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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 24.10.2008
Aktenzeichen: 8 K 3902/07
Rechtsgebiete: DBA-Schweiz


Vorschriften:

DBA-Schweiz Art. 4 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

8 K 3902/07

Lohnsteueranmeldung 09/2006

In der Streitsache

...

hat der 8. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[.....]

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 24. Oktober 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Lohnsteuer - Anmeldung der Beigeladenen für September 2006 vom 09. Oktober 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2007 werden dahingehend geändert, dass der anzumeldende und abzuführende Lohnsteuerbetrag um .......... EUR Lohnsteuer und der sich daraus ergebende Solidaritätszuschlag um ......... EUR herabgesetzt werden.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die ehemalige Arbeitgeberin der in der Schweiz ansässigen Klägerin für eine an diese ausgezahlte Abfindung eine Lohnsteueranmeldung abgeben und Lohnsteuer abführen musste.

Die Klägerin, eine ......Staatsbürgerin, war bis zum 23. Dezember 2005 in Deutschland ansässig.

Seit 20. November 2004 war sie Arbeitnehmerin der ...- bank .... Das Arbeitsverhältnis sollte ursprünglich bis zum 16. Januar 2009 dauern. Es endete jedoch bereits am 4. November 2005, da die Klägerin ............ ihren Dienstvertrag vorzeitig aus wichtigem Grund löste. Möglich war dies aufgrund einer .........- Klausel im Dienstvertrag, mit der der Klägerin das Recht eingeräumt worden war, ............... den Dienstvertrag zu kündigen und eine Abfindung zu beanspruchen.

Zwischen der ...- Bank und der Klägerin bestanden offenbar zunächst Meinungsverschiedenheiten darüber, ob der Tatbestand der .........- Klausel erfüllt war. Aufgrund dessen war auch der Anspruch der Klägerin auf eine Abfindung strittig. Zur Vermeidung eines Rechtsstreits wurde das Arbeitsverhältnis gelöst und die Vertragsparteien vereinbarten die Zahlung einer Abfindung in Höhe von ......... EUR. Die Höhe der Abfindung bemaß sich nach drei Jahreszielbezügen der Klägerin und war zum 1. August 2006 fällig.

Am 29. Juli 2006 beantragte die Klägerin im Hinblick auf die zu erwartende Abfindungszahlung der ...- Bank im Zusammenhang mit dem Ausscheiden ..........die Freistellung dieser Zahlung vom Lohnsteuerabzug gemäß § 39 b Abs.6 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass das Besteuerungsrecht für die Abfindungszahlung nach Art. 15 Abs. 1 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Schweiz nicht dem deutschen Staat, sondern der Schweiz zustehe, da sie dort ab Dezember 1995 ansässig gewesen sei und keine Tätigkeit in Deutschland mehr ausgeübt habe. Die Klägerin war weiter der Meinung, dass auch keine Besteuerung der Abfindungszahlung aufgrund der sogenannten "überdachenden Besteuerung" nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA Schweiz in Deutschland in Betracht komme, da sie in die Schweiz umgezogen sei, mit der echten Absicht dort zu arbeiten.

Sie habe bereits seit Juli 2005 mit der ...- Bank in Vertragsverhandlungen gestanden.

Die Heirat eines Schweizer Staatsbürgers am ... Dezember 2005 falle demgegenüber nicht ins Gewicht.

Das Finanzamt lehnte die beantragte Freistellung vom Lohnsteuerabzug mit Bescheid vom 9. August 2006 ab. Der hiergegen erhobene Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Klage dagegen unterblieb.

Die ...- Bank zahlte die Abfindung im September 2006 aus und behielt in Ermangelung einer Freistellung vom Lohnsteuerabzug Lohnsteuer in Höhe von ......... EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von ......... EUR ein. Die entsprechenden Steuerbeträge wurden im Rahmen der Lohnsteueranmeldung 09/2006 vom 9. Oktober 2006 angemeldet und an das Finanzamt abgeführt.

Gegen die Steueranmeldung legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte die Aufhebung der Vollziehung. Letztere wurde mit Verfügung vom 06. November 2006 vom Beklagten (dem Finanzamt) abgelehnt.

Der daraufhin an das Finanzgericht München gestellte Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Vollziehung der Lohnsteuer - Anmeldung 09/2006 bezüglich der strittigen Beträge hatte, nach Zustimmung der ...- Bank zur Auszahlung an die Antragstellerin, Erfolg.

Auf den Beschluss vom 22. Juni 2007 Az.: 8 V 308/07 wird verwiesen.

Der Einspruch gegen die Lohnsteuer - Anmeldung 09/2006 wurde vom Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2007 mit folgender Begründung zurückgewiesen: Die Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags bezüglich der Abfindung der Klägerin sei rechtmäßig.

