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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 20.09.2006
Aktenzeichen: 4 K 3402/03
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

In der Streitsache

hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung [....] sowie der ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 17.01.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.07.2003 wird der Beklagte verpflichtet, den Grunderwerbsteuer-Bescheid vom 31.05.2002 aufzuheben.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Entscheidungsgründe:

Gründe I. Streitig ist, ob ein Erwerbsvorgang tatsächlich in Sachen von § 16 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) rückgängig gemacht worden ist.

Mit Vertrag vom 14.3.2002 erwarb die Klägerin von der E-AG die Grundstücke Fl.Nrn. 222/12, /13 und /14 der Gemarkung zum Kaufpreis von 3.500.000 EUR. Eine Auflassungsvormerkung wurde nicht eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom gleichen Tag erwarb die R-GmbH von der E-AG die Grundstücke Fl.Nrn. 225, 225/1 und 12zum Kaufpreis von 12.186.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Sowohl die Klägerin als auch die R-GmbH gehören zum R-Konzern

Der Beklagte (Finanzamt) setzte mit Bescheid vom 31.5.2002 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 122.500 EUR fest.

Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 30.10.2002 bzw. 12.11.2002 wurde der zwischen E-AG und der Klägerin geschlossene Kaufvertrag mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Die X-AG, die eine Vertragserfüllungs- und Kostenübernahmebürgschaft übernommen hatte, stimmte der Vertragsaufhebung am 12.11.2002 zu. Auch der mit der R-GmbH geschlossene Kaufvertrag wurde gleichermaßen aufgehoben.

Mit notariellem Kaufvertrag, gleichfalls vom 12.11.2002, verkaufte die E-AG unter Bestätigung der Vertragsaufhebung den gesamten oben erwähnten Grundbesitz an die R-GmbH zum vorläufigen Gesamtkaufpreis von nunmehr 11.900.000 EUR. In der Vorbemerkung zum Vertrag (Tz. II) wurde ausgeführt, dass die Beteiligten bei Abschluss der Vorurkunden davon ausgegangen seien, dass die geplante Bebauung gemäß einen Antrag auf Erlass eines Vorbescheids genehmigt werde (Tz. VIII 2b der Vorurkunden). Sie hielten diese geplante Bebauung jedoch mittlerweile nicht mehr für genehmigungsfähig. In der Urkunde beantragte die Klägerin, die gegen sie für den aufgehobenen Kaufvertrag vom 14.3.2002 festgesetzte Grunderwerbsteuer aufzuheben (Tz. III.6.).

Mit Schreiben vom 17.1.2003 lehnte da Finanzamt diesen Antrag ab, weil der Kaufvertrag nicht tatsächlich rückgängig gemacht worden sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 11.7.2003 (Bl. 116 Finanzamts-Akte) wird vorab Bezug genommen. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass aufgrund der Verbundenheit der Klägerin und der R-GmbH im Konzern die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu verneinen sei.

Die Klägerin habe ihre Rechtsstellung bei der Weiterveräußerung im eigenen oder im Fremdinteresse ausgenutzt.

Mit der Klage beantragt die Klägerin,

unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom 17.1.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.7.2003 das Finanzamt zu verpflichten, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 31.5.2002 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zu Unrecht verneine das Finanzamt eine tatsächliche Rückgängigmachung. Ihr sei nicht die Möglichkeit verblieben, eine aus dem ursprünglichen Rechtsgeschäft beurkundete Rechtsposition zu verwerten. Die E-AG habe frei über das Grundstück verfügen können. Die Klägerin habe keinerlei Käuferbenennungsrecht, Anspruch auf Mehrerlös, Auflassungsvormerkung oder Ähnliches zugestanden. Zudem hätte sie, falls eine solche Rechtsposition bestanden hätte, diese nicht im eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet. Sie sei vielmehr, nachdem sich die gewünschte Bebauung nicht habe verwirklichen lassen, als Bauträgergesellschaft vom Vertrag zurückgetreten. Der Konzernzugehörigkeit der Klägerin und der R-GmbH komme insoweit keine Bedeutung zu. Zudem seien die Vertragsmodalitäten im aufgehobenen Kaufvertrag und im Neuerwerb durch die R-GmbH völlig anders. Ergänzend verweist die Klägerin auf das Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 21.2.2006 II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700.

