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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 26.06.2009
Aktenzeichen: 8 K 307/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3
EStG § 8 Abs. 1
EStG § 19 Abs. 1
EStG § 38 Abs. 1
EStG § 38 Abs. 3
EStG § 38 Abs. 4
EStG § 40 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 8. Senat des Finanzgerichts München

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für das Jahr 2004 vom 20. Dezember 2006 wird dahingehend geändert, dass die nachgeforderte Lohnsteuer ... auf 275,40 EUR, der Solidaritätszuschlag ... auf 15,14 EUR, die evangelische Kirchensteuer ... auf 0 und die römisch-katholische Kirchensteuer ... auf 0 reduziert werden.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die Klägerin in Fällen, in denen die X im Jahr 2004 bei Mitarbeitern der Klägerin auf die sonst üblichen Gebühren für den Abschluss von Bausparverträgen verzichtet hat, zum Lohnsteuerabzug verpflichtet war.

Die Klägerin ist eine von ... Banken im ...-verbund, dem auch die Bausparkasse X angehört. Sie ist aber nicht in den Konzern der Y-AG, zu dem die X gehört, einbezogen. Die Klägerin vermittelt u.a. den Abschluss von Bausparverträgen ihres Verbundpartners X an ihre Kunden und erhält hierfür eine Provision in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der von der Bausparkasse erhobenen Abschlussgebühr. Schließen Arbeitnehmer der Klägerin oder deren Ehegatten bzw. Kinder eigene Bausparverträge bei der X ab, verzichtet die Bausparkasse ganz oder teilweise auf diese sonst übliche Abschlussgebühr. Die Klägerin erhält in solchen Fällen keine Vermittlungsprovision. Eine von der Bausparkasse erstellte Gesamtjahresliste über die im Streitjahr von Arbeitnehmern der Klägerin abgeschlossenen gebührenfreien bzw. -ermäßigten Verträge wurde der Klägerin im Januar 2005 übersandt.

Die Klägerin hat die ihren Mitarbeitern gewährten Vorteile aus den Gebührenermäßigungen bzw. -befreiungen im Streitjahr 2004 nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen.

Mit Bescheid vom 10. Oktober 2005 ordnete der Beklagte (das Finanzamt - FA) eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin an. Im Anschluss daran bewertete das FA die geldwerten Vorteile aus dem Verzicht der Bausparkasse auf die Abschlussgebühren als Arbeitslohn. Es ermittelte für das Streitjahr einen nachzuversteuernden Betrag von ... EUR. Auf einen entsprechenden Antrag der Klägerin wurde die Lohnsteuer gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz - EStG - nach einem Pauschsteuersatz von 41,20% errechnet. Daraus ergab sich ein Lohnsteuer-Nachforderungsbetrag von ... EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 07. Dezember 2006 verwiesen.

Am 20. Dezember 2006 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung u.a. für die Lohnsteuer-Anmeldungen des Streitjahres auf und erließ gleichzeitig einen zusammengefassten Haftungs- und Nachforderungsbescheid, in dem für das Jahr 2004 u.a. folgende Beträge aus dem Prüfungskomplex "Preisvorteile von dritter Seite" (vgl. Tz. 4 des Berichts über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 07. Dezember 2006) nachgefordert wurden:

Pauschale Lohnsteuer ... EUR

evangelische Kirchenlohnsteuer ... EUR

römisch-katholische Kirchenlohnsteuer ... EUR

Solidaritätszuschlag ... EUR

Insgesamt ... EUR

Weitere im Bescheid vom 20. Dezember 2006 enthaltene Haftungs- und Nachforderungsbeträge für 2003 und 2004 sind nicht streitig.

Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2007, der am 24. Januar 2007 bei Gericht eingegangen ist, erhob die Klägerin gegen den Nachforderungsbescheid vom 20. Dezember 2006 Klage, ohne zuvor Einspruch beim FA einzulegen. Sie ist der Auffassung, dass der beim Abschluss eines Bausparvertrages eingeräumte Gebührenvorteil für ihre Mitarbeiter bzw. für deren Ehegatten oder Kinder keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn darstelle. Es liege weder eine unmittelbare Vorteilsgewährung durch sie (die Klägerin) an ihre Arbeitnehmer vor, noch sei eine echte oder unechte Lohnzahlung durch einen Dritten gegeben. Sie (die Klägerin) habe keinerlei Einfluss auf die Entscheidung der Bausparkasse über einen Verzicht auf Abschlussgebühren. Diese gewähre die Gebührenbefreiung, weil bei den Bankmitarbeitern die Risiken für Nicht- oder Schlechterfüllung von Verträgen relativ gering seien. Zudem gebe es weniger Komplikationen bzw. Betreuungsbedarf. Die Gebührenbefreiung sei nicht im Dienstverhältnis der Mitarbeiter begründet. Vielmehr erhielten die Bankmitarbeiter den Vorteil deshalb, weil sie einer begünstigten, kostengünstigen Berufsgruppe angehörten. Der Vorteil werde allen Bankmitarbeitern gewährt, unabhängig davon ob diese in der Beratung, im Vermittlungsgeschäft oder in der sog. Backoffice (Verwaltung, Personalabteilung, etc.) tätig seien. Der Abschluss bzw. die Weiterleitung der Bausparverträge erfolge über die Außendienstmitarbeiter der X. Die Mitwirkung der Klägerin erschöpfe sich auf eine in Ausnahmefällen notwendige Bescheinigung der Betriebszugehörigkeit des Bankmitarbeiters. Der Verzicht auf die Abschlussgebühr sei auch nicht im Sozialkatalog über die den Mitarbeitern der Klägerin gewährten sozialen Leistungen und Vergünstigungen enthalten. Dort finde sich allerdings der Hinweis an die Beschäftigten, wonach diese Geld- und Sachzuwendungen von Dritten (z.B. Verbundunternehmen) unverzüglich anzeigen müssten. Die Klägerin sei nicht an der X beteiligt. Ebenso wenig sei eine organschaftsähnliche Verknüpfung erkennbar. Insbesondere seien aus dem ...-verbund, dem sowohl die Klägerin als auch die X angehörten, keine wirtschaftlichen Verpflichtungen ableitbar.

Die Klägerin beantragt,

- den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für das Jahr 2004 vom 20. Dezember 2006 dahingehend zu ändern, dass die nachgeforderte Lohnsteuer ... auf 275,40 EUR, der Solidaritätszuschlag ... auf 15,14 EUR, die evangelische Kirchensteuer ... auf 0 und die römisch-katholische Kirchensteuer ... auf 0 reduziert werden,

- hilfsweisedie Lohnsteuer auf den geldwerten Vorteil aus dem Verzicht auf die Abschlussgebühren nur insoweit zu erheben, als nach Anwendung des Rabattfreibetrages nach § 8 Abs. 3 EStG ein zu versteuernder Arbeitslohn verbleibt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er hat der Sprungklage mit Schriftsatz vom 07. Februar 2007 zugestimmt und ist der Ansicht, dass die Nachversteuerung zu Recht erfolgt sei. Die Lohnsteuerabzugsverpflichtung ergebe sich für das Streitjahr aus der Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG. Die Gebührenbefreiung sei Ausfluss der sich aus dem ...-verbund ergebenden engen wirtschaftlichen und tatsächlichen Verflechtung zwischen der Klägerin und der X. Der Vorteil werde nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis und die Vermittlungstätigkeit der Banken eingeräumt und stelle sich somit als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft dar. Der Hilfsantrag sei abzulehnen, weil bei geldwerten Vorteilen durch Dritte die Anwendung des Rabattfreibetrages nach der Richtlinie 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - ausgeschlossen sei.