Nach § 49 Abs.1 Nr. 4 d i.V.m. § 24 Nr.1 a EStG unterliege die Entschädigung der beschränkten deutschen Besteuerung. Aus dem DBA Schweiz in Verbindung mit § 19 Abs.1 Nr. 2 EStG und der Verständigungsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz vom 13.10.1992 IV C 6 - S 1301 Schz 101/92 ergebe sich nichts Anderes.

Danach gehörten Abfindungen für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst zu den ähnlichen Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für unselbständige Arbeit beziehe (Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz).

Zwar weise Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz nach seinem Wortlaut ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland nur zu, wenn es sich bei der der Zahlung zu Grunde liegenden Tätigkeit um eine gegenwärtige, das heißt noch andauernde Tätigkeit handele. Mit Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 13. Oktober 1992, IV C 6 - S 1301 Schz 101/92 sei jedoch eine Verständigungsvereinbarung mit der schweizerischen Steuerverwaltung getroffen worden, die das Besteuerungsrecht für Abfindungen für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst dem früheren Tätigkeitsstaat (im Streitfall Deutschland) zuweise. Zum Erlass einer derartigen Verständigungsvereinbarung seien die beteiligten Behörden nach Art. 26 Abs. 3 und 4 des DBA Schweiz ermächtigt gewesen. Da die "Einnahmeart" Abfindung im DBA Schweiz weder begrifflich erläutert noch einer bestimmten Einkunftsart zugeordnet worden und damit auch das Besteuerungsrecht aus dem DBA selbst nicht ersichtlich sei, sei eine Verständigung im Sinne des Artikels 26 Abs. 3 DBA erforderlich gewesen und mit der Verständigungsvereinbarung getroffen worden. Eine formelle Zustimmung des Gesetzgebers der beteiligten Staaten zu der getroffenen Verständigungsvereinbarung habe es nicht bedurft, da die betreffenden Verwaltungen bereits gemäß Art. 26 Abs. 3 des DBA Schweiz ermächtigt gewesen seien und die Vereinbarung als Teil des völkerrechtlichen Vertrages (DBA) anzusehen sei.

Dies ergebe sich insbesondere auch aus Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.05.1969.

Hiernach gelte auch für Verträge zwischen Staaten der Grundsatz, dass diese gegebenenfalls über den bloßen Vertragstext hinaus gemäß dem Willen der vertragschließenden Parteien auszulegen seien. Demnach sei ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem Zusammenhang seien nach Art. 31 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens in gleicher Weise jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen, jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht und jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz zu berücksichtigen.

Dies bedeute im Streitfall, dass bei der Auslegung des Art. 15 Abs.1 DBA sowohl die Verständigungsvereinbarung als auch die hierauf erfolgte langwierige Übung, nämlich die im Einvernehmen mit der schweizerischen Steuerverwaltung erfolgte Versteuerung von Abfindungen aus bisherigen Dienstverhältnissen im ehemaligen Tätigkeitsstaat, berücksichtigt werden müsse.

Demnach sei die Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer durch die ...- Bank zu Recht erfolgt.

Darüber hinaus ergebe sich auch ein inländisches Besteuerungsrecht aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA Schweiz, da nach Auffassung des Finanzamts die Wohnsitzverlegung der Einspruchsführerin in die Schweiz nicht überwiegend aus Anlass einer dortigen Arbeitsaufnahme, sondern aus privaten Gründen erfolgt sei.

Zwar hätten Gespräche im Hinblick auf eine künftige nichtselbständige Tätigkeit der Einspruchsführerin in der Schweiz stattgefunden, die letztendlich auch zum Erfolg geführt hätten .......... Ob die Wohnsitzverlegung jedoch stattgefunden habe, um dort eine nichtselbständige Tätigkeit auszuüben, erscheine zumindest zweifelhaft. Die bislang vorgetragenen Aktivitäten der Einspruchsführerin bewiesen keine vor der Wohnsitzverlegung ernsthaft zielgerichteten Gespräche und Bemühungen um eine entsprechende Anstellung in der Schweiz. Der Umzug in die Schweiz sei nach Auffassung des Finanzamtes überwiegend aus privaten Gründen, aufgrund der Heirat der Einspruchsführerin, erfolgt.

Mit Schriftsatz vom 7. November 2007 legte die Klägerin Klage gegen die Lohnsteuerfestsetzung aufgrund der Lohnsteueranmeldung 09/2006 vom 9. Oktober 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2007 ein.

Die Klägerin macht geltend, dass der Schweiz das Besteuerungsrecht gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA Schweiz für die Abfindungszahlungen zustehe.

