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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 03.11.2008
Aktenzeichen: 7 V 2504/08
Rechtsgebiete: EStG, KStG, AO


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3
KStG § 8b Abs. 3
AO § 169 Abs. 1
AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Die Wertaufholung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG dient nicht der Korrektur von Bilanzierungsfehlern früherer Jahre. Eine Korrektur von Bilanzierungsfehlern hat ausschließlich nach den Regeln der Bilanzberichtigung zu erfolgen.

Ist eine Bilanzberichtigung im Fehlerjahr wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich, kann diese auch nicht im bestandskräftig veranlagten Folgejahr durchgeführt werden.

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Abzugsverbot für Teilwertabschreibungen nach § 8 b Abs. 3 KStG in der ab 2002 geltenden Fassung auch auf Beteiligungen anwendbar ist, die noch vor Einführung von § 8 b Abs. 3 KStG n.F. erworben worden sind.


Finanzgericht München

7 V 2504/08

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Körperschaftsteuer 2002 und 2003 Gewerbesteuermessbetrag 2002 und 2003

In der Streitsache

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[....]

ohne mündliche Verhandlung am 03. November 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Der Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 3. Januar 2008 wird in Höhe von 20.728 EUR und der Gewerbesteuermessbescheid 2002 vom 3. Januar 2008 wird in Höhe von 4.610 EUR von der Vollziehung ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.

Gründe:

I. Bei der Antragstellerin fand in der Zeit von Dezember 2006 bis August 2007 eine Betriebsprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 statt. Diese führte zu folgenden Feststellungen:

Die Antragstellerin hatte in der Bilanz zum 31. Dezember 2001 eine Teilwertabschreibung für den Grund und Boden B-straße 10 auf die bilanzierten Anschaffungskosten (977.501 DM) wegen voraussichtlich dauernder Wertminderung in Höhe von 200.000 DM vorgenommen und bilanzierte das Grundstück nunmehr mit 777.501 DM (397.529 EUR). Die Prüfer machte die Teilwertabschreibung im Rahmen der Veranlagung für 2002 rückgängig und erhöhte den Gewinn in entsprechender Höhe, da nicht nachgewiesen worden sei, dass das Grundstück nur noch einen Teilwert in Höhe von 397.529 EUR habe. Als Rechtsgrundlage für die Gewinnerhöhung wurde auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) hingewiesen.

Die Bilanz zum 31. Dezember 2002 wies unter Aktiva ein Konto 520 "Ausleihungen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht" in Höhe von 86.287,27 EUR aus. In der Bilanz zum 31. Dezember 2003 machte die Antragstellerin hieraus Verluste aus Anlagenabgang in Höhe von 86.286,27 EUR geltend. Die Prüfer stellte fest, dass es sich bei den "Ausleihungen" um Aktien der Firma p AG handelt, die in 2000 (3000 Aktien) und 2002 (Aktienpakete zu 900 und 500 Stück) zu Gesamtanschaffungskosten in Höhe von 86.287,27 EUR erworben worden waren. Der Prüfer ließ die Gewinnminderung unter Hinweis auf § 8 b Abs. 2 und 3 Körperschaftsteuergesetz (KStG) nicht zum Abzug zu.

Der Antragsgegner (das Finanzamt) folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung, erließ am 3. Januar 2008 geänderte Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide für 2002 und 2003 und führte - da die ursprünglichen Bescheide nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen - als Änderungsvorschrift § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) für die Körperschaftsteuerbescheide und § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO für die Gewerbesteuermessbescheide an.

Mit dem dagegen eingelegten Einspruch, über den das Finanzamt noch nicht entschieden hat, machte die Antragstellerin geltend, dass die Teilwertabschreibung auf das Grundstück B-straße zu Unrecht in 2002 rückgängig gemacht worden sei. Aufgrund einer Bodenuntersuchung sei festgestellt worden, dass das Grundstück mit erheblichen Kontaminierungen belastet sei, bei einer eventuellen späteren Bebauung mit erheblichen Kosten für die Altlastensanierung zu rechnen sei und die Kosten den Wert des Grundstücks überschreiteten. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Steuerbescheide 2001 nicht mehr nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden könnten; neue Tatsachen oder Beweismittel lägen insoweit nicht vor.

Auch sei der Abzug des Verlusts aus Ausleihungen an Unternehmen in 2003 zu Unrecht versagt worden. Bei dem Unternehmen habe es sich um eine Einkaufsgemeinschaft gehandelt. Sie habe sich im November 1999 bereiterklärt, sich an deren Gründung zu beteiligen. Die Rechtsform der AG sei in 1999 im guten Glauben daran gewählt wurden, dass bei einem Scheitern der beabsichtigten Einkaufsgemeinschaft die in diese Gesellschaft eingezahlten Beträge steuerlich wirksam geltend gemacht werden sollten. Die Gesetzesänderung ab 2002 könne daher nicht zu ihren Lasten verwendet werden.

Nach erfolgloser Antragstellung beim Finanzamt beantragt die Klägerin die Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 2002 und 2003 vom 3. Januar 2008 in Höhe von 20.728 EUR (2002) und 18.641 EUR (2003), jeweils zuzüglich Zinsen und Solidaritätszuschlag sowie der Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag 2002 und 2003 vom 3. Januar 2008 in Höhe von 4.610 EUR (2002) und 4.625 EUR (2003) wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

Das Finanzamt beantragt die Ablehnung des Antrags.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 24. August 2007, die Jahresabschlüsse 2001 bis 2003, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II. 1. Der Antrag ist unzulässig, soweit er die Zinsen und den Solidaritätszuschlag betrifft. Der Körperschaftsteuerbescheid ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über den Solidaritätszuschlag. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheid auszusetzen oder aufzuheben (§ 69 Abs. 2 S. 4, 7 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheids fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 20. Oktober 1987 VIII R 413/83, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1988, 240).

