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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 14 K 95/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 3 Abs. 9
UStG § 3a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht

der Richterin am Finanzgericht und

der Richterin am Finanzgericht sowie

der ehrenamtlichen Richter und

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 25. Juni 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung von Zahlungen für Flugtickets, die von den Kunden der Klägerin nicht in Anspruch genommen worden sind (sog. "unflown revenue").

Die Klägerin ist eine GmbH. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Betrieb eines Lufttransportunternehmens.

Im Rahmen einer bei ihr hinsichtlich der Umsatzsteuer für 1996 bis 2000 durchgeführten Außenprüfung wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Die Klägerin bietet dem jeweiligen Kunden an, ihn an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit auf einer bestimmten Flugstrecke zu Sonderkonditionen zu befördern. Nachdem der Kunde diese Leistung per Internet oder im Reisebüro bestellt hat, erhält er ein Ticket und bezahlt den ermäßigten Flugpreis im Voraus. Nach den "Allgemeinen Beförderungsbedingungen" ist der Kunde weder zum Rücktritt noch zur kostenlosen Umbuchung berechtigt. Die Flugreservierung wird für den Kunden bis 30 Minuten vor dem Abflug freigehalten. Erscheint der Kunde bis zu diesem Zeitpunkt nicht, wird die Flugreservierung aufgehoben und bei ausreichender Kapazität, ggf. sein Sitzplatz an andere Fluggäste vergeben. Das Flugticket des Kunden verfällt in diesen Fällen ersatzlos, er erhält den Flugpreis nicht zurück. Auf den Internetrechnungen wird bei allen Inlandsflügen die Umsatzsteuer ausgewiesen; für die Auslandsflüge wurden keine Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis ausgestellt.

Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass auch bei den nicht in Anspruch genommenen Tickets umsatzsteuerlich ein Leistungsaustausch vorliege. Er unterwarf daher die von der Klägerin bisher als nichtsteuerbaren Schadensersatz behandelten Einnahmen mit dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer.

Das Finanzamt schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ am 14. Oktober 2004 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) bzw. nach § 164 Abs. 2 AO entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 2000.

Auch in den nachfolgenden Jahren 2001 bis September 2004 hatte die Klägerin die nicht in Anspruch genommenen Tickets nicht umsatzversteuert. Nachdem die Klägerin auf entsprechende Anforderung seitens des Finanzamts die in diesem Zeitraum vereinnahmten Beträge mitgeteilt hatte, berücksichtigte das Finanzamt 2001 und 2002 in (geänderten) Bescheiden sowie in (geänderten) Vorauszahlungsbescheiden für Dezember 2003 bis September 2004 die erklärten "unflown revenue" und unterwarf sie in Höhe des Nettobetrages ebenfalls der Umsatzsteuer.

Die Klägerin legte gegen sämtliche Bescheide erfolglos Einsprüche ein. Das Finanzamt vertrat in seiner Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2005 weiterhin die Auffassung, dass der Kunde seine Zahlung für eine von der Klägerin erbrachte Leistung und nicht als Schadensersatz geleistet habe. So erbringe die Klägerin, die nicht nur die Beförderung als solche, sondern ein Leistungsbündel schulde, bereits im Vorfeld der eigentlichen Beförderung Leistungen wie z.B. Organisation, Reservierung sowie die Bereitstellung eines Sitzplatzes, die über eine reine Entgegennahme des Vertragsangebots als Ausdruck der Erfüllungsbereitschaft hinausgehe. Der Kunde, dem bewusst sei, dass er im Gegenzug zur verbilligten Überlassung des Flugtickets im Falle einer Nichtbeanspruchung den gezahlten Flugpreis nicht zurückerhalten könne, erhalte mit dem Ticket als umsatzsteuerlich relevanten Vorteil die Garantie, dass ihm zu günstigen Konditionen ein Sitzplatz bis 30 Minuten vor dem Abflug bereitgehalten und bei Bedarf die Beförderung bewirkt werde. Die Annahme einer sog. "echten Schadensersatzleistung" scheide bereits deshalb aus, weil der Kunde sich im Falle der Nichtbeanspruchung des Fluges nicht vertragswidrig verhalte und der Klägerin kein Schaden entstehe.