Gemäß Beweisbeschluss vom 04. Mai 2009 hat der Senat die Vernehmung des zuständigen Mitarbeiters der Bausparkasse X angeordnet. Nachdem die Beteiligten im Hinblick auf die vorab abgegebene schriftliche Stellungnahme des Zeugen A auf dessen persönliche Vernehmung verzichtet hatten, wurde der Beweisbeschluss am 22. Juni 2009 aufgehoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten, auf die schriftliche Stellungnahme des Zeugen A vom 27. Mai 2009 sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2009 verwiesen.

II. 1. Die Sprungklage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - erhoben. Der Beklagte hat der Klage ohne Vorverfahren rechtzeitig zugestimmt (§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO).

2. Die Klage ist begründet. Der Pauschalierungsbescheid vom 20. Dezember 2006 ist - soweit er geldwerte Vorteile aus dem Verzicht auf die Gebühr beim Abschluss von Bausparverträgen betrifft - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. mit Abs. 3 EStG kann das Betriebsstättenfinanzamt vom Arbeitgeber unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz nachfordern, soweit der Arbeitgeber in einer größeren Zahl von Fällen die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat.

a. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 8 Abs. 1 EStG alle geldwerten Vorteile, die "für eine Beschäftigung" gewährt werden. Vorteile werden "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich der Vorteil im weitesten Sinne als Entlohnung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Der Annahme von Arbeitslohn steht nicht entgegen, wenn die Zuwendung durch einen Dritten erfolgt, sofern diese ein Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. April 2009 VI R 39/08, BFH/NV 2009, 1189 m.w.N.).

Bei Zuwendungen Dritter ist besonders zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis typischerweise von einem gegenseitigen Leistungsaustausch zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber geprägt ist. Dass ein außen stehender Dritter einen Teil der Entlohnung des Arbeitnehmers übernimmt, ist die Ausnahme. Deshalb zählen Zuwendungen Dritter aus Sicht des Senats nur dann zum Arbeitslohn, wenn der Veranlassungszusammenhang zwischen der Vorteilsgewährung und der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers eindeutig ist. Dies gilt umso mehr, wenn - wie im Streitfall - eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige Rechtsbeziehung (hier: Bausparvertrag) zwischen dem Dritten und dem Arbeitnehmer besteht.

Ein Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis kann sich bei Zuwendungen Dritter z.B. daraus ergeben, dass der Arbeitgeber - etwa durch den Abschluss einer Rahmenvereinbarung - an der Verschaffung der Vorteile mitgewirkt hat. Werden die Vorteile hingegen einer bestimmten Personengruppe allgemein und nicht für die Arbeitsleistung bei einem bestimmten Arbeitgeber eingeräumt und ist der Arbeitgeber auch nicht in irgendeiner Weise in die Vorteilsgewährung eingeschaltet, spricht dies gegen einen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis (vgl. hierzu auch Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 172 a.E.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat Zweifel, ob den Arbeitnehmern der Klägerin im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Gebührenvorteil Arbeitslohn zugeflossen ist. Nach den schriftlichen Ausführungen des Zeugen A bestand hinsichtlich des streitgegenständlichen Gebührenvorteils keinerlei Vereinbarung zwischen der Bausparkasse und der Klägerin, aus der ein eindeutiger Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis abgeleitet werden könnte. Die Abschlussgebührenbefreiung wird nach dessen Äußerung nicht nur sämtlichen Arbeitnehmern von "Partnerbanken" eingeräumt, sondern auch den für die X tätigen freien Handelsvertretern und deren Arbeitnehmern, den Beschäftigten anderer Unternehmen des ...-verbundes, den Arbeitnehmern von ... sowie den Mitarbeitern bestimmter Kooperationspartner der X wie z.B. .... Dieser Kundenkreis ist nach den Angaben des Zeugen A ... leichter zugänglich und für die Bausparkasse besonders attraktiv, weil weniger Marketing- und Vertriebskosten anfallen; zudem ist der Betreuungsbedarf bei dem genannten Personenkreis in der Regel sowohl bei Vertragsabschluss als auch während der Laufzeit des Vertrages geringer. Diese im Rechtsverhältnis zwischen den Parteien des Bausparvertrages liegenden Beweggründe sprechen gegen einen Veranlassungszusammenhang zwischen der Vorteilsgewährung und der Arbeitsleistung für die Klägerin.

