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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: 14 K 96/04
Rechtsgebiete: AO 1977, GmbHG


Vorschriften:

AO 1977 § 34 Abs. 1
AO 1977 § 69 S. 1
GmbHG § 35 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 96/04

Haftung für Umsatzsteuer i.S. Fa. L Bau GmbH

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) den Kläger zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen hat.

Der Kläger war gemäß Vertrag über die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) vom 1. März 1999 alleiniger formeller Geschäftsführer der Firma L Bau GmbH.

Mit notariellem Vertrag vom 4. Mai 1999 erteilte er seinem Vater L Generalhandlungsvollmacht für die Firma. Laut einer Erklärung vom 10. Juni 1999 an die L Bau GmbH trat der Kläger als Geschäftsführer zurück.

Am 19. Januar 2001 wurde der Vater des Klägers L zum alleinigen Geschäftsführer bestellt, der Eintrag ins Handelsregister erfolgte am 12. März 2001. Bis zur Benennung des neuen Geschäftsführers trat der Kläger nach außen hin weiterhin als Geschäftsführer auf.

Nachdem die GmbH mit der Zahlung auf Steuerschulden in Rückstand kam, pfändete das FA am 23. Januar 2001 die Bankkonten der GmbH. Die Vollstreckungsmaßnahme blieb jedoch erfolglos, das FA ging nunmehr von der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft aus.

Mit Schreiben vom 28. Mai 2001 wurde dem FA mitgeteilt, dass die L Bau GmbH bereits im Dezember 2000 ihre Geschäftstätigkeit eingestellt habe. Für die Umsatzsteuer der Monate September, November und Dezember 2000, die auf Schätzungen beruhten, wurde Antrag auf Stundung gestellt.

Mit Beschluss vom 22. Februar 2002 wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der L Bau GmbH gemäß § 26 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) mangels Masse abgewiesen.

Mit Bescheid vom 2. Juni 2003 wurde der Kläger wegen Nichtzahlung von Steuern durch die L Bau GmbH für die am 15. Oktober 2000 fällig gewordene Umsatzsteuer des Monats August 2000 sowie auf die hierzu verwirkten Säumniszuschläge in Haftung genommen. Das FA begründete dies mit der Verletzung steuerlicher Pflichten wegen der Nichtentrichtung bzw. nicht angemessener Tilgung der fälligen Steuern als Geschäftsführer der GmbH. Die Inanspruchnahme für die Umsatzsteuerschulden in voller Höhe rechtfertigte das Amt mit der unterlassenen Mitwirkung des Klägers hinsichtlich seiner Auskunftspflicht betreffend einer eventuell vorrangigen Befriedigung anderer Gläubiger.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Entscheidung vom 17. Dezember 2003 als unbegründet zurück.

Mit der dagegen gerichteten Klage macht der Kläger geltend, dass er zu Unrecht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werde. Da für das Jahr 2000 noch keine Bilanz erstellt worden sei, könne keine Umsatzsteuerschuld für August 2000 bestehen.

Der eigentlich Handelnde der L Bau GmbH sei sein Vater gewesen, dem er mit notariellem Vertrag vom 4. Mai 1999 Generalhandlungsvollmacht erteilt habe.

Das FA verschweige die tragischen und dramatischen Vorgänge der Jahre 2000 bis 2002. So seien Wohn- und Geschäftsräume wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und illegaler Beschäftigung von tschechischen Arbeitnehmern durchsucht und Computeranlage und Unterlagen beschlagnahmt worden. Sein Vater sei in diesem Zusammenhang für insgesamt 20 Monate in Haft genommen worden. Das Lebenswerk und der Betrieb seines Vaters sei dadurch zerstört worden.

Das FA könne ihm auch nicht vorwerfen, er hätte bei der Sachaufklärung nicht mitgewirkt sowie seine Pflichten als Geschäftsführer nicht erfüllt. Er habe alles unternommen, um fällige Steuern abzuführen. Die Ablehnung des Antrags auf Insolvenzeröffnung der Gesellschaft mangels Masse zeige im Übrigen, dass weder sein Vater noch er in der Lage waren, eine möglicherweise noch offene Steuerschuld zu begleichen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Haftungsbescheid vom 2. Juni 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Dezember 2003 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtmäßig. Das FA ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt hat und durfte den Kläger daher zu Recht sowohl dem Grunde als auch der Höhe für die Abgabenschulden der GmbH in Haftung nehmen.

1. Gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO 1977 haftet der gesetzliche Vertreter einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Grob fahrlässig i.S. des § 69 AO 1977 handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH--vom28. Juni 2005 I R 2/04, GmbHR 2006, 48 m.w.N.). Dabei erstreckt sich die Vertreterhaftung gemäß § 69 Satz 2 AO 1977 nicht nur auf Steuerschulden, sondern gleichermaßen auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO 1977), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301, m.w.N.).

2. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit der Steuerforderung Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967, m.w.N.). Gerät eine GmbH in Zahlungsschwierigkeiten, so gehört es zu den Pflichten des zur gesetzlichen Vertretung berufenen Geschäftsführers, die Steuerschulden der GmbH in gleicher Weise zu tilgen wie die übrigen Schulden der Gesellschaft. Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel --d.h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen--zumindest grob fahrlässig (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

3. Geschäftsführer der Firma Lr Bau GmbH war laut Eintrag ins Handelsregister bis zum 12. März 2001 der Kläger. Als alleiniger Geschäftsführer war er verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Steuerschulden der GmbH aus den verwalteten Mitteln der Gesellschaft beglichen wurden (§ 34 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 35 Abs. 1 GmbHG). Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen. Die gesetzlichen Pflichten des Klägers sind auch nicht dadurch entfallen, dass er seinem Vater im Rahmen einer privatrechtlichen Vereinbarung Generalvollmacht erteilt hat und dieser die Geschäfte der Firma faktisch allein verantwortlich geführt hat. Dies kann lediglich zur Folge haben, dass L neben dem gesetzlichen Vertreter als Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 AO zur Haftung gemäß § 69 AO herangezogen werden kann.

Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH ergibt sich die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH allein aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt wird (Beschluss des BFH vom 25. April 1989 VII S 15/89, BFH/NV 1994, 71 m.w.N.).

Bei einer Übertragung der steuerlichen Angelegenheiten an einen Generalbevollmächtigten wie es im Streitfall erfolgt ist -ist der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person gehalten, seinen Erfüllungsgehilfen sorgfältig auszuwählen sowie laufend und sorgfältig bei der Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben zu überwachen (Urteil des BFH vom 27. November 1990 VII R 20/89, BStBl II 1991, 284). Insbesondere muss er sich so eingehend über den Geschäftsgang unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann und ihm ein Fehlverhalten des Beauftragten rechtzeitig erkennbar wird (Urteil des BFH vom 30. Juni 1995 VII R 85/94, BFH/NV 1996, 2). .

4. Dies hat der Kläger offensichtlich unterlassen. Als Geschäftsführer durfte er nicht einfach darauf vertrauen, dass der von ihm Bevollmächtigte die steuerlichen Pflichten der GmbH erfüllen werde. Damit hat der Kläger zumindest die eventuelle Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der Firma L Bau GmbH durch L billigend in Kauf genommen. Der Kläger hat die ihm gesetzlich auferlegten steuerlichen Pflichten daher zumindest grob fahrlässig im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 AO verletzt. Besondere Umstände, die im Streitfall eine leichtere Form von Fahrlässigkeit hätten begründen können, sind nicht vorgetragen worden. Sie gehen auch aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor. Allein der pauschale Hinweis des Klägers auf die erfolgte Steuerfahndungsprüfung und die Inhaftierung seines Vaters können ihn nicht entlasten.

5. Die von der Firma L Bau GmbH begangene Pflichtverletzung bestand in der Nichtzahlung der Umsatzsteuerschuld August 2000 mit Fälligkeit zum 25. Oktober 2000. Es ist davon auszugehen, dass in diesem Zeitpunkt noch ausreichende Mittel zur Entrichtung der Steuer vorhanden gewesen wären, da im laufenden Jahr Umsätze in nicht unbeträchtlicher Höhe getätigt worden sind. Ohne ausreichende Liquidität wäre diese Geschäftstätigkeit nicht möglich gewesen.

Für diese Vorwürfe trägt das FA zwar die objektive Beweislast. Dem in Anspruch genommenen gesetzlichen Vertreter obliegt es jedoch, die in seinen Wissensbereich fallenden Angaben zu machen (BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776). Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO folgt, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, von dem Geschäftsführer einer GmbH die zur Ermittlung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte zu verlangen (vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Juli 1989 VII R 81/87, BStBl II 1990, 357).

Der Kläger hat dazu jedoch geschwiegen. Bereits im Rahmen der Anfrage des FA vom 1. April 2003 hinsichtlich der Höhe der liquiden Mittel und deren Verwendung hat der Kläger keine Stellung zu den konkret dargelegten Pflichtverletzungen und auf den damit in Zusammenhang stehenden Schuldvorwurf genommen. Auch der pauschale Hinweis des Klägers in seiner Klageschrift, dass für das Jahr 2000 noch keine Bilanz erstellt worden sei und das Bestehen der Umsatzsteuerschuld deswegen fraglich sei, genügt seiner Mitwirkungspflicht nicht und wirkt sich zu seinen Ungunsten aus (Urteil des BFH vom 9. Oktober 1985 I R 154/82, BFH/NV 1986, 321-323 und vom 16. September 1987 X R 3/81, BFH/NV 1988, 283).

6. Ermessensfehler des FA sind weder hinsichtlich des Auswahl- noch hinsichtlich des Entschließungsermessens ersichtlich.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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