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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 9 K 2080/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 9
EStG § 24 Nr. 1
EStG § 34 Abs. 2
EStG § 34 Abs. 2 Nr. 2
EStG F. 1999 § 34 Abs. 1
EStG F. 1998 § 34 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

9 K 2080/05

Einkommensteuer 1998 und 1999

In der Streitsache

hat der 9. Senat des Finanzgerichts München

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Unternehmensberater nichtselbständig tätig. Er ist zum 31. Mai 1998 aus dem Unternehmen ausgeschieden (vgl. Aufhebungsvertrag vom 31. März 1998 mit Änderung vom 30. April 1998).

Im Rahmen einer Selbstanzeige ............. teilte der Kläger dem Beklagten (Finanzamt) mit, dass ihm von der Muttergesellschaft seines Arbeitgebers ................ Aktienoptionen gewährt worden waren, die er in den Jahren 1997 bis 2000 ausgeübt hatte. Nach einer Kontrollmitteilung des Finanzamts ....... vom Februar 2004 handelte es sich dabei um folgende Optionen:

Gewährung 1. März 1996:

 Ausübung: 
25. November 1997:7.532,77 USD
3. März 1998:17.537,85 USD
13. März 1998:20.537,85 USD
9. Dezember 1998:16.983,50 USD
12. April 1999:72.563,00 USD

Gewährung 1. September 1997:

 Ausübung: 
18. September 1998:27.458,20 USD
3. März 2000:11.491,64 USD
24. März 2000:13.133,72 USD

Gewährung 30. Januar 1998:

 Ausübung: 
1. Februar 1999:60.491,06 USD

Mit Bescheiden vom ................. änderte das Finanzamt die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide u.a. für 1998 und 1999. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages für Abfindungen besteuerte das Finanzamt die im Aufhebungsvertrag vom 30. April 1998 vereinbarte Barabfindung gemäß § 34 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der für 1998 gültigen Fassung ermäßigt. Im Änderungsbescheid für 1999 wandte das Finanzamt hinsichtlich des geldwerten Vorteils aus der Optionsausübung zum 1. Februar 1999 (vgl. oben USD 60.491,06 = 105.556 DM) die Fünftelungsregelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG in der im Jahr 1999 gültigen Fassung an. Die übrigen aus den Optionsausübungen in 1998 und 1999 stammenden geldwerten Vorteile wurden normal besteuert.

Die dagegen erhobenen Einsprüche blieben erfolglos. Auf die Einspruchsentscheidung vom ......... wird ergänzend Bezug genommen.

Mit der dagegen gerichteten Klage begehren die Kläger die ermäßigte Besteuerung der in 1998 und 1999 ausgeübten Aktienoptionen in Höhe von 38.696,72 EUR gemäß § 34 Abs. 3 EStG alter Fassung (1998: ermäßigter Steuersatz) bzw. in Höhe von 119.912,28 EUR gemäß § 34 Abs. 1 EStG (1999: Fünftelungsregelung). Zur Begründung tragen sie vor, dass die Optionen im Rahmen der Abfindungsvereinbarung zugeflossen seien.

Die Aktienoptionen seien ursprünglich aufgrund der Vereinbarungen im Arbeitsvertrag gewährt worden. Die Ausübung habe frühestens ein Jahr nach der Gewährung mit jährlich einem Drittel erfolgen dürfen. Bei Ausscheiden aus der Firma seien sie verfallen. Durch die Abfindungsvereinbarung im Aufhebungsvertrag seien sie wiederbelebt und der Abfindung zugeschlagen worden. Aufgrund der Regelungen sei es nur möglich gewesen, in drei Jahren maximal ein Drittel der Option jährlich auszuüben. Die in den Streitjahren ausgeübten Optionen stellten eine Zusammenballung dar, da sie als Teil der Abfindung in diesen beiden Jahren ausgeübt worden seien und auch nur so hätten ausgeübt werden können. Wegen der Ausübung in 1998 und 1999 sei es zu einer Zusammenballung gekommen. Es handele sich um einmalige und für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche Zuflüsse, die auch das zusammengeballte Ergebnis der Tätigkeit mehrerer Jahre darstellten.