Eine Abfindung für die vorzeitige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses stelle nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine "ähnliche Vergütung" im Sinne des Artikels 15 Abs. 1 Satz 1 DBA Schweiz dar. Da die Klägerin im Zeitpunkt der Auszahlung der Abfindung keine unselbständige Tätigkeit in Deutschland mehr ausübte und seit Dezember 2005 nicht mehr in Deutschland ansässig sei, sei die Schweiz als Ansässigkeitsstaat ausschließlich für die Besteuerung dieser Zahlung zuständig. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Verständigungsvereinbarung mit der eidgenössischen Steuerverwaltung (BMF - Schreiben vom 13. Oktober 1992). Für die in der Verständigungsvereinbarung zu Abfindungen für vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst getroffene Regelung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Auf Art. 26 Abs. 3 DBA Schweiz könne sich diese Regelung nicht stützen.

Art. 26 Abs. 3 DBA Schweiz sehe die Möglichkeit vor, "Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstünden" im gegenseitigen Einvernehmen zu beseitigen.

Die Entstehungsgeschichte der Verständigungsvereinbarung zeige, dass sich die "Schwierigkeiten oder Zweifel" bei der Behandlung von Abfindungen an Arbeitnehmer auf die Frage bezogen hätten, unter welchen DBA - Artikel Abfindungen an Arbeitnehmer fielen, also ob Art. 15, 18 oder 21 DBA Schweiz für Abfindungen einschlägig sei. Hintergrund der zitierten Verständigungsvereinbarung sei gewesen, dass nach früherer Auffassung der eidgenössischen Steuerverwaltung Abfindungen für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst stets zu den sonstigen Einkünften im Sinne von Art. 21 DBA Schweiz zählten und daher ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates bestanden habe. Mit der Verständigungsvereinbarung sollte im Verhältnis zu Deutschland lediglich klargestellt werden, dass stattdessen Abfindungen für das Ausscheiden aus dem Dienst unter Art. 15 DBA Schweiz fallen, während Abfindungen mit Versorgungscharakter nach Art. 18 DBA Schweiz zu behandeln seien. Die Verständigungsvereinbarung sollte somit die gemeinsame Einordnung von Abfindungen unter bestimmte Artikel des DBA Schweiz regeln, um unterschiedliche Qualifizierungen nach schweizerischem und deutschem Steuerrecht zu vermeiden.

Art. 26 Abs. 3 DBA Schweiz legitimiere die Behörden der Vertragsstaaten jedoch nicht dazu, eine DBA - Bestimmung inhaltlich gegen ihren Wortlaut auszulegen und dadurch Tatbestand und Rechtsfolgen der Bestimmung zu verändern. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA Schweiz bestimme, dass sich grundsätzlich die Besteuerung der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit nach der Ansässigkeit richte. Eine Besteuerung nach dem Tätigkeitsort sei nur dann möglich, wenn die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt werde. Bei Abfindungsleistungen für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst werde aber gerade nicht die Ausübung der Arbeit in einem Vertragsstaat entlohnt, so dass es als Anknüpfungsmerkmal keinen Tätigkeitsstaat gebe. Diese Regelung sei weder schwierig noch zweifelhaft im Sinne des Art. 26 Abs. 3 DBA Schweiz, so dass diesbezüglich keine Verständigungsvereinbarung erforderlich sei. Die in der Verständigungsvereinbarung vom 13. Oktober 1992 geäußerte Rechtsauffassung, der frühere Tätigkeitsstaat habe das Besteuerungsrecht, wenn die Abfindung für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt werde, beseitige daher keine "Schwierigkeiten oder Zweifel" an der Auslegung des Begriffs "ähnliche Vergütung" in Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz , sondern lege diesen Artikel ohne Begründung gegen seinen Wortlaut und damit unzutreffend aus.

Weiter führt die Klägerin aus, dass die Verständigungsvereinbarung auch nicht auf der Grundlage des Artikels 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 20. Mai 1969 (BGBl. II 1985,926; nachfolgend "WÜRV") zur Auslegung des Abkommenstextes herangezogen werden könne. Die Bestimmungen des WÜRV fänden nur auf Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung, die nach dem Inkrafttreten dieses Abkommens für beide Staaten abgeschlossen würden (Art.4 WÜV). Für Deutschland sei das WÜRV am 20. August 1987 und für die Schweiz am 6. Juni 1999 in Kraft getreten. Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz sei jedoch davor geltendes Recht gewesen. Denn bereits in der ursprünglichen Fassung des Doppelbesteuerungsabkommens vom 11. August 1971 (BGBl. II 1972,1022) sei das Besteuerungsrecht für Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen worden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt worden sei. Durch das Änderungsprotokoll vom 21. Dezember 1992 (BGBl. II 1993,1888) sei nur der Verweis auf Art. 15a in Art. 15 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. DBA Schweiz eingefügt worden. Dadurch habe sich der Regelungsinhalt dieser Vorschrift und ihre Auslegung gegenüber der ursprünglichen Fassung von 1971 nicht verändert, so dass das Rückwirkungsverbot des Art. 4 WÜRV eingreife.