Ihre hiergegen eingelegte Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen damit, dass umsatzsteuerrechtlich kein Leistungsaustausch vorliege, weil der verspätete Fluggast keine verbrauchsfähige Leistung erhalte. Sie habe die vertraglich geschuldete Beförderungsleistung gerade nicht erbracht und auch nicht mit der Leistungserbringung begonnen, weil die innerbetrieblichen Vorbereitungsleistungen wie das Ausstellen des Tickets für sich alleine nicht die Merkmale einer Leistung gegenüber dem Kunden, für den allein die Durchführung der bestellten Leistung wichtig sei, erfüllten, und die bloße Leistungsbereitschaft wie z.B. bei Dauerverträgen mit Anwälten vorliegend nicht Vertragsinhalt sei. Sie habe mangels Inanspruchnahme des Flugs auch keine Nebenleistungen zur Beförderungsleistung wie zum Beispiel das Beladen, Entladen oder ähnliches erbracht. Schließlich sei auch die Bereithaltung eines Sitzplatzes nicht wie die Bereithaltung eines Zimmers bei Beherbergungs- und Hotelreservierungsverträgen Vertragsgegenstand.

Da sich der nicht rechtzeitig erschienene Passagier in Annahmeverzug befinde (§ 293 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) andererseits die Leistung - die Beförderung zu einem bestimmten Zeitpunkt - bei Flügen zum Sondertarif nicht nachgeholt werden könne, werde sie nach § 275 Abs. 1 BGB in diesen Fällen von ihren vertraglichen Leistungspflichten befreit, behalte jedoch nach § 324 Abs. 1 und 2 BGB den Anspruch auf Zahlung der Gegenleistung. Um sich erheblichen, eventuell die Flugkosten übersteigenden Verwaltungsaufwand bei der Bestimmung des gesetzlichen Erstattungsaufwands zu ersparen, sei der gesamte Flugpreis einbehalten worden. Die ursprünglich im Rahmen eines vertraglichen Synallagmas als Beförderungsentgelt geleistete Summe werde so zu einem durch vertragliche Bestimmungen in der Höhe entsprechend modifizierten pauschalierten Schadensersatzanspruch, vergleichbar einer Stornogebühr im Zusammenhang mit Reiseleistungen. Ferner liege - entgegen der Auffassung des Finanzamts - durch den Annahmeverzug des Flugpassagiers eine Vertragsstörung und damit ein den Schadensersatzanspruch auslösendes vertragswidriges Verhalten vor. Daran ändere auch nichts, dass der Schadensersatz für den Fall einer Vertragsstörung bereits im Vertrag vereinbart sei.

Eine Besteuerung des "unflown revenue" nach § 14 Abs. 2 oder 3 des Umsatzsteuergesetzes in der hier maßgebenden Fassung (UStG) scheide aus, da die Flugtickets mit Umsatzsteuerausweis eindeutig Vorausrechnungen darstellten, die unter keine dieser Vorschriften fielen, denn die Vorausrechnung ändere ihren Charakter auch dann nicht, wenn sich nachträglich herausstelle, dass die Leistung nicht in Anspruch genommen werde. Zudem stelle sich im Streitfall die Problematik des § 14 Abs. 2 UStG nicht, weil die Fallkonstellation vom Gesetzgeber in der Weise berücksichtigt werde, dass die Änderungspflicht über § 17 UStG einschlägig werde. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass erst in der Zeit ab etwa 2000 verstärkt Internetrechnungen ausgestellt worden seien.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 14. Oktober 2004 sowie den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 4. August 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1996 auf ............EUR festzusetzen;

den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 14. Oktober 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1997 auf ....... EUR festzusetzen;

den Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 14. Oktober 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1998 auf ...EUR estzusetzen;

den Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 14. Oktober 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1999 auf ...EUR festzusetzen;

den Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 14. Oktober 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und die Umsatzsteuer für 2000 auf ...EUR festzusetzen;

den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 1. Dezember 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2005 sowie den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2001 auf ...EUR festzusetzen;

den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 1. Dezember 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2005 sowie den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2002 auf ....EUR festzusetzen;

den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 7. Juli 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2005 sowie den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2003 auf ..EUR festzusetzen;