2. Im Übrigen hat der Antrag teilweise Erfolg.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1und 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aufheben, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken.

a) Nach der im vorliegenden Verfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in den Bescheiden über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag für 2002 vorgenommenen Rückgängigmachung der in der Bilanz zum 31.12.2001 vorgenommenen Teilwertabschreibung für das Grundstück B-straße. Wenn man der Auffassung des Finanzamts, dass eine dauernde Wertminderung unter die bilanzierten Anschaffungskosten des Grund und Bodens B-straße nicht eingetreten ist, folgt, so führt dies nicht zu einer Gewinnminderung im Jahr 2002. In diesem Fall wäre - wovon auch das Finanzamt ausgeht - bereits die Bilanz zum 31.12.2001 unrichtig, denn die Wertsteigerungen seit dem Erwerb des Grundstücks in 1961 übersteigen die von der Antragstellerin angenommenen Kosten der Altlastensanierung dieses Grundstücks in Höhe von 102.258 EUR offensichtlich bei Weitem. Die Wertaufholung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG dient nicht der Korrektur von Bilanzierungsfehlern früherer Jahre, sondern soll es ausschließlich ermöglichen, die - zunächst richtige - Bewertung an bestimmte spätere Wertänderungen anzupassen. Eine Korrektur von Bilanzierungsfehlern hat deshalb ausschließlich nach den Regeln der Bilanzberichtigung zu erfolgen (Winkeljohann/ Taetzner, Beck'scher Bilanz-Kommentar, 6. Auflage § 280 HGB Rz. 18 m.w.N.). Danach ist die Bilanzberichtigung grundsätzlich im Fehlerjahr durchzuführen. Ist dies - wie im Streitfall - verfahrensrechtlich nicht mehr möglich, weil für 2001 die Festsetzungsverjährung ( § 169 Abs. 1 AO) eingetreten ist, so ist der unrichtige Bilanzansatz in der ersten Schlussbilanz richtig zustellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgebenden Vorschriften möglich ist (BFH-Urteil vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BStBl II 1998, 443; H 4.4 EStH 2007). Da die Körperschaftsteuerveranlagung für 2002 bereits bestandskräftig ist und auch nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, konnte die Bilanzberichtigung auch nicht in 2002 durchgeführt werden. Eine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist nicht möglich, denn diese würde voraussetzen, dass der Steuerbescheid insoweit rechtswidrig, d.h. objektiv unrichtig ist (vgl. Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung, § 173 Rz. 2). Eine nicht vorgenommene Bilanzberichtigung kann nicht zum Anlass für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO genommen werden, da in diesem Fall die Voraussetzung "unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft ...maßgebenden Vorschriften" (s. BFH in BStBl II 1998, 443) nicht gegeben ist.

b) Keine ernstliche Zweifel bestehen jedoch an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag für 2003. Zutreffend hat das Finanzamt die Gewinnminderung in Höhe von 86.287,27 EUR rückgängig gemacht, da es sich um eine Gewinnminderung im Zusammenhang mit einer Teilwertabschreibung auf eine Beteiligung an einer Körperschaft handelt und diese nach § 8 b Abs. 3 KStG in der ab 2002 geltenden Fassung nicht abzugsfähig ist. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Abzugsverbot auch auf Beteiligungen anwendbar ist, die noch vor der Gesetzesänderung erworben worden sind. Da die Teilwertabschreibung als der steuerlich relevante Tatbestand erst nach Inkrafttreten des Abzugsverbots nach § 8 b Abs. 3 KStG n.F. vorgenommen worden ist, liegt kein Fall einer verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung vor. Schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand einer steuerrechtlichen Regelung besteht grundsätzlich nicht. Die Antragstellerin konnte bis zur Gesetzesänderung zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, dass sie in Zukunft eine Teilwertabschreibung mit steuerlicher Wirkung auf die Beteiligung an der AG geltend machen könne. Das Vertrauen der Steuerpflichtigen reduziert sich insoweit auf die bloße Hoffnung, der Gesetzgeber werde die bisherige gesetzliche Regelung unverändert beibehalten. Die Enttäuschung dieses Vertrauens ist hinzunehmen. Wer lediglich erwartet, eine für ihn günstige Steuerrechtslage werde - bei Fortgeltung des bisherigen Rechts - in Zukunft eintreten, verdient nicht den gleichen Vertrauensschutz wie derjenige, bei dem diese Rechtslage nach bisherigem Recht bereits eingetreten war (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R. 46/02, BStBl II 2004, 284 unter III.4.c)bb) (1); BFH-Urteil 1. März 2005 VIII R 92/03, BStBl II 2005, 398 unter II.2.c)).

Das Finanzamt war auch nicht gehindert, die bestandskräftigen Steuerfestsetzungen für 2003 zu ändern. Der Körperschaftsteuerbescheid 2003 war nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO änderbar, da die Tatsache, dass es sich bei dem Bilanzposten "Ausleihungen Unternehmen mit Beteiligungsverhältnis" nicht um eine Forderung, sondern um eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft handelt, aus der Bilanz nicht erkennbar und damit für das Finanzamt neu war. Dem Finanzamt oblag auch keine Ermittlungspflichtverletzung, da es eindeutigen Angaben und Erklärungen des Steuerpflichtigen nicht mit Misstrauen zu begegnen braucht, sondern grundsätzlich von der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Erklärung ausgehen darf (Leopold/Madle/Rader, AO § 173 Rz. 46).

Die Änderung des Gewerbesteuermessbescheids 2003 folgt aus § 35 b Abs. 1 Gewerbesteuergesetz.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben ( § 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung).

Ende der Entscheidung

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