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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: 10 K 1549/08 L
Rechtsgebiete: AO, GmbHG


Vorschriften:

AO § 34
AO § 69
GmbHG § 35 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Haftungsbescheid vom 5.1.2007 in Form der Einspruchsentscheidung vom 25.3.2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Zu entscheiden ist, ob der Beklagte den Kläger zu Recht nach §§ 69, 34 Abgabenordnung (AO) für rückständige Lohnsteuern und Nebenleistungen der Monate September 2005 bis Februar 2006 in Haftung genommen hat.

Der Kläger war seit dem 18.10.2000 als alleiniger Kommanditist an der Firma C GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) beteiligt. Komplementärin war die Druckerei C Verwaltungs-GmbH (im Folgenden: GmbH), an der der Kläger wiederum als alleiniger Gesellschafter beteiligt war. Der Kläger war zugleich alleiniger Geschäftsführer der GmbH.

Die Lohnsteueranmeldungen für die Monate September 2005 bis Dezember 2005 reichte die KG fristgerecht beim Beklagten ein. Auf Grund einer bestehenden Lastschrifteinzugsermächtigung wurden die fälligen Beträge sodann termingerecht vom Beklagten per Lastschrift eingezogen.

Die Löhne wurden durch die KG jeweils zum 15. des Monats an die Arbeitnehmer ausgezahlt.

Das kontoführende Kreditinstitut, die Sparkasse N, hatte der KG ab Dezember 2005 eine Kreditlinie in Höhe von insgesamt 120.000 € eingeräumt. Nachdem in einem Gespräch zwischen dem Kläger und der Bank am 23.1.2006 die finanzielle Lage der KG erörtert worden war, kündigte die Sparkasse N mit Schreiben vom 24.1.2006, auf das verwiesen wird, mit sofortiger Wirkung die gesamte Kreditlinie.

Der Kläger stellte daraufhin am 25.1.2006 beim zuständigen Amtsgericht - Insolvenzgericht - A einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG. Mit Beschluss vom selben Tage eröffnete das Amtsgericht A unter dem Aktenzeichen ... IN .../06 das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG und bestellte Herrn Rechtsanwalt U zum vorläufigen Insolvenzverwalter. In dem Beschluss vom 25.1.2006, auf den Bezug genommen wird, ordnete das Insolvenzgericht an, dass Verfügungen des Schuldners über Gegenstände seines Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2.Alt. Insolvenzordnung - InsO -). Der vorläufige Insolvenzverwalter wurde nicht zum allgemeinen Vertreter des Schuldners bestellt. Er hatte jedoch die Aufgabe, durch Überwachung des Schuldners dessen Vermögen zu sichern und zu erhalten und war insbesondere ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Der Schuldner war verpflichtet, dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gewähren und sie ihm auf Verlangen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens herauszugeben.

Am 26.1.2006 kündigte der Kläger sämtliche Arbeitsverhältnisse und stellte den Geschäftsbetrieb der KG zum 27.1.2006 ein.

Der vorläufige Insolvenzverwalter widerrief gegenüber der Sparkasse N alle Daueraufträge, Lastschrift-, Einzugs- und Abbuchungsermächtigungen für die Zukunft und - soweit zulässig - auch für die Vergangenheit. Auf das diesbezügliche Schreiben vom 2.2.2006 wird verwiesen.

Der Rechnungsabschluss für das bei der Sparkasse N geführte Konto der KG erfolgte jeweils zum Ende eines Quartals.

Bezogen auf die Lohnsteuer der Voranmeldungszeiträume September 2005 bis Dezember 2005 veranlasste das Kreditinstitut daher auf Grund des Widerrufs die Rücklastschriften der fristgerecht angemeldeten und eingezogenen Lohnsteuerbeträge.

Den Lastschrifteinzug für die termingerecht vorangemeldete und am 10.2.2006 fällige Lohnsteuer des Monats Januar 2006 verweigerte die Bank von vornherein.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG wurde durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - A am 25.7.2006 eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der vorläufige Insolvenzverwalter, Herr Rechtsanwalt U, bestellt.

Mit Bescheid vom 5.1.2007 nahm der Beklagte den Kläger als Geschäftsführer der GmbH nach §§ 69, 34 AO wegen rückständiger Lohnsteuern einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag sowie Säumniszuschlägen der KG in Höhe von insgesamt 10.032,28 € für die Monate September 2005 bis Juni 2006 in Anspruch. Wegen der erfolgten Betriebseinstellung und der Entlassung aller Arbeitnehmer schätzte der Beklagte dabei die Lohnsteuer einschließlich der Nebenleistungen für die Monate März 2006 bis Juni 2006 jeweils auf 0 €. Für diese Monate erstreckt sich die Haftung laut Haftungsbescheid lediglich auf die Säumniszuschläge.

