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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: 5 K 1601/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 100 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 1601/05

Einkommensteuer 2000, 2001 und 2003

In der Streitsache ...

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...,

des Richters am Finanzgericht ...und

der Richterin am Finanzgericht ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig war, ob der Kläger außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) für Prozesskosten und für die Tilgung von Darlehen geltend machen kann. Der Kläger ist 1946 im Iran geboren, hat in Deutschland Physik studiert und 1980 an der TU München promoviert. Bis 1985 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Gesellschaft für Reaktorsicherheit in Garching bei München. 1985 wurde ihm der Aufenthalt in Deutschland versagt, die Arbeitserlaubnis entzogen und seine Ausweisung verfügt. Nach mehreren Prozessen erwiesen sich diese Maßnahmen letztlich als rechtswidrig. In der Folge gelang es dem Kläger aufgrund seines Alters, seiner mehrjährigen Berufsunterbrechung und eines inzwischen eingetretenen Bewerberüberhangs an Physikern nicht, eine der früheren Tätigkeit angemessene Beschäftigung zu finden (vgl. Bestätigung des Fachvermittlungsdienstes beim Arbeitsamt München vom 28.03.1991). In der Folgezeit führte er einen Amtshaftungsprozess, der mit der Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof am 30.11.2006 erfolglos verlief.

In den Einkommensteuererklärungen für 2000, 2001 und 2003 begehrte er den Ansatz von außergewöhnlichen Belastungen, soweit er die Prozesskosten selbst zu tragen hatte, weil er nicht obsiegte und auch keine Prozesskostenhilfe erhielt (1. Instanz Amtshaftungsprozess, Landgericht München I). Ferner begehrte er den Ansatz von Schuldzinsen, die auf einer sukzessiv seit 1985 erfolgten Darlehensaufnahme von Verwandten beruhten, als außergewöhnliche Belastung. Er bezifferte die Darlehenshöhe auf ca. 250.000 Euro und erklärte, er habe diese Darlehen und die damit verbundenen Schuldzinsen in den Streitjahren durch Abtretung von Gehaltsansprüchen über den pfändbaren Betrag hinaus bedient. Die konkrete Darlehenshöhe sei sehr schwierig nachzuweisen, da er aufgrund der verlorenen Prozesse (für die er teilweise erst in folgenden Instanzen Prozesskostenhilfe erhalten habe) sowie seiner veränderten Lebensumstände 1997 die eidesstattliche Versicherung habe abgeben müssen und seither keine eigenen Konten mehr unterhalten habe.

Der Beklagte lehnte den Ansatz als außergewöhnliche Belastung zunächst ab und wies die dagegen gerichteten Einsprüche zurück (Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 jeweils vom 16.12.2003, Einkommensteuerbescheid 2003 vom 23.11.2004, Einspruchsentscheidungen vom 17.02.2005). Im Klageverfahren berücksichtigte der Beklagte jedoch außergewöhnliche Belastungen und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt (Änderungsbescheide jeweils vom 18.09.2007). Der Kläger gab keine entsprechende Erklärung ab, weil die tatsächlichen außergewöhnlichen Belastungen weitaus höher gewesen seien. Zudem sei die aus den Änderungen resultierende Steuererstattung entgegen einer Abtretung vom 16.12.1999 zugunsten seiner Familienangehörigen, die auch Steuerrückerstattungen umfasse, vom Beklagten gepfändet worden sei. Ferner verkenne der Beklagte, dass er nach § 249 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet sei, die Rechtsposition des Klägers wieder herzustellen, die er bei Berücksichtigung seiner außergewöhnlichen Belastung von Anfang an gehabt hätte.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

seiner Klage unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 2000, 2001 und 2003 jeweils vom 18.09.2007 in vollem Umfang, d.h. unter Berücksichtigung seines gesamten Nettoeinkommens abzüglich des pfändungsfreien Betrags als außergewöhnliche Belastung, stattzugeben und die entsprechenden Steuererstattungen entsprechend seiner Abtretungserklärung auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beträge seien zutreffend festgesetzt, die Erstattung sei aufgrund von Vollstreckungsersuchen anderer Behörden und Gerichte zutreffend erfolgt.

Im Übrigen wird auf die Steuerakten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

II. Die Klage ist unzulässig.

1. a) Soweit der Kläger einen Erstattungsanspruch geltend macht, wird von der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass eine sonstige Leistungsklage mit diesem Ziel erst nach vorangegangener Feststellung durch einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zulässig ist. Dem zusammen mit einer Anfechtungsklage geltend gemachten Begehren auf Erstattung des auf Grund des angefochtenen Verwaltungsakts entrichteten Betrages sei allerdings in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung -FGO-§ 40 Rn 28, 34 m.w.N.). Die Rückgängigmachung der Vollziehung funktioniere im Allgemeinen reibungslos, sodass dies auch für den Folgenbeseitigungsanspruch nach § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO gelten müsse.

