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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 28.04.2004
Aktenzeichen: 1 K 3214/01 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr 4
EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1
EStG § 8 Abs 3 S 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 28.04.2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtliche Richterin ...

Ehrenamtlicher Richter ...

im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Gründe

Streitig ist, in welcher Höhe der Kläger (Kl.) einen geldwerten Vorteil aus der Gestellung eines Firmenfahrzeuges zu versteuern hat.

Die Kl. werden als Eheleute mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Die ESt-Erklärungen für die Streitjahre 1995 bis 1999 wurden zunächst antragsgemäß durchgeführt.

In der Folge fand bei dem Arbeitgeber des Kl. eine Lohnsteuer (LSt)-Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte fest, dass dem Kl. ein Firmenfahrzeug zur Verfügung stand, das er sowohl für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als auch für Privatfahrten nutzen konnte. In den Steuererklärungen hatte der Kl. bis dahin im

Wesentlichen nur einen geldwerten Vorteil aus der Durchführung von Privatfahrten erklärt.

Aufgrund einer Kontrollmitteilung des Betriebsprüfers änderte der Beklagte (Bekl.) die Bescheide für die Streitjahre dahingehend, dass es für das Streitjahr 1995 für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen geldwerten Vorteil von 2.600 DM angesetzte, der sich aus der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten (50), der einfachen Entfernung (50 km) und den anzusetzenden Km-Satz (1,04 DM) errechnete. Zusammen mit dem Sachbezug für die übrigen Privatfahrten ergab sich ein geldwerter Vorteil i.H.v. 6.776 DM.

Für die Streitjahre 1996 bis 1999 ermittelte der Bekl. den geldwerten Vorteil für die Fahrten des Kl. zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 8 Abs. 2 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG), durch Ansatz von 0,03% des Pkw-Listenpreises je Entfernungskilometer unabhängig von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten. Für diese Streitjahre beträgt der geldwerte Vorteil danach:

1996 und 1997 34.800 DM * 0,03 % * 50 km * 12 Monate:|6.264 DM 1998 34.800 DM * 0,03 % * 50 Km * 02 Monate:|1.044 DM 1999 48.000 DM *0,03 % * 50 Km * 10 Monate :|7.275 DM

Zusammen mit dem Sachbezug für Privatfahrten ergab sich für die Jahre 1996 - 1999 folgender sonstiger Bezug:

 1996 und 1997 :10.440 DM
1998 :13.865 DM
1999 :12.125 DM

Der Bekl. änderte die bestandskräftigen Steuerbescheide für die Streitjahre 1995 bis 1999 nach § 173 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Für die Streitjahre 1995 und 1996 berücksichtigte er dabei auf Grund des vorstehend beschriebenen Sachverhaltes keine Fahrtkosten als Werbungskosten (Wk), da sich bei den vom Kl. jährlich an 50 Tagen durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine steuerliche Auswirkung wegen des Arbeitnehmer-Pauschbetrages i.H.v. 2.000 DM nicht ergab (50 Tage × 50 Km × 0,70 DM = 1.750 DM). Für die Jahre 1997 bis 1999 berücksichtigte der Bekl. antragsgemäß die an 50 Tagen (1997 und 1998) und 36 Tagen (1999) durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Der Kl. legte gegen die Änderungsbescheide vom 17.10.2000 Einspruch ein, mit der er zunächst die Berücksichtigung von jährlich 220 Fahrten zur Arbeitsstelle geltend machte. Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens räumte er ein, dass er tatsächlich nur an einem Arbeitstag pro Woche zur Geschäftsführung nach ... fahre. Diese Fahrten führe er nicht mit dem Firmenfahrzeug, sondern mit dem Privatwagen seiner Ehefrau durch. Überdies stelle die Pkw-Überlassung für ihn keine Entlohnung dar, weil der Dienstwagen wegen der Eigenart seiner beruflichen Tätigkeit für ihn unabdingbar sei. Es liege daher kein sonstiger steuerliche Bezug vor. Er habe auch keine regelmäßige Arbeitsstelle, da er seine Tätigkeit im Bereich der ihm zugeteilten Kundschaft ausübe.

Der Bekl. wies den Einspruch des Kl. mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 10.05.2001 als unbegründet zurück. Wegen der Begründung wird auf die EE verwiesen.