den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 27. Juni 2006 sowie den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2004 auf ..EUR festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass aufgrund des vertraglichen Ausschlusses von Rücktritt und zumeist auch Umbuchung bei den Sondertickets deutlich werde, dass die Erbringung des individuellen Beförderungserfolgs im Vergleich zu den regulären Tickets in den Hintergrund trete. Ähnlich wie bei Eintrittskarten zu einer Theater- oder Konzertveranstaltung sei bei diesen Billigflügen nur die Durchführung eines bestimmten Flugs zu einem bestimmten Zeitpunkt nebst Teilnahmemöglichkeit des Kunden der tatsächliche Gegenstand des Vertrages. Dieses Verständnis des Vertragsinhaltes werde auch dadurch bestätigt, dass zahlreiche Fluggäste mehrere Flüge buchen, aber nur einen Flug wahrnehmen würden. Obwohl der Kunde wisse, dass der Beförderungserfolg nur einmal herbeigeführt werden könne, bezahle er alle gebuchten Flüge. Damit werde deutlich, dass -aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers - der Fluggast den Vertrag schon dann als erfüllt ansehe, wenn die Klägerin den Flug tatsächlich durchführt und er, zumindest bis 30 Minuten vor Abflug die Möglichkeit habe, an dem Flug teilzunehmen. Es komme ihm offensichtlich nicht darauf an, dass für jeden einzelnen Vertragsabschluss ein eigener Beförderungserfolg herbeigeführt werde. Die rechtliche Folge sei, dass bei Flügen zu Sonderkonditionen die Bereitstellung des Sitzplatzes zu einem bestimmten Flug eine selbständige vertragliche Hauptpflicht sei.

Im Übrigen sei ein Nichterfüllungsschaden nach Auffassung des Finanzamts nur schwer vorstellbar, da eine Rückerstattung des Flugpreises von vorneherein ausgeschlossen sei, sich die Klägerin durch die Nichtbeförderung eventuell Kosten erspart und darüber hinaus die Möglichkeit bestehe, bei Vergabe des Sitzplatzes an einen anderen Fluggast doppelt Profit zu erzielen.

Aber selbst wenn man der Auffassung der Klägerin folge, dass es sich bei den "unflown revenue" um nicht steuerbare Schadensersatzzahlungen handle, schulde sie den in den Vorausrechnungen ausgewiesenen Steuerbetrag unter dem Gesichtspunkt des unrichtigen Steuerausweises nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG, da die Klägerin nach ihrer Rechtsauffassung statt über eine steuerpflichtige Leistung über einen nicht steuerbaren Schadensersatz eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis und damit eine Rechnung mit einem unrichtigen Steuerausweis im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz UStG ausgestellt habe. Eine Rechnungsberichtigung sei bis heute nicht erfolgt.

Außerdem erfolgte bei der Klägerin eine weitere Außenprüfung, in der u.a. die Umsatzsteuer für die Jahre 2001 bis 2004 geprüft wurde. Der Prüfer vertrat in seinem Prüfungsbericht vom 12. September 2006 die Ansicht, dass die "unflown revenue" aus gebuchten Auslandsflügen ebenso der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, da sich der Ort der von der Klägerin erbrachten Reservierungsleistung nach § 3a Abs. 1 UStG im Inland befinde.

Das Finanzamt wertete die Prüfungsergebnisse aus, erließ für 2001 bis 2004 Änderungsbescheide jeweils vom 20. Dezember 2006 und erhöhte die Umsatzsteuer 2001 um EUR, die Umsatzsteuer 2002 um EUR, die Umsatzsteuer 2003 um EUR und die Umsatzsteuer 2004 durch Änderung des mittlerweile ergangenen Umsatzsteuerjahresbescheids 2004 vom 27. Juni 2006 um EUR.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die FA-Akten und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung hingewiesen.

II. Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat die von den Kunden aufgewendeten Leistungen für nicht in Anspruch genommene Flugtickets zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Dies entspricht der Regelung in Art. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer -Richtlinie 77/388/EWG-. Danach unterliegen u.a. die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer.

Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften -EuGH- Urteile vom 29. Februar 1996 --Jürgen Mohr--, Slg. 1996, I-959, UR 1996, 119; vom 18. Dezember 1997 Rs. C-384/95 --Landboden--, Slg. 1997, I-7387, UVR 1998, 51, und Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 6. Mai 2004 V R 40/02, BFHE 205, 535, BStBl II 2004, 854).

Eine Leistung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 77/388/EWG wird danach gegen Entgelt erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet (vgl. EuGH-Urteil vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95 -- Fillibeck--, Slg. 1997, I-5577, UVR 1997, 430).

Echte Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen sind dem gegenüber kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlungsempfänger erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1998 V R 58/97, BFH/NV 1999, 987).

