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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 3 K 3891/03
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. b a.F.
UStG § 3 Abs. 9a S. 1 Nr. 1
UStG § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
UStG § 15a
UStG § 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

3 K 3891/03

Umsatzsteuer 1997, 1998, 1999 und 2000

In der Streitsache

hat der 3. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

...

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 7. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob eine Miteigentümergemeinschaft Umsatzsteuer aus der Überlassung ihres Hotelappartements schuldet.

[...] und [...] waren Miteigentümer eines Appartements im Objekt "L[...] [...] " in [...] im [...] (im folgenden Miteigentümer-Gemeinschaft oder Gemeinschaft).

Die Miteigentümer-Gemeinschaft nahm dafür für 1995 einen Vorsteuerabzug von 12.331 DM und für 1996 einen Vorsteuerabzug von 6.910,70 DM auf die Herstellungskosten in Anspruch.

Nach einem Mietvertrag vom 1. August 1996, auf den verwiesen wird (Bl. 28 ff. FG-Akte), vermietete die Gemeinschaft (vertreten durch die [...]) ihr Appartement für fünf Jahre der "L[...] [...] OHG" (im folgenden OHG) ab betriebsbereiter Fertigstellung der Hotelanlage, also ab Dezember 1996. Dabei waren die Gemeinschafter auch Gesellschafter der OHG. § 3 Abs. 3 Satz 2 des Mietvertrags vom 1. August 1996 lautete: "Sollte ein Mietzins in dieser Höhe vorübergehend nicht bezahlt werden, verpflichtet sich der Vermieter, den Mietzins zinslos zu stunden." Die OHG vermietete das Appartement der Miteigentümer-Gemeinschaft an ständig wechselnde Hotelgäste. Die OHG zahlte indes von Anfang keine Mieten an die Appartement- Eigentümer.

In ihren Umsatzsteuer-Erklärungen für 1995 bis 2001, auf die verwiesen wird, erklärte die Miteigentümer-Gemeinschaft zwar die die Vermietung des Appartements betreffenden Vorsteuerbeträge, aber keine Umsätze.

Mit Bescheid vom 28. Januar 1999 gestattete der Beklagte (Finanzamt -FA) der Gemeinschaft, ab 1. Januar 1998 die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen.

Mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 30. November bzw. 10. Dezember 2001 gegenüber der Miteigentümer-Gemeinschaft unterwarf das FA die für das Appartement vereinbarten Mieten der Umsatzsteuer und setzte diese für 1997 mit 866 DM, für 1998 mit 882 DM, für 1999 mit 585 DM und für 2000 mit 476 DM an.

Dagegen erhob die Gemeinschaft am 3. Januar 2002 Einspruch.

Am 9. September 2002 veräußerte die Miteigentümerin [...] ihren Miteigentumsanteil an den anderen Miteigentümer [...] .

Den erhobenen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 25. August 2003 als unbegründet zurück. Die Stundung der Mieten über einen derart langen Zeitraum sei Entgeltverwendung durch Darlehensgewährung, so dass die Mieten als vereinnahmt zu qualifizieren seien.

Dagegen ist die Klage gerichtet. Zur Klagebegründung wird vorgetragen, die vereinbarten Mieten könnten nicht deshalb als vereinnahmt behandeln werden, weil die Stundung der Mietforderungen über einen nicht mehr vorübergehenden Zeitraum von 1997 bis 2000 in eine Darlehensgewährung umgeschlagen sei. Dafür fehle es an einem vertraglichen Willen der Gemeinschaft. Eine Darlehensvereinbarung sei nicht abgeschlossen worden. Die OHG könne diese Mieten vielmehr seit langem nicht bezahlen. Die Gemeinschaft habe sich aber vom Appartementerwerb und von der Vermietung an die OHG auf Grund eines Prospekts Mietzins versprochen und versprechen können.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 15. März 2004 und 5. März 2007 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der Bescheide vom 30. November bzw. 10. Dezember 2001 die Umsatzsteuer für 1997 auf - 13,70 EUR (= - 26,80 DM), die Umsatzsteuer für 1998 auf - 26,08 EUR (= - 51,00 DM), die Umsatzsteuer für 1999 auf - 45,81 EUR (= - 89,60 DM) und die Umsatzsteuer für 2000 auf - 33,49 EUR (= - 65,50 DM) festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach dem Mietvertrag stehe den Eigentümern die Wohnung für fünf Wochen zur Eigennutzung zur Verfügung. Dies stelle Eigenverbrauch dar.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Das Gericht sieht die Klage als eine solche des Rechtsnachfolgers der Gemeinschaft, [...] , an (der auch allein die Prozessvollmacht unterzeichnet hat). Die Grundstücksgemeinschaft [...] kann nicht mehr gegen die Bescheide vom 30. November bzw. 10. Dezember 2001 klagen, da die Gemeinschaft vor Klageerhebung beendet worden ist.

