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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 09.12.2008
Aktenzeichen: 14 V 1863/08
Rechtsgebiete: StromStG


Vorschriften:

StromStG § 2 Nr. 1
StromStG § 5 Abs. 1
StromStG § 9 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 V 1863/08

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Stromsteuer 2002 bis 2005

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...,

des Richters am Finanzgericht ... und

der Richterin am Finanzgericht ...

ohne mündliche Verhandlung

am 09. Dezember 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Die Vollziehung des Steuerbescheids vom 29. Februar 2008 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens in Höhe von ... EUR ausgesetzt bzw. aufgehoben soweit die Abgaben bereits entrichtet sind.

Die Verwirkung angefallener Säumniszuschläge wird insoweit aufgehoben, als sie auf die ausgesetzten Beträge entfallen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe:

I. Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob der Antragsgegner (das Hauptzollamt) von der Antragstellerin zu Recht Stromsteuer angefordert hat.

Die Antragstellerin beantragte im August 1999 die Erlaubnis, um Strom zum ermäßigten Steuersatz für betriebliche Zwecke zu entnehmen und ihr Unternehmen als ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes dem Abschnitt D (verarbeitendes Gewerbe) der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes (WZ 2003) zuzuordnen. Als wirtschaftliche Tätigkeit ihres Unternehmens gab die Antragstellerin dabei den "Betrieb einer Betonstahlbiegerei insbesondere das Biegen und Bearbeiten von Betonstahl lt. Werkvertrag" an.

Das Hauptzollamt erteilte der Antragstellerin mit Bescheid vom 31. März 2000 die Erlaubnis, als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes mit Wirkung vom 1. Januar 2000 Strom zum ermäßigten Steuersatz für betriebliche Zwecke dem Versorgungsnetz zu entnehmen.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 widerrief es diese jedoch mit Wirkung vom 20. Dezember 2006, weil das Unternehmen der Antragstellerin nach dem Ergebnis einer bei dieser durchgeführten Außenprüfung nicht mehr dem Produzierenden Gewerbe zugeordnet werden könne und somit die Voraussetzungen für die steuerbegünstigte Entnahme von Strom nicht mehr vorlägen.

Mit Steuerbescheid vom 29. Februar 2008 forderte das Hauptzollamt von der Antragstellerin Stromsteuer für Strom an, den diese in den Jahren 2002 bis 2005 mit der erteilten Erlaubnis zu ermäßigten Steuersätzen bezogen hatte, obwohl sie kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und somit nicht zur Entnahme von ermäßigt versteuertem Strom berechtigt gewesen sei. Die Antragstellerin habe deshalb zum einen Strom für eigene Zwecke entnommen und zum anderen an die an den jeweiligen Betriebsstätten befindlichen Drittunternehmen geleistet.

Über den hiergegen eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden. Die beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte das Hauptzollamt mit Bescheid vom 29. April 2008 ab.

Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bringt die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes vor:

Sie stelle kein Handelsunternehmen dar, sondern sei aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit in Abschnitt D (verarbeitendes Gewerbe) der WZ 2003 einzuordnen. Die von ihr zu erbringenden technischen Dienst-, Bau-, Produktions-, Logistik- und damit einhergehenden Verwaltungsleistungen würden zum Teil durch eigene Arbeitnehmer und zum Teil durch Subunternehmer erbracht. Sie habe den von den Versorgern bezogenen Strom zu eigenen betrieblichen Zwecken entnommen, da ihr Material (Baustahl) bearbeitet worden sei und die von den jeweiligen Subunternehmern erbrachten Leistungen originär den von ihr gegenüber ihren Kunden eingegangenen Leistungsverpflichtungen zuzuordnen seien. Insofern sei sie auch als Letztverbraucher und nicht als Versorger anzusehen. Der Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe stehe nicht entgegen, dass sie Subunternehmer beauftragt habe. Denn Unternehmen gehörten auch dann zum verarbeitenden Gewerbe, wenn sie die von ihnen vertriebenen technischen Großanlagen lediglich bis zur Konstruktionsreife entwickelten, aber nicht selbst, sondern von Subunternehmen herstellen ließen. Da sie im Rahmen des Beantragungsverfahrens für den Erlaubnisschein sämtliche Anfragen der Zollbehörde wahrheitsgemäß beantwortet habe, habe die Erlaubnis auch nicht nach § 130 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) rückwirkend zurückgenommen werden können. Sie habe die Erlaubnis nicht durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Hinsichtlich der Stromsteuerermäßigung bestehe somit keine rückwirkende Änderungsmöglichkeit.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Steuerbescheids vom 29. Februar 2008 hinsichtlich der Nacherhebung für den Eigenverbrauch in den Jahren 2002 und 2003 in Höhe von ...... EUR und hinsichtlich der Nacherhebung für eine Stromleistung an Dritte in Höhe von ...... EUR wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.

