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Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 17.03.2008
Aktenzeichen: 14 V 3635/07
Rechtsgebiete: FGO, UStG, AO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 19 Abs. 1
UStG § 22
AO § 158
AO § 199 Abs. 1
AO 1977 § 162 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 162 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 V 3635/07

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Umsatzsteuer 1997 - 2003

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 17. März 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) die Umsätze der Antragstellerin in den Streitjahren zutreffend geschätzt hat bzw. ob sie mit ihren Umsätzen unter die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der hier maßgebenden Fassung (UStG) fällt.

Für die Jahre 1997 bis 2001 hatte die Antragstellerin zunächst keine Steuererklärungen abgegeben. Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung durch das damalig zuständige Finanzamt K wurde festgestellt, dass die Antragstellerin bereits in den Streitjahren 1997 bis 2001 Umsätze als Prostituierte getätigt hatte (vgl. Bl. 1 Steuerfahndungsakte des FA). Mangels geführter Aufzeichnungen schätzte die Steuerfahndung für die Jahre 1997 bis 2001 jeweils Umsätze zuzüglich der darauf entfallenden Steuer in Höhe von rund 37.600 DM. Dabei wurden Angaben der Antragstellerin und ihres steuerlichen Beraters berücksichtigt, nach denen ab dem Zeitraum 1997 in Anlehnung an die Steuererklärung 2002 von einem zu versteuernden Einkommen zwischen 20.000 und 24.000 DM auszugehen sei (vgl. Schreiben vom 28. September 2005, Bl. 18 ff sowie Bl. 38 Rechtsbehelfsakte Teil I des FA).

Die Festsetzung der Umsatzsteuer 1997 bis 2001 entsprechend der am 26. September 2006 abgegebenen Erklärungen, in denen die Antragstellerin jeweils die Besteuerung als Kleinunternehmer beantragt hatte, wurde abgelehnt.

Für die Jahre 2002 und 2003 wurden die im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer eingereichten Gewinnermittlungen berücksichtigt und der Besteuerung Umsätze in Höhe von 18.040 EUR bzw. 25.000 EUR zugrunde gelegt.

Mit Bescheid jeweils vom 26. Juni 2007 wurde die Umsatzsteuer wie folgt festgesetzt:

für 1997 in Höhe von 2.467,49 EUR

für 1998 in Höhe von 2.573,84 EUR

für 1999 in Höhe von 2.609,12 EUR

für 2000 in Höhe von 2.609,12 EUR

für 2001 in Höhe von 2.609,12 EUR

für 2002 in Höhe von 2.446,94 EUR

für 2003 in Höhe von 3.406,94 EUR.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 11. März 2008).

Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass die vom FA vorgenommene Schätzung unzutreffend sei. Insbesondere werde nicht berücksichtigt, dass sie im Schätzungszeitraum von Eltern und Großeltern finanziell unterstützt worden sei. Aufgrund häufiger Erkrankungen sei sie im Jahr 2003 vorübergehend zu ihrer Mutter gezogen. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die in den Streitjahren erzielten Umsätze unterhalb der Grenze des § 19 UStG gelegen hätten. Ihren Berechnungen nach ergäbe sich für die Jahre 1997 und 2001 ausgehend von einem Gewinn von 24.000 DM und geschätzten Ausgaben in Höhe von 25% der Einnahmen ein Bruttoumsatz von jeweils 32.000 DM. Somit sei die Kleinunternehmerregelung anwendbar.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 2003 jeweils vom 26. Juni 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 11. März 2008 wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des Bescheides (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298) und zwar aus folgenden Erwägungen:

Aufgrund der bei summarischer Prüfung berechtigten Zuschätzungen des Antragsgegners kommt die Anwendung der so genannten Kleinunternehmerregelung nicht in Betracht.

Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die für die Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 32.500 DM (für die Jahre 1997 bis 2001), 16.620 EUR (für 2002) bzw. 17 500 EUR (für 2003) nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000 DM bzw. 50 000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird.

Da die Antragstellerin im Jahr 2002 nach ihren eigenen Angaben einen Umsatz von 18.040 EUR erzielt hat, ist eine Besteuerung als Kleinunternehmerin im Jahr 2003 somit nicht möglich (vgl. vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 18. Oktober 2007 V B 164/06, BFH/NV 2008, 325).