Den hiergegen am 6.2.2007 erhobenen Einspruch wies der Beklagte unter Herabsetzung der Haftungssumme auf 8.693,28 € als unbegründet zurück. Der Einspruch sei lediglich insoweit begründet, als der Kläger nach § 69 AO für Säumniszuschläge herangezogen worden sei, die ab dem nachweislichen Eintritt der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der KG entstanden seien. Eine Haftung für die in der Zeit von März bis Juni 2006 entstandenen Säumniszuschläge käme daher nicht in Betracht. Im übrigen hielt der Beklagte an seiner Rechtsauffassung betreffend die Haftung für Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag der Monate September 2005 bis Februar 2006 fest.

Mit seiner sodann erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er dürfe nicht für rückständige Lohnsteuern der KG in Haftung genommen werden.

Ab dem Monat Februar 2006 dürften keine Lohnsteuerforderungen mehr bestehen, da bereits im Januar 2006 alle Arbeitsverhältnisse fristlos beendet worden seien.

Im Übrigen sei die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung unzutreffend und stehe im Gegensatz zu der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Widerrufsmöglichkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters im Einzugsermächtigungs- bzw. Lastschrifteinzugsverfahren.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt berechtigt, einer im Lastschriftverfahren erfolgten Belastung des Schuldnerkontos zu widersprechen. Im vorliegenden Klageverfahren habe für den vorläufigen Insolvenzverwalter die Möglichkeit des Widerrufs bestanden, da der Kläger die Lastschriften zuvor nicht genehmigt habe. Insbesondere liege keine konkludente Genehmigung des Klägers vor, da diese weder in einem Schweigen auf zugegangene Rechnungsabschlüsse noch in fortgesetzten Dispositionen auf dem Schuldnerkonto liegen könne. Eine konkludente Genehmigung setze voraus, dass über einen längeren Zeitraum widerspruchslos Dispositionen getroffen bzw. Rechnungsabschlüsse hingenommen würden. Im Streitfall seien die Dispositionen jedoch lediglich in einem Zeitraum von weniger als einem Monat nach dem Rechnungsabschluss durchgeführt worden.

Die fälligen Lohnsteuerbeträge der Monate September 2005 bis Dezember 2005 seien per Lastschrifteinzug fristgerecht gezahlt worden. Der Beklagte habe die mit einem Lastschriftverfahren bzw. einer Einzugsermächtigung verbundenen Risiken gekannt und abschätzen können. Das Risiko des Widerrufs einer Einzugsermächtigung habe daher der Beklagte zu tragen.

Das Verhalten des Klägers sei nicht grob fahrlässig gewesen. Die Rückbuchung der Lastschriften sei nicht durch ihn, sondern durch den Widerruf des vorläufigen Insolvenzverwalters veranlasst worden. Der Kläger habe vielmehr alles Erforderliche getan, um die Steuerzahlungen sicherzustellen. Die Kündigung der Kreditlinie sei für ihn völlig überraschend gekommen. Unmittelbar nach Kündigung der Kreditlinie habe er einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und den Geschäftsbetrieb eingestellt. Rechtlich habe der Kläger nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens nicht mehr eigenständig handeln können. Er sei vom Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig gewesen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten habe der Kläger weder tatsächlich noch rechtlich die Möglichkeit gehabt, auf den vorläufigen Insolvenzverwalter einzuwirken. Der Kläger habe vom Widerruf selbst keine Kenntnis gehabt, da er den Geschäftsbetrieb am 27.1.2006 eingestellt, dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Schlüssel der Firma übergeben und dieser die Geschäfte an sich gezogen habe. Der vorläufige Insolvenzverwalter hätte aus Sicht des Klägers einer endgültigen Genehmigung der erfolgten Lastschrifteinzüge auch niemals zugestimmt. Darüber hinaus sei der vorläufige Insolvenzverwalter auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sogar verpflichtet gewesen, den erfolgten Lastschrifteneinzug zu widerrufen. Der Kläger verweist insoweit auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4.11.2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49.

Der Kläger beantragt,

1. den Haftungsbescheid vom 5.1.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.3.2008 aufzuheben.

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung trägt er vor, die Haftungsinanspruchnahme des Klägers nach §§ 69, 34 AO für rückständige Lohnsteuern (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) der Monate September bis Dezember 2005 und Januar 2006 sei zu Recht erfolgt.

