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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 5 V 1558/07
Rechtsgebiete: EStG, FGO, AO, GG


Vorschriften:

EStG § 10d Abs. 4 S. 1
EStG § 52 Abs. 25 S. 5
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
AO § 171 Abs. 3
AO § 171 Abs. 5
AO § 181 Abs. 5
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 V 1558/07

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Einkommensteuer 1997, 2001 -2005

Zinsen, Solidaritätszuschlag, Verspätungszuschlag

In der Streitsache

...

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Richters am Finanzgericht xxx als Vorsitzender,

der Richterin am Finanzgericht xxx und

der Richterin am Finanzgericht xxx

ohne mündliche Verhandlung

am 14. August 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2001, 2003 bis 2005, jeweils vom 12.09.2005, und die diesbezüglichen Einspruchsentscheidungen werden in folgender Höhe ausgesetzt:

Einkommensteuer 2001 in Höhe von 11.920,26 Euro;

Einkommensteuer 2003 in Höhe von 9.966,00 Euro;

Einkommensteuer 2004 in Höhe von 10.288 Euro;

Einkommensteuer 2005 in Höhe von 17.381,00 Euro.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 13%, der Antragsgegner zu 87%.

Gründe:

I. Streitig ist im Einspruchsverfahren bezüglich der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlusts zum 31.12.1996, ob für den Antragsteller Verluste in einer Höhe festzustellen sind, die zum Wegfall der festgesetzten Einkommensteuer 1997, 2001 und 2003 bis 2005 führen.

Der Antragsteller hatte für 1996 keine Einkommensteuererklärung abgegeben. Die Einkommensteuer 1996 war zunächst im Wege der öffentlichen Bekanntgabe festgesetzt worden. Der Antragsgegner, das Finanzamt München IV, räumt aber inzwischen ein, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Bekanntgabe nicht gegeben waren, ohne dass es inzwischen den Einkommensteuerbescheid 1996 aufgehoben hätte. Im Einkommensteuerbescheid 1996 vom 13.02.1998 ist eine Einkommensteuerzahllast von 4.964 DM ausgewiesen. Das Finanzamt hat eine Veranlagung anhand der vom Antragsteller am 16.09.2005 eingereichten Einkommensteuererklärung 1996 wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung abgelehnt. Der Ast. trägt vor, dass die Einkommensteuern 1997, 2001 sowie 2003 bis 2005 wegfallen würden, wenn der Ag. den verbleibenden Verlust aus gewerblichen Einkünften zum 31.12.1996 wie beantragt mit 2.177.921,28 DM feststellt. Der Ag. hat eine entsprechende Feststellung mit Bescheid vom 09.10.2005 abgelehnt, der Ast. hat hiergegen Einspruch erhoben.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidungen, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1997 in Höhe von 7.451,06 EUR, 2001 in Höhe von 11.920,26 EUR, 2003 in Höhe von 9.966,00 EUR, 2004 in Höhe von 10.288,00 EUR, 2005 in Höhe von 17.381,00 EUR wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.

Der Antragsgegner (Finanzamt ) beantragt,

den Antrag abzulehnen.

II. Über den Verlustabzug ist bindend erst im Rahmen des Verlustabzugsjahres zu entscheiden (Bundesfinanzhof -BFH-Beschluss vom 23.02.2007 VIII B 106/06, BFH/NV 2007, 1164). Deshalb ist der Antragsteller nicht auf Rechtsmittel bzw. den einstweiligen Rechtsschutz wegen der Verlustfeststellung zum 31.12.1996 zu verweisen.

Der Antrag ist für Einkommensteuer 1997 unbegründet, im Übrigen aber begründet.

1. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des aktenkundigen Sachverhalts treten hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide 2001, 2003 bis 2005 neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Streitsache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht bewirken (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994;vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298).

Dies gilt auch für ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15.12.2000 IX B 128/99, BFHE 194, 157, BStBl II 2001, 411). An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen, als im Falle der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschluss vom 10.02.1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454).

2. Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlust ist gesondert festzustellen, § 10 d Abs. 4 Satz 1 EStG. Ein erstmaliger Feststellungsbescheid nach § 10 d EStG kann auch dann noch ergehen, wenn eine Veranlagung zur Einkommensteuer wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 01.03.2006 XI R 33/04 BFHE 212, 497, BFH/NV 2006, 1204 unter Tz. II.c mit nicht nur auf die Antragsveranlagung bezogenen Ausführungen). Eine gesonderte Feststellung kann auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist, § 181 Abs. 5 Satz 1 Abgabenordnung (AO 1977). § 181 Abs. 5 AO 1977 ist bei der Verlustfeststellung nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat, § 10 d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG. Letztere -die bisher zeitlich unbegrenzt mögliche Verlustfeststellung einschränkende -Regelung gilt für alle am 19.12.2006 noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen, § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG (vgl. Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 BGBl. I S. 2878).