Das Finanzamt habe diese Abfindungsregelung nicht akzeptiert, obwohl die zivilrechtlichen Vereinbarungen eindeutig seien. Die steuerrechtliche Beurteilung habe der zivilrechtlichen Vereinbarung zu folgen, da kein Umgehungsgeschäft vorliege. Es sei dem Verhandlungsgeschick des Klägers zu verdanken, dass er in der Abfindungsvereinbarung die Optionen erneut zugeteilt bekommen habe, obwohl sie üblicherweise -wie auch bei allen anderen Arbeitnehmern- verfielen. Zwar sei dem Finanzamt zuzugeben, dass bei normalem Ablauf keine ermäßigte Besteuerung in Betracht komme, hier liege jedoch der Sonderfall der Zusammenballung in der Abfindungsvereinbarung vor.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 und der Einspruchsentscheidung vom ............. die geldwerten Vorteile aus der Ausübung der Aktienoptionen in diesen Jahren ermäßigt zu besteuern und die Einkommensteuer 1998 mit .............. EUR sowie die Einkommensteuer 1999 mit ........... EUR festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Hinsichtlich des Vorbringens und der Anträge der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Oktober 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Übereinstimmend mit den Beteiligten ist der Senat der Auffassung, dass die geldwerten Vorteile aus der Ausübung der Aktienoptionen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen. Nach der in den Streitjahren geltenden Rechtslage kommt eine ermäßigte Besteuerung dann in Betracht, wenn es sich dabei um Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 EStG (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG) oder um Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten handelt (§ 34 Abs. 3 EStG 1998 bzw. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG 1999). Voraussetzung ist in beiden Fällen jedoch, dass eine Zusammenballung von Einnahmen vorliegt (vgl. Schmidt/Seeger, EStG 25. Aufl. § 24 Rz. 12; Schmidt/Glanegger/Seeger, a.a.O. § 34 Rz. 42; Küttner/Huber, Personalbuch 2006, Außerordentliche Einkünfte Rz. 11, 14, 16).

Selbst wenn man unterstellt, dass die Aktienoptionen Teil der Abfindungsvereinbarung sind und daher als Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 a EStG anzusehen sind (vgl. Schmidt/Seeger, a.a.O. Rz. 16), scheitert eine ermäßigte Besteuerung an der fehlenden Zusammenballung. Dabei kann es dahinstehen, ob die vom Finanzamt unter Berücksichtigung des Freibetrags gemäß § 3 Nr. 9 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ermäßigt besteuerte Barentschädigung als Teil der Gesamtentschädigung in diese Betrachtung einzubeziehen ist (vgl. BFH-Urteile vom 16. Juni 2004 XI R 55/03, BStBI II 2004, 1056 sowie vom 14. Mai 2003 XI R 16/02, BStBI II 2003, 881), denn auch wenn man nur die Aktienoptionen berücksichtigt, sind diese nicht in einem Veranlagungszeitraum geballt zugeflossen, sondern in drei Veranlagungszeiträumen (1998, 1999, 2000). Dabei ist nicht auf die einheitliche Vereinbarung der Optionen im Aufhebungsvertrag abzustellen, sondern auf den Zufluss, der erst mit Ausübung der Option zu den jeweiligen Zeitpunkten erfolgt ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2001 l R 100/98, BStBI II 2001, 509). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Ausübung der Optionen zivilrechtlich nur mit einem Drittel jährlich möglich war, denn steuerrechtlich ist auf den tatsächlichen Geschehensablauf abzustellen. Eine Zusammenballung liegt eben nicht vor, wenn der Zufluss in verschiedenen Jahren erfolgt, denn diese Regelung soll den durch die Zusammenballung entstehenden Progressionsnachteil ausgleichen. Im Übrigen spricht dies dafür, dass es sich hier weiterhin um die Ausübung der mit dem Arbeitsvertrag eingeräumten Optionen gehandelt hat, denn den Vertragsparteien hätte es frei gestanden, im Rahmen der Abfindungsvereinbarung eine andere Regelung zu treffen.