Die Bausparkasse X hat auch den klägerischen Vortrag bestätigt, wonach der Gebührenvorteil unabhängig von der jeweiligen Funktion des Arbeitnehmers im Unternehmen, also insbesondere unabhängig von der Befassung mit der Vermittlung von Bausparverträgen gewährt wird. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass die betroffenen Arbeitnehmer den Gebührenvorteil weniger als Frucht ihrer Arbeitsleistung für die Klägerin, sondern als generellen - allen ... verbundenen Mitarbeitern gleichermaßen gewährten - Preisnachlass verstanden haben.

Der Senat muss jedoch die Frage, ob der Gebührenvorteil im Streitfall zu Arbeitslohn geführt hat, nicht abschließend entscheiden. Denn selbst wenn es sich bei dem Gebührenvorteil um bei den betreffenden Arbeitnehmern der Klägerin steuerpflichtigen Arbeitslohn handeln sollte, war diese nicht zum Einbehalt der Lohnsteuer verpflichtet.

b. Lohnsteuer ist nach § 38 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EStG einzubehalten, soweit Arbeitslohn vom Arbeitgeber selbst oder von einem ihm zuzurechnenden Leistungsmittler (dazu unten aa.) gezahlt wird. Ebenso unterliegt der im Rahmen des Dienstverhältnisses von einem Dritten gewährte Arbeitslohn der Lohnsteuer, wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige Vergütungen erbracht werden (§ 38 Abs. 1 Satz 3 EStG in der seit dem Streitjahr geltenden Fassung - dazu unten bb.).

aa. Die Klägerin selbst hat im Zusammenhang mit dem ihren Arbeitnehmern gewährten Gebührenvorteil keine eigene Leistung erbracht, die Arbeitslohn darstellen könnte. Insbesondere hat sie keine unentgeltliche Vermittlungsleistung erbracht. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin erfolgt der Abschluss bzw. die Weiterleitung der von ihren Mitarbeitern abgeschlossenen Bausparverträge durch Außendienstmitarbeiter der X. Die Mitwirkung der Klägerin an den streitgegenständlichen Eigenabschlüssen ihrer Mitarbeiter erschöpfte sich auf eine im Einzelfall notwendige Bescheinigung der Betriebszugehörigkeit. Der Lohnsteuerabzug gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG hatte auch nicht deshalb zu erfolgen, weil der geldwerte Vorteil von einem Dritten eingeräumt wurde und es sich bei der Vorteilsgewährung um so genannte unechte Lohnzahlungen Dritter handelte. Eine unechte Lohnzahlung eines Dritten ist dann anzunehmen, wenn der Dritte in die Zahlung lediglich als Leistungsmittler des Arbeitgebers eingeschaltet ist. Der Dritte ist bloßer Leistungsmittler, wenn er nur die Stellung einer Kasse des Arbeitgebers hat oder im Auftrag des Arbeitgebers handelt (BFH-Urteil vom 21. Februar 2003 VI R 74/00, BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496; BFHBeschluss vom 28. Juni 2007 VI R 45/02, BFH/NV 2007, 1871). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Bausparkasse war bei der Gewährung des Gebührenvorteils nicht im Auftrag der Klägerin tätig. Für die Annahme eines Auftragsverhältnisses fehlte es an dem hierfür erforderlichen Einfluss der Klägerin auf die konkrete Vorteilsgewährung an die einzelnen Arbeitnehmer (vgl. BFH-Urteil vom 10. Mai 2006 IX R 82/98, BStBl II 2006, 669). Die Entscheidung über die Gebührenermäßigung bzw. - befreiung liegt nach den schriftlichen Angaben des Zeugen A alleine bei der Bausparkasse. Eine rechtliche Verpflichtung der X besteht weder gegenüber der Klägerin noch gegenüber deren Mitarbeitern. Die Bausparkasse X erfüllte auch nicht die Funktion einer bloßen Zahlstelle, da die Gebührenvorteile wirtschaftlich nicht von der Klägerin getragen wurden. Denn sie stammten nicht aus Mitteln, die von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden waren. Insbesondere hat die Klägerin nicht im Rahmen eines Austauschvertrages mit der X ("do ut des") zweckgerichtet zugunsten ihrer Mitarbeiter auf eine Provision verzichtet (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 28. Juni 2007 VI R 45/02, BFH/NV 2007, 1871). Zwar erhält sie bei gebührenfreien Eigenverträgen ihrer Mitarbeiter tatsächlich keine Provision. Dies ist jedoch lediglich die rechtliche Folge des Verzichts der Bausparkasse auf die Abschlussgebühr. Denn die Vermittlungsprovision beträgt nach den Angaben der X einen vertraglich festgelegten Bruchteil der Abschlussgebühr. Erhebt die Bausparkasse keine Abschlussgebühr, entfällt folglich auch die Provision. Diese Ersparnis der X mag Teil ihrer Kostenkalkulation sein; ursächlich für die Vorteilsgewährung an Mitarbeiter der Klägerin ist sie nach der schriftlichen Stellungnahme des Zeugen A jedoch nicht. Der Grund für die Gebührenbefreiung/-ermäßigung liegt vielmehr im besonderen Interesse der X an diesem Kundenkreis, der sich insbesondere durch geringere Marketing- und Vertriebskosten, einen geringeren Nachbetreuungsaufwand und eine geringere Stornorate auszeichnet. Weil die Vermittlungsprovision als Bruchteil der Abschlussgebühr stets geringer ist als diese, deckt sich die Ersparnis der Bausparkasse auch nicht mit dem von ihr gewährten Gebührenvorteil. Dass die Klägerin der X zum Ausgleich anderweitige Vorteile gewährt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