Das Hauptzollamt beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es bringt im Wesentlichen vor, dass die Antragstellerin als Versorger Strom an ihre Subunternehmer geleistet habe. Für den Eigenverbrauch sei die Stromsteuer nach dem ermäßigten Steuersatz entstanden. Damit sei berücksichtigt worden, dass die Antragstellerin bis zum Widerruf mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 Inhaber einer Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom gewesen sei.

II. Der Antrag ist begründet.

Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des aktenkundigen Sachverhalts treten neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zutage, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Streitsache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht bewirken (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-; Bundesfinanzhof-BFH-Beschlüsse vom 25. August 1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994).

Das Gericht hat ernstliche Zweifel daran, dass die Stromsteuer im Streitfall nach § 5 Abs. 1 Stromsteuergesetz (StromStG) dadurch entstanden ist, dass die Antragstellerin als Versorger nach § 2 Nr. 1 StromStG Strom an ihre Subunternehmer geliefert sowie zum Eigenverbrauch entnommen hat.

Die Antragstellerin ist für den streitgegenständlichen Zeitraum noch als Erlaubnisinhaber im Sinne von § 9 Abs. 4 StromStG anzusehen, weil das Hauptzollamt die der Antragstellerin erteilte Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom für betriebliche Zwecke nur mit Wirkung vom 20. Dezember 2006 widerrufen, aber nicht gemäß § 130 Abs. 2 AO rückwirkend zurückgenommen hat. Wie sich aus dem Wortlaut des Widerrufsbescheids vom 20. Dezember 2006 ergibt, kann das Unternehmen der Antragstellerin nur mit Wirkung für die Zukunft nicht mehr dem Produzierenden Gewerbe zugeordnet werden, mit der Folge, dass gemäß § 9 Abs. 3 Stromsteuerverordnung (StromStV) der aufgrund der Erlaubnis steuerbegünstigt entnommene Strom ab 1. Januar 2006 als zu einem anderen als dem in der Erlaubnis genannten Zweck entnommen gilt (§ 9 Abs. 6 StromStG).

Für die zurückliegenden Streitjahre kann die Antragstellerin deshalb nicht als Versorger im Sinne von § 2 Nr. 1 StromStG, sondern allenfalls als Erlaubnisinhaber angesehen werden, der die streitgegenständlichen Strommengen zu anderen als in der Erlaubnis genannten Zwecken entnommen hat (§ 9 Abs. 6 Satz 2 StromStG).

Nach dieser Vorschrift entsteht die Steuer für Strom, der zu anderen als in der Erlaubnis genannten Zwecken entnommen wird, nach dem Steuersatz des § 3 StromStG. Besteht die Steuerbegünstigung in einer Steuerermäßigung, gilt § 9 Abs. 6 Satz 2 StromStG nur für den ermäßigten Teil der Steuer. Steuerschuldner ist der Erlaubnisinhaber (§ 9 Abs. 6 Satz 3 und 4 StromStG).

Bei summarischer Prüfung ist jedoch fraglich, ob die Antragstellerin den Strom zu anderen als in der Erlaubnis genannten Zwecken entnommen hat.

