mit Mehrwertsteuerausweis bereits aus diesem Grund keinen Vorsteuerabzug geltend machen kann. Die Nichterteilung der Steuernummer hat daher zur Folge, dass der Antragsteller bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt von einer unternehmerischen Tätigkeit ausgeschlossen wird.

Im Rahmen des Verfahrens zur Vergabe einer Steuernummer ist somit vom FA eine zeitnahe Entscheidung zu treffen, die es dem Antragsteller ermöglichen soll, seine begonnene Tätigkeit alsbald in vollem Umfang aufzunehmen. Die Vergabe von Steuernummern für eine beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit darf daher nicht an zu hohe Anforderungen geknüpft werden. Dies entspricht im Übrigen auch der Vorgabe des Art. 22 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG, nunmehr Art. 213 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 ABl EG Nr. 1 347/1 vom 11. Dezember 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -- MwStSystRl--), wonach der Steuerpflichtige - lediglich - die Aufnahme seiner Tätigkeit als Steuerpflichtiger anzuzeigen hat.

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des BFH (vgl. EuGH-Urteil vom 8. Juni 2000 Rs. C-400/98 - Breitsohl -, BStBl II 2003, 452, UR 2000, 329; BFH-Urteil vom 8. März 2001 V R 24/98, UR 2001, 214) zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs im Rahmen von Neugründungen ergibt sich darüber hinaus, dass die Vergabe von Steuernummern für Umsatzsteuerzwecke nicht ausschließlich an lohnsteuerrechtlichen Kriterien, die für die Abgrenzung einer selbständigen Tätigkeit von einer solchen als Arbeitnehmer entwickelt worden sind, gemessen werden können. Diese Kriterien lassen nämlich unberücksichtigt, dass zur Begründung der Unternehmereigenschaft die Aufnahme der tatsächlichen Umsatztätigkeit nicht erforderlich ist. Die Unternehmereigenschaft beginnt vielmehr bereits mit den ersten auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten, nach außen ersichtlichen Handlungen; dazu gehören auch Vorbereitungshandlungen wie etwa Investitionen in Räume oder Werbemaßnahmen. Entscheidend ist dabei die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben (BFH-Urteile vom 22. Februar 2001 V R 77/96, BStBl II 2003, 426, und vom 17. Mai 2001 V R 38/00, BStBl II 2003, 434; BFH-Beschlüsse vom 23. Mai 2002 V B 104/01, BFH/NV 2002, 1351 und vom 20. Dezember 2007 IX B 194/07, BFH/NV 2008, 600).

Nach der Rechtsprechung des EuGH wird ein Unternehmen durch seine "wirtschaftliche Tätigkeit" i.S. des Art. 4 Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 9 Abs. 1 S. 2 MWStSystRL) geprägt, wobei die dort genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten mehrere aufeinander folgende Handlungen umfassen können. Als Steuerpflichtiger (Unternehmer) hat danach auch zu gelten, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, i.S. von Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt (BFH-Urteil vom 8. März 2001 V R 24/98, BStBl II 2003, 430).

Entscheidend für die Vergabe einer Steuernummer zu Umsatzsteuerzwecken ist somit, ob der Antragsteller dem FA seine ernsthafte Absicht in dem für Umsatzsteuerzwecke entwickelten Zusatzfragebogen zur steuerlichen Erfassung bei Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit für die zu treffende Prognoseentscheidung schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. In diesem Fall ist ihm grundsätzlich eine Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke zu erteilen, es sei denn, es ist offensichtlich, dass der Fragebogen nicht in gutem Glauben abgegeben worden ist oder er die Steuernummer aus anderen Gründen nicht benötigt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es auch nicht erforderlich, dass eine GmbH über Geschäftsräume verfügt, die gewisse Mindestanforderungen erfüllen, um Unternehmerin i.S. des § 2 UStG sein zu können. Als Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift kommen selbst Domizilgesellschaften und "Strohmänner" in Betracht (BFH-Beschlüsse von 9. Juli 1998 V B 143/97, BFH/NV 1999, 221 und vom 18. Juli 2001 V B 198/00, BFH/NV 2002, 78).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze auf den Streitfall steht der Klägerin somit ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke zu. Sie ist als juristische Person selbständig tätig und hat ihre Absicht, im Inland eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben, durch objektive Anhaltspunkte belegt. Es ist grundsätzlich ausreichend, dass die Klägerin im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung wegen der Gründung einer Kapitalgesellschaft schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt hat, dass sie beabsichtige, im Reinigungswesen tätig zu werden. Da der Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass sie nicht in gutem Glauben gehandelt hat oder sie die Steuernummer aus anderen Gründen nicht benötigt, hat ihr das FA die Steuernummer zu Unrecht nicht erteilt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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