Der Kläger habe objektiv pflichtwidrig gehandelt, in dem er es entgegen seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung unterlassen habe, die für die Monate September 2005 bis Januar 2006 einbehaltene und angemeldete Lohnsteuer bis zum 10. des jeweiligen Folgemonats an das FA abzuführen, § 41a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Abführung der Lohnsteuer sei der Kläger allein durch die Teilnahme am Lastschrifteinzugsverfahren der Finanzverwaltung nicht nachgekommen, da die Teilnahme an diesem Verfahren lediglich eine Erfüllungshandlung darstelle, nicht jedoch zur endgültigen Erfüllung der Steueransprüche führe. Ferner sei der Kläger durch die Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht von seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer - insbesondere von seiner Pflicht nach § 41a Abs. 1 EStG - entbunden worden.

Soweit der Kläger behauptet, er habe die Zahlungen tatsächlich geleistet, verkenne er, dass er lediglich Erfüllungshandlungen erbracht habe, die jedoch keinen Erfolg - d.h. keine Erfüllungswirkung - herbeigeführt hätten.

Die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters stehe der Haftungsinanspruchnahme des Klägers nicht entgegen, denn bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt verbleibe die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiterhin beim Schuldner. Soweit im Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuerbeträge liquide Mittel vorhanden seien, sei ein Geschäftsführer so lange zur Abführung der Lohnsteuern verpflichtet, bis ihm die Verfügungsbefugnis entzogen werde. Im Streitfall sei der vorläufige Insolvenzverwalter als vorläufiger Insolvenzverwalter ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bestellt worden. Der Kläger habe seine Verfügungsbefugnis erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts A vom 25.7.2006 verloren. Bis dahin sei er der verantwortliche kaufmännische Leiter der GmbH geblieben.

Der Kläger sei demnach zur Begleichung der Steuerschulden nach wie vor verpflichtet und mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters auch berechtigt gewesen. Da er dieses unterlassen habe, habe er seine Pflicht als Geschäftsführer objektiv verletzt.

Nachdem der Kläger vom Widerruf der Lastschrifteinzüge durch den vorläufigen Insolvenzverwalter Kenntnis erlangt hatte, hätte er den Insolvenzverwalter unter Hinweis auf seine öffentlich-rechtliche Pflichtenstellung um Zustimmung zur erneuten Zahlung ersuchen müssen. Der Kläger habe weder vorgetragen noch nachgewiesen in dieser Weise auf den vorläufigen Insolvenzverwalter eingewirkt zu haben.

Es sei dem Kläger zumutbar gewesen, den vorläufigen Insolvenzverwalter aufzufordern, die fälligen Lohnsteuerbeträge für den Zeitraum September 2005 bis Januar 2006 zu entrichten, denn ein Geschäftsführer, der Steuerzahlungen in der Insolvenz des Arbeitgebers leiste, mache sich gerade nicht nach § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz erstattungspflichtig, weil es sich um erlaubte Zahlungen handele, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar seien.

Hervorzuheben sei, dass der vorläufige Insolvenzverwalter im Streitfall nicht mehr zum Widerruf der Lastschriften berechtigt gewesen sei, weil der Kläger diese zuvor konkludent genehmigt habe. Die konkludente Genehmigung des Lastschrifteinzugs für die Lohnsteuer September bis Dezember 2005 sei darin zu sehen, dass der Kläger nach Übersendung der entsprechenden Kontotagesauszüge den ausgewiesenen Saldo widerspruchslos hingenommen habe. Zwar könne ein Bankkunde grundsätzlich bis zu 6 Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses Einwendungen gegen Belastungsbuchungen erheben. Dies gelte jedoch nicht, wenn zuvor die Genehmigung der Belastungsbuchungen erfolgt sei. Eine konkludente Genehmigung sei insbesondere auch dann anzunehmen, wenn der Schuldner in Kenntnis einer Belastungsbuchung nach Ablauf einer angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist Überweisungsaufträge erteile oder Schecks auf sein Konto ziehe. In derartigen fortgesetzten Dispositionen sei eine konkludente Genehmigung enthalten.

Der Beklagte trägt weiterhin vor, auch der vorläufige Insolvenzverwalter dürfe nicht ohne Grund einen Lastschrifteinzug widerrufen. Er müsse insoweit gleichgestellt werden mit dem Geschäftsführer und dem Insolvenzverwalter, die nicht ohne Grund einen Lastschriftzugeinzug widerrufen dürften.

Die Pflichtverletzung des Klägers sei für den Ausfall der Lohnsteuerforderungen ursächlich. Der Schutzzweck des § 69 AO verlange jeweils die Berücksichtigung des tatsächlichen Geschehensablaufs und schließe die Beachtung hypothetischer Kausalverläufe aus. Daher könne sich der Kläger nicht darauf berufen, der vorläufige Insolvenzverwalter hätte die Zustimmung zur Begleichung der Lohnsteuerbeträge nicht erteilt, selbst wenn der Kläger ihn darum ersucht hätte.

Der Kläger habe darüber hinaus grob fahrlässig gehandelt.