2. Da die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten erst ab dem Besteuerungszeitraum 1998 gestattet worden ist, gilt für das Streitjahr 1997 weiterhin die vom FA angesetzte Besteuerung nach den vereinbarten Entgelten, deren Höhe unstreitig ist. Die Klage i.S. Umsatzsteuer 1997 ist bereits deshalb unbegründet.

3. Der Senat geht zwar davon aus, dass in den Streitjahren 1998-2000 von der Gemeinschaft mangels Zuflusses von Einnahmen keine Mietumsätze zu versteuern sind, nachdem das FA die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten gestattet hat (§ 20 UStG).

Jedoch ist ab dem Streitjahr 1998 eine Eigenverbrauchsbesteuerung (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b UStG a.F.) bzw. (ab dem 1. April 1999) die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe (§ 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG) anzusetzen, da das streitgegenständliche Appartement ab diesem Zeitpunkt der OHG unentgeltlich für Zwecke außerhalb des Unternehmens der Miteigentümer-Gemeinschaft überlassen worden ist.

a) Die Miteigentümer-Gemeinschaft hat spätestens ab 1998 für unbestimmte Zeit auf ein Entgelt für die Überlassung ihres Appartements an die OHG verzichtet. Der Verzicht geschah für Zwecke außerhalb des Unternehmens der Miteigentümer-Gemeinschaft. Dies ergibt sich aus folgendem:

aa) Die Miteigentümer-Gemeinschaft hat es - wie aus dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung folgt - dauernd hingenommen, dass die OHG in deren Interesse (wegen mangelnder Auslastung des Hotels) für die Überlassung des Appartements keine Miete gezahlt hat.

Ein Vermieter einer Wohnung oder - wie vorliegend - eines Ferienappartements verzichtet zwar nach der Lebenserfahrung vorübergehend - etwa zur Überwindung von Anfangsschwierigkeiten - auf den Mietzins. Dementsprechend wird auch im Mietvertrag vom 1. August 1996 die Verpflichtung des Vermieters zur Stundung des Mietzinses nur für den Fall begründet, dass ein Mietzins (in dieser Höhe) "vorübergehend" nicht bezahlt werden kann.

Ein Vermieter verzichtet aber nicht - trotz des hier vorliegenden mietvertraglichen Anspruchs - jahrelang auf den Mietzins, ohne etwas zu unternehmen.

Die Miteigentümergemeinschaft hat im Interesse eines anderen Unternehmens, nämlich der OHG, und aus Gründen, die außerhalb des Unternehmens der Miteigentümergemeinschaft liegen, auf das Mietentgelt verzichtet. Die OHG und die Miteigentümergemeinschaft sind unterschiedliche Unternehmen, auch wenn die Mitglieder der Miteigentümergemeinschaft hier zugleich Gesellschafter der OHG waren.

Die Gemeinschaft hat den Mietverzicht nicht etwa deshalb hingenommen, um das Überleben eines künftig solventen Mieters zu sichern. Denn dafür, dass die OHG - nach Überwindung einer Durststrecke - die Mietzahlungen auf Dauer wieder aufnehmen könnte, gibt es keine Hinweise. Das Interesse der Gemeinschaft lag vielmehr darin, dass ihre Mitglieder für Zwecke der Einkommensbesteuerung beim FA erhebliche laufende Verluste geltend machen konnten, deren steuerliche Vorteile den Betrag der Mietzahlungen erheblich überstiegen.

Den Feststellungsakten sind insoweit folgende, vom FA anerkannte Verluste zu entnehmen:

 DM
199557.931
199612.711
199711.951
199813.526
199913.386
200013.608
200115.532
Summe138.645

bb) Der Senat geht ab dem Streitjahr 1998 von einem länger andauernden Mietverzicht aus.

