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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 27.07.2007
Aktenzeichen: 8 K 3952/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 2
EStG § 1 Abs. 3
EStG § 1 Abs. 4
EStG § 1a
EStG § 10d Abs. 4 S. 1
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

8 K 3952/05

Einkommensteuer 2002

In der Streitsache

...

hat der 8. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...

des Richters am Finanzgericht ... und

der Richterin am Finanzgericht ... sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung

am 27. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist, ob für den Kläger für das Streitjahr 2002 eine Veranlagung vorzunehmen ist und wenn ja, in welcher Höhe zum 31.12.2002 ein Verlustvortrag gem. § 10d Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz --EStG--festzustellen ist.

Der Kläger war seit 1998 bei einer Firma in den USA, Kalifornien beschäftigt. Er hatte dort auch seinen Wohnsitz. Da er wieder nach Deutschland zurück wollte, bewarb er sich bei insgesamt 16 Firmen mit Sitz in Deutschland. Im Zusammenhang damit hatte er im Streitjahr 2002 Aufwendungen in Höhe von 4.018 EUR. Auf seine Anlage zur Einkommensteuererklärung für 2002 wird insoweit verwiesen. Diese Aufwendungen machte er neben Kosten für ein Fernstudium in Höhe von 1.004 EUR als vorweggenommene Werbungskosten im Zusammenhang mit seinen avisierten Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit in Deutschland geltend.

In seiner Einkommensteuererklärung und Erklärung des verbleibenden Verlustvortrags gab er neben den vorgenannten Werbungskosten von 5.022 EUR keinerlei Einkünfte an.

Mit Bescheid vom 02. Dezember 2004 lehnte der Beklagte (das Finanzamt) eine Veranlagung zur Einkommensteuer 2002 mit der Begründung ab, der Kläger habe 2002 weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt und auch keine inländischen Einkünfte i. S. des § 49 EStG bezogen. Zugleich wies das FA darauf hin, dass die Berücksichtigung des erklärten Verlustes aus diesem Grund nicht möglich sei. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 29. September 2005 zurück. Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kläger vortragen lässt, es handele sich bei den geltend gemachten Aufwendungen um vorweggenommene Werbungskosten in wirtschaftlichem Zusammenhang mit seiner künftigen inländischen nichtselbständigen Tätigkeit. Die Abzugsfähigkeit seiner Aufwendungen könne nicht daran scheitern, dass er, der Kläger, erst im Jahr 2003 nach Deutschland gezogen sei und er demzufolge zum Zeitpunkt, als ihm die Kosten entstanden waren, hier noch nicht steuerpflichtig war.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 02. Dezember 2004, mit welchem das Finanzamt die Veranlagung zur Einkommensteuer 2002 abgelehnt hatte, sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2005 aufzuheben, für 2002 eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen und einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31.12.2002 in Höhe von 5.022 EUR festzustellen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag,

die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt

Klageabweisung.

Zur Begründung verweist es erneut darauf, dass der Kläger im Streitjahr 2002 im Inland weder unbeschränkt noch beschränkt steuerpflichtig war.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

II. 1. Die Klage ist zulässig.

Lehnt das Finanzamt - wie im vorliegenden Fall - eine Veranlagung aus sachlichen Gründen ab, ist hiergegen die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH--vom20. Dezember 2000 III R 17/97, BFH/NV 2001, 914, undvom 02. Juni 2005 III R 66/04, BStBl II 2006, 184).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Das Finanzamt hat zu Recht für das Jahr 2002 keine Veranlagung zur Einkommensteuer vorgenommen. Eine Veranlagung zur Einkommensteuer ist nur für Steuerpflichtige i. S. des § 1 EStG vorzunehmen. Hierzu rechnete der Kläger damals nicht. Er hatte im Streitjahr 2002 im Inland - unstreitig - weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Da zudem die Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 2 und 3 sowie § 1a EStG nicht gegeben waren, war er demzufolge damals nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Er war in Ermangelung inländischer Einkünfte i. S. des § 49 EStG auch nicht beschränkt steuerpflichtig gem. § 1 Abs. 4 EStG. Insbesondere hatte er - entgegen seiner Auffassung - keine inländischen Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) EStG. Nach dem insoweit eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Gesetzeswortlaut hätte er hierfür entweder seine Arbeit im Inland ausüben oder diese hätte im Inland verwertet werden müssen. Beides war aber nicht der Fall.