Darüber hinaus könne aus verfassungsrechtlichen Gründen weder Art. 26 Abs. 3 DBA Schweiz noch Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Abs.3 WÜRV noch sonstiges Völkergewohnheitsrecht der Verständigungsvereinbarung, die ein im DBA Schweiz nicht vorgesehenes Besteuerungsrecht schaffe oder ein solches zu Lasten des Steuerpflichtigen ändere, innerstaatliche Wirksamkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen und den Gerichten verleihen.

Innerstaatliche Geltung erlange ein Doppelbesteuerungsabkommen, das sich auf ein Bundesgesetz beziehe, nur durch seine Transformationen in innerstaatliches Recht in der Form eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz - GG -). Dadurch werde das Doppelbesteuerungsabkommen innerstaatlich anwendbares Recht. Es wäre daher mit Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar, wenn der Inhalt des Gesetzes durch eine spätere, auf Verwaltungsebene getroffene Verständigungsvereinbarung geändert werden könne.

Die Finanzbehörden seien an den Abkommenstext als innerstaatliches Recht gebunden.

Das innerstaatliche Recht werde durch den Bundesfinanzhof in letzter Instanz für alle Rechtsanwender verbindlich ausgelegt. Nach der bisherigen BFH - Rechtsprechung zu Abfindungszahlungen für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst sei bei vergleichbaren Regelungen in anderen Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zugestanden worden (BFH - Urteil vom 01. Februar 1989 I R 74/86 BStBl II 1990,4).

Die Klägerin führt weiter aus, dass ein deutsches Besteuerungsrecht auch nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Satz 4 DBA Schweiz (sogenannte überdachende Besteuerung) ausgeschlossen sei, da im Zeitpunkt des Zuzugs in die Schweiz die Absicht bestanden habe, dort eine unselbständige Tätigkeit auszuüben. So habe sie bereits im Juli 2005 mit Herrn ...... Kontakt aufgenommen und sich mit diesem am ... August 2005 getroffen, um über eine Tätigkeit bei der ...- Bank zu sprechen. Am ... November und ... Dezember 2005 habe sie mit Herrn ... und Herrn Dr. ....,......, telefonisch und persönlich über die Aufnahme einer Tätigkeit bei der - Bank am Hauptsitz in Zürich verhandelt. Auch im Januar 2006 seien mit Herrn ... und Herrn ...,......, nähere Gespräche über eine Tätigkeit der Klägerin für die Bank geführt worden. Die Verhandlungen hätten sich jedoch auch mit weiteren namentlich genannten Mitgliedern der Geschäftsleitung hingezogen. Deswegen habe die Klägerin schließlich ein Angebot der ......am ... Dezember 2006 angenommen.

Die einjährigen Verhandlungen über die Aufnahme eines Angestelltenverhältnisses in der Schweiz ständen Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA Schweiz nicht entgegen. Denn es sei nicht erforderlich, dass die Absicht der Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit bereits konkrete Formen angenommen habe, dergestalt dass Arbeitgeber und Arbeitsplatz zum Zeitpunkt des Zuzugs in der Schweiz bereits feststünden.

Ferner sei es nicht schädlich, dass der alleinige Grund für den Zuzug in die Schweiz nicht die Arbeitsaufnahme gewesen sei, sondern dass auch private Gründe, die Hochzeit am ... Dezember 2005 mit einem Schweizer Staatsbürger, mitgespielt hätten.

Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA Schweiz stelle nicht auf die Ausschließlichkeit der Absicht zur Arbeitsaufnahme ab. Private Gründe, die nicht auf eine missbräuchliche Steuerflucht aus Deutschland schließen ließen, ständen der Anwendung des Artikels 4 Abs. 4 Satz 4 DBA Schweiz nicht entgegen. Dass die Begründung eines gemeinsamen Haushaltes in der Schweiz nicht zu einer missbräuchlichen Wohnsitzverlagerung führe, ergebe sich aus den vergleichbaren Regelungen im Bereich der Grenzgängerbesteuerung. So wende die Finanzverwaltung Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA Schweiz nicht an, wenn der Zuzug in die Schweiz wegen Heirats mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolge (BMF - Schreiben vom 19. September 1994, BStBl II 1994,683, Rn.41).

