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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 15 K 4626/05
Rechtsgebiete: EStG, StVG, KraftStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1
StVG § 1 Abs. 2
KraftStG 2002 § 2 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

15 K 4626/05

Gesonderter und einheitlicher Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1998, 1999, 2000, 2001 und 2002

In der Streitsache

...

hat der 15. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht .....,

des Richters am Finanzgericht ....... und

der Richterin am Finanzgericht ..... sowie

der ehrenamtlichen Richter ..... und ......

ohne mündliche Verhandlung

am 6. März 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte (das Finanzamt) die private Nutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs der Klägerin zu Recht für jeden Kalendermonat mit 1 vom Hundert des inländischen Listenpreises bewertet hat.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschaftszweck in dem Betrieb einer Gemeinschaftskanzlei der beiden als Rechtsanwälte freiberuflich tätigen Gesellschafter besteht. Das Finanzamt führte betreffend die Streitjahre 1999 bis 2001 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, wobei der Betriebsprüfer laut seinem Prüfungsbericht vom 20.01.2004 u.a. folgenden Sachverhalt feststellte:

Im März 1996 hatten die Gesellschafter gemeinsam ein neues Kraftfahrzeug erworben. Es handelte sich um ein Fahrzeug der Marke Chevrolet K 1500 Silverado, d.h. um einen Geländewagen mit Fahrer-, Beifahrer- und Notsitz sowie einer offenen Ladefläche. Das Fahrzeug wurde als Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens behandelt und unstreitig auch zu privaten Fahrten durch die Gesellschafter der Klägerin genutzt. Da die Gesellschafter der Klägerin dem Betriebsprüfer kein Fahrtenbuch vorlegten, berücksichtigte dieser den Anteil der privaten Nutzung durch Anwendung der so genannten 1%-Regelung. Der Betriebsprüfer ging dabei von einem im Schätzungsweg ermittelten inländischen Listenpreis des Fahrzeugs von 80.000 DM aus und setzte den Wert der jährlichen privaten Nutzung für die Streitjahre 1999 und 2000 jeweils mit 9.600 DM (d.h. 12% des Listenpreises) und für das Streitjahr 2001 mit den Gesamtkosten von 4.046 DM jeweils zuzüglich der Umsatzsteuer an.

Das Finanzamt folgte der Rechtsansicht des Betriebsprüfers und änderte die bis dahin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit für die Feststellungszeiträume 1999, 2000 und 2001 durch einen zusammengefassten, so genannten Sammelfeststellungsbescheid vom 30.01.2004. Auf dieselbe Weise berücksichtigte das Finanzamt auch die private Nutzung des Kraftfahrzeugs in den außerhalb des Prüfungszeitraums liegenden Streitjahren 1998 und 2002. Dementsprechend änderte das Finanzamt den bisherigen, ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid für 1998 durch Änderungsbescheid vom 8.11.2004. Für das Streitjahr 2002 berücksichtigte das Finanzamt die private Nutzung des Kraftfahrzeugs entsprechend bei der erstmaligen Feststellung des Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit durch Bescheid vom 14.09.2004. Mit Schreiben vom 29.02.2004 legte die Klägerin gegen den Sammelfeststellungsbescheid vom 30.01.2004 (1999 - 2001), mit Schreiben vom 20.09.2004 gegen den Feststellungsbescheid für 2002 vom 14.09.2004 und mit Schreiben vom 24.11.2004 gegen den Feststellungsbescheid für 1998 vom 8.11.2004 jeweils Einspruch ein. Die Klägerin wendete sich mit ihren Einsprüchen grundsätzlich gegen die Anwendung der 1%-Regelung. Zunächst änderte das Finanzamt allein den Gewinnfeststellungsbescheid für 2002 zugunsten der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 11.10.2004. Die Einsprüche der Klägerin hatten darüber hinaus insoweit Erfolg, als sie unter Vorlage des Kaufvertrags über das Kraftfahrzeug vom 17.03.1996, der einen Bruttokaufpreis einschließlich der Umsatzsteuer von 56.550 DM auswies, begründet wurden. Das Finanzamt ging daraufhin noch von einem Listenpreis in Höhe des Kaufpreises aus und änderte die Feststellungsbescheide für alle Streitjahre dementsprechend zugunsten der Klägerin jeweils mit Bescheiden vom 9.11.2005. Hierdurch stellte es die Gewinne aus freiberuflicher Tätigkeit für 1998 auf 304.237 DM (Anteil des Gesellschafters P.: 152.513 DM; Anteil des Gesellschafters G.: 151.724 DM), für 1999 auf 277.954 DM (Anteile: 141.330 DM/136.624 DM), für 2000 auf 261.526 DM (Anteile: 131.249 DM/130.277 DM), für 2001 auf 202.818 DM (Anteile: 101.877 DM/100.941 DM) und für 2002 auf 138.533 EUR (Anteile: 69.478 EUR/69.055 EUR) gesondert und einheitlich fest. Als den Gewinn der Streitjahre erhöhende Bruttoentnahmen verblieben Beträge von 7.567 DM (1998), 7.406 DM (1999), 7.513 DM (2000), 4.178 DM (2001) und 3.352 EUR (2002). Im Übrigen waren die Einsprüche erfolglos und wurden mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom 16.11.2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 16.12.2005 erhobene Klage, die die Klägerin wie folgt begründet:

Die Anwendung der 1%-Regelung auf den Streitfall sei unzulässig, weil es sich bei dem in Rede stehenden Kraftfahrzeug um einen Lastkraftwagen handle. Das Fahrzeug verfüge nur über einen Fahrer-, einen Beifahrer- sowie einen Notsitz und liege entsprechend seiner objektiven Beschaffenheit nach Bauart und Einrichtung nicht im Anwendungsbereich der gesetzlichen Vorschrift.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit für die Feststellungszeiträume 1998, 1999, 2000, 2001 und 2002 vom 9.11.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2005 mit der Maßgabe zu ändern, die private Nutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs als Entnahme nur noch mit 30% der tatsächlichen Kosten, d.h. mit 5.720 DM (1998), 4.213 DM (1999), 4.900 (2000), 1.214 DM (2001) und 971 EUR (2002) zuzüglich der jeweiligen Umsatzsteuer zu berücksichtigen und die festgestellten Gewinne entsprechend herabzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht sei die 1%-Regelung auch auf das betriebliche Fahrzeug der Gesellschafter der Klägerin anzuwenden. Weder die Anzahl der Personensitze noch die Größe der Ladefläche sei hierfür entscheidend. Ausgenommen von der gesetzlichen Regelung seien nur solche Fahrzeuge, bei denen allenfalls eine gelegentliche private Nutzung denkbar ist. Grundsätzlich spiele es keine Rolle, ob das Fahrzeug kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Lastkraftwagen einzustufen ist.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Feststellungsakte der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.) Die Entscheidung ergeht gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

2.) Die fristgerecht erhobene, und daher zulässige Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat die private Nutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs für die Streitjahre zutreffend bewertet.

a) Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke sind mit dem Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung - EStG). Die private Nutzung eines (betrieblichen) Kraftfahrzeugs ist für jeden Kalendermonat mit 1 vom Hundert des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Die pauschale Bewertungsregelung beruht auf dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, namentlich Personenkraftwagen und Krafträder, typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werden (Bundesfinanzhof - BFH-Urteil vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BStBl II 2003, 472). Die so genannte 1%-Regelung ist nur dann nicht anzuwenden, wenn entweder der Steuerpflichtige die auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen sowie das Verhältnis der Privatfahrten zur Gesamtfahrleistung mittels vollständiger Belege und eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs nachzuweisen imstande ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG) oder eine Privatnutzung des Fahrzeugs schlechthin ausscheidet (BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05, BStBl II 2007, 116).

Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfasst nach ihrem Wortlaut dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zuzuordnende Kraftfahrzeuge. Im straßenverkehrsrechtlichen und kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne versteht man unter Kraftfahrzeugen alle maschinengetriebenen, frei beweglichen Landfahrzeuge (§ 1 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz -StVG-, § 2 Abs. 1 Satz 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz -KraftStG-). Der Senat sieht keinen Grund, diese Legaldefinition nicht auch auf die o.g. einkommensteuergesetzliche Norm anzuwenden. Darüber hinaus trifft § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG keine weitere Unterscheidung der Kraftfahrzeuge nach ihrer Bauart, Ausstattung und ihrem typischen Verwendungszweck. Gleichwohl ist es nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift geboten, die 1%-Regelung nicht ausnahmslos auf alle Kraftfahrzeuge anzuwenden, sondern bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, wie beispielsweise Lastkraftwagen und Zugmaschinen, hiervon auszunehmen (BFH-Urteil vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BStBl II 2003, 472). Diese Abgrenzung kann sich aber nur am einkommensteuerrechtlichen Zweck der Vorschrift orientieren. Insbesondere kommt es insoweit weder auf die gewerberechtliche Unterscheidung zwischen Personenkraftwagen und Lastkraftwagen nach § 4 Abs. 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) noch auf die Zulassungsvoraussetzungen für Kraftfahrzeuge nach §§ 32 ff Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung (StVZO) oder auf die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Unterscheidung zwischen Personenkraftwagen und anderen Fahrzeugen gemäß § 8 Nr. 1 und 2 KraftStG an (BFH-Urteil vom 13. Februar 2003 a.a.O.).

