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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 28.04.2005
Aktenzeichen: 5 K 2948/03
Rechtsgebiete: HGB, GewStG


Vorschriften:

HGB § 89b Abs. 1
HGB § 89b Abs. 2
HGB § 90a
GewStG § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Unternehmensberater im Modebereich und Handelsvertreter. Er wird im Streitjahr beim Finanzamt zur Gewerbesteuer veranlagt.

Seit 1985 war er als selbständiger Handelsvertreter für die R. Unternehmensgruppe tätig. Die Ausführung der Handelsvertretung überließ er in den Jahren vor 1996, ohne persönlich aber aus den Vertragverhältnissen auszuscheiden, der Modeagentur S. GmbH und der St. GmbH. Bei beiden GmbHs war er alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer.

Im Jahr 1995 traten Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und der R. Unternehmensgruppe auf, insbesondere weil der Kläger einen Geschäftsfreund bei der Gründung der N. GmbH unterstützte, die in Konkurrenz zur R. Unternehmensgruppe trat.

Mit Wirkung vom 31.12.1995 wurde die Modeagentur S. GmbH auf ihren Alleingesellschafter, den Kläger, verschmolzen. Der Bereich der St. GmbH wurde im Einzelunternehmen fortgeführt.

Um die Differenzen zu beenden, schloss die R. Unternehmensgruppe mit der Modeagentur S. GmbH und der St. GmbH unter anwaltlicher Vertretung am 04.01.1996 einen Vergleich.

Das Handelsvertretungsverhältnis wurde zum 31.12.1995 beendet.

Die Ziffer 2 des Vergleiches lautet:

"Die R. GmbH verpflichtet sich gegenüber" dem Kläger, "an diesen einen Ausgleich gemäß § 89 b HGB in Höhe von DM 5.000.000,- (in Worten Fünfmillionen) und zwar DM 3.000.000, mit Abschluss dieses Vertrages, DM 1.000.000,- DM am 31.12.1996 und DM 1.000.000,- am 31.12.1997, jeweils zuzügl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer, zu zahlen."

Die Ziffer 3 des Vergleiches lautet:

Der Kläger "verpflichtet sich, bis 31.12.1997 weder selbst, noch über Dritte, insbesonderenicht über seine Firmen Modeagentur S. GmbH und St. GmbH, Geschäfte im Bereich DOB; HAKA und KIKO in der Bundesrepublik Deutschland Geschäfte zu tätigen. Eine etwaige Entschädigung hierfür wird durch die obige Ausgleichszahlung abgegolten."

Das beklagte Finanzamt unterwarf nach einer Außenprüfung in dem nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1996 vom 03.08.2001 den gesamten Ausgleichsbetrag der Gewerbesteuer. Den dagegen gerichteten Einspruch des Klägers wies es in der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2003 als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Er ist der Auffassung, dass im Gesamtbetrag von 5 Mio. DM eine Entschädigung für das Wettbewerbsverbot i.H.v. 2 Mio. DM enthalten sei. Diese Entschädigung unterliege nicht der Gewerbesteuer. Der Abschluss des Wettbewerbsverbots habe nach dem Willen der Vergleichspartner eine erhebliche eigenständige wirtschaftliche Bedeutung gehabt.

Zwar habe er als Ausgleich gemäß § 89 b Handelsgesetzbuch (HGB) den Betrag von insgesamt 5 Mio. DM erhalten. Der Wortlaut der Vereinbarung sei jedoch nicht entscheidend. Ausschlaggebend sei vielmehr, was die Parteien wirtschaftlich gewollt hätten. Die erhaltene Zahlung sei nicht ausschließlich als Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB bezahlt worden. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 89 b HGB vorlägen, was im Hinblick auf den von ihm betriebenen unzulässigen Wettbewerb über die N. GmbH bezweifelt werden müsse, betrage der Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre berechneten Jahresprovision oder Jahresvergütung, nämlich 4.125.300 DM. Bereits dieses Missverhältnis zwischen dem gesetzlich maximal möglichen Ausgleichanspruch nach § 89 b HGB und den tatsächlichen Zahlungen zeige, dass die 5 Mio. DM nicht allein auf den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HBG entfallen sollten. Bei der Bestimmung der Höhe des Ausgleichsanspruchs habe das Finanzamt ferner nicht berücksichtigt, dass die Zahlungen an ihn auch erbracht worden seien, um die Vermittlung von Personal sowie die Mietverträge über die Showrooms abzugelten. Die Vergleichsparteien hätten zudem 2 Mio. DM als Entschädigung für das Wettbewerbsverbot vorgesehen.