Die Klägerin beantragt,

die Lohnsteuer - Anmeldung der Beigeladenen für September 2006 vom 9. Oktober 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2007 dahingehend zu ändern, dass der anzumeldende und abzuführende Lohnsteuerbetrag um den Betrag herabgesetzt wird, der auf die an die Klägerin geleistete Abfindungszahlung in Höhe von ......... EUR entfällt, also um ......... EUR, und entsprechend der Solidaritätszuschlag um ......... EUR herabgesetzt wird.

Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2007.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Unterlagen und Akten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 24. Oktober 2008 verwiesen.

Mit Beschluss vom 3. September 2008 wurde die ...- bank AG zum Verfahren beigeladen.

II. Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin konnte die Lohnsteueranmeldung ihrer Arbeitgeberin, der Beigeladenen, soweit sie sie betrifft, aus eigenem Recht anfechten (vgl. BFH - Urteile vom 20.07.2005 VI R 165/01, BStBl II 2005, 890 undvom 05.10.2005 VI R 152/01, BStBl II 2006, 94).

Die Klage ist auch begründet.

Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Lohnsteueranmeldung ist der Senat seiner Ansicht nach nicht darauf beschränkt, zu beurteilen, ob die Beigeladene, die sich nicht selbst gegen die Anmeldung wehrt, die Steueranmeldung vornehmen durfte oder nicht. Denn der 6. Senat des BFH hat in seinen Urteilen vom 20.07.2005 und 05.10.2005 die gegen die Lohnsteueranmeldung klagenden Arbeitnehmer nicht auf ein eigenständiges Erstattungsverfahren in analoger Anwendung von § 50 d Abs.1 EStG zur Überprüfung der Steuerpflicht verwiesen, wie dies der 1. Senat des BFH für Steueranmeldungen gemäß § 50 a Abs. 4 EStG i.V.m. § 73 e Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) für den Fall, dass der Vergütungsschuldner aufgrund zweifelhafter Rechtslage zur Anmeldung berechtigt war, getan hat (vgl.Beschlüsse vom 13.08.1997 I B 30/97 BStBl II 1997, 700 undvom 07.11.2007 I R 19/04, BStBl II 2008,228) Die der Klägerin von der Beigeladenen bezahlte Abfindung in Höhe von ......... EUR unterliegt nicht der deutschen Besteuerung.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 d i.V.m. § 24 Nr. 1 a EStG unterliegen Entschädigungen, die für die Auflösung eines Dienstverhältnisses an Personen gezahlt werden, die nicht in Deutschland ansässig sind, grundsätzlich der beschränkten Besteuerung in Deutschland, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben.

Eine Besteuerung kann nur dann entfallen, wenn die Bundesrepublik Deutschland in einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf das Besteuerungsrecht verzichtet hat. Denn die Regelungen eines ordnungsgemäß transformierten DBA haben Vorrang vor dem bestehenden innerstaatlichen Recht und sind von den Steuerbehörden von Amts wegen zu beachten (BFH - Urteil vom 22.10.1986 I R 261/82, BStBl II 1987,171).

Im vorliegenden Streitfall hat die Bundesrepublik Deutschland im DBA mit der Schweiz auf die Besteuerung von Abfindungszahlungen für die vorzeitige Lösung eines Arbeitsverhältnisses verzichtet.

Nach Art. 15 Abs. 1 des DBA Schweiz können vorbehaltlich der Art. 15 bis 19 Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Personen aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Ist Letzteres der Fall, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

Ob eine Abfindung, die - wie im Streitfall - einem Arbeitnehmer anlässlich der Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses gewährt wird, zu den Einkünften aus unselbständiger Arbeit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz rechnet, richtet sich nach deutschem Recht, da der Begriff der Abfindung im DBA Schweiz nicht definiert ist (BFH - Urteil vom 10.07.1996 I R 83/95, BStBl II 1997, 341 m.w.N.). Nach deutschem Recht gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährt werden und damit auch Abfindungen für die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses (vgl. BFH - Urteil vom 24.02.1988 I R 143/84, BStBl II 1988,819). Diese sind kein (zusätzliches) Entgelt für die frühere Tätigkeit und auch kein Beitrag, der zur Versorgung wegen Erreichens der Altersgrenze oder wegen vorzeitiger Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gezahlt wird (Art. 18 DBA Schweiz).

Wird die Abfindung für eine frühere Tätigkeit in dem Staat bezahlt, in dem der Arbeitnehmer nicht ansässig ist (aber tätig war), kann die Abfindung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Schweiz gleichwohl nicht im Tätigkeitsstaat besteuert werden. Denn die Abfindung wird in diesem Fall nicht für eine konkrete im In- oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt (BFH - Urteil vom 10.07.1996, a.a.O.).

Die Abfindung ist dann gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 DBA Schweiz nur in dem Staat zu besteuern, in dem der abgefundene Arbeitnehmer ansässig ist.

