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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 9 K 763/03
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 2
EStG § 18 Abs.1 Nr. 1
GewStG § 2 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

9 K 763/03

Gewerbesteuermessbetrag 1998 und 1999

In der Streitsache

hat der 9. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht,

Richters am Finanzgericht und des Richters am Finanzgericht sowie

der ehrenamtlichen Richter und

ohne mündliche Verhandlung

am 18. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) selbständig ist oder einen Gewerbebetrieb unterhält.

Der Kläger hat nach der mittleren Reife eine Ausbildung an der höheren Handelsschule - Oberstufe - mit dem Wahlpflichtbereich Datenverarbeitung absolviert und dort im Jahr 1981 erfolgreich die Abschlussprüfung zum staatlich geprüften Wirtschaftsassistenten DV abgelegt. Anschließend war er in angestellter Position zunächst bis Dezember 1983 als Organisationsprogrammierer und bis 1986 als Systemprogrammierer tätig.

Ab 1986 war der Kläger selbständig tätig. Dabei führte er als Subunternehmer u.a. folgende Leistungen aus: Dozent für Inhouse-Seminare bei Kunden, Ausarbeitung von Seminarunterlagen, Mitarbeit bei Studien und Analysen für verschiedene Kunden, Beratungstätigkeiten im Bereich DOS-MVS-Umstellungen, Realisierung der Prüfungsumgebung für eine DIADatenübernahme in DB2-Tabellen, Aufbau einer DB2-Entwicklungsumgebung, Koordination und Planung von Seminaren für Kunden, Überarbeitung und Bereitstellung von Lehrmitteln. Die vom Kläger durchgeführten Seminare betrafen u.a. Projektmanagement (Grundlagen, MS-Projekt, Projektentwicklung, Projektanalyse usw.), Workshops zum Thema Systemdesign und Generalprojektleitung.

In 1984, 1985 und 1988 nahm der Kläger an verschiedenen Lehrgängen und Seminaren im Bereich der Datenverarbeitung teil, 1996 besuchte er ein 5-tägiges Seminar "DV-Projektmanagement". Auf die Anlage S1 bis S9 zum Sachverständigengutachten ... vom 22. Oktober 2004 wird Bezug genommen.

Von 1996 bis 1999 war der Kläger als Subunternehmer für die Firma A tätig. Grundlage der Tätigkeit des Klägers für die Firma A in den Streitjahren 1998 und 1999 war eine mit Datum vom 25. August 1997 abgeschlossene Rahmenvereinbarung für Subunternehmerleistungen für vom Kläger durchzuführende Beratungs- oder Werkleistungen, z.B. Planungs-, Organisa-tions- und/oder Programmierarbeiten für A im Rahmen eines von A für den Kunden durchzuführenden Projektes nach Maßgabe eines jeweils abzuschließenden Einzelprojektvertrages. Auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung für Subunternehmer mit der Firma A schloss der Kläger mit der Firma A Einzelprojektverträge für das Projekt X für die Phasen 2, 3 und 4. Diese beinhalten vom Kläger zu erbringende Systemberatung, nämlich fachliche Leitung des Projekts, Auswahl und Einweisung neuer Projektmitarbeiter, Überprüfung der Leistungen und Sicherstellung des wöchentlichen Reportings aller beteiligten Mitarbeiter/Firmen, Erstellung von Projektplänen und Leitung von Besprechungen, regelmäßige Statusberichte an Kunden und Auftraggeber, Verantwortung für die Erfüllung der mit den Kunden vertraglich vereinbarten Leistungen (Budget, Milestones etc.), Mitarbeit bei der Definition und den vertraglichen Vereinbarungen der Folgephasen. Die Vergütung erfolgte nach festgelegten Tagessätzen und einer unter bestimmten Voraussetzungen fälligen Einmalzahlung. Ein weiteres als Subunternehmer für die Firma A durchgeführtes Projekt war die Durchführung einer Gesamtprojektleitung für ein "Rolloutprojekt Wertpapierhandel NT-Systeme" für Y. Die vom Kläger zu erbringenden Leistungen betrafen die Projektleitung, Koordination der verschiedenen Partner, Berichte an das Management, Leitung des Lenkungssauschusses, Steuerung des Rollouts.