Von einer umsatzsteuerpflichtigen, zum Leistungsaustausch führenden Leistung gegen Zahlung lässt sich dann nicht mehr sprechen, wenn die Beendigung der vorangegangenen Vertragsbeziehung zwischen den Parteien feststeht (BFH-Urteil vom 18. Januar 1990 V R 6/85 BFH/NV 1991, 130, 131) oder sie sich hierüber einig sind und sie nur noch der einen oder anderen Seite in Folge der Vertragsauflösung erwachsene Entschädigungs- oder Schadensersatzleistungen festgelegt haben. Von einer nicht umsatzsteuerpflichtigen Entschädigungsleistung ist insofern auch in den Fällen auszugehen, in denen die eine Vertragsseite von einer ihr von vornherein eröffneten Rücktrittsmöglichkeit Gebrauch macht, dem anderen Vertragsteil dann aber eine Anzahlung als pauschalierte Entschädigung zum Ausgleich des ihm infolge des Rücktritts entstandenen Schadens verbleibt (EuGH -Urteil vom 18. Juli 2007 - Rs. C-277/05 - Société thermale d'Eugénie-les-Bains, UR 2007, 643).

Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung, ob eine bloße Entschädigungs- oder Schadensersatzleistung vorliegt oder von einem Leistungsaustausch zu sprechen ist, hängt dabei nicht von der von den Beteiligten gewählten Bezeichnung ab. Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, beurteilt sich vielmehr anhand objektiver Umstände nach umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 34/03 BStBl II 2007, 66).

Da es umsatzsteuerrechtlich jedoch allein entscheidend ist, wofür nach dem Willen der Parteien tatsächlich bezahlt wurde, ist zunächst anhand der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung festzustellen, welche Leistungen und Gegenleistungen aufgrund des bestehenden Vertragsverhältnisses zu erbringen waren und welche Leistungen und Gegenleistungen sodann erbracht wurden.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat die Klägerin im Rahmen des zwischen ihr und dem Fluggast bestehenden Rechtsverhältnisses dem Fluggast gegenüber eine umsatzsteuerrechtlich relevante Leistung erbracht und von ihm dafür ein Entgelt erhalten. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt grundsätzlich ein Leistungsaustausch vor. Die von den Kunden auf die Rechnungen geleisteten Zahlungen stellen keine Entschädigungszahlungen dar, die nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.

Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kunden war ein Vertrag besonderer Art und nicht wie die Klägerin meint, ausschließlich ein Luftbeförderungsvertrag, dessen Leistungsgegenstand es war, Personen und/oder Sachen auf dem Luftweg von einem zu einem anderen Ort zu bringen. Die Klägerin schuldete zwar auch einen bestimmten Beförderungserfolg und zwar den Flug von A nach B, gleichwohl erschöpfte sich der zu Sonderkonditionen abgeschlossene Vertrag nicht in einer bloßen Beförderung, sondern ist derart modifiziert worden, dass die Kunden, denen angesichts des günstigen Preises kein Rücktrittsrecht eingeräumt wurde, die im Voraus entrichteten Fluggebühren auch dann zu bezahlen hatten, wenn sie nicht mindestens 30 Minuten vor Abflug am Abflugschalter erschienen waren.

Im Falle der hier streitigen Zahlungen für die nicht in Anspruch genommenen Flugtickets führte die Klägerin die gebuchten Flüge unstreitig auch durch, allerdings ohne den zu spät kommenden oder auf die Beförderung verzichtenden Kunden, der seinen Anspruch gegenüber der Klägerin 30 Minuten vor Abflug verloren hat. Da sich der Fluggast bei den günstigen Flugangeboten der Klägerin bereit erklärt hat, den Flugpreis auch dann zu bezahlen, wenn er tatsächlich auf seine Teilnahme an dem durchgeführten Flug freiwillig verzichtet hat oder aufgrund seines zu späten Erscheinens auf die Beförderung verzichten musste, hat er die Zahlung letztlich auch dafür geleistet, dass ihm vertraglich die Möglichkeit eingeräumt worden ist, am durchgeführten Flug teilzunehmen. Die Leistung der Klägerin bestand darin, dass sie ihrem Kunden den von ihr durchgeführten Flug bis 30 Minuten vor Abflug angeboten und einen entsprechenden Sitzplatz zur Verfügung gestellt hat. Der Kunde hat damit als (potentieller) Fluggast durch das Tätigwerden der Klägerin auch einen Vorteil im Sinne der EuGH-Rechtsprechung erlangt. Denn für die Klägerin ist die Bereitstellung des Personals und die zur Verfügung Stellung des abflugbereiten Flugzeuges auch ein wirtschaftlich relevanter Aufwand, dem beim Fluggast das beschriebene Wertäquivalent gegenübersteht.