bb. Die Klägerin war schließlich auch nicht unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG zum Einbehalt der Lohnsteuer verpflichtet. Die seit dem Streitjahr geltende Regelung hat die Pflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren gegenüber der Vorgängerregelung erweitert. Nunmehr liegt eine zum Lohnsteuerabzug führende echte Lohnzahlung Dritter nicht nur bei positiver Kenntnis, sondern bereits dann vor, wenn der Arbeitgeber die Vorteilsgewährung erkennen kann. Beide Tatbestandsalternativen liegen nach Auffassung des Senats im Streitfall nicht vor.

(1) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis des Arbeitgebers ist grundsätzlich das Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zu diesen Zeitpunkten von konkreten Vorteilsgewährungen gewusst hat und ihr die für den Lohnsteuerabzug erforderlichen Daten - begünstigter Arbeitnehmer, Wert und Zeitpunkt des geldwerten Vorteils - bekannt waren, bestehen nicht. Insbesondere haben nach dem glaubhaften Vortrag der Klägerin weder die Bausparkasse noch die betroffenen Arbeitnehmer während des Streitjahres 2004 nach § 38 Abs. 4 Satz 3 EStG Angaben zu gebührenfreien Bausparverträgen gemacht.

Die Klägerin hat nach ihrem Vortrag erst im Januar 2005 eine Gesamtjahresliste über die im Streitjahr abgeschlossenen, gebührenfreien Bausparverträge von der X erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt erlangte die Klägerin Kenntnis darüber, wann und von welchen Mitarbeitern gebührenfreie bzw. -ermäßigte Bausparverträge abgeschlossen wurden. Zur nachträglichen Änderung des Lohnsteuerabzugs für abgelaufene Lohnzahlungszeiträume war die Klägerin nach der im Jahr 2005 geltenden Fassung des § 41c Abs. 1 EStG jedoch nicht verpflichtet (Schmidt/Drenseck, EStG, 24. Auflage, § 41c Rz. 1). Eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers wurde erst durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 02. März 2009 (BGBl. I 2009, 416) mit Wirkung vom 06. März 2009 in § 41c Abs. 1 Satz 2 EStG eingefügt.