Mit Datum vom 15. Oktober 1999/19. Oktober 1999 schloss der Kläger mit der Firma B einen Projektvertrag. Nach diesem war der Kläger als Subunterunternehmer der B Projektleiter für die Entwicklung eines Partnerschaftsvertrages zwischen B und dem B-Kunden C. Gemäß Anlage 1 zu diesem Vertrag bestand die Aufgabe des Klägers darin, die Projektleitung eines aus C und B gebildeten Teams zur genauen Ausarbeitung eines "Service-Level-Agreement" (SLA) zu übernehmen und dabei folgende Leistungen zu erbringen: Projektablaufplanung, Terminkoordination, Mitarbeiterkoordination, Moderation von Projekt-Quick-Off, ReviewMeetings, Qualitätsmanagement, Definition und Sicherstellung der Kommunikationswege, Koordination von eventuellen Projekterweiterungen, regelmäßige Information an verantwortliche Stellen bzgl. Status, Information der PSU-Leitung bzgl. Projektfortschritt, Beschreiten von Eskalationswegen. Die Vergütung erfolgte anhand von Tagessätzen.

Der Kläger führte für die vorgenannten Projekte keine Pflichtenhefte. Im Rahmen dieser Projekte führte der Kläger auch Schulungen zu den Themen Projektleitung, Business Consulting Projektmanagement durch.

Das beklagte Finanzamt stufte die Tätigkeit des Klägers als gewerblich ein und erließ mit Datum vom 17. Dezember 2001 Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag 1998 und 1999. Der dagegen eingelegte Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er sei nicht gewerbesteuerpflichtig, da er eine Tätigkeit im Systemsoftwarebereich ausübe, die eine einem Ingenieur ähnliche Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstelle, blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2003). Das Finanzamt begründete die Entscheidung damit, dass der Kläger weder den Nachweis erbracht habe, dass er über eine einem DiplomInformatiker mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss vergleichbare Ausbildung verfüge, noch dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit einen einer Ingenieurtätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweise und der Schwerpunkt seiner praktischen Tätigkeit in einem für den Ingenieurberuf wesentlichen oder typischen Bereich liege.

Dagegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, dass er sich die einem DiplomInformatiker (FH) vergleichbaren Kenntnisse im Bereich der Informatik durch seine Studien, Seminare, praktischen Tätigkeiten und durch sein ergänzendes Selbststudium angeeignet habe. Er verfüge über eine fast 25-jährige Berufserfahrung in der Informatik und habe sich auch dadurch im Rahmen des "Training on the job" umfangreiches Wissen erworben. Auch seine beruflichen Tätigkeiten lägen in ihren Schwerpunkten in den Bereichen Betriebssysteme, Datenübertragungsnetze, Hardwarekonfiguration, Schnittstellen, Hilfs- und Dienstprogramme. Berührung zur Anwendungssoftware habe er nicht. Zur berücksichtigen sei dabei, dass zur Systemsoftwareentwicklung nicht nur die originäre Entwicklung, sondern auch die Anpassung von Systemsoftware gezählt werde, z.B. die Einrichtung und Umschreibung von Systemsoftware für spezielle Bedürfnisse eines Anwenders.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag 1998 und 1999 vom 17. Dezember 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2003 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

Klageabweisung und beruft sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 22. April 2004 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu folgendem Beweisthema:

" ... ob die vom Kläger in den Streitjahren 1998 und 1999 ausgeübte Berufstätigkeit in ihren wesentlichen Elementen dem Beruf eines Ingenieurs, der an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildete wurde, in Theorie (Ausbildung, Kenntnisse, Qualifikation) und Praxis (berufliche Tätigkeit) gleichwertig war."

