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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 16.06.2004
Aktenzeichen: 1 K 6434/01 E
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 172 Abs. 1 Nr. 2c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 16.06.2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...t

Ehrenamtlicher Richter ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Streitig ist, ob ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid nach § 172 Abs. 1 Nr. 2c Abgabenordnung (AO) geändert werden kann.

Die Kläger (Kl.) werden als Eheleute zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Am 18.03.1999 gaben sie die ESt-Erklärung für das Streitjahr 1997 beim Finanzamt ab. Die Veranlagung erfolgte zunächst antragsgemäß durch abschließende Zeichnung am 08. April 1999. Der ESt-Bescheid 1997 datiert vom 21.04.1999.

Diesen bestandskräftigen Bescheid änderte das beklagte Finanzamt am 10.08.1999. Der Berichtigung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kl. ist Eigentümer eines mit einem Mietwohnhaus bebauten Grundstücks in Schalksmühle. An diesem Objekt räumten der Kl. seinen Söhnen im Jahre 1977 ein schuldrechtliches, befristetes Nießbrauchsrecht ein. Nach Auslaufen der Nießbrauchsrechte am 31.12.1984 erklärte weiterhin der Sohn der Kl., Herr O N (N.), die Einkünfte aus diesem Objekt in seiner ESt-Steuererklärung. Die ESt-Erklärungen des Kl. und seines Sohnes wurden vom jetzigen Prozessvertreter in der Regel zeitgleich erstellt und dem Finanzamt eingereicht. Abweichend von den Steuererklärungen vertrat das beklagte Finanzamt ab dem Jahr 1985 die Auffassung, die Einkünfte aus dem Mietwohngrundstück in Schalksmühle seien den Kl. zuzurechnen. In einem Einspruchsverfahren gegen den ESt-Bescheid 1985 machten die Kl. geltend, das Nießbrauchsrecht sei mündlich verlängert wurden. Auf Grund des ursprünglich befristeten aber dinglich gesicherten Nießbrauchrechtes seien die Mieter über das Bestehen des Nießbrauchrechtes unterrichtet worden. Sie seien aufgefordert worden, die Mieten auf ein für beide Kinder eingerichtetes Konto zu zahlen. Auch nach Ablauf der Befristung seien die Mieten weiterhin auf dieses Konto gezahlt worden. Der Einspruch gegen den ESt-Bescheid für 1985 wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung (EE) wurde bestandskräftig.

Auch in den Folgejahren erklärten die Kl. keine Einkünfte aus dem Mietwohngrundstück. Das beklagte Finanzamt rechnete diese Einkünfte auf Grund der vom Sohn der Kl. eingereichten Anlage V+V jedoch weiterhin den Kl. zu und zwar in der Weise, dass die Anlage V+V des Sohnes an den zuständigen Veranlagungsbezirk der Kl. weitergereicht wurde. Diese steuerliche Zurechnung der Einkünfte bei dem Kl. wurde bis zum Streitjahr 1997 von den Kl. hingenommen. Mit Einsprüchen gegen die ESt-Bescheide 1995 und 1996 beantragten sie lediglich, bei der Ermittlung der dem Kl. zugerechneten V+V-Einkünfte aus dem Objekt Schalksmühle zusätzlich die AfA zu berücksichtigten. Den Einsprüchen wurde antragsgemäß entsprochen. Die Zurechnung der Einkünfte bei dem Kl. war in diesen Einspruchsverfahren unstreitig.

Im Streitjahr 1997 wurde die Anlage V+V des nunmehr beschränkt steuerpflichtigen Sohnes N. abweichend von der bisherigen Praxis des FA erst nach abschließender Zeichnung der Veranlagung und Bekanntgabe des ESt-Bescheids 1997 an die Kl. dem zuständigen Veranlagungsbezirk zugeleitet mit der Folge, dass im ESt-Bescheid 1997 vom 21.04.1999 die Vermietungseinkünfte aus dem Mietwohnhaus in Schalksmühle nicht erfasst wurden.

Das Finanzamt berichtigte nach Übersendung der Anlage V+V aus der ESt-Erklärung des Sohnes des Kl. an den zuständigen Veranlagungsbezirk den bestandskräftigen Steuerbescheid nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Der Änderungsbescheid datiert vom 10.08.1999.

