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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 01.08.2007
Aktenzeichen: 5 S 4787/06
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, GG, AO


Vorschriften:

FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 114
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
AO § 231
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 S 4787/06

Bewilligung von Prozesskostenhilfe

In dem Verfahren

...

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Richters am Finanzgericht xxx als Vorsitzender,

des Richters am Finanzgericht xxx und

des Richters am Finanzgericht xxx

ohne mündliche Verhandlung

am 01. August 2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgewiesen.

Gründe:

I. Streitig ist im Hauptsacheverfahren unter dem Az. 5 K 4786/06, ob der Beklagte, das Zentralfinanzamt xxx, im Abrechnungsbescheid vom 29.07.2005 und der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2006 zutreffend Säumniszuschläge von insgesamt 13.471,58 EUR ausgewiesen hat. Diese Säumniszuschläge gehören zu Einkommensteuern 1980 bis 1983 und Umsatzsteuern 1982 und1983. Der Antragsteller trägt hierzu vor, diese Säumniszuschläge seien durch Zahlungsverjährung erloschen. Es hätten insbesondere nicht die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen vorgelegen, um durch bloße Anfragen beim Einwohnermeldeamt am 05.09.1989 und am 22.07.1994 jeweils eine neue Frist für die Zahlungsverjährung in Gang zu setzen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die zum Prozesskostenhilfeverfahren sowie zum Hauptsacheverfahren eingereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II. Der Antrag ist unbegründet.

a) Nach § 142 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll zwar nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dies an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist indes nur gegeben, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlich dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Erfolg führen kann.

Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss berücksichtigt werden, dass der Zweck der Prozesskostenhilfe darin besteht, eine möglichst weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes zu gewährleisten und damit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG Rechnung zu tragen. Deshalb dürfen bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels keine zu großen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere dürfen im Prozesskostenhilfe- Verfahren keine schwierigen, bislang noch nicht hinreichend geklärten Rechts- oder Tatsachenfragen entschieden werden, deren Entscheidung grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist. Wenn auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe regelmäßig auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirkt, so sind gleichwohl für die Beurteilung der Erfolgsaussichten die Verhältnisse und der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfe-Antrag maßgebend (vgl. z.B. Bundesfinanzhof -BFH- Beschluss vom 17.01.2006 VIII S 6/05, BFH/NV 2006, 801, m.w.N.).

b) Im Streitfall bestehen keine hinreichenden Erfolgsaussichten im o. a. Sinne.

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 24.11.1992 Folgendes ausgeführt (VII R 63/92, BStBl II 1993, 220, bestätigt in BFH-Urteil vom 08.11.1994 VII R 1/93, BFH/NV 1995, 657): "Nach § 231 Abs.1 Satz 1 AO 1977 wird die Verjährung unterbrochen durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs, durch Zahlungsaufschub, durch Stundung, durch Aussetzung der Vollziehung, durch Sicherheitsleistung, durch Vollstreckungsaufschub, durch eine Vollstreckungsmaßnahme, durch Anmeldung im Konkurs und durch Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen.