In seinen Gutachten und Nachtragsgutachten führte der Gutachter u.a. aus, dass die Ausbildung, die sehr umfangreichen Lehrtätigkeiten als Seminarleiter und die langjährigen Berufstätigkeiten des Klägers zur Würdigung führten, dass seine theoretischen Kenntnisse in ihrer Breite und Tiefe mindestens denjenigen des an einer Fachhochschule ausgebildeten DiplomInformatikers entsprächen. Es habe eine mündliche Wissensprüfung stattgefunden. Hierbei habe sich der Sachverständige von den Lehrinhalten und Lernzielen des Fachbereichs Informatik an der Fachhochschule A leiten lassen. Insbesondere Fragen zur Hardware (z.B. Netzwerk mit ihren Schichtenmodellen), Software (System- und Anwendungs-Software), Projektmanagement im EDV-Bereich, ökonomisches Hintergrundwissen und u.Ä. spielten dabei eine Rolle. Für die Prüfung seien die verschiedenen Fächer zu vier Bereichen zusammengefasst worden: Grundlagen, Hardware, Software und Anwendungen. Die einzelnen Fragen und Antworten seien nicht protokolliert worden. Der Kläger habe sich in diesem Fachgespräch sicher und erfahren gezeigt. Selbstbewusst und umfassend habe er auch knifflige Detailfragen beantwortet und dabei nicht nur seine Tätigkeiten der letzten Jahre erläutert, sondern auch Grundprinzipien und Fragen der Informatik. Seine in der langjährigen Praxis erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten wiesen ihn als Informatikfachmann aus, der in Breite und Tiefe gegenüber einem studierten Informatiker nicht hinten anstehe. Der Kläger besitze auf Grundlage einer Gesamtbewertung gleichwertige Kenntnisse zu einem DiplomInformatiker mit der Gesamtnote "befriedigend". Hierbei habe sich erwartungsgemäß gezeigt, dass er als sehr erfahrener Praktiker in vielen praktischen Bereichen geglänzt habe; in der Theorie seien seine Kenntnisse im Vergleich zum Diplom-Informatiker (FH) eher unterdurchschnittlich, aber noch im "grünen Bereich". Die Tätigkeit des Klägers liege überwiegend und prägend im Systembereich. Die übliche Unterteilung der Tätigkeit eines EDV-Fachmannes in Abwendungs- und Systemtätigkeiten sei oft nicht eindeutig möglich. Im vorliegenden Fall könnten bei den vom Kläger betreuten Projekten neben System-Aspekten auch Anwendungsfragen ausgemacht werden. Es schmälere nicht die Qualifikation eines EDV-Experten, in Grenzbereichen tätig zu sein. Eine weitere wichtige Unterscheidung im IT-Bereich sei die Aufteilung in konzeptionelle, realisierende und kontrollierende Tätigkeiten. Konzeptionelle Tätigkeiten wie im hier vorliegenden Fall seien grundsätzlich als höherwertig und ingenieursähnlich einzustufen. Wenn umgekehrt ein Programmierer nur als reiner Codierer tätig sei, dann müsse seine Tätigkeit als nicht sehr qualifiziert eingestuft werden, obwohl er vielleicht an der Entwicklung von hochwertigster Software beteiligt sei. Es müsse festgehalten werden, dass die in der BWL übliche Unterteilung in Tätigkeits-Ebenen: "Politisch, administrativ und operativ" nicht unbedingt einen Einfluss auf die Qualität der Arbeit habe. Üblicherweise und auch berechtigterweise werde man jedoch eine Tätigkeit auf Geschäftsführer- oder Beraterebene höher bewerten als eine Verwaltungstätigkeit, die wiederum gewichtiger als eine ausführende Arbeit angesehen werde. Im vorliegenden Fall sei der Kläger in den Streitjahren vorrangig konzeptionell und leitend bzw. beratend eher im Systembereich, aber z.T. auch im Anwendungsbereich tätig gewesen.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 an das Gericht führte der Gutachter noch ergänzend aus, dass nach seinem Verständnis die Tätigkeit im anspruchsvollen Systembereich per se eine Tätigkeit sei, die einer üblichen Ingenieurstätigkeit (Planung, Konstruktion und Fertigungsüberwachung) gleichzustellen sei. Etwas verwirrend sei die genaue Erfassung der Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren. Es sei nicht zutreffend, dass ein IT-Mann nur Anwendungen oder Systeme (oder einen Mischvorgang) im engeren Sinne programmiere. Auch das Projektmanagement komplexer Neuentwicklungen, das Parametisieren von Systemen, die Untersuchung und Gestaltung von Schnittstellen, die Konzeption von Rechnerhierarchien oder eines SANs (=Speichernetzwerk) gehörten nach seiner Meinung dazu. Genau dies habe der Kläger getan, diese Tätigkeiten seien gleichwertig und gleichartig zu einer üblichen anspruchsvollen Ingenieurstätigkeit.

Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf das Gutachten von ... vom 22. Oktober 2004 nebst Anlagen, das Nachtragsgutachten vom 07. Dezember 2004 und die vom Kläger mit Schreiben vom 28. Juli 2006 vorgelegten Rahmenverträge und Projektverträge.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Zu Recht hat das Finanzamt die Tätigkeit des Klägers als gewerblich eingestuft.

1.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG unterhält einen Gewerbebetrieb, wer eine selbständige nachhaltige Betätigung ausübt, die mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs, noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.

Neben den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausdrücklich genannten Katalogberufen gehören zu den freiberuflichen Tätigkeiten auch die den Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit. Das gilt auch für einen dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnlichen Beruf (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 04. Mai 2004, XI R 9/03, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2004, 989 m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein selbständiger Diplom-Informatiker eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben. Aufgabe eines Ingenieurs ist es, auf der Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen. Demgemäß übt ein selbständiger Diplom-Informatiker eine einem Ingenieur ähnliche Tätigkeit aus, wenn er System-Software oder Anwender-SoftwareEntwicklung durchführt. Voraussetzung hierfür ist, dass qualifizierte Software durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) entwickelt wird (BFH in BStBl II 2004, 989).

Unter denselben Voraussetzungen wie ein Diplom-Informatiker mit Hochschulabschluss kann auch ein Autodidakt einen ingenieurähnlichen Beruf ausüben. Der Autodidakt muss im Bereich der EDV - ebenso wie im Bereich anderer technischer Berufe - theoretische Kenntnisse nachweisen, die in ihrer Breite und Tiefe denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers entsprechen (BFH-Urteil vom 07. November 1991 IV R 17/90, BStBl II 1993, 324).

2.

Im Streitfall verfügt der Kläger über ein theoretisches Wissen, das in seiner Breite und Tiefe dem eines an einer Fachhochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers entspricht. Dies hat der Sachverständige in seinem Gutachten zur Überzeugung des Gerichts bestätigt. Die Ausführungen des Sachverständigen in diesem Punkt sind überzeugend und schlüssig begründet. Der Sachverständige, der als Professor an einer Fachhochschule in der Fachrichtung EDV und als öffentlich bestellter und vereidigter EDV-Sachverständiger tätig ist, hat den Kläger einer 6 1/2-stündigen Wissensprüfung in den Kernbereichen des Fachbereichs Informatik an der Fachhochschule A unterzogen. Der Senat, der über kein besseres EDVspezifisches Wissen verfügt als der Sachverständige, schließt sich daher seiner Einschätzung an. Dass dieser die einzelnen Fragen und Antworten nicht protokolliert hat, steht einer Verwertung der vom Sachverständigen vorgenommenen Wissensprüfung nicht entgegen, da es maßgebend auf die vom Sachverständigen vorgenommene Gesamtbewertung ankommt.