Im Übrigen ist die Klägerin der Auffassung, dass sie das im Vertrag in Tz. VIII 2)b) vorbehaltene Rücktrittsrecht durch Übersendung des Entwurfs der Vertragsaufhebung Ende Oktober 2002 wirksam ausgeübt habe.

Das Finanzamt beantragt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung,

die Klage abzuweisen.

Am 20. September 2006 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen. II. Die Klage ist begründet.

Der Senat schließt sich den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 21.2.2006 II R 60/04, BFH/NV2006, 1007, an. Hiernach gilt Folgendes:

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn ein Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren seit der Steuerentstehung durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist. Zur Erfüllung des Tatbestands des § 16 Abs. 1 GrEStG reicht allein die zivilrechtliche (formale) Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts nicht aus. Vielmehr müssen sich die Vertragspartner auch tatsächlich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Nur wenn der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung deshalb nicht wiedererlangt, weil trotz der formellen Aufhebung des Vertrages der Erwerber die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück behält, liegt eine Rückgängigmachung im Sinne des § 16 Abs. 1 GrEStG nicht vor.

Dies gilt auch, wenn die Aufhebung eines Grundstückskaufvertrages mit dem erneuten Verkauf des Grundstücks an einen anderen Erwerber einhergeht.

Verblieb dem Ersterwerber trotz Aufhebung des ursprünglichen tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts eine derartige Verwertungsmöglichkeit und wurde diese durch die erneute Veräußerung des Grundstücks beendet, ist die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber im Zusammenhang mit der erneuten Veräußerung seine Rechtsposition im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse auch tatsächlich verwertet hat. Umgekehrt bedeutet dies, dass nicht jede im eigenen Interesse liegende Einflussnahme des Ersterwerbers auf die erneute Veräußerung die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG entfallen lässt, die Vorschrift ist vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn die Einflussnahme des Erwerbers auf die Weiterveräußerung als Ausfluss der ihm verbliebenen Rechtsposition zu beurteilen ist. Das Handeln des Ersterwerbs im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse ist für sich allein kein Tatbestandsmerkmal, das die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG ausschließt. Es indiziert nicht den Fortbestand einer dem Ersterwerber verbliebenen Möglichkeit zur Verwertung des Grundstücks, sondern setzt eine solche Möglichkeit voraus. Übt der Ersterwerber bei der erneuten Veräußerung eine ihm aus dem Erwerbsvorgang verbliebene Rechtsposition tatsächlich nicht aus (so bei der "Auswechselung" des Käufers allein aufgrund des Verlangens des Verkäufers nach Stellung eines Ersatzkäufers, oder handelt der Ersterwerber insoweit im ausschließlichen Interesse eines Dritten, steht dies einer Rückgängigmachung im Sinne des § 16 Abs. 1 GrEStG nicht entgegen.

Entsprechend diesen Grundsätzen ist in der Streitsache die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 GrEStG nicht ausgeschlossen, weil die Klägerin im Zusammenhang mit der erneuten Veräußerung keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt hat. Es sind keinerlei Umstände erkennbar, die dafür sprechen könnten, dass die Klägerin - außer ihrem Interesse, aus dem Vertrag freizukommen - ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran gehabt haben könnte, dass die ursprünglich von ihr erworbenen Grundstücke nunmehr an die R-GmbH veräußert werden.

Damit kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die Klägerin trotz der Vertragsaufhebung bzw. trotz eines ggf. erklärten Rücktritts möglicherweise noch eine Rechtsposition hatte, auf die Weiterveräußerung maßgeblichen Einfluss auszuüben.

Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung.



Ende der Entscheidung

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