Für die Streitjahre ist die noch wirksame Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 Satz 1 StromStG im Verhältnis zum streitgegenständlichen Steuerbescheid als Grundlagenbescheid im Sinn von § 171 Abs. 10 AO anzusehen, weil die Feststellungen in dieser Erlaubnis zur Berechtigung der Antragstellerin zur Entnahme von steuerbegünstigten Strom von Bedeutung für den streitgegenständlichen Steuerbescheid sind (§ 182 Abs. 1 AO).

Das Hauptzollamt hat das Unternehmen der Antragstellerin unter Zugrundelegung deren Beschreibung der wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes anerkannt und ihr in dieser Eigenschaft für die beschriebene Tätigkeit die Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom erteilt. Die Antragstellerin hat deshalb, solange die Erlaubnis nicht rückwirkend widerrufen wird, den steuerbegünstigt bezogenen Strom in den Streitjahren zu dem in der Erlaubnis genannten Zweck entnommen, da die streitgegenständliche Verwendung nach Aktenlage von der Erlaubnis gedeckt gewesen ist.

Nach dem mit Wirkung vom 1. August 2006 neu angefügten § 9 Abs. 7 StromStG (BGBl. I S. 1534) gilt Strom zwar auch dann zu einem anderen als dem in der Erlaubnis genannten Zweck entnommen, soweit die Erlaubnis durch Angaben erwirkt worden ist, die in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig waren.

Hierfür gibt es bei summarischer Prüfung aber keine Anhaltspunkte. Die von der Antragstellerin mit ihrem Antrag abgegebene Beschreibung der wirtschaftlichen Tätigkeit mit dem Hinweis "lt. Werkvertrag" spricht vielmehr dafür, dass ein mit einem Subunternehmer geschlossener Werkvertrag zur Durchführung der beschriebenen Tätigkeiten dem Hauptzollamt bereits bei der Antragstellung bekannt gewesen ist.

Dies kann jedoch dahinstehen, denn zum anderen ist jedenfalls fraglich, ob diese Vorschrift vorliegend überhaupt anwendbar ist. Denn nach der Gesetzesbegründung (vgl. Bundestag- Drucksache 16/1172, S. 47) sollte durch diese Änderung die Möglichkeit geschaffen werden, den durch eine Erlaubnis erzielten steuerlichen Vorteil vom Begünstigten zurückzufordern, wenn die Erlaubnis aufgrund von in wesentlicher Hinsicht unrichtigen oder unvollständigen Angaben erteilt worden ist. Diese Begründung spricht dafür, dass es sich um eine Neuregelung handelt, die nicht auf Sachverhalte anwendbar ist, die vor deren Inkrafttreten liegen.

Der Wortlaut des § 9 Abs. 7 Satz 1 StromStG ist an § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO angelehnt. Mit dieser (Neu-) Regelung wird erreicht, dass für den Fall, dass die Erlaubnis durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist, der vom Begünstigten erzielte steuerliche Vorteil, über das Jahr des Widerrufs hinaus (vgl. § 9 Abs. 3 StromStV), auch dann zurückgefordert werden kann, wenn die Erlaubnis nicht nach § 130 Abs. 2 AO rückwirkend zurückgenommen wird bzw. werden kann.

Dies bestätigt die Auffassung, dass es sich bei der Erlaubnis um einen Grundlagenbescheid handelt und zumindest bis zum Inkrafttreten des § 9 Abs. 7 StromStG keine steuerrechtlichen Folgen aus einer rechtswidrig erteilten Erlaubnis gezogen werden können, solange und soweit sie nicht widerrufen oder mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist.

Demzufolge ist im Streitfall keine Stromsteuer nach § 5 StromStG entstanden. Selbst wenn man von einer Steuerentstehung nach § 9 Abs. 7 StromStG ausginge, wäre Stromsteuer gemäß § 9 Abs. 6 Satz 3 StromStG nur in Höhe der Differenz (= 8,20 EUR/MWh) zwischen dem ermäßigten (bezahlten) Steuersatz nach § 9 Abs. 3 StromStG (12,30 EUR/MWh) und dem regulären Steuersatz nach § 3 StromStG (20,50 EUR/MWh) entstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung).

Ende der Entscheidung

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