Die vom Berichterstatter mit Schreiben vom 03. November 2004 erhobenen Bedenken gegen das Gutachten sind insoweit durch das Nachtragsgutachten vom 07. Dezember 2004 ausgeräumt worden.

3.

Der Kläger hat in den Streitjahren jedoch keine ingenieurähnliche Tätigkeit ausgeübt. Gegenstand der Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren war nicht die Entwicklung von Systemoder Anwendersoftware durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise, für die eine Informations- bzw. elektrotechnische Herangehensweise tätigkeitsprägend ist. Auf Grund der vorgelegten Verträge und der Tätigkeitsbeschreibung im Sachverständigengutachten steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger ausschließlich beratend tätig war, wobei die Tätigkeit in ihrem Schwerpunkt nicht mit der Tätigkeit eines beratenden Ingenieurs vergleichbar war. Zwar waren Gegenstand des Rahmenvertrages mit der Firma A sowohl Beratungs- als auch Werkleistungen. Die auf Grundlage der Rahmenvereinbarung abgeschlossenen Einzelprojektverträge betrafen jedoch ausschließlich Beratungsleistungen. Das gilt auch für den Projektvertrag mit der Firma B.

Bei der Entwicklung von System- oder komplexer Anwendersoftware durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion, Überwachung auf der Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse), die der BFH als Wesensmerkmal einer ingenieurähnlichen Tätigkeit ansieht und die i.d.R. eine werkvertragliche Leistung darstellt (Palandt/Sprau, BGB, Einf. Vor § 631 Rz 20), werden Programmierleistungen geschuldet, sei es in Form der Herstellung eines den Bedürfnissen des Kunden entsprechenden Programms, sei es in Form von Arbeiten an einem vom Vertragspartner zur Verfügung gestellten Programm, welches an die betrieblichen Besonderheiten des Kunden angepasst wird, sei es in Form der Portierung eines bestehenden Programms auf ein anderes Betriebssystem. Übernimmt der Softwareentwickler im Rahmen dieser Leistungen auch die Schulung und Einweisung des Personals, so ist dies Teil des Projekts und ändert an dem Charakter des Auftrags als ingenieurähnliche Leistung insgesamt nichts.

Gegenstand der Leistungen des Klägers dagegen waren keine Programmierleistungen im vorgenannten Sinne. Der Kläger schuldete gegenüber seinem Auftraggeber nicht die Herstellung oder Anpassung von Programmen. Vielmehr hatte er in erster Linie Managementaufgaben zu verrichten, für die nicht die Lösung ingenieurwissenschaftlicher Fragestellungen tätigkeitsprägend war. Die von ihm durchgeführten Projektleistungen umfassten betriebsorganisatorische, logistische und wirtschaftliche und nicht in erster Linie mathematischtechnische Problemstellungen.

An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass ein konstruierendes Element zur Bejahung einer ingenieurähnlichen Tätigkeit nicht erforderlich ist und eine Ingenieurtätigkeit auch eine beratende Tätigkeit umfasst, soweit diese nicht auf bloße Absatzförderung gerichtet ist (BFH-Urteil vom 09. Februar 2006, IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270). Denn Voraussetzung für eine Ähnlichkeit der Tätigkeit mit der eines beratenden Ingenieurs ist, dass sich der Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen zumindest auf einen der Kernbereiche einer vergleichbaren Ingenieurtätigkeit erstreckt. Die Feststellung des Sachverständigen, die Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren habe überwiegend und prägend im Bereich der Systemtechnik bzw. Systemprogrammierung gelegen, ist zu unbestimmt und als Nachweis für eine sich auf den Kernbereich einer vergleichbaren Ingenieurtätigkeit erstreckenden Tätigkeit nicht ausreichend (vgl. BFH-Beschluss vom 08. November 2002 IV B 120/01, BFH/NV 2003, 170). In seinem Schreiben vom 20. Dezember 2004 schreibt der Sachverständige, dass die genaue Erfassung der Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren etwas verwirrend sei.