Dies ergibt sich daraus, dass die Gemeinschaft für diesen Besteuerungszeitraum die Gestattung der Ist-Besteuerung beantragt hat. Der Miteigentümergemeinschaft war also klar, dass von da an die wirtschaftliche Entwicklung der OHG für längere Zeit kein Mietentgelt erwarten ließ. Auf eine Änderung der Situation konnte sie nicht hoffen, da der Mietausfall bereits seit Dezember 1996 und damit seit über einem Jahr anhielt.

cc) Eine Handlung der Gemeinschaft, das Appartement ihrem Unternehmen endgültig zu entnehmen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a UStG, bzw. ab 1. März 1999 § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 1 UStG) vermag der Senat in den Streitjahren nicht zu erkennen, auch wenn er in den Besteuerungszeiträumen 1998-2000 von einer 100%igen außerunternehmerischen Nutzung ausgeht.

b) Bemessungsgrundlage des vorgenannten Eigenverbrauchs/der unentgeltlichen Wertabgabe sind gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG die bei der Ausführung der vorgenannten Umsätze (also des Eigenverbrauchs) entstandenen Kosten. Aus dem gesetzessystematischen Zusammenhang dieser Regelung mit § 15a UStG ergibt sich, dass insoweit ein Zehntel der Herstellungskosten für das Appartement heranzuziehen ist.

In der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem:

einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) besteht ein Zusammenhang zwischen Vorsteuerabzug und "Steuererhebung", der im Interesse der Vermeidung eines unversteuerten Endverbrauchs eine Auslegung des Begriffes "Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung" im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c dieser Richtlinie in Hinblick auf den gemäß Artikel 20 dieser Richtlinie geregelten Zeitraum für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs zulässt (vgl. EuGH vom 14. September 2006 Rs. C-72/05 - Wollny, UVR 2006, 322).

Dieser Zusammenhang kann nicht anders für das nationale Umsatzsteuergesetz gelten, das die Grundsätze der Richtlinie 77/388/EWG umsetzen will. Dementsprechend ist Begriff der "Kosten" in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG, der mit Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG korrespondiert, in entsprechender Weise im Zusammenhang mit dem (zehnjährigen) Berichtigungszeitraum des § 15a UStG auszulegen, der in Umsetzung des Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG ergangen ist (siehe auch Lohse, Betriebs-Berater 2005, 1935).

Zwar enthält das nationale Umsatzsteuergesetz in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG erst mit Wirkung ab 1. Juli 2004 eine Regelung, wonach die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts (wenn sie mindestens 500 EUR betragen) gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen sind, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspricht (vgl. EG-Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 16. Dezember 2004, BGBl. I S. 3310). Dies hindert indes nicht, den Begriff "Kosten" in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. im obigen Sinn systematisch und damit gleichzeitig EG-richtlinienkonform auszulegen.

Der Senat geht davon aus, dass sich das EuGH-Urteil vom 14. September 2006 Rs. C-72/05 - Wollny (a.a.O.) auch auf die Zeit vor dem 1. Juli 2004 bezieht (denn strittig waren nach dem Sachverhalt des EuGH-Urteils die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Dezember2003 und Januar bis März 2004). Eine dahingehende Einschränkung ist auch dem Tenor des EuGH-Urteils Wollny nicht zu entnehmen. Insoweit erscheint eine neuerliche Vorlage an den EuGH nicht geboten.

c) Ein Abzug der in den Streitjahren 1998 bis 2000 geltend gemachten Vorsteuern entfällt, da nach dem Vorgenannten die entsprechenden Leistungen nicht i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG für das Unternehmen der Klägerin bezogen worden sind.

d) Die Miete für 1997 ist nach dem Vorstehenden in 1998 uneinbringlich geworden und daher die Umsatzsteuer insoweit zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 UStG).

e) Demnach ergibt sich folgende Berechnung:

 199819992000
 DMDMDM
§ 10 Abs. 41.924,171.924,171.924,17
§ 17 -893,40   
USt lt. FG1.030,771.924,171.924,17
Verböserungsgrenze882,00585,00476,00

Da das Gericht nicht verbösern darf, war auch insoweit die Klage abzuweisen.

Die zu Grunde gelegten Herstellungskosten hat das Gericht ausgehend von den Vorsteuerabzugsbeträgen in 1995 und 1996 berechnet.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die Frage des gesetzessystematischen Zusammenhangs des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. mit § 15a UStG betrifft altes Recht.

Ende der Entscheidung

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