(2) Die "Kenntnis" oder das "Erkennen können" der Klägerin kann auch nicht nach § 38 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 EStG unterstellt werden. Die (widerlegbare) gesetzliche Vermutung greift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur bei konzernverbundenen Unternehmen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass bei solchen Unternehmen Vorteilsgewährungen in der Regel schon im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Verflechtung und dem darauf beruhenden Informationsaustausch bekannt sind; oft beruhen solche Zuwendungen im Konzernverbund auch auf Wechselseitigkeit oder werden anderweitig ausgeglichen (van Lishaut, Steuerabzug bei Lohn von dritter Seite, FR 2004, 203, 205).

Diese Voraussetzungen liegen jedoch im Streitfall nicht vor. Die Klägerin gehört als rechtlich selbständiges Kreditinstitut nicht in den Konzernverbund der Y-AG, dem die X angehört. Ihre Zugehörigkeit zum ...-verbund und die darauf beruhende Kooperation mit der X reichen nicht, um die "Kenntnis" oder das "Erkennen können" der Klägerin zu vermuten.

(3) Eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung hätte demzufolge nur bestanden, wenn die Klägerin die Drittleistung i. S. von § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG hätte "erkennen können". Der Senat sieht auch dieses Tatbestandsmerkmal im Streitfall als nicht erfüllt an.

Ebenso wie die positive Kenntnis muss sich grundsätzlich auch das "Erkennen können" auf eine konkrete Drittleistung innerhalb eines bestimmten Lohnzahlungszeitraumes beziehen (so auch Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Auflage, § 38 Rz. 11). Denn ein Arbeitgeber, der die zum Lohnsteuerabzug erforderlichen Daten - begünstigter Arbeitnehmer, Wert und Zeitpunkt des geldwerten Vorteils - nicht erkennen kann, kann nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet sein.

Das bedeutet aber nicht, dass der Arbeitgeber seine Augen vor solchen steuererheblichen Sachverhalten verschließen darf, die sich ihm nahezu aufdrängen. In derartigen Fällen muss sich der Arbeitgeber die für den Lohnsteuerabzug erforderlichen Daten ggf. beschaffen. Andererseits dürfen seine Pflichten im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht überspannt werden. Deshalb verlangt die Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG nach Auffassung des Senats mehr als das bloße Dulden einer allgemein üblichen Vorteilsgewährung. Dies belegt auch die im zweiten Halbsatz des § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG aufgenommene Regelvermutung. Dem dort enthaltenen Hinweis auf den Konzernverbund ist zu entnehmen, dass der Arbeitgeber entweder aufgrund gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen oder auf sonstige Weise in die Vorteilsgewährung eingebunden sein muss, damit er sie in einem für den Lohnsteuerabzug erforderlichen Maß "erkennen kann". Folglich findet die mit der Neuregelung verbundene Erweiterung der Arbeitgeber-Pflichten im Lohnsteuerabzugsverfahren ihre Grenze dort, wo der Arbeitgeber nicht in die Vorteilsgewährung an die einzelnen Arbeitnehmer einbezogen war und diese ihm von den betroffenen Arbeitnehmern oder vom Dritten nicht rechtzeitig angezeigt wurde (vgl. dazu auch Anmerkung Paetsch zum Beschluss des BFH vom 28. Juni 2007 VI R 45/02 in HFR 2007, 981).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sieht der Senat das Merkmal "Erkennen können" z.B. dann als erfüllt an, wenn der Arbeitgeber - etwa durch den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder auf sonstige Weise - selbst an der Verschaffung der Vergünstigung mitgewirkt hat. Ebenso lassen sich Leistungen von Dritten für den Arbeitgeber in der Regel erkennen, wenn sie auf wechselseitigen Vorteilsgewährungen beruhen (so auch Pflüger in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 38 EStG Rz 40). Derartige oder vergleichbare Umstände sind im Streitfall nicht feststellbar.