Auch für die Jahre 1997 bis 2002 liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 UStG nicht vor, da die vom FA vorgenommene Schätzung der Umsätze keinen Bedenken begegnet:

Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung 1977 (AO) hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO), wenn er nicht in der Lage ist, Bücher und Aufzeichnungen vorzulegen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO) oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann. Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Bei der Beurteilung eines Buchführungsfehlers ist nicht auf die formale Bedeutung des Mangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462). Buchführungsmängel rechtfertigen eine Hinzuschätzung nur dann, wenn sie die sachliche Unrichtigkeit des Buchführungsergebnisses erkennen lassen (BFH-Urteil vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BStBl II 1982, 430). Schätzungen müssen in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226).

Ein Unternehmer ist zudem nach § 22 des Umsatzsteuergesetzes in der hier maßgebenden Fassung (UStG) verpflichtet, Aufzeichnungen zu führen, u.a. über die vereinnahmten Entgelte für die von ihm ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen. Nach § 22 Abs. 6 UStG i.V.m. § 63 Abs. 1 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung müssen die Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Frist möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbare Vorsteuer zu erhalten und die Grundlagen der Steuerberechnung festzustellen.

Die Antragstellerin ist ihren Buchhaltungs- und Aufzeichnungspflichten nicht nachgekommen und hat auch mit Abgabe der Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2001 am 26. September 2006 nicht einmal ansatzweise Unterlagen vorgelegt, aufgrund derer sich nachvollziehen lässt, dass sie mit ihren Umsätzen unter die Kleinunternehmerregelung fällt. Weder der Vortrag, dass sie im Schätzungszeitraum von Eltern und Großeltern finanziell unterstützt worden sei noch der Umstand, dass sie aufgrund häufiger Erkrankungen im Jahr 2003 vorübergehend zu ihrer Mutter gezogen sei, führen insoweit zum Erfolg, da sie keinerlei der Sache dienenden Angaben über den Umfang der unternehmerischen Tätigkeit enthalten. Das FA war daher dem Grunde nach berechtigt und verpflichtet, die Besteuerungsgrundlagen (§ 199 Abs. 1 AO) für die Jahre 1997 bis 2001 zu schätzen.

Die Zuschätzung ist bei summarischer Prüfung auch der Höhe nach zutreffend. Mangels verfügbarer Aufzeichnungen erfolgte die Schätzung unter Berücksichtigung des der Steuerfahndung vorliegenden Materials sowie der Höhe des zu versteuernden Einkommens für die Jahre 1997 bis 2001 mit 24.000 DM, wie es vom steuerlichen Berater der Antragstellerin beziffert worden ist. Berücksichtigt wurde außerdem, dass die Antragstellerin nach eigenen Angaben ihrem Gewerbe ungefähr an 3 Tagen in der Woche nachgegangen sei und den halben täglich erzielten Umsatz als Zimmermiete zahlen musste. Entsprechend den Erfahrungswerten der Steuerfahndung wurden dabei ein Betrag von 100 DM als durchschnittliche Entgeltshöhe für jede erbrachte Dienstleistung sowie durchschnittlich drei Dienstleistungen pro Tag zugrunde gelegt. Dem Umstand, dass die Antragstellerin in der Zeit von Mai 2001 bis Februar 2003 neben ihrer Tätigkeit als Prostituierten auch als Arbeitnehmerin beschäftigt war, wurde durch angemessene monatliche Abschläge Rechnung getragen, da in diesem Zeitraum nur von zwei Dienstleistungen pro Tag ausgegangen worden ist (vgl. Bl. 38 Rechtsbehelfsakte Teil I des FA).

Nach alledem sind die Zuschätzungen zu Recht erfolgt, so dass keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Umsatzsteuerbescheide bestehen.

2. Eine Aussetzung der Vollziehung kann auch nicht im Hinblick auf eine "unbillige Härte" gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) gewährt werden.

Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (Beschlüsse des BFH vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510 und vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren sind auch im Fall der Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu berücksichtigen. Da - wie oben ausgeführt - keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, kommt eine Aussetzung wegen unbilliger Härte nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.



Ende der Entscheidung

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