Im vorliegenden Streitfall bedeutet dies, dass die im Jahre 2006 in Deutschland ausgezahlte Abfindung in der Schweiz zu besteuern ist, da die Klägerin seit Dezember 2005 nicht mehr in Deutschland, sondern in der Schweiz ansässig war.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verständigungsvereinbarung der deutschen Steuerbehörde mit der eidgenössischen Steuerverwaltung, bekannt gegeben mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13.10.1992 IV C 6 - S 1301 - Schz - 101/92. In dieser Vereinbarung haben die deutsche und die eidgenössische Steuerverwaltung vereinbart, dass der frühere Tätigkeitsstaat bei Abfindungen für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst das Besteuerungsrecht habe.

Nach Ansicht des erkennenden Senates war die Verwaltung jedoch nicht zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung ermächtigt.

Art. 26 Abs. 3 DBA Schweiz ermächtigt die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten dazu, Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen, im gegenseitigen Einvernehmen durch eine Verständigungsvereinbarung zu beseitigen.

Eine derartige Verständigungsvereinbarung ist eine Verwaltungsvorschrift. Sie kann norminterpretierenden Charakter haben oder eine Billigkeitsregelung enthalten. Sie kann aber weder selbständige Besteuerungstatbestände schaffen noch gesetzlich normierte Besteuerungstatbestände zu Lasten des Steuerpflichtigen ändern. Eine Verständigungsvereinbarung, die die Regelungen des DBA Schweiz oder des danach anzuwendenden Steuerrechts ändert oder ihnen gar widerspricht, hat keine Außenwirkung. Sie bindet die beteiligten Verwaltungen nur so lange, als nicht das Abkommen selbst, das innerstaatliche Recht oder verbindliche gerichtliche Entscheidungen dem entgegenstehen (Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen 3. Aufl. 1996, Art. 25 Rz.105). Denn die Auferlegung von Steuerpflichten ist allgemein der parlamentarischen Gesetzgebung vorbehalten. Ist ein DBA durch Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 GG Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung geworden, so kann eine Verwaltungsvereinbarung nicht das Gesetz ändern (vgl. BFH - Urteile vom 11.04.1990 I R 63/88, BFH/NV 1990,705 undvom 01.02.1989 I R 74/86, BFH/NV 1989,31).

Im vorliegenden Streitfall bestanden Zweifel mangels einer Definition im DBA Schweiz daran, ob es sich bei den Abfindungen für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst nach schweizerischem und deutschem Einkommensteuerrecht um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Art. 15 DBA Schweiz), Versorgungsleistungen (Art.18 DBA Schweiz) oder um sonstige Einkünfte (Art. 21 DBA Schweiz) handelte (Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl. 2008 Art. 15 Rz.17). Hinsichtlich der gemeinsamen Einordnung einer Abfindung für das Ausscheiden aus dem Dienst unter einen bestimmten Artikel des DBA Schweiz bestand eine Ermächtigung für die deutsche und die eidgenössische Steuerverwaltung eine diesbezügliche Verständigung herbeizuführen. Diese haben die Verwaltungen mit der Verständigungsvereinbarung vom 13.10.1992 auch wahrgenommen, indem sie diese Abfindungen den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Art. 15 DBA Schweiz) zugeordnet haben.

Nach dieser Zuordnung zu Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz ergibt sich jedoch eindeutig aus dem DBA selbst, welcher Staat das Besteuerungsrecht hat. Diese hat demnach grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat. Ausnahmsweise kann eine Besteuerung im Tätigkeitsstaat erfolgen, wenn die Tätigkeit dort ausgeübt wird (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 des DBA Schweiz). Bei grammatikalischer Auslegung des Textes des DBA ist davon auszugehen, dass die Vertragsstaaten nur so lange die Einkünfte dem Tätigkeitsstaat zuweisen wollten, wie der Arbeitnehmer tatsächlich dort arbeitet. Eine Abfindung, die in der Regel - so auch im Streitfall - nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses bezahlt wird, erfüllt diese Anforderung nicht. Dies hat auch der BFH in seinemUrteil vom 24.02.1988 I R 143/88, a.a.O. so entschieden. Die stete Zuweisung der Besteuerung an den Tätigkeitsstaat geht über die Auslegung und Lückenfüllung des Abkommenstextes hinaus. Sie führt zu einer dem Abkommen widersprechenden Rechtslage.

Diese materielle Änderung des DBA Schweiz durch eine Verwaltungsvereinbarung verstößt gegen den Grundsatz, dass die Auferlegung von Steuerpflichten der parlamentarischen Gesetzgebung vorbehalten ist.