Nach der schriftlichen Stellungnahme des Zeugen A bestand insbesondere keinerlei Vereinbarung mit der Klägerin über einen Verzicht auf die Abschlussgebühr. Ebenso wenig beruht der Gebührenvorteil auf Wechselseitigkeit noch wird er auf andere Weise von der Klägerin ausgeglichen. Dafür, dass die Klägerin auf sonstige Weise an der Verschaffung des Gebührenvorteils mitgewirkt hat, bestehen keine Anhaltspunkte. Sie selbst war auch nicht in die konkrete Vorteilsgewährung an die einzelnen Arbeitnehmer einbezogen. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin erfolgte der Abschluss bzw. die Weiterleitung der von ihren Mitarbeitern abgeschlossenen Bausparverträge vielmehr durch Außendienstmitarbeiter der X. Die "Mitwirkung" der Klägerin beschränkte sich auf eine im Einzelfall zu erteilende Bescheinigung über die Betriebszugehörigkeit. Dies allein erfüllt das Tatbestandsmerkmal "Erkennen können" nicht (so auch Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 38 EStG Rz 40).

Die Erkennbarkeit der gewährten Gebührenvorteile ist - entgegen der Auffassung des FA - auch nicht aus der Zugehörigkeit der Klägerin und der Bausparkasse X zum ...-verbund abzuleiten. Die X vertreibt zwar ihre Produkte u.a. über ...; eine über diese Kooperation im ...- verbund hinausgehende wirtschaftliche oder organisatorische Verflechtung speziell der Klägerin mit der X, die auf eine Mitwirkung der Klägerin bei der Verschaffung der Gebührenvorteile oder auf eine Wechselseitigkeit bei der Vorteilsgewährung schließen ließe, ist jedoch nicht feststellbar. Ebenso wenig haben sich aus dieser Kooperation heraus Erkenntnisquellen für die Klägerin eröffnet, denen sie sich pflichtwidrig verschlossen hätte. Das FA ist insoweit beweispflichtig (Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Auflage, § 38 Rz. 11).

Eine rechtliche Verpflichtung der X, der Klägerin am Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums die für den Lohnsteuerabzug erforderlichen Daten mitzuteilen, bestand nicht. Unabhängig davon würde die Auferlegung solcher Pflichten eine Verlagerung lohnsteuerlicher Arbeitgeberaufgaben auf den Dritten bedeuten, die nur unter den - im Streitfall nicht vorliegenden - Voraussetzungen des § 38 Abs. 3a EStG vorgesehen ist.

Allerdings müssen die Arbeitnehmer zum Ende des Lohnzahlungszeitraums angeben, welche Leistungen sie von einem Dritten bezogen haben. Auf diese aus § 38 Abs. 4 Satz 3 EStG folgende Angabepflicht hat die Klägerin ihre Arbeitnehmer hinreichend hingewiesen. Nach Ziff. 12 ihres Sozialkatalogs sind die Beschäftigten gehalten, Geld- und Sachzuwendungen von Dritten (z.B. Verbundunternehmen) dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen. Eine über diesen Hinweis hinaus gehende Ermittlungspflicht des Arbeitgebers besteht nicht.

Ob die Klägerin die Drittleistungen - ggf. nach Erhalt der Gesamtjahresliste der gebührenfreien Bausparverträge im Januar 2005 - dem Betriebsstättenfinanzamt hätte anzeigen müssen (§ 38 Abs. 4 Satz 3 EStG) und welche rechtlichen Folgen aus einer etwaigen Verletzung dieser Pflicht zu ziehen sind, muss der Senat nicht entscheiden. Denn der streitgegenständliche Pauschalierungsbescheid, über dessen Rechtmäßigkeit der Senat zu befinden hat, kann jedenfalls nicht auf eine unterlassene Arbeitgeberanzeige gestützt werden.

3. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO). Zu der seit 2004 geltenden Regelung des § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG und insbesondere zur Auslegung des Merkmals "Erkennen können" gibt es - soweit ersichtlich - noch keine höchstrichterliche Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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