Aus den in den Verträgen mit seinen Auftraggebern niedergelegten Aufgabenbeschreibungen ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass die vom Kläger betreuten Projekte zwar komplexe Datenverarbeitungsprojekte betrafen. Die Aufgaben, die der Kläger bei der Durchführung dieser Projekte übernommen hat, nämlich die Projektleitung in Form der Projektierung, Auswahl und Einweisung der Mitarbeiter, Überprüfung der Leistungen und Sicherstellung des wöchentlichen Reportings, die Erstellung von Projektplänen, Leitung von Besprechungen, Statusberichte an Kunden und Auftraggeber, Budgetverantwortung, Termin- und Mitarbeiterkoordination, Qualitätsmanagement usw. waren nicht in erster Linie mathematisch-technischer Natur. Auch wenn man davon ausgeht, dass die vom Kläger geschuldeten Leistungen nur von einer Person ausgeübt werden können, die über ein fundiertes, produktspezifisches Wissen im Bereich der Datenverarbeitung verfügt, so umfassen die Aufgaben des Klägers als Projektleiter/Projektmanager ein weit größeres Spektrum als die der typischen Ingenieurtätigkeit zuzuordnenden Aufgaben. Ein Projektmanager benötigt zur erfolgreichen Projektdurchführung neben dem produktspezifischen Wissen Kenntnisse aus den Bereichen Projektmanagement, allgemeines Managementwissen sowie ausgeprägte soziale und kommunikative Fähigkeiten (vgl. www.wikipedia.com, Stichwort "Projektmanagement"; Gabler Wirtschaftslexikon 12. Aufl. Stichwort "Projektmanagement"). Die verschiedenen Tätigkeitsmerkmale sind so eng miteinander verflochten und bedingen sich gegenseitig so unauflösbar, dass nur eine einheitliche Beurteilung der Tätigkeit möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 07. November 1991, IV R 17/90, BStBl. II 1993, 324). In diesem Fall müssen - soll die Tätigkeit insgesamt als ingenieurähnlich zu beurteilen sein - die die Ähnlichkeit begründenden Tätigkeitsmerkmale i.S. eines Schwerpunktes andere, dem Ähnlichkeitsvergleich nicht begründende Tätigkeiten überwiegen (BFH-Urteil vom 19. September 2002, IV R 74/00, BStBl II 2003, 27). Dies kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Vielmehr ist von einem eigenen Berufsbild eines Projektmanagers auszugehen, den der Gesetzgeber - ebenso wie den des EDV-Beraters (vgl. BFH in BStBl II 1990, 377) - nicht in den Katalog der freien Berufe aufgenommen hat.

4.

Der Kläger übt auch keinen einem beratenden Betriebswirt ähnlichen Beruf aus. Insofern wurde weder vorgetragen, noch ergibt sich dies aus der Ausbildung und dem beruflichen Werdegang des Klägers, dass er über Kenntnisse aus einem der Hauptbereiche der Betriebswirtschaft verfügt. Da es damit bereits an einem dem beratenden Betriebswirt vergleichbaren Wissen fehlt, kann die in der Rechtsprechung der Finanzgerichte umstrittene Frage, ob ein EDV-Berater ein einem beratenden Betriebswirt ähnlichen Beruf ausübt (so FG München, 8. Senat, Urteil vom 22. Juli 2005, 8 K 2286/05, EFG 2006, 41; a.A. FG München, 10. Senat, Urteil vom 29. März 2006 10 K 117/04, EFG 2006, 1346) dahingestellt bleiben.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen möglicher Abweichung vom Urteil des BFH vom 18. Oktober 1990, IV R 90/89, (BFH/NV 1991, 515) zugelassen.



Ende der Entscheidung

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