Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: 1 K 4311/07 Kg
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a
EStG § 63 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

1 K 4311/07 Kg

Tenor:

Unter Änderung des Bescheides vom 03.07.2007 und der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2007 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Kindergeld von Januar bis Juni 2007 zu gewähren.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin (Klin.) Kindergeld für ihren Sohn O. für den Zeitraum Januar bis Juni 2007 zusteht.

Der am xx.yy.1985 geborene und damit im Streitzeitraum 22 Jahre alte O. beendete mit Ablauf des 21.06.2007 seine Ausbildung als Bankkaufmann. Daran anschließend wurde er von der X-bank in ein Vollzeitarbeitsverhältnis übernommen. Ausbildungs- und berufsbegleitend studiert O. seit dem 01.09.2005 an der Fachhochschule in F-Stadt das Studienfach Wirtschaft mit dem Ausbildungsziel Diplom-Kaufmann.

Mit Bescheid vom 03.07.2007 hob die beklagte Behörde (Bekl.) die Kindergeldfestsetzung für O. ab Januar 2007 auf. Sie vertrat dabei die Auffassung, das Einkommen von O. bezogen auf das gesamte Kalenderjahr 2007 überschreite voraussichtlich den maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680 EUR. Damit sei der Kindergeldanspruch ausgeschlossen. Auf den Aufhebungsbescheid wird Bezug genommen.

Die Klin. legte gegen den vorbezeichneten Aufhebungsbescheid am 26.07.2007 Einspruch ein. Sie vertrat dabei sinngemäß die Auffassung, O. habe seine Ausbildung als Bankkaufmann im Juni 2007 beendet. Maßgeblicher Kindergeldzeitraum seien daher die Monate Januar bis Juni. Die zeitanteiligen Einkünfte von O. hätten in diesem Zeitraum den entsprechend gequotelten Grenzbetrag i.H.v. 2.840 EUR nicht überschritten. Kindergeld sei daher für Januar bis Juni 2007 antragsgemäß in der gesetzlichen Höhe festzusetzen.

Die Bekl. wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 11.09.2007 als unbegründet zurück.

Sie vertrat dabei die Auffassung, O. habe sich während des gesamten Jahres 2007 in Ausbildung befunden. Deswegen seien die Ausbildungsvergütung und das voraussichtliche Arbeitsentgelt für das gesamte Jahr in einer Gesamthöhe von uuuuu EUR bei der Ermittlung der Einkünfte von O. anzusetzen. Der maßgebliche Grenzbetrag von 7.680 EUR sei daher in jedem Fall überschritten.

Mit der am 15.10.2007 fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter. Sie vertritt dabei die Auffassung, maßgeblicher Kindergeldzeitraum sei hier der Zeitraum von Januar bis Juni 2007. Im Juni habe O. seine Ausbildung zum Bankkaufmann beendet.

Die Klin. beantragt sinngemäß,

die Bekl. unter Änderung des Bescheides vom 03.07.2007 und der EE vom 11.09.2007 zu verpflichten, ihr Kindergeld von Januar bis Juni 2007 zu gewähren.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, O. habe sich in Anlehnung an die Entscheidung des BFH vom 16.11.2006 im gesamten Kalenderjahr 2007 in Ausbildung befunden, so dass unter Einbeziehung der Gesamteinkünfte von O. eine Überschreitung des Grenzbetrages vorliege.

Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Senat entscheidet nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die Klin. hat für ihren Sohn O. Anspruch auf Kindergeld in der gesetzlichen Höhe von 154 EUR (§ 66 Einkommensteuergesetz -EStG-) für Januar bis einschließlich Juni 2007. In diesem Zeitraum verwirklichte O. die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG durch seine am 21.06.2007 beendete Ausbildung zum Bankkaufmann. O. hat in diesem Zeitraum ebenfalls keine kindergeldschädlichen Einkünfte und Bezüge gehabt. Stellt man den unstreitigen Ausbildungsbezügen für diesen Zeitraum i.H.v. xxxx EUR die unstreitigen Werbungskosten (Wk) lt. EE i.H.v. yyyy EUR gegenüber verbleiben danach ohne die dem Grunde nach gebotene Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen Einkünfte i.H.v. nur zzzz EUR, die den zeitanteiligen Grenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG) i.H.v. 3.840 EUR nicht überschreiten.

Entgegen der Auffassung der Bekl. führt das von O. im September 2005 begonnene, zunächst ausbildungsbegleitende Studium nicht deswegen zum Entfall des Kindergeldanspruches, weil O. das Studium über das Ende seiner Berufsausbildung als Bankkaufmann hinaus auch während der sich daran anschließenden Vollzeiterwerbstätigkeit fortgesetzt hat.

Zwar hat der Bundesfinanzhof (BFH) in dem von der Bekl. angeführten Urteil vom 16.11.2006 (Az: III R 15/06, BStBl. II 2008, 56, BFHE 216, 74) entgegen der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Tatbestände der §§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a bis c EStG auch in den Monaten einer Vollzeiterwerbstätigkeit des Kindes erfüllt sein können.

Geht man nach diesen Grundsätzen davon aus, dass O. auch in der zweiten Jahreshälfte trotz seiner Vollzeiterwerbstätigkeit als Bankkaufmann durch das berufsbegleitende Studium für einen weiteren Beruf ausgebildet wurde, liegt nach Auffassung des Senats dennoch kindergeldrechtlich ein Berücksichtigungszeitraum von Januar bis Juni 2007 vor. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Eltern wirtschaftlich durch Unterhaltsleistungen für ihre Kinder belastet sind, wenn die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG vorliegen und die Einkünfte und Bezüge, die das Kind im Kalenderjahr erhalten hat, den am Existenzminimum eines Erwachsenen ausgerichteten Jahresgrenzbetrag - bzw. den anteiligen Jahresgrenzbetrag, wenn das Kind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG nicht während gesamten Jahres erfüllt (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG) - nicht übersteigen.

Durch die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG soll erreicht werden, dass Eltern solange durch die Gewährung von Kindergeld bzw. den Kinderfreibetrag entlastet werden, als das Kind einen Tatbestand i.S.d § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG erfüllt und in diesem Zeitraum keine eigenen Einkünfte und Bezüge in Höhe seines Existenzminimums hat (vgl. BFH a.a.O. m.w.N.). Diesem Regelungszweck würde es widersprechen, wenn ein über die eigentliche Ausbildungszeit hinaus fortgeführtes, nebenberufliches Studium den Kindergeldanspruch auch für Zeiträume entfallen lässt, in denen eine typische Unterhaltssituation der Eltern gegeben war. Denn bezogen auf den Zeitraum Januar bis Juni 2007 war die Klin. mit Unterhaltszahlungen belastet und deswegen durch Gewährung eines Kinderfreibetrages zu entlasten bzw. durch das Kindergeld zu fördern.

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird im Übrigen durch folgende Hilfsüberlegungen bestätigt: Hätte O. vorliegend sein Studium nicht oder erst nach Ende der Berufsausbildung zum Bankkaufmann begonnen wäre Kindergeld in jedem Fall für den Streitzeitraum auch nach Auffassung der Bekl. zu gewähren gewesen. Allein die nebenberufliche Studienaufnahme schon während der Ausbildung zum Bankkaufmann kann kein anderes Ergebnis rechtfertigen.

Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

Zurück