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Gericht: Finanzgericht Münster
Beschluss verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 10 V 4450/06 F
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 5a Abs. 4 S. 1
EStG § 5a Abs. 4 S. 3
EStG § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 34 Abs. 1 S. 1
EStG § 34 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

10 V 4450/06 F

Tenor:

Der Bescheid über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2005 vom 30.6.2006 wird bis einen Monat nach Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren insoweit von der Vollziehung ausgesetzt, als die Einkünfte des Kommanditisten XXXXXXXXX i.V.m. 161.189,95 EUR für Aussetzungszwecke als gem. §§ 16, 34 Einkommensteuergesetz begünstigt festzustellen sind.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe:

Streitig ist die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns als außerordentliche Einkünfte gemäß den §§ 16, 34 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Antragstellerin ist Geschäftsführerin einer GmbH u. Co KG, die ein Tankschiff betrieb. Die Gesellschafter erzielten aus ihrer Beteiligung Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Den Gewinn hatte die Antragstellerin im Streitjahr 2005 nach § 5 a Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt. Das Tankschiff wurde im Streitjahr veräußert. Die nach § 5 a Abs. 4 Satz 1 EStG ermittelten Unterschiedsbeträge zwischen Buchwert und Teilwert wurde dem Gewinn der KG nach § 5 a Abs. 4 Satz 3 EStG hinzugerechnet.

Gegen den Bescheid 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 30.06.2006 legte die Antragstellerin Einspruch mit der Begründung ein, bei dem Gewinn aus der Auflösung der Unterschiedsbeträge handele es sich um einen nach den §§ 16, 34 EStG begünstigten Gewinn aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen. Mit weiterem Schreiben vom 03.08.2006 beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung der für den Kommanditisten XXXXXXX festgestellten Einkünfte. Der Antragsgegner wies den Antrag mit Verfügung vom 25.08.2006 zurück. Das hiergegen geführte Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Mit an das Gericht gerichtetem Antrag vom 20.10.2006 verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, der Gewinn aus der Veräußerung des Seeschiffs sei nach den §§ 16, 34 EStG begünstigt, denn es handele sich um die Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs. Die Tatbestandsvoraussetzungen beider Vorschriften lägen vor. Insbesondere sei ihre Anwendung nicht durch § 5 a Abs. 5 Satz 2 EStG ausgeschlossen. Nach § 5 a Abs. 5 Satz 1 EStG seien die Vorschriften der §§ 16, 34 EStG allein für den pauschal ermittelten Gewinn gemäß § 5 a Abs. 1 EStG nicht anwendbar. Vorliegend sei der Gewinn jedoch nach § 5 Abs. 4 EStG durch Unterschiedsbeträge ermittelt worden. Hierfür treffe § 5 a Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 EStG keine Regelung. Ein ausdrücklicher Verweis wie für die pauschale Gewinnermittlung nach § 5 a Abs. 1 EStG fehle. Entsprechend dieser Auffassung habe auch der BFH in seinem Urteil vom 06.07.2005 (Az.: VIII R 74/02, BFH/NV 2005, 2274) zu § 32 c EStG entschieden, dass Vergütungen iSd § 5 a Abs. 4 a Satz 3 EStG nicht gemäß § 5 a Abs. 5 Satz 2 EStG ausgeschlossen seien. Vielmehr knüpfe diese Vorschrift an § 5 a Abs. 5 Satz 1 EStG an und schließe ihrem Zweck nach nur für pauschal ermittelte Gewinne eine weitere Begünstigung aus. Da vorliegend der Gewinn aus dem Unterschiedsbetrag von Buch- und Teilwert errechnet worden und eine steuerliche Begünstigung damit nicht verbunden gewesen sei, bleibe es bei der Anwendung der Vorschriften der §§ 16, 34 EStG.

Die Antragstellerin beantragt,

den Feststellungsbescheid 2005 idF der Einspruchsentscheidung von der Vollziehung auszusetzen, soweit die Einkünfte des Kommanditisten XXXX XXXX in Höhe von 161.189,95 EUR nicht gemäß den §§ 16, 34 EStG begünstigt festgestellt wurden.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er meint, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestünden nicht, denn es handele sich nicht um einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG. Nach dieser Vorschrift sei Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteige. Dabei sei der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils nach den §§ 4 Abs. 1, 5 EStG zu ermitteln. Nach diesen Grundsätzen finde § 16 EStG auf den Hinzurechnungsbetrag nach § 5 a Abs. 4 EStG keine Anwendung. Vielmehr sei der Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG mit dem anzusetzenden Betrag nach § 5 a Abs. 1 EStG abgegolten.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Aussetzung der Vollziehung auf Antrag anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Das Aussetzungsverfahren ist ein summarisches Verfahren; deshalb können Zweifel rechtlicher oder tatsächlicher Art in diesem Verfahren nicht abschließend geklärt werden, da das Gericht sonst der Entscheidung im Hauptverfahren vorgreifen würde.

Nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens bestehen bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides 2005.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist, soweit in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten sind, die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer begünstigt nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG zu besteuern. Außerordentliche Einkünfte sind gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG u.a. Veräußerungsgewinne iSd § 16 EStG. Nach dieser Vorschrift gehören Gewinne, die bei der Veräußerung eines ganzen Gewerbebetriebs erzielt werden, zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Nach § 16 Abs. 2 EStG ist Veräußerungsgewinn im Sinne des Absatzes 1 der Betrag, um den der Veräußerungsgewinn nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Der Wert des Betriebsvermögens ist für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 zu ermitteln.

Die genannten Voraussetzungen der Vorschriften der §§ 16, 34 EStG liegen im Streitfall mit Ausnahme der Ermittlung des Wertes des Betriebsvermögens offensichtlich vor. Die Antragstellerin hatte in 2005 ihr einziges Seeschiff veräußert und hierdurch außerordentliche Einkünfte iSd § 34 Abs. 2 EStG (Veräußerungsgewinn) erzielt. Fraglich kann nur sein, ob die Ermittlung des Wertes des Betriebsvermögens allein nach den §§ 4 Abs. 1 bzw. 5 EStG zu ermitteln ist oder ob nach dem Einkommensteuergesetz auch die Vorschrift des § 5 a Abs. 4 EStG als Grundlage der Gewinnermittlung in Betracht kommt. Ohne einer Entscheidung in der Hauptsache zuvorkommen zu wollen, bestehen an der hierzu vom Antragsgegner geäußerten Rechtsauffassung - da § 5 a Abs. 4 EStG in § 16 Abs. 2 EStG nicht genannt sei, komme eine begünstigte Besteuerung auch nicht in Betracht - ernstliche Zweifel. Insbesondere weist § 5 a Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG darauf hin, dass der Gesetzgeber neben der Ermittlung des Wertes des Betriebsvermögens nach den §§ 4 Abs. 1, 5 EStG auch die pauschale Gewinnermittlung gemäß § 5 a Abs. 1 EStG als zur Gewinnermittlung geeignet angesehen hat. Andernfalls hätte es der ausdrücklichen Bestimmung, dass pauschal nach Nettotonnen ermittelte Gewinne zwar unter § 16 EStG fielen, eine Begünstigung nach § 34 EStG jedoch ausgeschlossen sein soll, nicht bedurft. Da im Übrigen § 5 a Abs. 4 EStG, nämlich die Ermittlung des Betriebsvermögens nach Unterschiedsbeträgen zwischen Buch- und Teilwert, von diesem Ausschluss der Anwendbarkeit der §§ 16, 34 EStG nicht erfasst ist, hält der Senat eine begünstigte Besteuerung nach diesen Vorschriften dem Grunde nach für möglich. Darüber hinaus spricht für eine Einbeziehung der Vorschrift des § 5 a Abs. 4 EStG in die Wertermittlung des Betriebsvermögens nach den Vorschriften der §§ 4 Abs. 1, 5 EStG auch die systematische Stellung der Vorschrift im Einkommensteuergesetz. Der Gesetzgeber hat mit § 5 a EStG offensichtlich die Ermittlung des Betriebsvermögens nach § 5 EStG um den Sonderfall "Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr" erweitert. Ob damit zugleich die Anwendung der Begünstigungsnormen der §§ 16, 34 EStG verbunden ist, bleibt der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass der in § 5 a Abs. 5 Satz 2 EStG angeführte Ausschluss des § 34 EStG aufgrund des inneren Zusammenhangs mit Satz 1 sich allein auf die pauschale Gewinnermittlung nach § 5 a Abs. 1 EStG bezieht, ist dieser Rechtsaufassung zu folgen. Da die Ermittlung des Gewinns nach Nettotonnen auch Veräußerungs- und Betriebsaufgabegewinne erfasst (Seeger/Schmidt, EStG, § 5 a Rz 12), war eine weitere (zweite) steuerliche Begünstigung auszuschließen. Demgegenüber sind in den nach § 5 a Abs. 4 EStG ermittelten Unterschiedsbeträgen diejenigen stillen Reserven erfasst, die sich im Rahmen der normalen Gewinnermittlung bis zum Übergang zur Tonnagebesteuerung gebildet haben. Diese waren im Streitfall zum Zeitpunkt der Veräußerung insgesamt zu versteuern. Um die damit verbundene steuerliche Progression in ihrer Wirkung zu mindern, hält der Senat die Vorschriften der §§ 16, 34 EStG auf die Gewinnermittlung nach § 5 a Abs. 4 EStG für anwendbar. Hiermit vergleichbar hat auch der BFH im Falle einer Tarifbegünstigung nach § 32 c EStG ausdrücklich entschieden, dass sich § 5 a Abs. 5 Satz 2 EStG ausschließlich auf Gewinne nach § 5 a Abs. 1 EStG beziehe (Urteil vom 06.07.2005 VIII R 74/02, BFH/NV 2005, 2274). Der Senat hält insoweit die Regelung im Schreiben des BMF vom 06.03.2002 (BStBl. I 2002, 614) unter Nr. 35 nicht für zutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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