Da für den Kläger für das Streitjahr gem. § 1 EStG somit keine Veranlagung zur Einkommensteuer vorzunehmen ist, scheidet auch die beantragte und vom FA inzidenter abgelehnte Verlustfeststellung aus. Denn eine solche setzt - wie das FA im Schreiben vom 02. Dezember 2004 (a. E.) zutreffend ausgeführt hat - u.a. voraus, dass überhaupt eine Veranlagung zur Einkommensteuer vorzunehmen ist (vgl. Schmidt/Heinicke, Komm. zum EStG, 26. Aufl. 2007, § 10d Rz. 12). Dies ist hier aus den vorgenannten Gründen aber nicht der Fall.

Dies bedeutet nach Auffassung des Senats jedoch nicht, dass der Kläger die Aufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den beabsichtigten inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit stehen, überhaupt nicht, also auch nicht bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2003 geltend machen kann. Soweit es sich bei den Aufwendungen des Klägers tatsächlich um vorweggenommene, bislang nicht berücksichtigte Werbungskosten handelt, was der Senat für das vorliegende Verfahren offen lassen kann, haben sie zu einem Verlustvortrag i. S. des § 10d EStG geführt. Dieser ist unabhängig von der pagatorischen Regelung des § 11 Abs. 2 EStG, die nur den Zeitpunkt des Werbungskostenabzugs betrifft, auf spätere Veranlagungszeiträume vortragsfähig und ggf. bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2003 abzugsfähig. Dass für den Kläger für 2002 keine Einkommensteuerveranlagung vorzunehmen ist und damit auch die beantragte Verlustfeststellung entfällt, steht dem nicht entgegen. Findet - ausnahmsweise - ein gesondertes Verlustfeststellungsverfahren gem. § 10d Abs. 4 EStG nicht statt, ist über die Verrechnung von Verlusten aus dem Vorjahr dem Grunde und der Höhe nach in dem Veranlagungszeitraum zu entscheiden, in dem der Steuerpflichtige entsprechende verrechenbare positive Einkünfte erzielt hat (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH--vom22. September 2005 IX R 21/04, BFHE 212, 41, BStBl II 2007, 158 undvom 27. Juni 2006 IX R 50/05, BFH/NV 2006, 1836).

Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für vorweggenommene Werbungskosten, die einem im Ausland wohnenden, noch nicht steuerpflichtigen Arbeitnehmer in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit künftigen inländischen Einkünften entstanden sind. Bei diesen handelt es sich um Werbungskosten i. S. des § 9 EStG, die entsprechend dem das deutsche Einkommensteuergesetz beherrschenden Prinzip der Netto-Belastung auch abzugsfähig sein müssen (Kirchhof/Gosch, Komm. zum EStG, 7. Aufl. 2007, § 49 Rz. 166; Schmidt/Heinicke, Komm. zum EStG, 26. Aufl. 2007, § 50 Rz. 21; Blümich/Wied, Komm. zum EStG u.a.; § 50 Rz. 40; Roth in Herrmann/Heuer/Raupach, Komm. zum EStG u.a., § 49 EStG Anm. 53; Hidien in Kirchhof/Söhn/Melinghoff, EStG, § 49 Rdnr. G 209).

Das Finanzamt wird daher bei der Einkommensteuerveranlagung 2003, die ggf. gem. § 174 Abs. 3 Abgabenordnung zu ändern ist (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2007, 158), zu überprüfen haben, ob alle vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen unter Beachtung der Grundsätze in dem Urteil des BFH vom 27. April 2005 I R 112/04 (BFH/NV 2005, 1756) auch als vorweggenommene Werbungskosten abzugsfähig sind (vgl. die Urteile des Finanzgerichts Hamburg vom 28. Februar 2006 VI 351/03, EFG 2006, 1565 und vom 09. März 2007 6 K 96/05, StE 2007, 355) und zu einem entsprechend hohen Verlustvortrag geführt haben.

3. Revision: Die Revision zum Bundesfinanzhof ist gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Im Urteil vom 27. April 2004 (in BFH/NV 2005, 1756) hat der BFH die Frage, ob auch Einkünfte im Zusammenhang mit einer künftigen Inlandstätigkeit "inländische Einkünfte" i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG sein können und deshalb eine Veranlagung gem. § 1 Abs. 4 EStG vorzunehmen ist, wenn ein Steuerpflichtiger im betreffenden Veranlagungszeitraum nur vorweggenommene Werbungskosten, ausdrücklich offen gelassen.

Ende der Entscheidung

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