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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 13.02.2008
Aktenzeichen: 9 K 4800/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
EStG § 7g Abs. 3
EStG § 11 Abs. 2 S. 1
Die Bildung einer Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG setzt voraus, dass die notwendigen Angaben zur Funktion des Witschaftsguts und zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zeitnah vorzunehmen sind. Daran fehlt es, wenn die Gewinnermittlung erst nach mehr als zweieinhalb Jahren nach dem Ende des Gewinnermittlungszeitraums beim Finanzamt eingereicht wird.
Finanzgericht München

9 K 4800/06

Einkommensteuer 2002

In der Streitsache

...

hat der 9. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vizepräsidenten des Finanzgerichts ..., des Richters am Finanzgericht ... und des Richters am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ... auf Grund mündlicher Verhandlung vom 13. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) sowie die Berücksichtigung von Reisekosten als Betriebsausgaben. Die Klägerin erzielte aus einer Unternehmensberatung Einkünfte aus selbständiger Arbeit und ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Die Einkommensteuererklärung für 2002 ging am 4. Oktober 2005 beim beklagten Finanzamt (dem Finanzamt - FA - ) ein. Dabei machte die Klägerin in der Gewinnermittlung im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit u.a. Reisekosten für die Jahre 1998 bis 2001 i.H.v. 21.918 EUR sowie einen Sonderposten mit Rücklageanteil i.H.v. 9.200 EUR als Betriebsausgaben geltend. Weitere Angaben hierzu machte die Klägerin nicht. Das FA sah die geltend gemachte Betriebsausgabe in Höhe von 9.200 EUR als Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 3, 6 EStG an und erkannte diese im Einkommensteuerbescheid 2002 vom 9. Januar 2006 nicht an, weil kein Finanzierungszusammenhang bestehe. Außerdem versagte es den Betriebsausgabenabzug für die Reisekosten in Höhe von 21.918 EUR. Die Klägerin erhob dagegen Einspruch und machte u.a. geltend, dass sie die Rücklage für die Anschaffung eines Pkw gebildet habe, die im April 2004 erfolgt sei. Nachdem das Finanzgericht München mit Beschluss vom 31. März 2006 (Az. 9 V 487/06) den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2002 nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) abgelehnt hatte, trug die Klägerin vor, dass die vom Finanzgericht geforderte Konkretisierung der geplanten Investition daran scheitere, dass sie als Freiberuflerin keine laufende Buchhaltung zu führen habe. Die Ausübung des Wahlrechts nach § 7g Abs. 3 EStG erfolge regelmäßig durch Bildung eines Passivpostens in der Bilanz, nicht bereits in der laufenden Buchführung. Analog erfolge bei ihr die Ausübung des Wahlrechts in der erstmals eingereichten Einnahmen-Überschussrechnung für das Jahr 2002. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 31. Juli 2006 Bezug genommen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 21. November 2006).

Mit der Klage trägt die Klägerin vor, die Ansparabschreibung sei zu gewähren, denn der Gesetzestext beinhalte keinerlei zeitliche Begrenzung hinsichtlich der Bildung der Rücklage. Eine solche würde auch dem Sinn der Regelung widersprechen, denn der vom Gesetzgeber beabsichtigte Effekt dieser Rücklage sei die Erleichterung der Finanzierung von Investitionen, was auch durch die Ausweitung der Regelung zum Ausdruck gebracht werde. Die Erleichterung der Investition solle durch eine Minderung der Steuerlast erreicht werden, was rechtstechnisch durch eine Rücklagenbildung erfolge. Es könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, dass eine Sonderabschreibung nicht gewährt werde, weil die Abgabe des Jahresabschlusses sich aufgrund persönlicher Differenzen in einem Scheidungsverfahren verzögere. Im vorliegenden Fall habe der Jahresabschluss für 2002 wegen der Trennung von ihrem Ehemann erst im Jahr 2005 eingereicht werden können. Aufgrund der verfahrenen Situation im zivilrechtlichen Bereich der Scheidung sei lange unklar gewesen, ob die von ihr gewünschte Zusammenveranlagung vom Ehemann mitgetragen werde. Es seien diverse Einigungsversuche unternommen und Vergleiche angestrebt worden, am Ende sei es aber bei der getrennten Veranlagung geblieben. Nachdem dieser Umstand nicht mehr änderbar gewesen sei, sei die Steuererklärung 2002 umgehend eingereicht worden mit einer entsprechenden Rücklage nach § 7 g EStG. Diese sei für einen Pkw gebildet worden, der in 2004 auch tatsächlich angeschafft worden sei, so dass die Voraussetzungen für eine Sonderabschreibung erfüllt worden seien. Die Rücklage sei in der erstmals eingereichten Einnahmen-Überschussrechnung für 2002 bereits berücksichtigt worden. Es handle sich nicht um eine nachträglich gebildete Rücklage. In diesem Punkt unterscheide sich der Streitfall von den vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fällen, welche von Seiten des FA in der Einspruchsentscheidung zitiert würden. Auch sei der vom BFH geprägte Begriff des Finanzierungszusammenhangs im Streitfall gegeben. Der BFH habeim Urteil vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00 (Bundessteuerblatt - BStBl - II 2002, 385) deutlich gemacht, dass dieser auch nach Anschaffung des betreffenden Wirtschaftsguts gegeben sein könne. Die vom 10. Senat des BFH im Urteil vom 19. September 2002 X R 51/00 (BStBl II 2004, 184) geforderte Konkretisierung vor Durchführung der Investition widerspreche dem inhaltlich. Eine Konkretisierung vor Durchführung der Investition könne nicht zwingend Voraussetzung für die Bildung der Rücklage sein, wenn der Finanzierungszusammenhang nach Durchführung der Investition noch gegeben und die Bildung einer Rücklage möglich sei. In der Literatur sei es umstritten, ob ein Finanzierungszusammenhang Voraussetzung für die Bildung einer Rücklage sei.