Dass der Fluggast nicht nur für die Beförderung, sondern für eine Leistung besonderer Art bezahlt hat, belegt auch der Umstand, dass einzelne Kunden mehrere Flüge zu verschiedenen Uhrzeiten ohne Rücktrittsmöglichkeit buchen konnten, obwohl sie letztlich nur in der Lage waren, höchstens einen Flug wahrzunehmen. Hieraus wird deutlich, dass der Kunde den Flugpreis auch dafür entrichtet hat, dass die Klägerin Personal und Flugzeug zu den gewünschten Terminen bereitgestellt und dem Kunden einen Platz vorgehalten hat, um ihm die Möglichkeit zu geben, je nach Bedarf den einen oder anderen Flug tatsächlich in Anspruch zu nehmen. In diesen Fällen fehlt es weder an einem Zusammenhang der Zahlung mit der Leistung noch an einem Vorteil des Leistungsempfängers. Die Tatsache, dass der Leistungsempfänger an der Erfüllung der ursprünglich zusätzlich vereinbarten Beförderungsleistung kein Interesse mehr hat, weil er einen anderen Flug bereits wahrgenommen hat, zeigt, dass sich die Leistung der Klägerin nicht in der bloßen Beförderung ihrer Kunden erschöpft, sondern weitere gleichgewichtige Leistungselemente enthält, die nicht als bloße Nebenleistungen zu qualifizieren sind.

Die Klägerin kann sich zur Unterstützung ihrer rechtlichen Position, es habe sich bei den Leistungen der Kunden um nicht steuerbare Schadensersatzleistungen gehandelt, auch nicht auf die bereits oben erwähnte EuGH Entscheidung (Urteil vom 18. Juli 2007 Rs. C- 277/05 a.a.O.) berufen, in der dargelegt wird, dass die von einem Gast auf eine Zimmerbuchung geleistete Anzahlung eine pauschalierte Entschädigung und keine Gegenleistung für eine Reservierung darstellt, wenn sich der Gast von der Vereinbarung löst. Denn in diesem Fall ist die Einbehaltung der Anzahlung die Folge der Ausübung einer dem Gast eröffneten Rücktrittsmöglichkeit und dient dem Hotelbetreiber als Entschädigung nach dem Rücktritt. Eine solche Entschädigung stellt kein Entgelt für eine Dienstleistung dar.

Im vorliegenden Fall wurden jedoch - anders als im Entscheidungsfall des EuGH - die Vertragsbeziehungen gerade nicht beendet, weil sich der Fluggast mangels Rücktrittsrecht nicht vom Vertrag lösen konnte. Infolgedessen hat die Klägerin in Erfüllung ihrer bestehenden vertraglichen Verpflichtung eine abflugbereite Maschine zum vereinbarten Abflugtermin und einen Sitzplatz bis 30 Minuten vor Abflug bereitgestellt, damit der Fluggast die Möglichkeit hat, seine gewünschte Beförderung in Anspruch zu nehmen.

3. Dieses Ergebnis entspricht auch den vom BFH (vgl. u.a. Urteile vom 28. November 2002 V R 18/01, BStBl II 2003, 443) und vom EuGH (Urteil vom 21. März 2002 Rs. C-174/00 Kennemer Golf & Country Club-, UVR 2002, 154) entwickelten Grundsätzen zum Leistungsaustausch, wenn sich dieser -- anders als im Streitfall - sogar nur darauf beschränkt, dass die bloße Nutzungsmöglichkeit Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten war. Auch in einer solchen Fallkonstellation ist es nach den genannten Entscheidungen des BFH und des EuGH für einen Leistungsaustausch ausreichend, dass eine bloße Nutzungsmöglichkeit vertraglich eingeräumt wird, unabhängig davon, ob der Gegenstand oder die Anlage tatsächlich genutzt wird. So können auch die Jahresbeiträge der Mitglieder eines Sportvereins die Gegenleistung für die von diesem Verein erbrachten Dienstleistungen sein. Es kommt nicht darauf an, dass die Mitglieder die Vorteile tatsächlich in Anspruch nehmen, so dass bei Sportvereinen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Vereins, den Mitgliedern Vorteile wie die Nutzung von Sportanlagen zur Verfügung zu stellen, und den Mitgliedsbeiträgen besteht.

