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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 04.07.2008
Aktenzeichen: 7 V 1196/08
Rechtsgebiete: BGB, EStG, HGB, AO


Vorschriften:

BGB § 781
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1
HGB § 253 Abs. 1 S. 1
AO § 146 Abs. 1 S. 2
AO § 147 Abs. 1 Nr. 5
AO § 158
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

7 V 1196/08

In der Streitsache

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Richters am Finanzgericht ... als Vorsitzender,

des Richters am Finanzgericht ... und ...

der Richterin am Finanzgericht ...

ohne mündliche Verhandlung

am 04. Juli 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob und ggf. mit welchem Wertansatz die Schadenersatzforderung des Antragstellers gegen den Verkaufsvermittler W zu aktivieren ist und ob der Antragsgegner (das Finanzamt) ungeklärte Privateinlagen zu Recht dem Gewinn und den steuerpflichtigen Umsätzen der Antragsteller in den Streitjahren 2003 bis 2005 hinzugerechnet hat. Das Finanzamt hat den bei ihm gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) mit Verwaltungsakt vom 13. März 2008 abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 6. Dezember 2007, die Jahresabschlüsse 2003 bis 2005, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß

die AdV der Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2005 vom 28. Januar 2008 in Höhe von 58.080 EUR (2003), 11.519 EUR (2004), 10.934 EUR (2005), der Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005 vom 28. Januar 2008 in Höhe von 3.551,40 EUR (2003), 12.243,41 EUR (2004), 13.162,65 EUR (2005) und der Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 bis 2005 28. Januar 2008 in Höhe von 7.385 EUR (2003), 2.205 EUR (2004), 1.690 EUR (2005) wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzulehnen.

II.

Der Antrag ist unbegründet.

Der Senat legt den Antrag dahin aus, dass - wie im Schreiben vom 18. April 2008 sinngemäß ausgeführt - die AdV der angefochtenen Bescheide insoweit beantragt wird, als sich aus ihnen eine Nachforderung aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung ergibt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen jedoch nicht.

1. Die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei überschlägiger Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen eine Unklarheit in der Beurteilung von Tatsachen oder eine Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (Bundesfinanzhof -BFH- Beschluss vom 18. Mai 2001 - VIII B 25/01, BFH/NV 2001, 1119).

Der Antrag auf AdV ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 - IX R 141/89, BStBl II 1994, 756).

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

a) Die Bilanzen des Antragstellers für die Streitjahre 2003 bis 2005 sind unrichtig, soweit dieser es unterlassen hat, die Schadensersatzforderung gegen den Verkaufsvermittler W gemäß dem notariellem Schuldanerkenntnis zu aktivieren. Die im Einspruch vom 15. Februar 2008 geäußerte Auffassung des Antragstellers, eine Forderung sei bereits dem Grunde nach nicht entstanden, trifft nicht zu. Vielmehr ist es gerade das Wesen eines Schuldanerkenntnisses nach § 781 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), dass dadurch eine neue Forderung bzw. Schuld entsteht (konstitutives Schuldanerkenntnis) oder - wie im Streitfall - eine bereits bestehende Forderung bzw. Schuld bestätigt wird (deklaratorisches Schuldanerkenntnis; vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 781 Rz. 2 f.).

Auch der Auffassung der Antragsteller, dass - im Falle des Bestehens einer Forderung dem Grunde nach - diese nicht mit dem Nennwert, sondern mit einem Teilwert von 0 EUR zu aktivieren sei, kann nicht gefolgt werden. Geldforderungen sind in der Steuerbilanz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG), ebenso wie in der Handelsbilanz gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB, grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Diese entsprechen ihrem Nennwert (BFH-Urteile vom 23. November 1967 - IV 123/63, BStBl II 1968, 176; vom 23. April 1975 - I R 236/72, BStBl II 1975, 875). Ist der Teilwert einer Forderung niedriger als ihr Nennwert, weil z.B. zweifelhaft ist, ob die Forderung in Höhe des Nennwertes erfüllt werden wird (Ausfallrisiko), so "kann" statt des Nennwerts der niedrigere Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).

Im Streitfall haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass der Teilwert der Forderung in den Streitjahren unter ihrem Nennwert lag. Objektive Umstände, aus denen sich zu den Bilanzstichtagen die Annahme eines ganzen oder teilweisen Forderungsausfalles herleiten lässt, haben sie nicht dargelegt. Wie das Finanzamt zutreffend ausführt, haben die Vertragspartner des Schuldanerkenntnisses bei der Bemessung der Höhe und der Zahlungsmodalitäten gerade auf die individuellen Verhältnissen des Schuldners, d.h. dessen Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, Rücksicht genommen und die Tilgungsraten so festgelegt, dass sie der Schuldner aus seinen künftig zu erwartenden Provisionserträgen leisten kann.

Etwaige Risiken für den Antragsteller wurden bereits durch das erheblich unter dem tatsächlichen Schaden liegende Schuldanerkenntnis berücksichtigt. Für einen niedrigeren Teilwert der Forderung sind keine Anhaltspunkte glaubhaft gemacht. Da die Forderung zudem zu verzinsen ist, kann auch keine Abzinsung der Forderung vorgenommen werden.