Dem Wettbewerbsverbot komme eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 11.03.2003 IX R 76/99, BFH/NV 2003, 1161). Indizien dafür seien, dass die nach § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB maximal zulässige Dauer von 2 Jahren vereinbart worden sei und dass sich das Wettbewerbsverbot auf das Gebiet der gesamten Bundesrepublik erstreckt habe. Die Vereinbarung von Raten, hier zweimal 1 Mio. DM, sei bei Karenzentschädigungen in der Praxis weit verbreitet. Damit sei auch eine Kontrolle des Klägers, ob er das Wettbewerbsverbot beachte, verbunden gewesen. Verstoße ein Handelsvertreter gegen das Wettbewerbsverbot, verliere er für die Dauer des Wettbewerbsverstoßes seinen Anspruch auf Karenzentschädigung. Für die eigenständige wirtschaftliche Bedeutung des Wettbewerbsverbots spreche auch, dass die St. GmbH nicht als Handelsvertreter tätig gewesen sei und ihr kein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zustehe. Die Zahlungen von 2 Mio. DM stellten keine laufenden gewerblichen Einkünfte dar, sondern Einkünfte nach § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG), und stünden im Zusammenhang mit der Einstellungder gewerblichen Tätigkeit als Einzelunternehmer und der Liquidation sowohl der St. GmbHals auch der N. GmbH. Die Nichterwähnung der Entschädigung in Höhe von 2 Mio. DM basiere darauf, dass die Beteiligten mangels Hinzuziehung eines Steuerberaters keine Notwendigkeit für eine ausdrückliche Aufteilung gesehen hätten. Die Vergleichsvereinbarung sei nicht so eindeutig, wie das Finanzamt meine. Sie sei auslegungsfähig und auch auslegungs bedürftig. Unter Berücksichtigung dessen, was die Parteien gewollt hätten, sei davon auszugehen, dass die 5 Mio. DMnur als Gesamtsumme zu verstehen seien.

Der Kläger beantragt, den Gewinn aus Gewerbebetrieb mit 1.533.139 DM anzusetzen und den Bescheid über dieeinheitliche Feststellung des Gewerbesteuermessbetrags für 1996 vom 03.08.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2003 entsprechend zu ändern, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragtunter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung und den Wortlaut des Vergleichs, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Laufe des Klageverfahrens eingereichten Schriftsätze der Beteiligten (samt Anlagen) und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2005 verwiesen.

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages vom 04.01.1996 sind dem Kläger 5 Mio. DM ausschließlich aus einem Anspruch nach § 89b HGB bezahlt worden. Der auf § 89 b HGB beruhende Ausgleichsanspruch gehört zum laufenden Gewinn und ist damit dem Gewerbeertrag nach § 7 Gewerbesteuergesetz (GewStG) zuzurechnen, selbst wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Aufgabe des Betriebs zusammenfällt (ständige BFH-Rechtssprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 17.08.1995 XI B 73/95, BFH/NV 1996, 169).

Der Kläger stand persönlich als selbständiger Handelsvertreter in vertraglichen Beziehungen zur R. Unternehmensgruppe, auch wenn er sich dafür in den letzten Jahren vor Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses seiner GmbHs bediente. Die vom steuerlichen Vertreter beschriebenen Tätigkeiten im Rahmen seines Einzelunternehmens führen zu gewerblichen Einkünften.

Die vom Kläger und seinen Vergleichspartnern abgegebenen Erklärungen haben nach dem Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt, nämlich dass dem Kläger von der R. GmbH eine Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB in Höhe von insgesamt 5 Mio. DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer bezahlt wird. Im Übrigen ist bei Unterstellung eines abweichenden Willens der Vergleichsparteien dieser nicht heranzuziehen, weil er im Vergleich selbst nicht zum Ausdruck gebracht worden ist. Deshalb kann von der Vernehmung des vom Kläger angebotenen Zeugen R. abgesehen werden.

