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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: 5 K 2313/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 2313/06

Einkommensteuer 2001, 2002 und 2003

In der Streitsache

hat das Finanzgericht München, 5. Senat,

durch

den Richter am Finanzgericht xxx als Einzelrichter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist der Abzug von Besuchskosten als außergewöhnliche Belastung.

Der Kläger macht geltend, er mache in den Streitjahren Aufwendungen für insgesamt 18 bzw. 14 bzw. 15 Fahrten zu seinen pflegebedürftigen Eltern für Fahrten zum Besuch und zur Betreuung seiner Eltern geltend. Der 1921 geborene Vater des Klägers habe in den Streitjahren im Caritashaus in Dormagen gewohnt und an einem dementiellen Syndrom gelitten.

Die 1923 geborene Mutter des Klägers habe im Jahr 2001 noch in ihrem eigenen Haushalt in Grevenbroich gewohnt, sei aber zu Beginn des Jahres 2002 ebenfalls in das Caritashaus Dormagen gezogen. Es seien 24 (2001) bzw. 20 (2001) bzw. 21 Fahrten durchgeführt worden.

Der Kläger berücksichtige die Tatsache, dass eine bestimmte Anzahl von Heimfahren zu den Eltern üblich und daher nicht außergewöhnlich sei, dadurch, dass er jeweils die Kosten für sechs Fahrten nicht in Ansatz bringe.

Das beklagte Finanzamt wartete zunächst die Entscheidung des Finanzgerichts im gleichgelagerten Klageverfahren 5 K 3304/02 ab und wies die Einsprüche dann mit Einspruchsentscheidung vom 16.05.2006 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und führt aus, insbesondere die dementielle Erkrankung seines Vaters werde durch die häufigen und intensiven Besuche des Klägers gelindert. Ob die Besuche des Klägers und seine Betreuungsmaßnahmen "Bestandteil eines ärztlichen Pflegekonzepts" seien, wie im Urteil 5 K 3304/02 gefordert, sei nicht maßgeblich. Es komme allein darauf an, dass die körperlichen und psychischen Leiden der Eltern des Klägers durch seine intensiven und regelmäßigen Besuche wesentlich gelindert würden. Dies belege bereits die ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Nervenheilkunde und Neurologie, Psychotherapie und Akupunktur xxx vom 26.02.2004, betreffend den Vater des Klägers. Dieser Arzt habe die häufigen Besuche auch dringend empfohlen, zudem werde ein Sachverständigengutachten hierzu beantragt.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheid 2001 vom 25.07.21003, 2002 vom 11.12.2003 und 2003 vom 28.01.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 16.05.2006 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen für -18 Fahrten á 620 km x 1,16 DM = 12.945,65 DM für 2001 -14 Fahrten á 620 km x 0,60 EUR = 5.208 EUR für 2002 -und 15 Fahrten á 620 km x 0,60 EUR = 5.580 EUR für 2003 als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die Steuerakten, die Einspruchsentscheidung, die Senatsentscheidung im Verfahren 5 K 3304/02 vom 11.02.2005 und den schriftsätzlichen Vortrag des Klägers zu diesem Verfahren sowie die Schriftsätze der Beteiligten im vorliegenden Verfahren Bezug genommen. Der Senat hat die Entscheidung mit Beschluss vom 08.03.2007 dem Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.

Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

II. Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat es zu Recht abgelehnt, die geltend gemachten Aufwendungen für die Besuchsfahrten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird, § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG -. Zwangsläufig sind die Aufwendungen, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen aus tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, § 33 Abs. 2 EStG.

Aufwendungen für Besuchsreisen zu Angehörigen gehören in der Regel zu den typischen Aufwendungen der Lebensführung, die aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen und durch die allgemeinen Freibeträge abgegolten sind (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH -vom 24. Mai 1991 III R 28/89, BFH/NV 1992, 96). Das gilt auch, wenn der besuchte Angehörige erkrankt oder pflegebedürftig ist und Fahrten in kürzeren zeitlichen Abständen oder über größere Entfernungen durchgeführt werden. Denn es ist üblich und jedenfalls nicht im vorgenannten Sinn außergewöhnlich, wenn ein erkrankter oder pflegebedürftiger Angehöriger häufiger und auch über größere Entfernungen besucht wird als ein gesunder (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2004 III R 27/02, BFH/NV 2005, 1248).

Eine Ausnahme gilt zum einen dann, wenn die Aufwendungen als Krankheitskosten zu beurteilen sind (BFH-Urteile vom 2. März 1984 VI R 158/80, BStBl II 1984, 484; vom 24. Mai 1991 in BFH/NV 1992, 96), zum anderen, wenn ein Steuerpflichtiger Besuchsfahrten zu einem nahen Angehörigen unternimmt, um ihn mit Rücksicht auf dessen Erkrankung zu betreuen und zu versorgen, soweit die Aufwendungen jene für Besuchsfahrten überschreiten, die der Steuerpflichtige auch ohne die Erkrankung üblicherweise ausgeführt hätte (BFH- Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 265/94, BStBl II 1997, 558).