Die objektive Pflichtverletzung des gesetzlichen Vertreters indiziere im Allgemeinen den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit, es sei denn, der gesetzliche Vertreter könne sein Verhalten im Einzelfall entschuldigen oder sein Verhalten sei im Einzelfall lediglich als leicht fahrlässig einzustufen. Derartige Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe habe der Kläger aber weder vorgetragen noch seien sie nach der Aktenlage ersichtlich.

Jedenfalls könne der Vortrag des Klägers, er habe dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Schlüssel der Firma übergeben und diesem die Geschäftsführung überlassen, kein nur leicht fahrlässiges Handeln begründen. Dieses Verhalten des Klägers sei vielmehr als vorsätzlich einzustufen. Der Kläger habe entgegen seiner Pflichtenstellung als Geschäftsführer und handelndes Organ der Gesellschaft die Geschäftskontrolle bewusst und gewollt aufgegeben und die Geschäftsführung ohne dessen Überwachung einem Dritten überlassen. Der Kläger habe sich somit selbst außer Stande gesetzt, vom Handeln des vorläufigen Insolvenzverwalters Kenntnis zu erlangen und ggf. gegen dessen Handeln einzuschreiten. Da der Kläger die Geschäftsführung nicht mehr ausgeübt und überwacht habe, habe er zwar keine Kenntnis vom Widerruf der Lastschrifteinzüge gehabt. Er habe dies jedoch zu vertreten und sei - trotz seiner vorsätzlichen Unkenntnis - verpflichtet gewesen, den vorläufigen Insolvenzverwalter zu veranlassen, entgegen des Widerrufs die rückständigen Lohnsteuerbeträge zu tilgen.

Der Beklagte stellt weiter heraus, bei der Beurteilung des Verschuldens sei nicht allein auf das Verhalten bis zum Fälligkeitstag, sondern auf das Verhalten während des gesamten Haftungszeitraums abzustellen.

Entgegen seiner Auffassung im Ursprungsbescheid vom 5.1.2007 sowie der Einspruchsentscheidung vom 25.3.2008 ist der Beklagte nunmehr der Ansicht, der Haftungszeitraum erstrecke sich lediglich auf die Monate September 2005 bis Januar 2006. An einer darüber hinausgehenden Haftung hält der Beklagte nicht mehr fest. Die Haftungssumme reduziere sich daher um weitere 49,01 € auf 8.644,27 €. Insoweit wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 25.2.2009 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Verfahrensakte Bezug genommen.

II. Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Haftungsbescheid vom 5.1.2007 in Form der Einspruchsentscheidung vom 25.3.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der Kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.

1. Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers nach § 69 AO i.V.m. § 34 AO liegen nicht vor. Insbesondere hat der Kläger den Haftungstatbestand des § 69 AO nicht dadurch verwirklicht, dass er es unterlassen hat, auf den vorläufigen Insolvenzverwalter dahingehend einzuwirken, dass dieser - nach dem erfolgten Widerruf der Lastschriften - die Zustimmung zur Begleichung der nunmehr rückständigen Lohnsteuerbeträge erteilt. Es fehlt für eine Haftung sowohl an einem durch eine Pflichtverletzung kausal verursachten Haftungsschaden als auch an einem grob fahrlässigen Verhalten.

Gem. § 69 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Folge vorsätzlicher und grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Zu den in § 34 AO bezeichneten Personen gehören die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Haftende im Sinne des § 34 AO sind bei einer Kommanditgesellschaft auch die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH (vgl. BFH-Urteil vom 27.6.1989 VII R 73/84, BStBl. II 1989, 955). Die von § 34 AO umfassten Personen müssen insbesondere dafür sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

a) Als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH traf den Kläger die Pflicht, bis zum 10. Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteueranmeldungszeitraums für die Anmeldung und Abführung der von der KG einzubehaltenden Lohnsteuern und Nebenabgaben Sorge zu tragen, § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz i.V.m. § 34 AO und § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 EStG.

aa) Für den Monat Februar 2006 bestand diese Pflicht jedoch nicht, da die KG im Februar 2006 keine Löhne ausgezahlt hat. Die Einkommensteuer wird gem. § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben, soweit Arbeitslohn von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt wird. Die KG stellte den Geschäftsbetrieb am 27.1.2006 ein, beschäftigte ab diesem Zeitpunkt keine Arbeitnehmer mehr und zahlte daher im Februar 2006 keine Löhne aus.

bb) Die Lohnsteueranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Januar 2006 hat die KG fristgerecht beim Beklagten eingereicht. Der Lastschrifteinzug für diesen Voranmeldungszeitraum wurde zum Fälligkeitszeitpunkt , dem 10.2.2006, auf Grund des Widerrufs des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 2.2.2006 nicht ausgeführt.