Zu Unrecht werde auch der Betriebsausgabenabzug für die Reisekosten versagt. Zwar treffe es zu, dass im Rahmen der hier vorliegenden Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG das Zu- und Abflussprinzip gelte. Die maßgebende Fragestellung sei hier jedoch, wann der Abfluss der Reisekosten gewesen sei. Hierfür müsse der praktische Ablauf der Abrechnung von Reisespesen betrachtet werden. Da die Reisekosten über Pauschalen abgerechnet würden, stünden dem steuerlichen Aufwand keine gleichlautenden Ausgaben gegenüber. Bei einem Arbeitnehmer entstünden im Unternehmen erst dann Kosten, wenn dieser seine Reisekostenabrechnung erstelle, denn vorher seien sie vom Arbeitnehmer privat verauslagt worden. Im vorliegenden Fall habe es sich genauso verhalten. Sie habe die Reisekosten der Jahre 1998 bis 2002 verauslagt und im Jahr 2002 gegenüber dem Unternehmer abgerechnet. Erst in diesem Moment seien dem Unternehmen Kosten entstanden und erst in diesem Moment könnten diese Kosten aus dem Unternehmen abfließen. Vorher sei mangels Abrechnung kein Abfluss von Kosten möglich. Der Gesetzgeber verlange eine Abrechnung über die Reisekosten.

Ohne diese Abrechnung erfolge keine steuerliche Anerkennung der Ausgaben. Folglich entstünden erst mit Erstellung der Abrechnung steuerlich abzugsfähige Kosten.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 9. Januar 2006 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. November 2006 dahingehend zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 31.118 EUR abgezogen werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.

Das FA beantragt

Klageabweisung

und verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2008 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Zu Recht hat das FA die strittigen Betriebsausgaben nicht zum Abzug zugelassen.

1. Nach § 7 g Abs. 3, Abs. 6 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die - wie die Klägerin - den Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens Betriebsausgaben berücksichtigen, die 40% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten dürfen. Hierbei erfordert das Tatbestandsmerkmal einer "voraussichtlichen" Investition eine Prognose über ein hinreichend konkretes künftiges Investitionsvorhaben des Steuerpflichtigen (vgl. BFH - Urteil vom 6. März 2003 IV R 23/01, BStBl II 2004, 187). Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. wie nachzuweisen oder glaubhaft zu machen ist, dass eine Investition i.S. von § 7g Abs. 7 i.V.m. Abs. 3 und 1 EStG "beabsichtigt" ist. Der Steuerpflichtige ist zwar nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Allerdings muss die Investition bei Bildung der Rücklage so genau bezeichnet werden, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Dazu sind Angaben insbesondere zur Funktion des Wirtschaftsguts sowie zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erforderlich (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, BStBl II 2002, 385, und vom 19. September 2002 X R 51/00, BStBl II 2004, 184). Die insoweit notwendigen Angaben zur Funktion des Wirtschaftsguts und zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind zeitnah vorzunehmen, d.h. regelmäßig im Zusammenhang mit der Rücklagenbildung, also innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit für die Aufstellung des Jahresabschlusses (BFHBeschluss vom 5. April 2007 XI B 173/06, BFH/NV 2007, 1308).