Aber auch wenn man von einer Vergütung für mehrjährige Tätigkeit ausgeht, kann die Klage keinen Erfolg haben. Der Zweck der Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG 1998 bzw. § 34 Abs. 1 EStG (1999), die Progressionswirkung zusammengeballt zufließender Einnahmen zu mildern, wird in den Fällen des Zuflusses geldwerter Vorteile aus Aktienoptionen nur erfüllt, wenn Einkünfte, die sich sonst auf mehrere Jahre verteilt hätten, dem Steuerpflichtigen vollständig in einem Veranlagungszeitraum zufließen. Daher ist die Tarifermäßigung nicht zu gewähren, wenn eine Vergütung für mehrere Jahre in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen zufließt und dadurch bereits -bezogen auf die Gesamteinnahme- die Progressionswirkung abgemildert wird. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer seine Aktienoptionsrechte in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen ausübt. Ginge man in diesen Fällen von einer Zusammenballung aus, wäre die Tarifermäßigung auf sämtliche in den einzelnen Jahren zugeflossenen geldwerten Vorteile aus den Optionsvereinbarungen anzuwenden. Eine mehrfache Anwendung der Ermäßigung auf die aus einer einheitlichen Zusage fließenden Einkünfte ist mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbar. Andernfalls hätte es der Steuerpflichtige in der Hand, die Optionsrechte so auszuüben, dass die Voraussetzungen einer Vergütung für mehrjährige Tätigkeit für jeden einzelnen Teilbetrag erfüllt sind (FG München, Urteil vom 3. August 2005 1 K 4944/04, EFG 2005, 1775). Der Kläger hat die Optionsrechte aus der Gewährung vom 1. März 1996 in den Jahren 1997, 1998 und 1999 ausgeübt. Hinsichtlich der Gewährung vom 1. September 1997 hat er diese Rechte 1998 und 2000 ausgeübt.

Soweit das Finanzamt in 1999 den geldwerten Vorteil aus der am 1. Februar 1999 ausgeübten Aktienoption (60.491,06 USD = 105.556,31 DM) gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert hat, kann dahinstehen, ob dies zutreffend ist (vgl. Küttner/Thomas, a.a.O. Rz. 31 m.w.N.; s. auch Hessisches FG, Urteil vom 21. Dezember 2000 10 K 2270/00, EFG 2001, 503; FG München, Urteil vom 25. März 2003 6 K 88/00, Haufeindex 934538), denn eine Verböserung im Klageverfahren ist nicht möglich. Auch soweit der BFH mit Beschlüssen vom 2. August 2006 (XI R 30/03 und XI R 34/02) hinsichtlich vor dem 4. bzw. 31. März 1999 vereinbarter und ausgezahlter Entschädigungen i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG die Regelung des § 52 Abs. 47 EStG für verfassungswidrig hält und diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hat, kann dies vorliegend keinen Einfluss haben, da die ermäßigte Besteuerung durch das Finanzamt hier auf § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG beruht.

Ob der Kläger seine Optionsrechte auf Grund der vertraglichen Regelungen nur in Teiltranchen ausüben oder ob er diese selbst steuern konnte, ist wegen der durch die Aufteilung bereits tatsächlich gegebenen Progressionsentlastung nicht entscheidungsrelevant (vgl. FG München, Urteil vom 24. Oktober 2001 1 K 5201/99, EFG 2002, 276).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Im Hinblick auf die bei der Annahme von Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten zur Zusammenballung bei der Ausübung von Optionsrechten anhängigen Revisionen (z.B. VI R 159/01; VI R 62/05; VI R 136/05; VI R 24/01) hat der Senat gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision zugelassen.



Ende der Entscheidung

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