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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 5 K 2062/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 2
EStG § 32 Abs. 4 S. 4
EStG § 33a Abs. 1 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 2062/06

Einkommensteuer 2004

In der Streitsache

...

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht xxxx,

der Richterin am Finanzgericht xxxx und

der Richterin am Finanzgericht xxxx sowie

der ehrenamtlichen Richter xxxx und xxxx

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Der Kläger wird beim Beklagten (dem Finanzamt) zur Einkommensteuer veranlagt. Er lebte im Streitjahr mit seiner Lebensgefährtin und dem am 29.09.2003 geborenen gemeinsamen Sohn V. zusammen.

In seiner Einkommensteuererklärung 2004 machte der Kläger Unterhaltsleistungen an seine Lebensgefährtin als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Lebensgefährtin erzielte im Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 7.134 EUR. Davon zog der Kläger Werbungskosten in Höhe von 920 EUR und einen Posten von 1.980 EUR als existenznotwendigen Betrag für das Kind ab. Er errechnete einen berücksichtigungsfähigen Unterhaltsbetrag von 4.070 EUR.

Das Finanzamt setzte im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 18.08.2005 den abzugsfähigen Unterhaltsbetrag nach § 33a Einkommensteuergesetz (EStG) unter Anrechnung eigener Einkünfte der unterhaltenen Person in Höhe von 5.590 EUR dagegen nur mit 2.090 EUR an.

Im Einspruchsverfahren begehrte der Kläger unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.06.2002 (III R 28/99, BStBl II 2002, 753) die Anerkennung von Unterhaltsleistungen nun sogar in Höhe von 5.629 EUR. Mit Einspruchsentscheidung vom 20.04.2006 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2004 auf 15.940 EUR herab. Da der Kläger dem gemeinsamen Kind zum Unterhalt verpflichtet sei, trete die Unterhaltspflicht der Mutter zurück. Von den Bruttobezügen in Höhe von 7.134 EUR seien die Werbungskosten von 920 EUR, der Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung mit 629 EUR sowie der anrechnungsfreie Betrag von 624 EUR abzuziehen gewesen. Als abziehbarer Unterhaltshöchstbetrag seien jetzt 2.719 EUR (7.680 EUR -4.961 EUR) berücksichtigt worden. Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Als Unterhaltsleistungen an seine Lebensgefährtin seien nach § 33a EStG 5.512 EUR zu berücksichtigen. Er sei gemäß § 1615 l Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seiner Lebensgefährtin zum Unterhalt verpflichtet, weil diese wegen der Pflege und Erziehung von V. einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könne. Lebe ein Unterhaltsberechtigter mit anderen einkommenslosen bedürftigen Angehörigen (hier: V.) in Haushaltsgemeinschaft zusammen, seien die vom Unterhaltsberechtigten bezogenen Mittel nur insoweit auf den Höchstbetrag anzurechnen, als sie anteilig auf ihn entfielen. Eine solche Aufteilung nach Köpfen sei dann vorzunehmen, wenn der Unterhaltsempfänger selbst unterhaltsverpflichtet sei. Seine Lebensgefährtin sei V. aufgrund der Höhe ihrer Einkünfte selbst unterhaltsverpflichtet.

Auf Hinweis des Finanzamts, dass sich die gemeinsame Wohnung im Alleineigentum der Lebensgefährtin befinde, schränkte der Kläger sein Klagebegehren ein und macht nur noch Unterhaltsleistungen in Höhe von 4.412 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die eigenen Einkünfte und Bezüge der Lebensgefährtin berechnet er danach wie folgt:

 Arbeitslohn7.134 EUR 
-Arbeitnehmerpauschbetrag-920 EUR 
Arbeitnehmeranteil am SV-Beitrag-629 EUR 
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 2004 5.585 EUR
+ fiktive Mieteinnahmen: 550 EUR (= 700 EUR -150 EUR) : 3 Personen x 12 Monate = + 2.200 EUR
Summe der eigenen Einkünfte 7.785 EUR

Damit ergebe sich folgende Berechnung der abzugsfähigen Unterhaltsleistungen:

 Höchstbetrag 7.680 EUR
Eigene Einkünfte und Bezüge7.785 EUR 
davon 50% auf V. entfallend-3.893 EUR 
anzurechnende eigene Einkünfte und Bezüge3.892 EUR 
unschädlicher Betrag-624 EUR 
schädlicher Betrag -3.268 EUR
abzugsfähige Unterhaltsleistungen 4.412 EUR
bisher vom Beklagten berücksichtigte Unterhaltsleistungen -2.719 EUR
zusätzlich abzugsfähige Unterhaltsleistungen 1.693 EUR

Der Kläger beantragt noch,

den Einkommensteuerbescheid vom 18.08.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2006 unter Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen von insgesamt 4.412 EUR zu ändern und die Einkommensteuer 2004 entsprechend festzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt

unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 20.04.2006 Klageabweisung.

Ergänzend trägt es vor, dass selbst, wenn man sich den Ausführungen des Klägers hinsichtlich der unterhaltsrechtlichen Einkommensberechnung anschließen würde, keine die steuerlich relevanten Einkünfte mindernde Unterhaltspflicht der Mutter gegenüber dem Kind mehr bestanden habe, weil diese ihre Unterhaltspflicht vollumfänglich durch Betreuung und Sachleistung erfüllt habe, zumal sich auch die Wohnung im Alleineigentum der Lebensgefährtin befinde.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Einspruchsentscheidung vom 20.04.2006, die eingereichten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 24.05.2007.

II. 1. Die Klage ist unbegründet.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 EUR im Streitjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Voraussetzung hierfür ist, dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 und 4 EStG, so vermindert sich der Betrag von 7.680 EUR um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 624 Euro im Kalenderjahr übersteigen.

a) In Anwendung dieser Vorgaben und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs war der Kläger seiner Lebensgefährtin gemäß § 1615 l BGB dem Grunde nach gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet (BFH-Urteil vom 19.05.2004 III R 30/02, BStBl II 2004, 943) Auf das Bestehen einer konkreten zivilrechtlichen Unterhaltsberechtigung bzw. die Höhe des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 18.05.2006 III R 26/05, BStBl II 2007, 108).

b) Das Finanzamt hat die Unterstützungsleistungen des Klägers an seine Lebensgefährtin zutreffend berechnet. Die Einkünfte der Lebensgefährtin sind nicht um Unterhaltsleistungen für den Sohn V. zu mindern.

Zur Ermittlung der Einkünfte der unterhaltsberechtigten Personen verweist § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG auf § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 4 EStG. Damit vermindert sich der als außergewöhnliche Belastung abzugsfähige Höchstbetrag um die Einkünfte und Bezüge der unterhaltsberechtigten Personen, die zur Bestreitung ihres Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 22.09.2004, III R 25/3, BFH/NV 2005, 523 m.w.N.) sind anrechenbare Einkünfte i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG die nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zu ermittelnden Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG; Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen sind nicht zu berücksichtigen. Für die Anrechnung ist grundsätzlich ohne Bedeutung, ob die Einkünfte dem Unterhaltsberechtigten zur Bestreitung des Unterhalts zur Verfügung stehen. Hiervon macht der BFH nur dann eine Ausnahme, wenn der Unterhaltsempfänger seine Einkünfte und Bezüge deshalb nicht in voller Höhe für den eigenen Lebensunterhalt verwenden kann, weil er mit bedürftigen Angehörigen in Haushaltsgemeinschaft lebt und aus einem Topf gewirtschaftet wird (BFH-Urteil vom 19.06.2002 III R 28/99, BFHE 199, 355 , BStBl II 2002, 753).