a) Nach diesen Grundsätzen ist bei summarischer Prüfung die Einkommensteuer 1997 nicht von der Vollziehung auszusetzen. Denn über diesen Veranlagungszeitraum ist durch die Einspruchsentscheidung vom 23.03.2007, gegen die keine Klage erhoben wurde, bestandskräftig entschieden. Damit ist die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO 1977 entfallen. Der Einspruch hatte sich gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 1997 aufgrund der beim Ast. für die Veranlagungszeiträume ab 1997 durchgeführten, inzwischen abgeschlossenen Steuerfahndungsprüfung gerichtet; auch die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO 1977 ist damit entfallen. Damit ist die Einkommensteuer 1997 verjährt, und die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.1996 ist für sie nicht mehr von Bedeutung.

b) Anders verhält es sich mit den Einkommensteuerbescheiden 2001 und 2003 bis 2005, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist und bei denen sich verbleibende Verluste zum 31.12.1996 noch auswirken könnten. Denn bei summarischer Prüfung erscheint es zweifelhaft, ob die festgesetzten Einkommensteuern nicht doch durch vortragsfähige Verluste aus dem Veranlagungszeitraum 1996 ausgeglichen werden können.

aa) Der Senat schließt sich zunächst bei summarischer Prüfung der zuletzt vertretenen Auffassung des Ag. an, wonach die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung des Einkommensteuerbescheids 1996 nicht gegeben waren. Damit ist für Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes von der Nichtigkeit des ein positives zu versteuerndes Einkommen ausweisenden Einkommensteuerbescheids 1996 auszugehen. Dieser Bescheid steht somit einer Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nicht entgegen (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 09.12.1998 XI R 62/97, BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3 undvom 09.05.2001 XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817). Ebenso geht der Senat davon aus, dass eine Einkommensteuerfestsetzung 1996 wegen der inzwischen eingetretenen Festsetzungsverjährung nicht mehr erfolgen kann. Da der VZ 1996 nicht von der Steuerfahndungsprüfung betroffen war, ist diese mit Ablauf 2003 eingetreten.

bb) Der Senat geht bei summarischer Prüfung der vorliegenden, in den Steuerakten befindlichen Unterlagen -ebenso wie der Ag. -davon aus, dass dem Ast. im Veranlagungszeitraum 1996 ein Verlust nach § 17 EStG in einer Höhe entstanden war, der im Wege des Verlustvortrags zum Wegfall der Einkommensteuer 2001 und 2003 bis 2005 führen würde.

cc) Dass die Einkommensteuer 1996 inzwischen festsetzungsverjährt ist, steht einer Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.1996 nicht entgegen. Der Senat entnimmt dem BFH-Urteil vom 02.08.2006 XI R 65/05, BFH/NV 2006, 2345, dass die Verlustfeststellung in einem eigenständigen, von der Einkommensteuerfestsetzung verselbständigten Verfahren erfolgt, und schließt sich dieser Auffassung für Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes an (vgl. auch zur Antragsveranlagung BFH-Urteil vom 01.03.2006 XI R 33/04, BFHE 212, 497, BFH/NV 2006, 1204). Nach § 10 d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG i.V.m. § 181 Abs. 5 AO 1977 kann eine gesonderte Verlustfeststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist nur noch dann nachgeholt werden, wenn sie für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist und die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat. Nach dieser für alle (gemeint ist wohl: wegen des bisher einschränkungslosen § 10 d Abs. 4 Satz 6 EStG nach § 181 Abs. 5 AO 1977) noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen anwendbaren Neuregelung wären die Verluste 1996 für den Ast. verloren.

Die Neuregelung begegnet wegen ihrer Rückwirkungsproblematik sowie der in ihr enthaltenen Verletzung schutzwürdigen Vertrauens der Steuerpflichtigen in eine Feststellung in der Vergangenheit erlittener Verluste bei summarischer Prüfung erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die verfassungsrechtliche Rechtsprechung und Literatur unterscheidet üblicherweise zwischen sogenannter echter und unechter Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt für einen Besteuerungssachverhalt vor, wenn der Gesetzgeber nachträglich den zeitlichen Anwendungsbereich einer Rechtsnorm auf einen Zeitpunkt festlegt, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Rückbewirkung von Rechtsfolgen, die grundsätzlich unzulässig ist. Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung ist gegeben, wenn die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach ihrer Verkündung eintreten, jedoch auch Sachverhalte erfasst werden, die Teil des gesetzlichen Tatbestandes sind, an den die Rechtsnorm nach ihrer Verkündung ihre Rechtsfolge knüpft.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Das BVerfG hat dazu im Zusammenhang mit periodischen Steuern eine Systematik entwickelt, die zwar mit wechselnden Begriffen arbeitet, im Kern aber auf folgende Unterscheidung hinausläuft: Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist eine steuerbegründende oder steuererhöhende Bestimmung in der Regel unvereinbar, wenn und soweit sie für einen Veranlagungszeitraum gelten soll, der im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen war ("echte" Rückwirkung; "Rückbewirkung von Rechtsfolgen").