Aufwendungen für Besuchsfahrten zu nahen Angehörigen sind als Krankheitskosten zu beurteilen, wenn die Besuche ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung im Sinne des Erträglichmachens einer Krankheit oder eines Leidens unternommen werden. Deshalb können Aufwendungen für Besuchsfahrten zu einem in einem Krankenhaus liegenden Ehegatten nur ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn die Besuche nicht lediglich einem privaten Bedürfnis entspringen, sondern unmittelbar der Heilung oder Linderung der Krankheit dienen. Der Nachweis ist durch ein Attest des behandelnden Arztes zu führen, aus dem hervorgeht, dass gerade der Angehörigenbesuch zur Heilung oder Linderung der Krankheit entscheidend beitragen kann (BFH in BStBl II 1984, 484). Im Streitfall geht aus dem Attest nicht hervor, ob es sich auf den in Frage stehenden Zeitraum oder auf das Ausstellungsjahr bezieht. Das Attest ist im Wesentlichen wortgleich mit dem im früheren Verfahren vorgelegten Attest, bis auf die Passage "Gerade die Besuche von Herrn xxx (Name des Klägers) tragen entscheidend dazu bei, bei der speziellen Krankheit seines Vaters eine Linderung herbei zu führen" (Änderung gegenüber dem im vorherigen Verfahren vorgelegten Attest unterstrichen). Woraus diese Erkenntnis gewonnen wird, ist jedoch nicht erläutert. Zudem ist in der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung lediglich behauptet, dass die Besuche des Klägers eine Linderung herbeizuführen würden. Worin diese besteht und warum gerade die Besuche des Klägers Ursache hierfür sind, ist nicht erläutert. Diese Behauptung ist nicht näher begründet und daher nicht nachprüfbar bzw. nachvollziehbar. Sie belegt im Übrigen, unterstellt sie wäre tatsächlich auch zutreffend, nicht, dass und warum beim Vater des Klägers Beschwerden vorlägen, die gerade durch die Besuche seines Sohnes gelindert werden könnten, und warum diese Beschwerden in Anbetracht des hohen Alters des Vaters außergewöhnlichen Charakter haben könnten. Die leichtere Führbarkeit durch das Heimpersonal muss dabei außer Betracht bleiben. Zur weiteren Begründung hinsichtlich der Anforderungen der Rechtsprechung, dass die Besuche zur Heilung oder Linderung beigetragen haben, wird auf die Entscheidung unter dem Az. 5 K 3304/02, dort insbesondere auf Seite 7, Bezug genommen.

Für die Mutter des Klägers ist in den Jahren ihres Heimaufenthalts 2002 und 2003 nicht durch ärztliches Attest nachgewiesen, ob und in welcher Weise die Besuche des Klägers zur Heilung oder Linderung ihrer Erkrankung entscheidend beigetragen hätten. Hinzu kommt, dass die Mutter des Klägers 2001 noch in ihrem eigenen Haushalt lebte (siehe hierzu die Entscheidungsgründe im Verfahren 5 K 3304/02 wegen Einkommensteuer 2000). Nach der Rechtsprechung erfüllt das Anliegen, der Vereinsamung eines alten Menschen dadurch entgegen zu wirken, dass er häufiger besucht wird, nicht das Merkmal der Außergewöhnlichkeit (BFH in BFH/NV 1992, 96). Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Mutter des Klägers als auch auf den Vater des Klägers insoweit, als der behandelnde Arzt ausführt, dass dessen oft unruhiges Verhalten durch die Besuche positiv beeinflusst werde.

Ein Sachverständigengutachten war nicht einzuholen. Das Gericht schließt sich in der Frage des Nachweises durch ärztliches Attest der Auffassung des Bundesfinanzhofs an, es bedürfe "des Nachweises, dass die konkrete Behandlung --hier der Krankenbesuch--medizinisch indiziert war. Das bedeutet, dass nach ärztlichem Urteil gerade der vorgenommene Besuch zur Heilung oder Linderung einer bestimmten Krankheit entscheidend beitragen kann. Dies kann regelmäßig nur derjenige Arzt beurteilen, der die in Frage stehende Krankheit behandelt oder behandelt hat. Danach reicht es nicht aus, wenn der den allgemeinen Gesundheitszustand eines Patienten kennende Hausarzt allein aufgrund dieser Kenntnisse bescheinigt, dass Besuche anläßlich einer bestimmten oder nicht näher gekennzeichneten Krankheit des Ehegatten im Krankenhaus therapeutisch notwendig gewesen seien. Vielmehr bedarf es der oben beschriebenen Äußerung des Krankenhausarztes, der für die stationäre Behandlung des Ehegatten verantwortlich ist" (BFH in BStBl II 1984, 484 für Krankenhausbesuche).

Übertragen auf den Altersheimaufenthalt der Eltern des Klägers bedeutet dies, dass nur der behandelnde Arzt das entspechende Attest hätte erstellen können, nicht auch ein Sachverständiger.

Das Gericht will es auch in diesem Verfahren nicht unterlassen, den persönlichen Einsatz des Klägers für das Wohlergehen seiner Eltern moralisch anzuerkennen und hoch zu schätzen.

Die moralische Verpflichtung empfindet der Kläger offensichtlich gerade deshalb als besonders eindringlich, weil er der einzige Nachkomme seiner Eltern ist. Gerade daraus resultiert aber nach Auffassung des Gerichts die fehlende Außergewöhnlichkeit der durch die Sorge um die Eltern veranlassten Aufwendungen. Nicht alle Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger aus einer anständigen und sittlich anzuerkennenden Gesinnung macht, können deshalb als zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG angesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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