Ob es bei der im Rahmen der Bilanzberichtigung vom Betriebsprüfer vorgenommenen Berechnung der Höhe der Gewinnberichtigung zutrifft, dass für das Jahr 2003 der Bilanzansatz zum 31.12.2002 als Gewinnerhöhung behandelt wird, von dem die vom Kläger zu Unrecht als Ertrag behandelten Tilgungsleistungen abzuziehen sind, muss der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

b) Das Finanzamt hat nach Aktenlage zu Recht den Gewinn und die steuerpflichtigen Umsätze um die Privateinlagen in Höhe von 14.420 EUR in 2003, 64.000 EUR in 2004 und 35.769,60 EUR in 2005 sowie um einen Sicherheitszuschlag in Höhe von jährlich 6.960 EUR im Wege der Schätzung nach § 162 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) erhöht. Der Kläger kann sich nicht auf die formelle Ordnungsmäßigkeit seiner Buchführung nach § 158 AO berufen.

Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann das Ergebnis der Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen.

Im Streitfall hat die Außenprüfung festgestellt, dass die Buchführung formell fehlerhaft ist. Es sind negative Kassenbestände entstanden und Einlagen in die Kasse ohne Datumseintrag vorgenommen worden. Zum Teil sind Bareinnahmen nicht am Tag des tatsächlichen Zuflusses erfasst worden; für den Verkauf von Anlagevermögen (Pkw, Stapler) sowie von Schrott aus Alu/Fensterresten haben keine Rechnungen und Belege im Sinn von § 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) vorgelegen. Damit liegt ein Verstoß gegen die Ordnungsvorschriften nach § 146 Abs. 1 Satz 2 AO und § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO vor. Die zeitgerechte Verbuchung der Geschäftsvorfälle und eine ordnungsmäßige Kassenführung sind bei Betrieben mit einem hohen Anteil an Bargeschäften in der Regel entscheidende Grundlagen einer kaufmännischen Buchführung. Mängel auf diesem Gebiet nehmen der Buchführung im Allgemeinen die Ordnungsmäßigkeit i.S.v. § 158 AO.

Werden - wie vorliegend - Geldeinlagen bzw. ihre Herkunft geprüft, ist der Steuerpflichtige darüber hinaus wegen der von ihm selbst hergestellten Verbindung zwischen Privat- und Betriebsvermögen verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann ein Sachverhalt dahin gewürdigt werden, dass unaufgeklärte Geldzuflüsse auf nicht versteuerten Einnahmen bzw. Umsätzen beruhen, mit der Folge, dass die Buchführung als sachlich unrichtig zu betrachten ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. Juli 2002 - X B 40/02, BFH/NV 2003, 56). Zwar haben die Antragsteller vorgetragen, von den von 2003 bis 2005 eingelegten Beträgen in Höhe von insgesamt 114.189,60 EUR stammten 61.355,03 EUR (120.000 DM) aus einem Bargeldbestand, den die Antragstellerin seit 1998 für ihre Mutter aufbewahrt und nach deren Ableben in 2002 geerbt habe und weitere 25.000 EUR seien dem Antragsteller von seinem Sohn zur Verfügung gestellt worden. Damit haben die Antragsteller die Herkunft der eingelegten Geldbeträge aber noch nicht nachgewiesen, da es an einem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem angeblich von der Mutter der Antragstellerin stammenden Geldbetrag und dem Zeitpunkt der Einlage fehlt. Insbesondere ist es nicht nachvollziehbar, warum ein Geldbetrag von 120.000 DM über viele Jahre hinweg ertraglos im Tresor aufbewahrt wird.

Hinsichtlich des angeblich vom Sohn zur Verfügung gestellten Geldbetrags von 25.000 EUR fehlt es schon an der Angabe des Zeitpunkts der Geldübergabe; außerdem fehlt hierfür jede Glaubhaftmachung. Schließlich stimmen die angeblich privat zugeflossenen Geldbeträge auch in ihrer Höhe nicht mit den in das Betriebsvermögen eingelegten Geldbeträgen überein.

Unter diesen Umständen war das Finanzamt berechtigt, den Sachverhalt dahin zu würdigen, dass die unaufgeklärten Geldzuflüsse auf nicht versteuerten Einnahmen bzw. Umsätzen beruhen (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 2002 - X B 40/02, BFH/NV 2003, 56).

Auch gegen die Hinzuschätzung eines Sicherheitszuschlags bestehen bei summarischer Prüfung keine rechtlichen Bedenken. Die aufgedeckten Buchführungsmängel hinsichtlich der ungeklärten Geldzuflüsse lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass weitere Betriebseinnahmen bzw. umsatzsteuerpflichtige Entgelte nicht erfasst worden sind (vgl. Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 162 AO Rz 45 m.w.N.). Zudem ist es durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH geklärt, dass bei schwerwiegenden Verletzungen der Mitwirkungspflicht ohne Bindung an das Maß einer großen oder gar überwiegenden Wahrscheinlichkeit ein Sicherheitszuschlag im Wege der Schätzung angesetzt werden darf (z.B. BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1998 - III B 78/97, BFH/NV 1999, 741).

Deswegen erscheint eine weitere Erhöhung der Betriebseinnahmen und der steuerpflichtigen Umsätze im Wege eines Sicherheitszuschlags erforderlich. Die vom Finanzamt vorgenommen Hinzuschätzung hält der Senat auch der Höhe nach für angemessen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

...

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung).



Ende der Entscheidung

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