Dagegen ist es im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG grundsätzlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber während eines Veranlagungszeitraums eine solche Bestimmung in Kraft setzt und zugleich bestimmt, dass sie mit Wirkung zu Beginn jenes Veranlagungszeitraums gelten soll ("unechte" Rückwirkung; "tatbestandliche Rückanknüpfung"). In der letztgenannten Situation darf das steuerbegründende oder -erhöhende Gesetz regelmäßig auch diejenigen Sachverhalte erfassen, die auf einer vor ihrem Inkrafttreten getätigten Disposition des Steuerpflichtigen beruhen (BFH-Urteil vom 8. November 2006 I R 69, 70/05, BFH/NV 2007, 616 unter Verweis auf die BFH-Beschlüsse vom 6. November 2002 XI R 42/01, BStBl II 2003, 257 undvom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BStBl II 2004, 284).

Ob lediglich eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung vorliegt, erscheint äußerst zweifelhaft, da die Verluste mindestens 10 Jahre vor der geänderten Gesetzesfassung entstanden sind und in der verstrichenen Zeit auch zur Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.1996 geführt hätten.

Nach einer weiteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu "Verschonungssubventionen" im Schiffsbau (BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67) ist jedoch die Diskussion über die Zulässigkeit von rückwirkenden Gesetzen im Steuerrecht wieder in Gang gekommen. In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Frage erörtert, ob die Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Rückwirkung im Bereich der Steuergesetze neu zu bestimmen sei. So hat der IX. Senat des BFH hierzu erwogen, dass in den Fällen "tatbestandlicher Rückanknüpfung" ("unechter" Rückwirkung) nicht jegliche steuerbegründende oder -erhöhende Gesetzesänderung für zulässig zu erachten sei. Vielmehr bedürfe es auch in einer solchen Konstellation einer Abwägung zwischen dem durch eine Disposition betätigten Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand des geltenden Rechts einerseits und dem Änderungsinteresse des Staates andererseits (BFH-Beschluss in BStBl II 2004, 284). Darüber hinausgehend hat der XI. Senat des BFH die Auffassung vertreten, dass die Verkündung des Änderungsgesetzes derjenige Zeitpunkt sei, "bis zu dem das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die alte Rechtslage nach den Grundsätzen einer echten Rückwirkung schutzwürdig ist" (BFH-Beschlüsse vom 2. August 2006 XI R 34/02, BStBl II 2006, 887 und XI R 30/03, BStBl II 2006, 895).

Nach diesen Auffassungen ist es bei summarischer Prüfung ernstlich zweifelhaft, ob die Anwendung des § 10 d Abs. 4 Satz 6 EStG im Streitfall mit Art. 20 GG vereinbar ist. Zumindest nach der Rechtsansicht des XI. Senats stünde dem der Vertrauensschutz für die Antragstellerin entgegen. Denn der Ag. hat spätestens 2005 und damit vor Verkündung des Änderungsgesetzes Kenntnis vom Verlust 1996 erlangt.

Diese tatsächlich entstandenen und materiell vom Ast. zu tragenden Verluste nunmehr durch eine verfahrensrechtliche Regelung wegfallen zu lassen widerspricht bei summarischer Prüfung auch den Ausführungen der BFH-Rechtsprechungim Urteil vom 12.06.2002 XI R 26/01, BStBl II 2002, 681 unter Tz. II.2. b) cc): "Feststellungsbescheide haben keinen Selbstzweck. ... Nach § 181 Abs. 5 AO 1977 hat die verfahrensmäßige Verselbständigung des Feststellungsverfahrens hinter der materiellen Richtigkeit der Folgebescheide zurückzutreten, für die noch keine Festsetzungs- oder Feststellungsverjährung eingetreten ist. Dieses gesetzliche Vorverständnis von Sinn und Zweck der Feststellungsbescheide verbietet es, ...auf diese Weise vortragsfähige Verluste allein wegen der Feststellungsverjährung untergehen zu lassen." Versteht man unter "materieller Richtigkeit der Folgebescheide" unter Berücksichtigung des Nettoprinzips, das per Verlustvortrag in die nachfolgenden Veranlagungszeiträume hineinwirkt, auch den Abzug des verbleibenden Verlustvortrags in den Folgejahren, so ist zweifelhaft, ob das Feststellungsverfahren durch die Neuregelung nicht doch zum Selbstzweck erhöht wird, wenn der Verlustabzug in bestimmten Fällen nur noch bei pflichtwidrigem Unterlassen der Finanzbehörden gewährt wird.

Dahingestellt bleiben kann, ob pflichtwidriges Unterlassen vorlag und nicht allein darauf abgehoben werden kann, dass der Ast. für 1996 innerhalb der Festsetzungsfrist keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, sondern auch darauf, ob nicht schon die Steuerfahndung bei ihrer Prüfung im Rahmen der Ermittlung des Prüfungsergebnisses den Verlustvortrag aus 1996 mit hätte berücksichtigen müssen. Der verbleibende Verlustvortrag ist Besteuerungsgrundlage im Sinne des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977.

Nach § 10 d Abs. 3 Satz 1 EStG hat die Finanzverwaltung den verbleibenden Verlustvortrag jedenfalls von Amts wegen zu ermitteln und somit ohne Antrag des Steuerpflichtigen festzustellen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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