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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 20.09.2007
Aktenzeichen: 5 K 4302/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 4302/05

Kindergeld

In der Streitsache

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

....

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld für das Kind ... der Klägerin für Oktober 2004 sowie für Januar bis Juli und September bis Oktober 2005 festzusetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 50%, im Übrigen die Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

I. Die Klägerin begehrt Kindergeld für ihre Tochter ..., geboren am 28.08.1984. Streitig sind inzwischen nur noch die Zeiträume März bis Dezember 2003, April bis Juni 2004, Oktober 2004, Januar bis Juli 2005 und September bis Oktober 2005.

Mit Bescheid vom 25.07.2005 hob die Familienkasse (die Beklagte) das Kindergeld für ... auf, weil die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung volljähriger Kinder nicht vorgelegen hätten. Am 27.10.2005 gewährte die Beklagte Kindergeld für August 2005, nachdem sich Simone am 12.08.2005 arbeitslos gemeldet hatte, hielt aber im Übrigen an ihrer Auffassung fest. ... habe sich ab dem 16.09.2002 zwar in Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a Einkommensteuergesetz (EStG) befunden. Das Ausbildungsverhältnis habe sie jedoch am 14.02.2003 beendet. In der Zeit vom 10.01.2004 bis zum 10.03.2004 habe sie ein Praktikum als Sanitätshelferin absolviert, welches ebenfalls als Ausbildung anerkannt werden könne. Eine weitere Ausbildung sei nicht nachgewiesen. ... habe sich dann am 15.07.2004 bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet. Da sie jedoch zu einer Einladung zur Vorsprache am 06.09.2004 ohne Angabe von Gründen nicht erschienen sei, sei ihr Bewerberangebot am 07.09.2004 abgemeldet worden. Eine erneute Meldung sei erst wieder am 12.08.2005 erfolgt. Dementsprechend sei ... nur von Juli bis September 2004 und im August 2005 bei der Kindergeldfestsetzung berücksichtigt worden. Ab September 2005 lägen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines Kindes nach Vollendung des 21. Lebensjahres nicht vor. Die Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG setze voraus, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen sei, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. ... sei nicht bei der Berufsberatung als Bewerberin um einen Ausbildungsplatz gemeldet gewesen und es lägen auch keine bzw. keine ausreichenden Nachweise für Eigenbemühungen vor. Der von ... vorgelegten Firmenliste könne nicht entnommen werden, ob sich ... dort auch tatsächlich beworben habe und ob es sich um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gehandelt habe. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 03.11.2005 zurück.

Mit der Klage wies die Klägerin auf bereits der Familienkasse vorgelegte Bewerbungsunterlagen für August 2004 bis Februar 2005 hin. Durch eine Schwangerschaft von Januar bis Oktober 2005 sei ... nicht vermittelbar gewesen. Von der Agentur für Arbeit Duisburg habe sie die Auskunft erhalten, erst für das Ausbildungsjahr 2006 vermittelbar zu sein. ... habe sich im Juli 2004 in Duisburg arbeitssuchend gemeldet und um einen Termin zur Berufsberatung gebeten, diesen aber nie bekommen. Im November 2004, nach vergeblichen eigenen Bewerbungen, habe sie dort erneut vorgesprochen und festgestellt, dass sie dort fälschlicherweise als "..." (Name des Kindes fälschlich mit Auslassung eines Buchstabens des Vornamens) erfasst worden sei. Auf ihre eigenen Bewerbungen um Ausbildungsstellen habe sie 4 Absagen bekommen, 6 Betriebe hätten nicht geantwortet, und sie habe im August bzw. Dezember 2004 zwei Praktika absolviert. Bei der Berufsberatung am 07.03.2005 sei sie bereits schwanger gewesen und habe die Mitteilung erhalten, dass es mit einer Schwangerschaft unmöglich sei, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Sie solle sich nach der Geburt ihres Kindes wieder melden, um vielleicht im September 2006 eine Ausbildung anzustreben. Mit ihrer Klage legte die Klägerin auch Bewerbungen von ... um einen Ausbildungsplatz als Restaurantfachfrau bzw. Arzthelferin vor (4 x vom 13.08.2004, 1x 26.10.2004, 1x 30.11.2004, 1x 02.12.2004, 1x 02.02.2005, 2x 06.02.2005) sowie eine Antwort des Novotel vom 02.12.2004 auf die Bewerbung vom 30.11.2004 mit einem Praktikumsangebot vom 13. bis 26.12.2004.