Durch die Nichtabführung der Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) Januar 2006 verletzte der Kläger jedoch keine steuerlichen Pflichten.

Bei Fälligkeit der Lohnsteuer Januar 2006 am 10.2.2006 war der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG bereits gestellt. Trotz der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt war der Kläger zwar weiterhin verfügungsbefugt und zur ordnungsgemäßen Vertretung der Gesellschaft verpflichtet, mit der Stellung des Insolvenzantrags zeigt ein Geschäftsführer jedoch, dass er von der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung seiner Gesellschaft ausgeht, so dass ihm die Nichtabführung der Lohnsteuer nicht mehr als schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 27.2.2007 VII 67/05, BFHE 216, 491, BFH/NV 2007, 1732).

Im Regelfall ändern Zahlungsschwierigkeiten einer Gesellschaft weder etwas an der Pflicht des Geschäftsführers nach § 41a Abs. 1 EStG noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft aus. Reichen die zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne (einschließlich des in ihnen enthaltenen Steueranteils) nicht aus, so darf der Geschäftsführer die Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und muss aus den dadurch übrig bleibenden Mitteln die auf die gekürzten (Netto-)Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen (vgl. BFH-Urteil vom 27.2.2007 VII R 67/05, BFHE 216, 491, BFH/NV 2007, 1732). Bereits das Unterlassen, die auf die ausgezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer durch entsprechende Kürzung der Löhne einzubehalten und den gekürzten Betrag für die Entrichtung zum Fälligkeitszeitpunkt bereitzuhalten, kann eine eigenständige Pflichtverletzung darstellen, die geeignet ist, die in § 69 AO angeordneten Haftungsfolgen auszulösen.

Im vorliegenden Klageverfahren ist die Kündigung der Kreditlinie durch die Bank überraschend erfolgt und war bei Auszahlung der Löhne für den Monat Januar 2006 zum 15. diesen Monats noch nicht abzusehen. Der Kläger konnte daher nicht damit rechnen, dass er am 25.1.2006 einen Insolvenzantrag stellen und zum Fälligkeitszeitpunkt nicht in der Lage sein würde, die Lohnsteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) zu begleichen, so dass ihm diesbezüglich keine haftungsbegründende schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann.

cc) Die KG hat die Lohnsteuervoranmeldungen für die Monate September 2005 bis Dezember 2005 jeweils fristgerecht beim Beklagten eingereicht. Zugleich sind die am 10.10.2005, 10.11.2005, 10.12.2005 und 10.1.2006 fälligen Lohnsteuerbeträge für die Monate September bis Dezember 2005 fristgerecht per Lastschrifteinzug an den Beklagten abgeführt worden.

(1) Hiermit hat der Kläger zunächst seine gem. § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz i.V.m. § 34 AO und § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 EStG bestehende Pflicht zur Anmeldung und Entrichtung der Lohnsteuer September 2005 bis Dezember 2005 erfüllt.

Gem. § 224 Abs. 1 Satz 1 AO sind Zahlungen an die Finanzbehörden an die zuständige Kasse zu entrichten. Bei Vorliegen einer Einzugsermächtigung gilt gem. § 224 Abs. 2 Nr. 3 AO eine wirksam geleistete Zahlung am Fälligkeitstag als entrichtet.

Wer wie ein Geschäftsführer einer GmbH die steuerlichen Pflichten eines anderen nach § 34 AO zu erfüllen hat, hat dafür Sorge zu tragen, dass zum einen die zur Tilgung der Steuerschulden erforderlichen Handlungen - wie z.B. die Erteilung der Einzugsermächtigung - vorgenommen werden, und dass zum anderen die Steuerschulden auf Grund der Einzugsermächtigung tatsächlich eingezogen werden können (vgl. BFH-Beschluss vom 19.3.1999 VII B 158/98, BFH/NV 1999, 1304). Eine Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführers ist zu verneinen, wenn dieser die Einzugsermächtigung rechtzeitig erteilt hat und zum Fälligkeitszeitpunkt eine ausreichende Deckung auf dem Konto vorhanden war, so dass mit einer Tilgung der Steuerschuld zu rechnen war (vgl. BFH-Beschluss vom 19.3.1999 VII B 158/98, BFH/NV 1999, 1304).

Der Kläger hat bezogen auf die Lohnsteuern einschließlich Nebenleistungen der Monate September 2005 bis Dezember 2005 zunächst alles seinerseits Erforderliche getan, um ein Erlöschen der Steuerschuld herbeizuführen. Er hat insbesondere zum 10.10.2005, 10.11.2005, 10.12.2005 sowie 10.1.2006 für eine ausreichende Deckung des Geschäftskontos der KG gesorgt. Der Beklagte konnte die fälligen Beträge daher tatsächlich einziehen.