Demgegenüber wird eingewandt, dass der Gesetzgeber Streitigkeiten über Steuererstattungen nach der Aufhebung oder Änderung angefochtener Steuerbescheide in § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO geregelt habe und den Kläger nicht auf den umständlichen Weg einer Verpflichtungsklage zur Erlangung eines klagefähigen Abrechnungsbescheides verweisen wollte (Albert, Deutsche Steuerzeitung -DStZ-1998, 503, 504, 505; Tipke/Kruse, FGO, § 100 Rn 50).

b) Der Senat neigt eher der Auffassung von Albert und Kruse zu. Eine Entscheidung dieser Streitfrage kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn die Klage hinsichtlich Auszahlung richtet sich gegen den falschen Beklagten. Aufgrund der Organisationsstruktur der Münchener Finanzämter erfolgte die Verrechnung der Einkommensteuererstattungen für die Streitjahre durch das Zentralfinanzamt München und nicht durch das beklagte Veranlagungsfinanzamt. Eine Klage auf Auszahlung wäre daher gegen das Zentralfinanzamt zu richten gewesen (vgl. Verordnung über Organisation und Zuständigkeiten in der Bayerischen Steuerverwaltung vom 01.12.2005 -ZustVSt -, GVBl 2005, 596, § 5 Abs. 1 Nr. 2 mit Anlage 3).

2. Entgegen dem Vortrag des Klägers entsprechen die nunmehr in den Bescheiden berücksichtigten Beträge den jeweils in seinen Einkommensteuererklärungen geltend gemachten Aufwendungen. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung ist durch die Änderungsbescheide entfallen, für 2003 beträgt die festgesetzte Einkommensteuer sogar 0 DM, sodass es an einer Beschwer fehlt. Für 2000 und 2001 entsprechen die nunmehr berücksichtigten außergewöhnlichen Belastungen dem vom Kläger erstellten "Nachtrag vom 11.08.2003 zur Begründung vom 21.01.2003" betragsmäßig in vollem Umfang (vgl. Blatt 37 Einkommensteuer-Akte 2001). Dieser Betrag entspricht im VZ 2000 in etwa dem Nettoeinkommen des Klägers unter Abzug des pfändungsfreien Betrags. Im VZ 2001 hat der Kläger lediglich Bruttoeinkünfte von 21.249 DM erzielt (netto gut 13.000 DM), es wurden 8.153,43 DM als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Mehr an Aufwendungen hat der Kläger weder im Einspruchs- noch im Klageverfahren noch in der mündlichen Verhandlung nachgewiesen. Vielmehr sind das beklagte Finanzamt und der Senat aufgrund der Besonderheiten des Falles dem Vortrag des Klägers gefolgt, sein gesamtes Nettoeinkommen sei an seine Verwandte in Essen überwiesen worden und nur der pfändungsfreie Betrag sei wieder an ihn zurückgeflossen.

3. Im Übrigen wäre der Antrag des Klägers auf Erstattung statt Verrechnung unbegründet. Die von ihm als Anlage F7 vorgelegte Abtretungserklärung vom 16.12.1999 erfasst nämlich nur das von seinen Arbeitgebern an ihn gezahlte Nettoeinkommen, soweit es über die Pfändungsfreigrenzen hinausgeht. Eine Ausdehnung dieser Erklärung auf Steuererstattungen über ihren Wortlaut hinaus ist ausgeschlossen. Auch aus den Steuererklärungen des Klägers für die Streitjahre ergibt sich nichts anderes. Hier hat er lediglich das Konto seiner Verwandten, auf das auch die abgetretenen Arbeitseinkommen überwiesen werden sollten, als Erstattungskonto eingetragen. Eine Abtretungserklärung im Sinne des § 46 Abs. 2 und 3 AO lässt sich dem nicht entnehmen. An diesen formalen Erfordernissen scheitert jedes Bemühen, die Eintragung des Erstattungskontos unter Vorlage der Abtretungserklärung aus dem Jahre 1999 zu Gunsten des Klägers auszulegen.

4. Der Beklagte - oder das Zentralfinanzamt - hat auch nicht gegen das Verbot des venire contra factum proprium verstoßen. Denn bei der Angabe eines Erstattungskontos in der Einkommensteuererklärung handelt es sich lediglich um eine Zahlungsanweisung (Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 37 AO Tz. 63). Dieser Zahlungsanweisung war die Finanzverwaltung in den Vorjahren nachgekommen, sie hatte sie auch in den ursprünglichen Bescheiden für die Streitjahre als maßgeblich angesehen. Neu und abweichend von der bisherigen Sachlage ist lediglich, dass zwischen dem Erlass der Erstbescheide für die Streitjahre und den Änderungsbescheiden erstmals Vollstreckungsersuchen vorlagen. Beim erstmaligen Auftreten eines Sachverhalts kann es aber nicht zu einem widersprüchlichen vorherigen Eigenverhalten kommen.

5. Es besteht auch kein Anspruch des Klägers aus § 249 BGB. Ein solcher Anspruch könnte ohnehin nur im Rahmen eines Amtshaftungsverfahrens vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden. Im Steuerrecht ist der Folgenbeseitigungsanspruch in § 100 Abs.1 Satz 2 FGO geregelt.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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