Daraufhin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 28.03.2006 Kindergeld für November und Dezember 2004. Mit Bescheid vom 27.10.2005 gewährte die Beklagte auch Kindergeld - nur - für August 2005.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtenen Verwaltungsakte aufzuheben und ihr Kindergeld für März bis Dezember 2003, April bis Juni 2004, Oktober 2004, Januar bis Juli 2005 und September bis Oktober 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Kindergeld für den Zeitraum der Schwangerschaft könne nicht gewährt werden, da Simone ab Januar 2005 nicht arbeitssuchend gemeldet gewesen sei und auch keine Unterbrechung der Ausbildung wegen Schwangerschaft vorgelegen habe. ... sei lediglich für November und Dezember 2004 als ausbildungswilliges Kind berücksichtigt worden. Eine Berücksichtigung sei zwar auch dann möglich, wenn das Kind wegen eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz nicht bei einer Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet sei. Eine Berücksichtigung während des Beschäftigungsverbots setze jedoch voraus, dass das Beschäftigungsverbot durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen sei und das Kind glaubhaft erkläre, sich unmittelbar nach Wegfall der Hinderungsgründe bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Unterlagen über ...s Streichung aus der Kartei der Arbeitssuchenden seien zwar in Duisburg angefordert worden, jedoch dort nicht oder nicht mehr vorhanden. Aus dem betriebsinternen Informationssystem VERBIS könne nur der Werdegang vorgelegt werden, nach dem die Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung am 07.09.2004 veranlasst worden und ... im strittigen Zeitraum nicht arbeitssuchend gemeldet gewesen sei. Sie sei vom 28.01.2005 bis Oktober 2005 auch nicht als Bewerberin für eine Ausbildungsstelle gemeldet gewesen.

Im Übrigen wird auf die Kindergeldakte, die Einspruchsentscheidung und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

II. Die Klage ist teilweise begründet.

1. Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird für Kindergeldzwecke berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet ist oder noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 a und c EStG in der für die streitigen Zeiträume anzuwendenden Fassung.

a) Für März bis Dezember 2003 hat die Klägerin nicht vorgetragen, womit diese Voraussetzungen nachgewiesen sein könnten. ... hat am 14.02.2003 die Probezeit der FOS nicht bestanden und bezeichnet sich in ihrem Lebenslauf ab diesem Zeitpunkt als ausbildungssuchend. Sie war jedoch weder bei einer Agentur für Arbeit gemeldet noch hat sie für diesen Zeitraum Eigenbemühungen nachgewiesen.

b) Gleiches gilt für den Zeitraum April bis Juni 2004, in dem ... zu ihrem Freund nach Duisburg umgezogen ist. Erst am 15.07.2004 hat sie sich bei der dortigen Agentur für Arbeit gemeldet.

c) Ab Juli 2004 war ... arbeitslos und damit für Kindergeldzwecke zu berücksichtigen. Der Bezugszeitraum endet mit Ablauf September 2004 wegen der Streichung aus der Bewerberliste mangels Erscheinens zur Vorsprache.

d) ...s Eigenbemühungen um einen Ausbildungsplatz im Oktober 2004 erscheinen jedoch - wie in den Monaten davor und danach von der Beklagten auch anerkannt -glaubhaft und führen zur Berücksichtigung auch im Oktober 2004.

e) ... ist auch von Januar bis Juli und von September bis Oktober 2005 für Kindergeldzwecke zu berücksichtigen. Sie hat sich am 28.01.2005 bei der Agentur für Arbeit in Duisburg zur Beratung angemeldet. Das Beratungsgespräch hat erst am 07.03.2005 und damit bereits während ...s Schwangerschaft, stattgefunden. Nach dem Aktenvermerk der Beratungsstelle habe sich ... -ohne Bewerber für eine berufliche Ausbildungsstelle zu sein -zwecks Erlangung einer Ausbildungsstelle beraten lassen. Diese Einschätzung erscheint vor dem Hintergrund der laufenden, von Juli 2004 bis Februar 2005 nachgewiesenen Eigenbewerbungen nicht als zutreffend, sie bezieht sich lediglich auf die Vermittelbarkeit und nicht auf die Bewerbung selbst. Wegen des eindeutigen Hinweises, sich erst wieder im Ausbildungsjahr 2006 zu bewerben, kann die Kindergeldberechtigung auch nicht für September und Oktober 2005 mit dem Hinweis auf eine etwaige mangelnde Ausbildungswilligkeit verneint werden. ... war ausbildungswillig, aber nicht vermittelbar. Dies kann nicht zur Versagung des Kindergeldanspruchs führen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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