(2) Durch den vom vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommenen Widerruf der Lastschriften lebte die Pflicht des Klägers zur Abführung der Lohnsteuerbeträge (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) September 2005 bis Dezember 2005 wieder auf, denn der Steueranspruch des Beklagten ist allein durch den Lastschrifteinzug und die Belastung des Schuldnerkontos noch nicht erfüllt worden.

Bei der Teilnahme am Lastschrifteinzugsverfahren besteht für den Schuldner nach Nr. 7 Abs. 3 i.V.m. Nr. 7 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen (AGB-Banken) die Möglichkeit, Einwendungen gegen die Rechnungsabschlüsse zu erheben. Die Rechnungsabschlüsse gelten als genehmigt, wenn ihnen nicht vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses widersprochen wird. Um dem Missbrauch des Widerspruchsrechts im Lastschrifteinzugsverfahren durch den Schuldner vorzubeugen, gilt dies jedoch nicht für einen rechtsmissbräuchlichen Widerruf, der ohne anerkennenswerten Grund erfolgt. In diesem Fall wird eine Schadensersatzpflicht des Schuldners gem. § 826 BGB begründet.

Für das Lastschrifteinzugsverfahren bedeutet dies, dass bis zur Genehmigung der Lastschriftbuchung bzw. bis zum Ablauf der Widerrufsfrist keine Erfüllung i.S.d. § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingetreten und der Steueranspruch bis dahin nicht gem. § 47 AO erloschen ist.

Einem vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt steht ebenfalls ein Widerrufsrecht zu. Er ist nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesgerichtshofs sogar verpflichtet, einer im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgten Belastungsbuchung auf dem Schuldnerkonto innerhalb der Frist der Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken zu widersprechen, um ein Eintreten der Genehmigungsfiktion zu verhindern (vgl. BGH-Urteil vom 10.6.2008 XI ZR 283/97, [...]Datenbank; BGH-Urteil vom 21.9.2006 IX ZR 173/02, WM 2006, 2046; BGH-Urteil vom 4.11.2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49).

Im Zeitpunkt des Widerrufs durch den vorläufigen Insolvenzverwalter lag im vorliegenden Klageverfahren noch keine Genehmigung der Lastschriftbuchungen für die Monate September 2005 bis Dezember 2005 vor.

Ausdrücklich hatte der Kläger die Lastschriften bis zum 2.2.2006 nicht genehmigt. Zudem ist eine Genehmigungsfiktion durch Ablauf der Widerrufsfrist oder Erteilung einer konkludenten Genehmigung nicht eingetreten.

Die KG hatte mit der Sparkasse einen vierteljährlichen Rechnungsabschluss vereinbart. Die Lohnsteuer für den Monat September 2005 war am 10. Oktober 2005 fällig. Diesbezüglicher Rechnungsabschluss ist der 31.12.2005. Der 31.12.2005 gilt sogleich als Rechnungsabschluss für die Lohnsteuer der Monate Oktober und November 2005 , die am 10.11.2005 bzw. 10.12.2005 fällig waren. Maßgebender Rechnungsabschluss für die Lohnsteuer Dezember 2005 , die am 10.1.2006 fällig war , ist der 31.3.2006.

Am 2.2.2006 - dem Tag des Widerrufs des Lastschrifteinzugs durch den vorläufigen Insolvenzverwalter - war die sechswöchige Widerrufsfrist nach Rechnungsabschluss (dem 31.12.2005 bzw. 31.3.2006) noch nicht abgelaufen. Bezogen auf die Lohnsteuer der Monate September bis November 2005 lief die Widerrufsfrist erst Mitte Februar 2006 ab. Dementsprechend war die Widerrufsfrist für die weitere Lastschriftbuchung im Januar 2006 (Lohnsteuer Dezember 2005) am 2.2.2006 ebenfalls noch nicht abgelaufen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten hat der Kläger die Lastschriftbuchungen nicht dadurch konkludent genehmigt, dass er auf die ihm zugegangenen Kontoauszüge geschwiegen und etwaige weitere Bankgeschäfte abgewickelt hat. Im Schweigen auf die zugegangenen Kontoauszüge, die die Lastschriften enthalten, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine rechtsgeschäftliche Erklärung. Es kann daher nicht als Genehmigung der Buchungen gewertet werden (vgl. BGH-Urteil vom 25.10.2007 IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 m.w.N.). In fortgesetzten Dispositionen auf dem Schuldnerkonto, d.h. wenn der Schuldner nach einer (kurzen) Überlegungsfrist das Konto für weitere Bewegungen nutzt, kann - soweit der Schuldner kein Verbraucher ist - nur dann eine konkludente Genehmigung liegen, wenn mindestens einen Monat lang weitere Dispositíonen auf dem Konto vorgenommen worden sind. Im Streitfall hat der Kläger nach dem 31.12.2005 - dem Rechnungsabschlussdatum - jedoch nicht einen Monat lang über das Konto disponiert.