Die Kl. legten gegen den geänderten ESt-Bescheid am 20.08.1999 Einspruch ein, den der Bekl. mit EE vom 14.11.2001 als unbegründet zurückwies. Der Bekl. führte zunächst aus, eine Änderungsmöglichkeit ergebe sich anders als im geänderten Bescheid angegeben aus § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2c AO. Er vertrat dabei die Auffassung, die Steuerpflichtigen hätten den ESt-Bescheid 1997 durch unlautere Mittel erwirkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) handele ein Steuerpflichtiger oder ein für ihn handelnder Dritter unlauter i.S.v. § 172 AO, wenn sie in der Steuererklärung bewusst wahrheitswidrige Angaben machten. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der am 21. 11. 2001 erhobenen Klage verfolgen die Kl. Ihr Begehren weiter. Sie sind weiterhin der Auffassung, der Bekl. sei nicht berechtigt gewesen, den ESt - Bescheid 1997 zu ändern, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 172 Abs. 1 S.1 Nr. 2c AO nicht erfüllt seien. Sie machen hilfsweise geltend, der ESt - Bescheid sei, soweit die Änderung reiche, auch deswegen rechtswidrig, weil die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung der Klin. nicht in die Bemessungsgrundlage der Einkünfte aus § 19 EStG einbezogen werden dürften. Wegen der Begründung insoweit wird auf den SS vom 16. 06. 2004 verwiesen.

Die Kl. beantragen,

den Einkommensteueränderungsbescheid vom 15.02.2002 und die Einspruchsentscheidung (EE) vom 14.11.2001 aufzuheben, hilfsweise die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung bei den Einkünften der Klägerin aus § 19 a EStG nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Änderungsbescheid vom 10.08.1999 und die EE vom 14.11.2001 sind rechtmäßig.

Der Bekl. war berechtigt, den bestandskräftigen ESt-Bescheid 1997 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 c AO zu ändern. Nach dieser Vorschrift darf ein Steuerbescheid geändert werden, wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben i.S.d. Art. 4 Nr. 10 und 11 des Zollcodexes oder Verbrauchssteuern betrifft und soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.1994, XI R 80/92, BFHE 176, 303, BStBl. II 1995, 293; BFH-Urteil vom 28.09.2000 III B 108/97, BFH/NV 2001, 418 m.w.N.) als auch der Finanzgerichte (vgl. z.B. FG des Landes Brandenburg Urteil vom 18.09.1997, 5 K 1755/96 E, EFG 1998, 165) ist ein Steuerbescheid bereits dann durch unlautere Mittel im Sinne dieser Vorschrift erwirkt worden, wenn durch einen Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit einer Steuererklärung unrichtige Angaben gemacht werden und ihm die Unrichtigkeit bewusst ist. Dazu ist das Bewusstsein ausreichend, wahrheitswidrige Angaben zu machen, nicht dagegen ist die Absicht erforderlich, damit die Finanzbehörde zu einer Entscheidung zu veranlassen (vgl. BFH-Urteil vom 05.02.1975, I R 85/72, BFHE 115, 173, BStBl. II 1975, 677). Ein ziel- und zweckgerichtetes Verhalten setzt das Tatbestandsmerkmal des Erwirkens dabei nicht voraus (BFH v. 14.12.1994 XI R 80/92, BStBl. II 1995, 293); aA Klein/Rüsken § 172 Rz. 55, Pahlke/König § 172 Rz. 50 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur). Deshalb handelt ein Stpfl. mit unlauteren Mitteln, wenn er in seiner Steuererklärung unrichtige oder unvollständige Angaben macht und ihm oder seinem Bevollmächtigten die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit bewusst ist. Ein Mitverschulden des FA ist unerheblich. Insbesondere der Umstand, dass das FA die Unrichtigkeit hätte durchschauen können, ist ohne Belang (Rüsken/Klein § 172 Rz 51: Beermann/v. Wedelstädt § 172 Anm. 70).

Im Streitfall hat der Kl. auch eine objektiv unrichtige ESt-Erklärung für das Streitjahr 1997 dadurch abgegeben, dass er als Eigentümer keine Vermietungseinkünfte aus dem Objekt Schalksmühle erklärt hat. Er kann sich insoweit nicht darauf berufen, die Einkünfte aus diesem Objekt seien aufgrund einer Nießbrauchsbestellung einem Anderen zuzurechnen. Das ursprünglich zu Gunsten seiner Söhne T und O N an diesem Objekt bestellte Nießbrauchsrecht war ausweislich der Bestellungsurkunde vom 25.04.1977 bis Ende 1981 (T) bzw. Ende 1984 (O) befristet. Mit dem Ablauf der Befristung ist das ursprüngliche bestellte Nießbrauchsrecht "eo ipso" entfallen. Eine Befristung ist eine in das Rechtsgeschäft aufgenommene zeitliche Bestimmung, nach der wie im Streitfall ein zukünftiges Ereignis maßgebend für das Ende einer Rechtswirkung ist. Der Endtermin, an dem die "Wirkung" eines Rechtsgeschäfts entfällt, entspricht nach § 163 des bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der auflösenden Bedingung, mit deren Eintritt die Wirkung eines Rechtsgeschäfts endet (vgl. § 158 Abs. 2).