Sowohl der Abkommenstext als auch das vorgenannte Urteil führen dazu, dass die Verständigungsvereinbarung hinsichtlich der Zuweisung des Besteuerungsstaates für die deutsche Steuerverwaltung nicht bindend ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 20. Mai 1969 (BGBl. II 1985,926). Auch diese Regelung führt nicht dazu, dass die Verständigungsvereinbarung zur Auslegung des Abkommenstextes herangezogen werden kann oder ständige Übung zu einem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland führt.

Das WÜRV gilt nach seinem Art. 4 nur für Verträge, die von Staaten abgeschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist. Für die Bundesrepublik ist das Abkommen erst am 20. August 1987 und für die Schweiz am 6. Juni 1999 in Kraft getreten.

Das im Streitjahr geltende DBA Schweiz, insbesondere der Art. 15, stammt vom 11. August 1971 (BGBl. II 1972,1022) und wurde durch das Änderungsprotokoll vom 21. Dezember 1992 (BGBl. II 1993,1888), wie der Vertreter der Klägerin zutreffend ausführt, hinsichtlich des Artikels 15 nur geringfügig geändert. Es kann jedoch dahinstehen, ob bereits diese geringfügige Änderung ausreicht, um den Anwendungsbereich des WÜRV zu eröffnen, denn nach der Überzeugung des Gerichts steht der Anwendung der Verständigungsvereinbarung i. V.m. Art. 31 Abs.1 und 3 a WÜRV Art. 59 Abs.2 Satz 1 GG entgegen.

Nach Art. 31 Abs. 1 WÜRV ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Nach Art. 31 Abs. 3 a WÜRV ist außer dem Zusammenhang in gleicher Weise jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen zu berücksichtigen. Die Übereinkunft zwischen den deutschen und den schweizerischen Finanzbehörden ist jedoch auch dann nicht maßgebend, wenn die Regelung in Art. 31 Abs. 3 a WÜRV zu dem allgemein anerkannten ungeschriebenen Völkergewohnheitsrecht rechnet. Denn Völkergewohnheitsrecht kann Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach der Inhalt eines völkerrechtlichen Vertrages nur aufgrund eines Zustimmungsgesetzes Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung wird, nicht außer Kraft setzen, wenn es sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht. Nach Art. 25 GG kann Völkergewohnheitsrecht nur insoweit Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung sein, als es nicht dem Verfassungsrecht widerspricht. Den Vorrang des Verfassungsrechts vor den anerkannten Regeln des Völkerrechts hat das Bundesverfassungsgericht in seinemBeschluss vom 26. März 1957 2 BvG 1/55, BVerfGE 6,309/363 bejaht, dem sich auch der BFH in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1963 I 230/61 S, BStBl III 1964,253 unter II. angeschlossen hat.

Auch ist Art. 25 GG unabhängig vom Vorrang des Verfassungsrechts nicht darauf gerichtet, einer Übereinkunft zwischen den deutschen und eidgenössischen Finanzbehörden eine das Zustimmungsgesetz ändernde Wirkung zu verleihen. Art. 25 GG bezieht sich nicht unmittelbar auf völkerrechtliche Verträge. Diese werden nur auf der Grundlage eines Zustimmungsgesetzes Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Völkergewohnheitsrecht, das sich auf völkerrechtliche Verträge bezieht, führt nicht über Art. 25 GG dazu, dass die völkerrechtlichen Verträgen ohne die erforderliche Zustimmung Bestandteil der innerstaatlichen Ordnung werden (BFH - Urteil vom 01.02.1989 I R 74/86, BStBl II 1990,4).

Auch der völkerrechtlich anerkannte Grundsatz "pacta sunt servanda" (Verträge sind zu halten - vgl. Art. 26 WÜRV -) hat nicht die Wirkung, dass ein völkerrechtlicher Vertrag wie eine Verständigungsvereinbarung, dem nicht durch ein förmliches Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG zugestimmt wurde, als in das innerstaatliche Recht überführt gilt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1957, a.a.O.). Dementsprechend kann eine Auslegungsregel, wonach eine spätere Übereinkunft der Vertragspartner maßgebend ist, nicht dazu führen, dass ein völkerrechtlicher Vertrag (im vorliegenden Fall das DBA) für das innerstaatliche Recht eine andere Bedeutung erhält, als dies dem Zustimmungsgesetz entspricht.