Würde entgegen den vorstehenden Ausführungen mit dem Beklagten davon ausgegangen, der Kläger habe die Belastungsbuchungen im Zeitpunkt des Widerrufs durch den Insolvenzverwalter am 2.2.2006 bereits genehmigt, läge keine haftungsauslösende steuerliche Pflichtverletzung des Klägers vor. Im Falle einer konkludenten Genehmigung der Belastungsbuchungen durch den Schuldner wäre der Steueranspruch mit Erteilung der konkludenten Genehmigung nach § 47 AO erloschen, da zivilrechtlich durch die Genehmigung Erfüllung i.S.d. § 362 BGB eingetreten wäre. Der Widerruf der Lastschrift wäre zivilrechtlich auf Grund der vorliegenden Genehmigung rechtsmissbräuchlich und würde nicht dazu führen, dass die steuerlichen Zahlungspflichten wieder aufleben und eine Haftung begründen könnten. Den Schaden, der dem Beklagten im Falle eines rechtsmissbräuchlichen Widerrufs entstehen würde, müsste dieser zivilrechtlich geltend machen.

(3) Die steuerliche Pflicht zur Entrichtung der auf Grund des Lastschriftwiderrufs rückständigen Lohnsteuern (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlage) für die Monate September 2005 bis Dezember 2005 bestand für den Kläger unabhängig davon, dass er Verfügungen über das Vermögen der KG nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vornehmen durfte.

Die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der KG ergibt sich aus der nominellen Stellung des Klägers als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und ist unbeeinflusst davon, ob er die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 7.3.1995 VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941; Urteil des Finanzgerichts Saarland vom 7.11.2000 1 K 94/00, [...]Datenbank).

Ein GmbH-Geschäftsführer kann sich nicht damit entschuldigen, dass er von der Führung der Geschäfte ferngehalten worden ist und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Wenn ein Geschäftsführer die Geschäftsführung durch einen anderen duldet, so hat er durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass dieser die steuerlichen Verpflichtungen der GmbH ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt. Der Geschäftsführer wird von seiner Verantwortlichkeit erst dadurch befreit, dass er von der Geschäftsführung der GmbH zurücktritt. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt er für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten verantwortlich (vgl. BFH-Urteile vom 23.3.1993 VII R 38/92, BFH/NV 1994, 71; vom 16.3.1993 VII R 57/92, BFH/NV 1993, 707).

Im Falle der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis sowie die Prozessführungsbefugnis beim Schuldner. Der Zustimmungsvorbehalt ändert hieran nichts. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ist kein Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 1 AO. Der Schuldner wird daher nicht in der Weise aus seiner Pflichtenstellung verdrängt, dass die ihm obliegenden steuerlichen Pflichten nunmehr ausschließlich vom vorläufigen Insolvenzverwalter zu erfüllen wären (vgl. BFH-Beschluss vom 30.12.2004 VII B 145/04, BFH/NV 2005, 665).

Die steuerlichen Pflichten des Klägers endeten vielmehr erst am 25.7.2006 mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG, da er erst zu diesem Zeitpunkt seine Verwaltungs- und Verfügungsgewalt über das Vermögen der KG verloren hat. In der Zeit zwischen Insolvenzantragstellung (am 25.1.2006) und Eröffnung des Insolvenzverfahrens (am 25.7.2006) war der Kläger weiterhin verwaltungs- und verfügungsberechtigt. Eingeschränkt war er lediglich durch den Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters, der ihn jedoch nicht von seinen steuerlichen Pflichten entbunden hat.

Der Kläger konnte zwar ohne Mitwirkung des vorläufigen Insolvenzverwalters die Erfüllung der Steuerschuld nicht herbeiführen. Seine steuerliche Pflichtenstellung umfasst jedoch auch das Einwirken auf den vorläufigen Insolvenzverwalter für den Fall, dass er als steuerlich verpflichtete und verantwortliche Person nicht allein handeln kann.

b) Das unterbliebene Einwirken auf den vorläufigen Insolvenzverwalter dahingehend, dass dieser nach dem erfolgten Widerruf seine Zustimmung zur Begleichung der rückständigen Lohnsteuern (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) der Monate September 2005 bis Dezember 2005 erteilt, ist für den eingetretenen Steuerschaden jedoch nicht kausal geworden.

Die Kausalität richtet sich wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie. Danach können nur solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich sein, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen. Sofern ein Unterlassen in Betracht kommt, muss, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, die unterbliebene Handlung hinzugedacht werden und dies zu dem Ergebnis führen, dass der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre. Die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts genügen dazu nicht (vgl. BFH-Urteil vom 17.11.1992 VII R 13/92, BStBl II 1993 Seite 471).