b) Nach diesen Grundsätzen findet § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auch auf das im Betriebsvermögen der Klägerin befindliche Kraftfahrzeug der Marke Chevrolet K 1500 Silverado Anwendung.

aa) Die besondere Bauart eines Kraftfahrzeugs kann nach den oben dargestellten Grundsätzen die Anwendbarkeit der 1%-Regelung ausnahmsweise ausschließen. Dies ist aber nur dann anzunehmen, wenn die Nutzung - ungeachtet der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen oder straßenverkehrsrechtlichen Klassifizierung des Fahrzeugs - zu privaten Zwecken nach der allgemeinen Lebensanschauung als völlig unüblich anzusehen ist. Kein Zweifel wird daran bestehen, dass die heutzutage weit verbreiteten sogenannten "Sport Utility Vehicles" (SUV; vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Sport_Utility_Vehicle) - d.h. Personenkraftwagen mit ähnlichem Fahrkomfort wie eine Limousine, jedoch mit höherer Geländegängigkeit und optischen Anleihen an einen Geländewagen - in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen. Das hier in Rede stehende Kraftfahrzeug bietet - ähnlich einem Geländewagen - zwar nicht den uneingeschränkten Fahrkomfort einer Limousine. Gleichwohl ist bei einem solchen US-amerikanischen "Pickup Truck" trotz der auf zwei reguläre Sitze und einen Notsitz beschränkten Personenbeförderungsmöglichkeit von einer nicht unerheblichen privaten Nutzungsmöglichkeit auszugehen. Die Beschränkung auf zwei reguläre Sitze kann schon deshalb keine Rolle spielen, weil eine Reihe von sportlichen Personenkraftwagen und Cabrios über keine höhere Anzahl an Sitzen verfügt. Die offene Ladefläche oder Pritsche eines Pickups schließt die private Verwendung des Fahrzeugs ebenso wenig aus. Ob das Fahrzeug kraftfahrzeugsteuerrechtlich oder verkehrszulassungsrechtlich als Lastkraftwagen einzuordnen ist, kann deshalb dahin gestellt bleiben, weil hierdurch allein dessen nicht unerhebliche private Nutzung nicht ausgeschlossen ist. Schließlich wird die private Nutzung des Fahrzeugs durch die Gesellschafter der Klägerin auch nicht bestritten, sondern von der Klägerin durchaus eingeräumt und mit immerhin 30% der Gesamtfahrleistung quantifiziert.

bb) Das Finanzamt hat die private Nutzung des Kraftfahrzeugs auch betragsmäßig zutreffend angesetzt.

Insbesondere hat der Senat keine Bedenken dagegen, den für das damalige Neufahrzeug in 1996 entrichteten Kaufpreis als Bemessungsgrundlage für die 1%-Regelung zu verwenden.

Der von den Gesellschaftern der Klägerin bezahlte Kaufpreis dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG maßgeblichen inländischen Listenpreis nicht überstiegen haben. Ob der inländische Listenpreis für das Fahrzeug tatsächlich höher gewesen ist, braucht der Senat wegen der Rechtsschutzfunktion des finanzgerichtlichen Verfahrens und des hieraus abzuleitenden "Verböserungsverbots" nicht zu prüfen (Gräber FGO, 6. Auflage 2006 § 96 Rz. 5). Der vom Finanzamt angenommene Ausgangswert wird von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen. Die vom Finanzamt für die Streitjahre 2001 und 2002 durchgeführte Deckelung des Ansatzes der privaten Nutzung des Fahrzeugs auf die tatsächlich angefallenen Aufwendungen beruht auf der verwaltungsinternen Weisungslage (Bundesministerium der Finanzen Schreiben vom 21. Januar 2001 IV A 6-S 2177 - 1/02, BStBl I 2002, 148 bzw. der vorhergehenden Verwaltungsvorschrift). Die Frage, ob die Kostendeckelung im Streitfall zu Recht erfolgt ist, kann der Senat aber ebenfalls wegen der Rechtsschutzfunktion des finanzgerichtlichen Verfahrens offen lassen.

cc) Da die Klägerin den Umfang der privaten Nutzung des Fahrzeugs nicht in der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG vorgesehenen Form nachgewiesen, d.h. weder Fahrtbelege noch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt hat, kann die private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs nur in der vom Finanzamt vorgenommenen Weise und betragsmäßigen Höhe erfolgen.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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