Entsprechend den Grundsätzen dieser Rechtsprechung käme eine nach dem Zweck der Vorschrift einschränkende Auslegung des Begriffes der Einkünfte in Betracht, wenn die Lebensgefährtin des Klägers gesetzlich verpflichtet wäre, von ihren geringen Einkünften zusätzlich ihr Kind zu unterhalten. Denn auch in diesem Fall wäre die Vermutung des Gesetzes widerlegt, dass demjenigen, der Einkünfte erzielt, diese auch zu seinem Unterhalt zur Verfügung stehen. Notwendige gesetzliche Unterhaltspflichten des Unterhaltsberechtigten müssen im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG bei der Ermittlung der Höhe seiner Einkünfte und Bezüge berücksichtigt werden. Denn hat der Gesetzgeber selbst die Ursache für die Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gesetzt, indem er eine Unterhaltspflicht anordnet, so hat er dem grundsätzlich durch einen gesetzlichen Abzug der Unterhaltsleistungen in Höhe des existenznotwendigen Bedarfs Rechnung zu tragen (BFH-Urteil vom 04.07.2002 III R 8/01, BStBl II 2002, 760, unter II. 3. b bb).

Im Streitfall verfügte die Lebensgefährtin lediglich über Einkünfte unterhalb des Jahresgrenzbetrags. Sie wäre aber ihrem Sohn gegenüber nur insoweit unterhaltsverpflichtet, als ihre Einkünfte und Bezüge ihr Existenzminimum übersteigen. Nach § 1603 Abs. 1 BGB endet die Unterhaltspflicht grundsätzlich, wenn der eigene angemessene Unterhalt gefährdet ist. Allerdings sind Eltern ihren minderjährigen Kindern gegenüber -anders als gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten -verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und ihrer Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden, auch wenn sie nicht für ihren eigenen Unterhalt und den der minderjährigen Kinder ausreichen (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies gilt aber nicht, wenn noch andere Unterhaltsverpflichtete vorhanden sind (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). Dann sind diese primär zum Unterhalt verpflichtet. Die Vermutung des Gesetzes in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG, dass jenseits eigener Einkünfte von 7.680 EUR eine Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten nicht gegeben ist, ist auch insoweit gerechtfertigt, als minderjährige Kinder im Haushalt des Unterhaltsempfängers leben, sofern leistungsfähige andere Personen vorhanden sind, die den Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet sind, so dass eine einschränkende Auslegung des Begriffs der Einkünfte in diesen Fällen nicht erforderlich ist (BFH-Urteil vom 19.05.2004 III R 28/02, BFH/NV 2004, 1631).

Im Streitfall musste gemäß § 1601 BGB allein der Kläger das gemeinsame Kind finanziell unterhalten, weil seine Lebensgefährtin über keine ausreichenden Einkünfte verfügte (s.o.) und er seiner Barunterhaltspflicht ohne weiteres nachkommen konnte. Eine einschränkende Auslegung des Begriffs der Einkünfte ist daher im Streitfall nicht erforderlich. Ob und ggf. in welcher Höhe die Lebensgefährtin trotz der geringen Einkünfte tatsächlich finanziell zum Unterhalt ihres Sohnes beitrug, ist unerheblich. Darüber hinaus war die Lebensgefährtin ihrem Sohn gegenüber auch nicht verpflichtet, finanziell für seinen Unterhalt aufzukommen, da sie das Kind -auch nach dem Vortrag des Klägers -tatsächlich betreut (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB).

Die Annahme fiktiver Mieteinnahmen steht der Typisierung des § 33a EStG und dem Zweck der Verwaltungsvereinfachung im Massenverfahren entgegen. Zudem muss die Fiktion von Mieteinnahmen auch deshalb unterbleiben, weil auch der Verkehrswert der 2-Zimmer- Eigentumswohnung der Lebensgefährtin im Rahmen des § 33a EStG unberücksichtigt blieb.

2. Die Frage, ob der Verkehrswert der Wohnung als Vermögen der Unterhaltsempfängerin im Rahmen des § 33a EStG zu berücksichtigen gewesen wäre, kann offen bleiben, da es wegen des im Finanzgerichtsprozess herrschenden Verböserungsverbots beim angefochtenen Bescheid verbleibt (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz. 5 mit Rechtsprechungsnachweisen).

3. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2006 (§ 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung -FGO-) sowie auf die im Tatbestand dargestellten ergänzenden Ausführungen des Finanzamts verwiesen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO und die Nichtzulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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