Mit der am 11.06.2001 erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Er macht geltend, er sei als Außendienstmitarbeiter/Verkaufsingenieur bei der Firma T-GmbH in ... angestellt. Im Rahmen seiner Tätigkeit bereise er die Deutschen Bergwerke und Bergbauspezialunternehmen. Diese Tätigkeit übe er von seinem Wohnort aus. Nur einmal in der Woche fahre er zum Sitz der Geschäftsleitung nach ... Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Klageschrift Bezug genommen.

Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die Kl. beantragen sinngemäß,

die ESt-Änderungsbescheide vom 17.10.2000 1995 bis 1999 jeweils in Gestalt der EE vom 10.05.2001 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Senat entscheidet nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist nicht begründet.

Die Änderungsbescheide vom 17.10.2000 sind rechtmäßig.

Der Bekl. war zunächst berechtigt, die bestandskräftigen ESt-Bescheide für die Streitjahre 1995 bis 1999 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Ihm ist nämlich durch die Prüfungsmitteilung auf Grund der LSt-Außenprüfung nach Bestandskraft der ursprünglichen ESt-Bescheide und damit nachträglich bekannt geworden, dass dem Kl. sowohl für Privatfahrten als auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Firmenfahrzeug zur Verfügung stand und er den daraus resultierenden geldwerten Vorteil nur teilweise versteuert hatte. Dies ist zwischen den Verfahrensbeteiligten auch unstreitig.

Der Bekl hat im Übrigen in den angeführten Änderungsbescheiden die Einnahmen des Kl. aus der Gestellung eines Firmenwagens auch für private Zwecke zutreffend ermittelt.

Der Kl. kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, der aus der Kfz-Gestellung auch für private Zwecke liegende Vorteil sei kein Arbeitslohn. Ob der in einer Kfz-Gestellung auch für private Zwecke liegende Vorteil Arbeitslohn ist, richtet sich allein nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH gehören zum Arbeitslohn i.S.d. § 19 u.a. Vorteile, die "für" eine Beschäftigung gewährt werden. Dem in § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Tatbestandsmerkmal "für eine Beschäftigung" ist zu entnehmen, dass einem dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter haben muss. Danach sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen (vgl. BFH, Urteil vom 25.05.2000 Az. VI R 195/98, BFH/NV 2000, 1394 f mit Nachweisung der Rechtsprechung). Das Ergebnis einer solchen, den Arbeitslohncharakter verneinenden Würdigung hat der Bundesfinanzhof damit beschrieben, dass der Vorteil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt sein muss. Da eine betriebliche Veranlassung jeder Art von Lohnzahlungen zugrunde liegt, muss sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, dem betreffenden Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Das Erfordernis des eindeutigen Vorgangs anderer als Entlohnungszwecke kommt bei der Verwendung des Begriffs "eigenbetriebliches Interesse" durch die hinzugefügten Worte "ganz überwiegend" zum Ausdruck (vgl. BFH, Urteil a.a.O.).

Nach diesen Kriterien stellt die Kfz-Gestellung - auch zur privaten Nutzung und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle - in aller Regel Arbeitslohn dar. Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, wie § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG sowie § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG zeigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie im Streitfall - dem Steuerpflichtigen ein Pkw der gehobenen Mittelklasse für derartige Zwecke zur Verfügung gestellt wird. Eine Ausnahme nach den vorstehend beschriebenen Grundsätzen lässt sich allenfalls dann annehmen, wenn es sich bei der Kfz-Gestellung nicht um ein derartiges Fahrzeug, sondern um Sonderfahrzeuge wie z.B. Werkstattwagen oder Einsatzfahrzeuge handelt, die einer privaten Nutzung ohnehin nur eingeschränkt zugänglich sind.