Die Klägerin hat bezüglich des Investitionsvorhabens keine zeitnahen Angaben zur Funktion des Wirtschaftsguts bzw. der Wirtschaftsgüter und den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemacht. Dies ergibt sich daraus, dass sie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, in der das Wahlrecht zur Vornahme der Ansparabschreibung in Anspruch genommen wurde, erst nach mehr als zweieinhalb Jahren nach Ende des Veranlagungszeitraums, auf den sich die Gewinnermittlung bezog und damit nicht mehr zeitnah eingereicht hat (vgl. BFH in BFH/NV 2007, 1308). Auf die Gründe für die verspätete Vorlage der Gewinnermittlung kommt es dabei nicht an, insbesondere ergeben sich die Folgen unabhängig von einem Verschulden der Klägerin. Da das Wahlrecht zur Durchführung der Ansparabschreibung erst mit Einreichung der Einnahmen-Überschussrechnung beim Finanzamt ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 2007 X R 16/07, BFH/NV 2008, 217), genügt es für die Konkretisierung der Investitionsentscheidung nicht, wenn - wie von der Klägerin im Einspruchsverfahren vorgetragen - vor Abgabe der Steuererklärung beim FA in einer vorläufigen Einnahmen-Überschussrechnung die Einbuchung einer § 7g EStG-Rücklage erfolgt. Daraus ergibt sich auch, dass die Auffassung der Klägerin, nur eine erstmalige Geltendmachung der Ansparabschreibung im Rahmen des Einspruchsverfahrens könne schädlich sein, nicht aber wenn sie bereits von vorneherein in der Steuererklärung - wenn auch nicht mehr zeitnah - zum Ansatz gebracht werde, nicht zutreffend sein kann, da eventuelle Buchungsvorgänge vor Einreichung der Steuererklärung in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung sind. Darüber hinaus enthält auch die am 4. Oktober 2005 eingereichte Einnahmen-Überschussrechnung 2002 keine Angaben zur Funktion des Wirtschaftsguts und den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Erstmals im Einspruchsverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass die Anschaffung eines Pkw geplant sei, jedoch weiterhin ohne anzugeben, welcher Pkw und mit welchen Anschaffungskosten. Anhaltspunkte dafür, dass - wie mit Schreiben vom 28. Dezember 2007 erstmals vorgetragen - eine den Anforderungen an die Konkretisierung entsprechende Dokumentation sich bei den Buchhaltungsunterlagen der Klägerin befunden hat, sind nicht ersichtlich. Damit kann nicht überprüft werden, ob der nach Angabe der Klägerin in 2004 angeschaffte Pkw demjenigen entspricht, für dessen Finanzierung die Ansparabschreibung gebildet wurde.

Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass nach der Rechtsprechung des BFH der für die Geltendmachung der Ansparabschreibung notwendige Finanzierungszusammenhang dann gewahrt sein kann, wenn die Rücklage zwar nach Ablauf des zweijährigen Investitionszeitraums gebildet wird, die Investition aber tatsächlich innerhalb dieses Zeitraums durchgeführt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 2001 XI R 18/01, BStBl II 2004, 181). Unabhängig von der Frage des Finanzierungszusammenhangs scheitert die Rücklagenbildung aber an der fehlenden zeitnahen Konkretisierung (BFH-Urteil vom 18. November 2006 I R 89/05, BFH/NV 2007, 671).

2. Zu Recht hat das FA die im Jahr 2002 geltend gemachten Reisekosten für die Jahre 1998 bis 2001 i.H.v. 21.918 EUR nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG richtet sich der Zeitpunkt des Betriebsausgabenabzugs nach dem Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG. Grundsätzlich ist der Zeitpunkt der Zahlung als Verlust der tatsächlichen Verfügungsmacht maßgebend (Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 4 Rz. 499). Einschränkungen dieses Grundsatzes gibt es nur, soweit sie sich aus dem Gesetz ergeben, z.B. bei der Anschaffung von nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens oder soweit sich aus den Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung etwas anderes ergibt (§ 4 Abs. 3 Sätze 3, 4 EStG; vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 4 Rz. 495). Eine gesetzliche Ausnahme vom Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG gibt es für den Betriebsausgabenabzug von Reisekosten in Form von Fahrtkosten, Übernachtungskosten und Verpflegungsmehraufwendungen nicht. Diese fallen als Betriebsausgaben im Jahr der Entstehung an. Dass die Höhe der steuerlich zu berücksichtigenden Betriebsausgaben nicht immer mit den tatsächlich entstandenen Aufwendungen korrespondiert, weil das Gesetz z.B. nur den Abzug bis zu bestimmten Höchstbeträgen zulässt (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG), ändert daran nichts, denn maßgebend ist, dass dem Grunde nach Aufwendungen entstehen. Anders als ein Arbeitnehmer, der bei der Abrechnung von Reisekosten gegenüber seinem Arbeitgeber diesen erstmals mit diesen Kosten belastet, hat die Klägerin als Einzelunternehmerin die Aufwendungen sofort mit ihrer Entstehung gehabt. Wann sie diese Kosten in ihrer Buchführung erstmals erfasst und damit "abrechnet", ist unerheblich. Ein Abzug der in den Jahren 1998 bis 2001 angefallenen Kosten im Jahr 2002 ist damit ausgeschlossen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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