Es handelt sich nach dem eindeutigen Inhalt der Erklärungen um keinen pauschalen Gesamtvergleichsbetrag (Ansprüche nach § 89 b und 90 a HGB bzw. für Vermittlung von Personal und Übernahme von Mietverträgen etc.). Es kommt im Streitfall auch nicht darauf an, ob und in welcher Höhe die Tatbestandsvoraussetzungen der Ansprüche nach § 89 b und 90 a HGB tatsächlich erfüllt waren, da es gerade Sinn und Zweck des Vergleichs vom 04.01.1996 war, Grund und Höhe des Ausgleichsanspruch einvernehmlich zu regeln, so dass der Vergleich selbst zur Anspruchsgrundlage wurde.

Die Vergleichsparteien haben zudem in der Ziffer 3, wie die Formulierung "eine etwaige Entschädigung" zeigt, offen gelassen, ob die Wettbewerbsabrede überhaupt einen Anspruch des Klägers nach § 90 a HGB auslösen konnte. Bei Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters erhält dieser keine Entschädigung nach § 90 a HGB. Ein solch schuldhaftes Verhalten könnten die Vergleichsparteien - wie der Kläger im Klageverfahren selbst eingeräumt hat - in der möglicherweise wettbewerbswidrigen Tätigkeit des Klägers für die N. GmbH gesehen haben. Zu Recht weist das Finanzamt in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Ziffer 3 des Vergleichs nach Wortlaut und Inhalt lediglich eine Absicherung der R. Unternehmensgruppe gegen zusätzliche Forderungen des Klägers und eventuell daraus sich entwickelnder Rechtsstreitigkeiten darstellt.

Die Ziffer 4 des Vergleichs regelt nur die Absicherung der an den Kläger geschuldeten Teilbeträge durch selbstschuldnerische Bürgschaften.

Dem Vergleich ist entgegen der Auffassung des Klägers darüber hinaus auch zahlenmäßig keine Aufteilung in 3 Mio. Ausgleich nach § 89 b HGB und 2 Mio. Entschädigung nach § 90 a HGB zu entnehmen. Die Aufteilung hat zudem nur praktische Relevanz im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer. Nach den Angaben des Klägers kam es den Vergleichsparteien gerade nicht darauf an, den gezahlten Betrag aufzuteilen. Mit den Bilanzunterlagen 1996 hat der Kläger zudem erklärt, dass es sich um eine Veräußerung eines Teilbetriebs handele. Daraus und aus dem Wortlaut des Vertrages ist zu schließen, dass es den Vergleichsparteien nicht auf eine Aufteilung ankam, sondern dass außer der gewährten Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB alle weiteren theoretisch möglichen Ansprüche ohne rechtliche Konsequenzen bleiben sollten. Dem Wettbewerbsverbot kommt im Streitfall schon deshalb keine eigenständige Bedeutung zu, weil dafür eben kein bestimmtes Entgelt vereinbart wurde (vgl. BFH-Urteil vom 23.02.1999 IX R 86/95, BStBl II 1999, 590). Gegen eine "verdeckte Vereinbarung eines Entgelts" im Hinblick auf das Wettbewerbsverbot spricht der Vertragsinhalt und das Fehlen von Anhaltspunkten, dass die Vertragsparteien verdeckt handeln wollten und dafür, warum sie verdeckt handeln hätten wollen/sollen. Vielmehr sprechen die Gesamtbetrachtung aller Umstände und die seinerzeit bei den Parteien offensichtlich vorherrschende wirtschaftliche (nicht steuerrechtliche) Betrachtungsweise dafür, dass das Entgelt gerade nicht in einzelne Positionen aufgliedern, sondern eine Summe von 5 Mio. DM als Ausgleichsanspruch § 89 b HGB vereinbaren wollten. Dabei waren sie nicht an die Höchstgrenze in Abs. 2 der Vorschrift gebunden. Diese verhindert nur die einseitige Durchsetzung, nicht aber die Vereinbarung eines höheren - von beiden Parteien für angemessen im Sinne von § 89 b Abs. 1 erachteten - Ausgleichsanspruchs.

Im Übrigen wird gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die weitere zutreffende Begründung der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2003 verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Nichtzulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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