Der Kl. kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, die Vermietungseinkünfte seien weiterhin wegen der Eintragung des Nießbrauchsrechts in das Grundbuch, eine Löschung des Nießbrauchsrechts ist ausweislich der beigezogenen ESt-Akten erst am 22.03.2000 erfolgt, seinen Söhne zuzurechnen. Das Nießbrauchsrecht ist wie o.a. angeführt mit Ablauf der Befristung entfallen, das Grundbuch insoweit unrichtig geworden. Die später erfolgte Löschung hatte insoweit nur deklaratorischen Charakter.

Auf Grund der vorstehend beschriebenen Rechtswirkungen hat entgegen seiner Auffassung ab 1985 der Kl. die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (V+V) aus dem Objekt in Schalksmühle erzielt. Mit der Nichterklärung dieser Einkünfte hat er eine objektiv falsche Steuererklärung abgegeben. Die Nichterklärung der Vermietungseinkünfte ist auch nicht als eine bloße, von der Verwaltungspraxis abweichende Rechtsaufassung zu qualifizieren. Die Kl. waren vielmehr verpflichtet den steuererheblichen Sachverhalt zu erklären, dass sie Eigentümer des Vermietungsobjekts Schalksmühle waren und wegen eines bis 1985 befristeten Nießbrauchs oder eines mündlich vereinbarten Nutzungsrechts nach ihrer Rechtsansicht die Einkünfte bei dem Nutzungsberechtigten, dem Sohn des Kl., zu erfassen waren.

Diese Unrichtigkeit war dem Kl. bzw. dessen Bevollmächtigten auch bewusst. Das beklagte FA hat seit Ablauf der Befristung ab 1985 die Einkünfte aus dem Vermietungsobjekt dem Kl. zugerechnet. Diese Zurechnung hat der Kl. nicht nur von Anfang an widerspruchslos hingenommen, er hat darüber hinaus im Einspruchsverfahren für die Vorjahre die Berücksichtigung der AfA für dieses Objekt erfolgreich geltend gemacht. Auf Grund der damit nicht nur unwidersprochen hingenommenen zutreffenden steuerlichen Behandlung durch das FA musste dem Kl., dem im Übrigen das Wissen seines steuerlichen Beraters zuzurechnen ist, in jedem Fall bei der Abgabe der Steuererklärung für das Streitjahr 1997 klar sein, dass diese hinsichtlich der Vermietungseinkünfte aus dem streitbefangenen Objekt objektiv falsch war. Unerheblich ist, dass eine arglistige Täuschung nicht vorliegt. Für die Annahme unlauteren Verhaltens ist die wissentliche und bewusste Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung ausreichend. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die arglistige Täuschung nur als ein Beispielsfall des unlauteren Verhaltens genannt. Im steuerlichen Massenverfahren soll nach dem Gesetzeswerk die bewusste Abgabe unrichtiger Steuererklärungen keinen Vertrauensschutz erfahren. Ebenso ist nicht entscheidend, dass ein ziel- und zweckgerichtetes Verhalten des Kl. bzw. des Bevollmächtigten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann. Nach gefestigter BFH-Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ist nicht erforderlich die Absicht, mit den wahrheitswidrigen Angaben das FA zu einer Entscheidung zu veranlassen. Die Absicht als innere Tatsache wäre im jeweiligen Einzelfall nur schwer nachweisbar und würde die Anwendung des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO entgegen der Zielsetzung der Vorschrift in den Hauptanwendungsfall der bewussten Abgabe unrichtiger Steuererklärung weitgehend ausschließen.

Der Bekl. hat das durch § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 c AO eröffnete Ermessen bei seiner Entscheidung zutreffend ausgeübt. Ermessensfehler i.S.d. § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht ersichtlich. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Bekl. wegen der vom Kl. abgegebenen objektiv unrichtigen ESt-Erklärung der materiellen Gerechtigkeit den Vorrang den vor dem Grundsatz der Rechtsicherheit eingeräumt hat. Soweit ein Ermessen des FA im Rahmen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO verneint wird (so Groll in HHSp 10. Aufl. § 172 AO Rz 170) führt dies zu keinem anderen Ergebnis, da auch eine gebundene Verwaltungsentscheidung die Änderungsvoraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c. AO erfüllt.