Nach den §§ 8 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kfz für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises anzusetzen. Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um 0,03 v.H. des Listenpreises i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Km der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Im Streitfall konnte der Kl. in den Streitjahren das ihm zur Verfügung gestellte Kfz auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen. Der Kl. unterhielt trotz seiner Tätigkeit als Verkaufsvertreter am Sitz der Geschäftsführung seines Arbeitgebers in ... eine Arbeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Arbeitnehmer, die arbeitstäglich stets mehrere oder stets wechselnde Orte aufsuchen, wie dies z.B. bei angestellten Reisevertretern der Fall ist, unternehmen zwar, wenn sie diese Einsatzorte aufsuchen, keine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Fahren diese Arbeitnehmer aber mit einer gewissen Regelmäßigkeit auch den Betriebssitz an, so kann man diese Fahrten zwischen Wohnung und dem Betriebssitz als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG qualifizieren, da der Betriebssitz durch das regelmäßige Anfahren gegenüber den übrigen stets wechselnden Einsatzstellen eine ausreichende gewisse zentrale Stellung erhält, um ihn typisierend als Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen (vgl. Drenseck, Überlegungen zum Reisekostenbegriff der LSt-Richtlinien 1990, DStR 1990,. S. 617 m.w.N.). Bei einem Arbeitnehmer wie dem Kl., der zwar außerhalb des Betriebes tätig wird, im Übrigen aber regelmäßig mindestens einmal in der Woche den Betriebssitz seines Arbeitgebers aufsucht, kann dieser Betrieb ohne weitere Ermittlungen nach Auffassung des Senats als regelmäßige Arbeitsstätte angesehen werden.

Da dem Kl. für diese regelmäßigen Fahrten das Firmenfahrzeug zur Verfügung stand, erfolgte die Sachbezugsversteuerung insoweit zu Recht. Aus der Formulierung des Gesetzgebers "genutzt werden kann" wird deutlich, dass es für die Besteuerungspflicht nicht entscheidend ist, dass der Kl. das Fahrzeug für diese Fahrten tatsächlich genutzt hat.

Der Kl. kann sich gegen einen Ansatz des geldwerten Vorteils in der vom Bekl. vorgenommenen Höhe auch nicht mit der Begründung wenden, er sei allenfalls einmal pro Woche zum Dienstsitz seines Arbeitgebers nach ... gefahren. Die 1 v.H.-Methode einschließlich des 0,03 v.H. Zuschlags wegen der Möglichkeit der Durchführung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 ESG beinhaltet eine typisierende - d.h. die Verhältnisse des Einzelfalles weitest gehend außer Betracht lassende - Art der Wertermittlung. Dies ergibt sich schon daraus, dass sie die individuellen Nutzungsverhältnisse, insbesondere den Umfang der privaten Nutzung (Fahrleistung) und den Umfang der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber (nur die festen oder auch die laufenden Kosten), vernachlässigt. Soweit sie an die Anschaffungskosten des Pkw anknüpft, geht sie nicht von den tatsächlich angefallenen Kosten aus, sondern vom abgerundeten Listenpreis, und zwar - auch bei einem gebraucht erworbenen Pkw - dem historischen Listenpreis bis zum Zeitpunkt der Erstzulassung (vgl. BFH, Urteil vom 23.10.1992, VI R 1/92, BStBl. II 1993, 195).

Angesichts der aufgezeigten, vergleichsweise groben Typisierung kann der nach der 1 v.H.-Methode gefundene Wert nicht wegen der Besonderheiten des Einzelfalles durch Abschläge gemindert werden, etwa mit der Begründung, der Steuerpflichtige habe z.B. in erheblichem Umfang laufende Kosten selbst getragen, oder es seien, wie im Streitfall - abweichend von einem gedachten Normalfall - nur im vergleichsweise geringfügigem Umfang Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vorgenommen worden.

Eine derartige Typisierung hält der erkennende Senat jedenfalls solange für sachgerecht, als der Arbeitnehmer nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG die Möglichkeit hat, durch Führung eines zeitnahen Fahrtenbuches und Ansatz der tatsächlichen Kfz-Kosten etwaige Nachteilen der pauschalen Einnahmeermittlung, die im Regelfall begünstigend angelegt ist, zu entgehen. Für eine derartige Ermittlung des geldwerten Vorteils insgesamt hat sich der Kl. jedoch gerade nicht entschieden.

Der Senat weist im Übrigen zur Klarstellung für das Streitjahr 1995, § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 sind erst zum 01.01.1996 in Kraft getreten, darauf hin, dass der Bekl. den geldwerten Vorteil insoweit ohnehin nur für die tatsächlich gefahrenen Kilometer nach ... ermittelt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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