Im vorliegenden Klageverfahren steht nicht fest, dass der entstandene Haftungsschaden in Form der rückständigen Lohnsteuern (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) September 2005 bis Dezember 2005 ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Die Kausalität wäre nur dann gegeben, wenn mit Sicherheit festgestellt werden könnte, dass die Lohnsteuerbeträge September 2005 bis Dezember 2005 beglichen worden wären, wenn der Kläger auf den vorläufigen Insolvenzverwalter eingewirkt und ihn um Zustimmung zur Zahlung der Beträge ersucht hätte.

Dies kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung zur Entrichtung der rückständigen Beträge erteilt hätte. Da der vorläufige Insolvenzverwalter nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH-Urteil vom 10.6.2008 XI ZR 283/97, [...]Datenbank; BGH-Urteil vom 21.9.2006 IX ZR 173/02, WM 2006, 2046; BGH-Urteil vom 4.11.2004 IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49) jedoch berechtigt und sogar verpflichtet war, die Genehmigung von Belastungsbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren zu verhindern, und zwar ohne sachliche Einwendungen gegen die Forderung erheben zu müssen, steht nicht fest, dass er die Zustimmung erteilt hätte. Die bloße Möglichkeit, dass er entgegen seinem Widerruf des Lastschrifteinzugs später seine Zustimmung hätte geben können, reicht nicht aus, um die Kausalität zu begründen.

In diesem Zusammenhang bedarf es keines Rückgriffs auf den vom Kläger angeführten möglichen Geschehensablauf, dass der vorläufige Insolvenzverwalter keine Zustimmung zur Zahlung der Lohnsteuerbeträge erteilt hätte und der Erfolg damit ebenfalls eingetreten wäre, denn im Falle der Kausalität durch Unterlassen kommt es allein darauf an, ob die unterbliebene Handlung den Erfolg mit Sicherheit verhindert hätte. Die Ursächlichkeit wäre demnach nur dann zu bejahen, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter die Zustimmung zweifelsfrei erteilt hätte. Dass der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung im Falle des Einwirkens durch den Kläger verweigert hätte, ist lediglich eine hypothetische Ersatzbedingung, die - wie der Beklagte richtig festgestellt hat - die Ursächlichkeit nicht ausschließen könnte.

c) Zudem hat der Kläger seine Pflicht zur Entrichtung der Lohnsteuern (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) September 2005 bis Dezember 2005 bzw. seine Pflicht zur Einwirkung auf den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht schuldhaft verletzt.

Eine Haftung nach § 69 AO greift nur ein, wenn die Pflichtverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt ist. Ein lediglich leicht fahrlässiges Verhalten begründet keinen Schuldvorwurf i.S.d. § 69 AO.

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande war, in ungewöhnlich hohem Maß außer acht gelassen hat.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesgerichtshofs zum Widerrufsrecht des vorläufigen Insolvenzverwalters konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter nach dem erfolgten Widerruf der Belastungsbuchungen auf Grund des klägerischen Einwirkens seine Zustimmung zur Abführung der Lohnsteuer erteilen wird. Für den Kläger bestünde lediglich die Möglichkeit, die Zustimmung des Insolvenzverwalters zivilrechtlich einzuklagen.

Nach Auffassung des Gerichts kann dem Kläger nicht zugemutet werden, zivilrechtlich gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter vorzugehen, um sich einer steuerrechtlichen Haftung zu entziehen. Vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Rechtsprechung ist das Nichteinwirken auf den Insolvenzverwalter jedenfalls nicht als grob fahrlässig einzustufen. Dem Kläger kann, da sich der vorläufige Insolvenzverwalter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtmäßig verhalten hat, nicht vorgeworfen werden, seine ihm im vorläufigen Insolvenzverfahren obliegende Sorgfalt in besonders hohem Maße außer acht gelassen zu haben.

Ein grob fahrlässiges Verhalten ist insbesondere deshalb auszuschließen, weil der vorläufige Insolvenzverwalter durch den Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - A vom 25.1.2006 ausdrücklich dazu ermächtigt wurde, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Auf Grund dieser ausdrücklichen Berechtigung kann das Verhalten des Klägers jedenfalls nicht als besonders grobe Sorgfaltsverletzung betrachtet werden.

2. Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Klägers nach anderen Haftungstatbeständen der Abgabenordnung, der besonderen Steuergesetzen oder dem Zivilrecht liegen nicht vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht erforderlich ist. Die Grundsätze einer Haftungsinanspruchnahme gem. §§ 69, 34 AO, insbesondere die Frage der kausalen Schadensverursachung durch Unterlassen sind durch die Rechtsprechung geklärt.

Ende der Entscheidung

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