Schließlich hat eine dem Art. 31 Abs. 3 WÜRV entsprechende Auslegungsregel des Völkergewohnheitsrechts auch nicht die Wirkung einer Ermächtigung für die Verwaltung, eine das Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag interpretierende Rechtsverordnung zu erlassen. Denn das Völkergewohnheitsrecht erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 GG, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß einer erteilten Ermächtigung in dem ermächtigenden Gesetz bestimmt werden müssen (vgl. BFH - Urteil vom 01.02.1989 a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen, unterliegt im vorliegenden Streitfall die gezahlte Abfindung für die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses der Klägerin nach Art. 15 Abs.1 Satz 1 DBA nicht der deutschen, sondern der schweizerischen Besteuerung, da die Klägerin im Streitjahr nicht in Deutschland ansässig war und die Verständigungsvereinbarung vom 13.10.1992, die der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht zuweist, nicht innerstaatliches Recht geworden ist.

Eine Besteuerung der gezahlten Abfindung durch den deutschen Fiskus kommt auch nicht nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA Schweiz in Betracht.

Nach dieser Vorschrift kann die Bundesrepublik Deutschland bei einer in der Schweiz ansässigen natürlichen Person, die nicht die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt und die in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war, in dem Jahr, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht zuletzt geendet hat und in den folgenden fünf Jahren die aus der Bundesrepublik Deutschland stammenden Einkünfte besteuern. Die Bestimmungen des Satzes 1 gelten jedoch ausnahmsweise nicht, wenn die natürliche Person in der Schweiz ansässig geworden ist, um hier eine echte unselbständige Tätigkeit für einen Arbeitgeber auszuüben, an dem sie über das Arbeitsverhältnis hinaus weder unmittelbar noch mittelbar durch Beteiligung oder in anderer Weise wirtschaftlich wesentlich interessiert ist (Art. 4 Absatz 4 Satz 4 DBA Schweiz). In diesen Fällen, verzichtet Deutschland auf den ergänzenden Besteuerungsanspruch, da der Zuzug in die Schweiz auf Gründen beruht, die eine Steuerflucht aus dem Inland nicht vermuten lassen.

Die Ausnahmevorschrift des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA Schweiz erfordert, dass das Ansässigwerden in der Schweiz in der Absicht erfolgt, um dort eine unselbständige Tätigkeit auszuüben.

Dabei muss diese Absicht nicht der alleinige Beweggrund für den Zuzug in die Schweiz sein. Es ist sogar denkbar, dass andere Beweggründe vorrangiges Motiv für den Umzug in die Schweiz waren, z.B. eine Heirat, wenn nur die Absicht hinzu kommt, dort einer unselbständigen Arbeit nachzugehen. Zudem ist auch nicht erforderlich, dass die beabsichtigte Arbeitsaufnahme schon konkrete Formen angenommen hat. Insbesondere müssen weder der Arbeitgeber noch der Arbeitsplatz noch die Art der auszuübenden Tätigkeit beim Zuzug in der Schweiz feststehen. Schließlich genügt es auch, wenn beim Zuzug in die Schweiz die Absicht der Arbeitsaufnahme vorhanden war, selbst wenn diese Absicht dann später endgültig und auf Dauer aufgegeben wird (Flick/ Wassermeyer/ Kempermann, Kommentar zum Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland - Schweiz, Art. 4 Rz. 128,129 und 130).

Im vorliegenden Fall war die Klägerin, eine ...... Staatsbürgerin, unbestritten mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland. Auch stammen die Abfindungszahlungen aus Deutschland von einer deutschen Arbeitgeberin, der Beigeladenen.

Die Zahlung ist jedoch nicht in Deutschland der Steuer zu unterwerfen, da die Klägerin im Dezember 2005 bereits ihren Wohnsitz in die Schweiz verlagert hat und der Zuzug in die Schweiz nach Ansicht des Senates nicht erfolgte, um der deutschen Steuer zu entgehen.

Der Umzug diente vielmehr der Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit in der Schweiz und daneben auch der Begründung eines gemeinsamen Hausstandes mit ihrem Schweizer Ehemann, den sie am ... Dezember 2005 geheiratet hatte.

Die Klägerin hat glaubwürdig dargestellt, dass sie bereits ab Juli 2005 mit namentlich benannten Zuständigen der Schweizer Bank ...... über die Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit verhandelt hat. Sie hat dann auch nach dem Scheitern dieser Vertragsverhandlungen, die sie zunächst vereinbarungsgemäß exklusiv mit der ...- Bank führte, eine nichtselbständige Tätigkeit bei ......... in Zürich im Dezember 2006 aufgenommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs.1 Satz 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -) zuzulassen, da die Finanzverwaltung durch BMF - Schreiben vom 20.05.1997 IV C 6 - S 1301 Schz - 26/97 die Nichtanwendung des Urteils des BFH vom 10.07.1996 I R 83/95, BStBl II 1997,341 angeordnet hat (vgl. dazu BFH - Beschluss vom 10.03.1995 VIII B 98, 94, BFH/NV 1995,992).

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Ende der Entscheidung

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