4. Entgegen der Auffassung des Finanzamts kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass bei preisgünstigen Tickets, bei denen Rücktritt und Umbuchung ausgeschlossen sind, das Interesse an der Herbeiführung des Beförderungserfolgs generell in den Hintergrund rückt, und die Leistungsbereitschaft der Klägerin, den Fluggast befördern zu wollen, als solche nach dem Willen der Beteiligten, Inhalt der umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehung ist, wie z.B. bei Dauerverträgen mit Anwälten oder Schneeräumdiensten, bei denen der Unternehmer einen Bereitschaftsdienst vorhält und der Kunde die Leistung jederzeit abrufen kann. Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags ist auch bei Billigtickets ohne Rücktrittsrecht und Umbuchungsmöglichkeit nicht allein die Leistungsbereitschaft, sondern zusätzlich ein weiteres Leistungsverhalten, nämlich die Durchführung eines bestimmten Flugs zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Bereitstellung eines entsprechenden Sitzplatzes sowie - im Falle der Inanspruchnahme des Flugs - die Beförderung des Fluggastes, die somit einen für den Fluggast wesentlichen Teil der vereinbarten Leistung darstellt. Im Gegenzug dazu verpflichtete sich der Fluggast, den entsprechenden Flugpreis zu entrichten und zwar, da ihm ein Rücktrittsrecht nicht eingeräumt war, auch für den Fall, dass er den Flug nicht in Anspruch nimmt.

5. Der Umsatzsteuer unterliegen sowohl die Einnahmen aus den nicht in Anspruch genommenen Tickets im Zusammenhang mit den Inlandsflügen wie auch den Auslandsflügen, da die von der Klägerin erbrachten Leistungen im Inland ausgeführt wurden.

Bei den von der Klägerin erbrachten Leistungen handelt es sich wie oben ausgeführt, um Leistungen besonderer Art im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG, deren Ort der Leistung sich nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt und nicht um eine Beförderungsleistung im Sinne des § 3b Abs. 1 UStG, da die von der Klägerin angebotene Leistung sich nicht in der bloßen Beförderung der Kunden erschöpft hat. Danach sind die streitgegenständlichen Leistungen an dem Ort ausgeführt, vom dem aus die Klägerin ihr Unternehmen betreibt.

6. Da es sich bei den Einnahmen aus den nicht in Anspruch genommenen Tickets um steuerbare Leistungsentgelte handelt, kann es letztlich dahin stehen, ob die Klägerin die Umsatzsteuer auch deswegen schuldet, weil sie in den unmittelbar nach den Buchungen an die Kunden erteilten Rechnungen über Inlandsflüge die Mehrwertsteuer ausgewiesen hat. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung der Klägerin, dass bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation die Vorschrift des § 17 UStG einschlägig sei und kein unberechtigter oder unrichtiger Steuerausweis gegeben sein kann. Denn die Klägerin hat den ursprünglich vorgesehenen Flugpreis von vorneherein als Schadenersatz verbucht, so dass das "unrichtige Entgelt" gar nicht als Bemessungsgrundlage in einen Bescheid eingegangen ist.

7. Daneben kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es sich bei den Rechnungen über die Inlandsflüge allein deshalb um umsatzsteuerrechtlich unschädliche Vorausrechnungen handele, weil das Flugdatum in der Zukunft liege. Eine Vorausrechnung liegt nämlich nur dann vor, wenn sie als solche nach ihrer Aufmachung (z.B. durch Bezeichnung als Vorausrechnung) oder ihrem Inhalt (z.B. durch Hinweis auf einen erst in der Zukunft liegenden Zeitpunkt der Leistung) auf den ersten Blick für einen Betrachter auch ohne Kenntnis der Vorgänge als bloße "Voraus-Rechnung" oder "Pro- Forma-Rechnung" erkennbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1998 V R 65/97 BStBl II 1998, 415).

Nach der von der Klägerin vorgelegten exemplarischen Internetrechnung hat sie die Buchungsbestätigung als "Rechnung" bezeichnet, die außerdem die nach § 14 Abs. 1 bzw. § 14 Abs. 4 UStG für eine ordnungsgemäße Abrechnung notwendigen Angaben enthält, wie sie für Zwecke des Vorsteuerabzugs erforderlich sind (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1995, BStBl II 1995, 747). Damit ist trotz Angabe eines in der Zukunft liegenden Flugdatums für einen Betrachter ohne Kenntnis der Vorgänge, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Abrechnungspapier kein Ausstellungsdatum enthält, nicht auf den ersten Blick ersichtlich, dass es sich bei den streitigen Rechnungen über Inlandsflüge um bloße Vorausrechnungen handeln soll.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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