Aus den im Gesetz abschließend aufgezählten, die Verjährung unterbrechenden Maßnahmen ergibt sich, dass diese auf den konkreten Anspruch, dessen Verjährung unterbrochen werden soll, gerichtet sein müssen. Dazu muss zum Ausdruck kommen, dass die Finanzbehörde einen bestimmten Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, wenn nicht sofort, so doch später, realisieren will. Daraus folgt hinsichtlich der für den Streitfall als Unterbrechungsmaßnahme allein in Betracht kommenden "Ermittlungen nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen", dass es sich um Ermittlungshandlungen der Finanzbehörde handeln muss, die auf die Durchsetzung des Steueranspruchs gerichtet sind. Das kann aber grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn die Finanzbehörde besonderen Anlass hat, zum Zwecke der Realisierung ihres Anspruchs den Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen zu ermitteln. Ein solcher Anlass zu Ermittlungshandlungen besteht nur dann, wenn die Finanzbehörde den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort des Verpflichteten nicht kennt. Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, stellen danach schematische Anfragen an das Einwohnermeldeamt, die nach den Umständen des Falles nicht erforderlich sind, keine Maßnahmen dar, die als "Ermittlungen" i.S. des § 231 AO 1977 angesehen werden können. Sie können folglich die Verjährung des Anspruchs nicht unterbrechen. ... Die Revision weist ferner zu Recht darauf hin, dass auch der alleinige Zweck einer Anfrage an das Einwohnermeldeamt, die Zahlungsverjährung zu unterbrechen, diese Maßnahme nicht von vornherein wirkungslos macht. Wie oben ausgeführt, führt aber die Auslegung des Begriffs der "Ermittlungen" in § 231 Abs.1 Satz 1 AO 1977 nach seinem Wortsinn und die Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung über die Verjährungsunterbrechung zu dem Ergebnis, Maßnahmen des FA nur dann als Ermittlungen nach dem Wohnsitz oder Aufenthaltsort anzusehen, wenn dem FA der Wohnsitz des Zahlungspflichtigen nicht bekannt war. Denn die Unterbrechungswirkung von Ermittlungen nach dem Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Steuerpflichtigen setzt nach dem Zweck des Gesetzes (vgl. insoweit die Erweiterung des § 231 Abs.1 AO 1977 gegenüber den Unterbrechungsmaßnahmen nach den §§ 208 bis 210 BGB) voraus, dass der Zahlungsanspruch nur mangels Kenntnis des Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts des Verpflichteten nicht realisiert werden kann. Sind aber Wohnsitz oder Aufenthaltsort dem FA nicht unbekannt und hat dieses keinerlei Anlass, am Fortbestand des ihm bekannten Wohnsitzes zu zweifeln, so handelt es sich bei Nachforschungen bzw. Vergewissern über den Wohnsitz des Zahlungspflichtigen nicht um Ermittlungen i.S. des § 231 Abs.1 AO 1977. Bei dieser Auslegung des Gesetzes wird --entgegen der Auffassung der Revision--die Rechtssicherheit hinsichtlich des in § 231 Abs.1 AO 1977 geregelten Katalogs der Unterbrechungshandlungen nicht beeinträchtigt." Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Die Anfragen haben bei summarischer Prüfung anhand der präsenten Beweismittel jeweils eine neue Zahlungsverjährungsfrist in Gang gesetzt, weil dem Finanzamt der Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Antragstellers unbekannt war. Dies ergibt sich aus den vorliegenden, vom 3. Senat des Finanzgerichts München aus dem Verfahren 3 K 2164/05 beigezogenen Vollstreckungsakten. Der Antragsteller war bereits seit 1984 unbekannten Aufenthalts. Der Anfrage 1984 beim Einwohnermeldeamt ging eine Sachpfändung in der xxx Straße 34 voraus, bei der die nachfolgende Einschaffung wegen des unbekannten Aufenthalts des Antragstellers nicht mehr möglich war. Auf Nachforschungen in der yyystraße 34 rief nach Aktenlage ein Herr beim Zentralfinanzamt München an und erklärte, der Antragsteller wohne nicht dort und der tatsächliche Aufenthalt sei unbekannt. Weiter ist aktenkundig, dass der Antragsteller seinen Betrieb, ein Reisebüro, zum 31.08.1984 beendete. Bei dieser Sachlage stellt eine Wohnsitzanfrage beim Einwohnermeldeamt keine sog. "Ermittlung ins Blaue hinein" dar.

Auf unveränderter Tatsachengrundlage erfolgten weitere Wohnsitzermittlungen bis hin zu den Anfragen 1989 und 1994. Für 1994 tritt lediglich die Besonderheit hinzu, dass dem Antragsteller mit Schreiben vom 12.08.1994 eine Zahlungsaufforderung unter der Adresse zzzstraße 18 übersandt worden ist. Die Aufforderung sowie eine entsprechende Meldeamtsanfrage verliefen erfolglos. Diese Anschrift verwendet der Antragsteller ab April 1995 jedoch selbst, z.B. im Schriftsatz vom 12.06.1995. Denkbar wäre daher auch, dass die Zahlungsverjährung nicht erst durch die Wohnsitzanfrage 1994, sondern bereits durch die vorangegangene Zahlungsaufforderung unterbrochen worden ist, § 231 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Der Frage, woraus sich die Anschrift zzzstraße ergab, bleibt daher ohne weitere Bedeutung.

c) Das vor dem 3. Senat des Finanzgerichts München anhängige Verfahren betreffend den Erlass von Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer 1980 - 1983 sowie zur Umsatzsteuer 1982 und 1983 ist nicht vorgreiflich. Erst wenn der Antragsteller in diesem Verfahren obsiegen würde, würden sich die in den im vorliegenden Verfahren angegriffenen Verwaltungsakten enthaltenen Beträge ändern.

d) Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Der erfolglose Antrag auf Prozesskostenhilfe löst keine Gerichtskosten aus (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16.08.2003 - X S 5/03[Prozesskostenhilfe], X S 5/03, BFH/NV 2004, 2004, 66).

Ende der Entscheidung

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