Die Kl. können auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Arbeitsnehmerbeiträge der Klin. zur Sozialversicherung seien nicht in die Bemessungsgrundlage nach § 19 EStG einzubeziehen.

Das beklagte Finanzamt hat zutreffend entschieden, dass die Arbeitnehmeranteile der Klin. zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung Arbeitslohn und damit in die Bemessungsgrundlage nach § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) einzubeziehen sind.

Nach übereinstimmender Rechtsprechung der Finanzgerichte (vgl. Urteil des Finanzgerichts Münster vom 02.06.03, Az. 13 K 1381/02 E, EFG 2003, S. 1473), des BFH (Beschluss vom 19.05.2004, Az.: VI B 120/03 n.v.; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 28, m.w.N. der Rechtsprechung) und der einhelligen Auffassung in der Literatur (vgl. z.B. Giloy in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 19 RdNr. B 1000, Stichwort: "Sozialversicherung"; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 19 EStG Anm. 600, Stichwort: "Arbeitnehmerbeiträge"; Barein in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 19 Rz. 192), sind solche Arbeitnehmerbeiträge beim Arbeitnehmer grundsätzlich als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig (siehe dazu Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: "Sozialversicherung" Rz. 21). § 10 Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung setzt mit der - allerdings beschränkten - Zulassung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben gerade voraus, dass die entsprechenden Arbeitnehmeranteile Lohnbestandteile sind.

Diese Lohnbestandteile sind der Klin. mit der Abführung durch ihren Arbeitgeber auch zugeflossen. Die Klin. schuldet persönlich 50 % der Beiträge zu den o.g. Sozialversicherungen. Dies ergibt sich für die Arbeitslosenversicherung aus § 346 III. Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), für die Krankenversicherung aus § 249 Abs. 1 V. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), für die Rentenversicherung aus § 168 Abs. 1 Nr. 1 VI. Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und für die Pflegeversicherung aus § 58 Abs. 1 S. 1 des XI. Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Denn sie war im Streitjahr gemäß § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III., § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Als Beitragsschuldnerin ist sie grundsätzlich gemäß § 173 SGB VI und § 60 Abs. 1 S. 1 SGB XI zahlungspflichtig. Die Abführung ihrer Beiträge wird jedoch doch § 28 g S. 1 und § 28 g Abs. 1 S. 1 SGB IV dem Arbeitgeber auferlegt, der diese Pflicht zusammen mit den Arbeitgeberbeiträgen als Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu erfüllen hat. Dies ergibt sich für die gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Klin. aus § 348 Abs. 2 SGB III, § 253 SGB V, § 174 Abs. 1 SGB VI und § 60 Abs. 1 S. 2 SGB XI i.V.m. § 253 SGB V. Der Arbeitgeber erlangt gemäß § 28 g S. 1 SGB IV einen Anspruch gegen die Klin. i.H.v. 50 % des Gesamtsozialversicherungsbeitrages als dem von dieser zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Diesen Anspruch kann der Arbeitgeber nach § 28 g S. 2 SGB IV - innerhalb hier unerheblicher zeitlicher Grenzen - durch Abzug vom Arbeitsentgelt, d.h. durch Aufrechnung i.S. der §§ 387 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches geltend machen. Die Klin. hat die Aufrechnung zu dulden (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 25.10.1990, 12 Rk 27/89, BSGE 67, 290). Diese Aufrechnung i.H. ihres anteiligen Gesamtsozialversicherungsbeitrages bewirkt auf Seiten der Klin. die Erfüllung einer eigenen sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht gemäß dem o.g. Vorschriften und Zugleich den Zufluss des Arbeitslohns i.H. der einbehaltenen Arbeitnehmerbeiträge. Hierin liegt der individualisierte Vorteil für die Klin., dessen Fehlen der Klägervertreter beanstandet. Dies entspricht auch dem Wortlaut und Regelungsgehalt des § 28 g S. 2 SGB IV.

Nach alledem ist mit der Auszahlung des Lohns unter Einbehalt des Arbeitnehmeranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag der steuerpflichtige Zufluss des Arbeitslohns bewirkt (vgl. FG Münster Urteil vom 02.06.03, a.a.O., m.w.N.; grundsätzlich zum Zufluss: Urteil des BFH vom 27.05.1993, Az. VI R 19/92, BFHE 172, 46, BStBl. II 1994, 246).

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Der Senat hält eine erneute Überprüfung der Rechtsprechung zur Anwendung von § 172 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 c AO, nach der bereits eine bewusste Falscherklärung die Tatbestandsvoraussetzung dieser Änderungsvorschrift, erfüllt, für geboten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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