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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 24.01.2003
Aktenzeichen: 11 K 6863/01 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 23 Abs 1 S 1
EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 1
EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 S 1
EStG § 23 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 24.01.2003, an der teilgenommen haben:

aufgrund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Zu entscheiden ist allein noch, ob der Beklagte (Bekl.) bei seiner Steuerfestsetzung für das Streitjahr 1999 zu Recht Einkünfte aus vom Kläger (Kl.) in diesem Jahr getätigten privaten Veräußerungsgeschäften angesetzt hat.

Der Kl. ist verheiratet und wurde vom Bekl. für das Streitjahr mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.

Im Jahre 1993 hatte der Kl. ein Grundstück in M. erworben. Nach der Teilung dieses Grundstücks veräußerte er drei Parzellen mit Verträgen vom 23.03.1999, 15.04.1999 und 20.05.1999. Die vereinbarten Kaufpreise beliefen sich auf insgesamt 271.430 DM.

Am 24.02.2000 reichten der Kl. und seine Ehefrau ihre ESt-Erklärung für das Streitjahr beim Bekl. ein. Darin erklärten sie u.a. auch eine dauernde Last i.H.v. 3.600 DM. Ergänzend führten sie insoweit aus "Leibrente wie Vorjahre".

Mit Bescheid vom 03.08.2000 setzte der Bekl. die ESt für das Streitjahr auf 000000 DM unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dabei legte er seiner ESt-Festsetzung aufgrund der vom Kl. im Streitjahr getätigten Grundstücksverkäufe auch Einkünfte des Kl. aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. insgesamt 199.741 DM zugrunde. Die erklärte dauernde Last berücksichtigte er antragsgemäß.

Gegen den Bescheid vom 03.08.2000 legte der Kl. Einspruch ein. Dieser richtete sich u.a. gegen den Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 27.11.2001 wies der Bekl. unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung den Einspruch des Kl. als unbegründet zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe dieser EE verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2001 hat der Kl. daraufhin Klage erhoben.

Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Bekl. die angefochtene Steuerfestsetzung geändert und die ESt für das Streitjahr - zuletzt mit Bescheid vom 25.10.2002 - auf 000000000 EUR (= 000000 DM) festgesetzt. Dabei hat er zwar einerseits der Klage, soweit sie gegen die Höhe der angesetzten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gerichtet war, aufgrund nachgereichter Unterlagen in vollem Umfang entsprochen, andererseits jedoch zugleich unter Hinweis darauf, dass der Kl. die Voraussetzungen für eine steuerliche Anerkennung der erklärten dauernden Last trotz entsprechender Aufforderung im Rahmen der Veranlagung des Folgejahres weder dargetan noch nachgewiesen habe, die bislang berücksichtigte dauernde Last außer Ansatz gelassen.

Der Kl. ist der Auffassung, der vom Bekl. vorgenommene Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften sei bereits dem Grunde nach deshalb als rechtswidrig anzusehen, da die Regelung, auf die der Bekl. seinen Ansatz stütze, verfassungswidrig sei. Die von ihm zunächst ebenfalls vertretene Auffassung, der Bekl. habe darüber hinaus zu Unrecht die erklärte dauernde Last außer Ansatz gelassen, hat der Kl. im weiteren Verlauf des Klageverfahrens nicht weiter verfolgt.

Der Kl. beantragt,

unter Aufhebung der EE vom 27.11.2001 und Änderung des ESt-Bescheids vom 25.10.2002 die ESt für das Streitjahr niedriger festzusetzen und dabei die bislang angesetzten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht mehr zu berücksichtigen,

hilfsweise,

das Ruhen des Verfahrens anzuordnen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass der von ihm vorgenommene Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften dem geltenden ESt-Recht, an das er gebunden sei, entspreche.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die vom Bekl. vorgelegten Steuerakten verwiesen.

Der Senat hat am 24.01.2003 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Die Klage ist nicht begründet.

Die einkommensteuerliche Erfassung der erzielten Veräußerungserlöse entspricht der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des vom Deutschen Bundestag am 04.03.1999 beschlossenen, vom Bundespräsidenten am 24.03.1999 ausgefertigten und im Bundesgesetzblatt vom 31.03.1999 bekannt gemachten Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002. Diese Regelung ist im Streitfall auch anwendbar, da nach § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 3 EStG auf alle Veräußerungsgeschäfte anzuwenden ist, bei denen die Veräußerung auf einem nach den 31.12.1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht.

Die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG n.F. selbst ist nach Überzeugung des Senats verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits am 09.07.1969 zur Vorgängerregelung entschieden hat, ist der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, Gewinne aus jeder Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens zu besteuern (vgl. Urteil des BVerfG vom 09. Juli 1969 - 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302, BStBl. II 1970, 156). Im Übrigen folgt der Senat insoweit den Ausführungen des FG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 27. August 2002 - 2 K 244/01 (EFG 2002, 1614) und macht sie sich zu eigen.

Verfassungsrechtliche Bedenken werden darüber hinaus aber auch insoweit geltend gemacht, als gemäß § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG n.F. zum einen auch Veräußerungsgeschäfte fallen, die vor dem Beschluss des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 durch den Deutschen Bundestag am 04.03.1999 abgeschlossen wurden (vgl. (Vorlage-)Beschluss des FG Köln vom 25. Juli 2002 - 13 K 460/01, EFG 2002, 1236, m.w.N.), zum anderen von der Neuregelung auch Grundstücksveräußerungen erfasst werden, bei denen für die veräußerten Grundstücke die "Spekulationsfrist" des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG in der vor dem 01.01.1999 geltenden Fassung bereits vor dem 01.01.1999 abgelaufen war (vgl. Beschluss des BFH vom 05. März 2001 - IX B 90/00, BFHE 195, 205, BStBl. II 2001, 405).

Diese Bedenken teilt der erkennende Senat jedenfalls insoweit nicht, wie Veräußerungsgeschäfte zu beurteilen sind, die - wie im Streitfall die Veräußerungsgeschäfte des Kl. vom 15.04.1999 und 20.05.1999 - nach der Bekanntmachung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 im Bundesgesetzblatt vom 31.03.1999 abgeschlossen worden sind. Für diese Fälle vermag er insbesondere eine irgendwie geartete im Hinblick auf das in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich bedenkliche Rückwirkung nicht zu erkennen.

Rückwirkung setzt Änderung bereits eingetretener Rechtsfolgen voraus. Danach wäre im Streitfall eine Rückwirkung nur dann anzunehmen, wenn dadurch, dass der Kl. die im Streitjahr veräußerten Grundstücke nicht bereits innerhalb der alten Spekulationsfristen veräußert hatte, zwingend die Rechtsfolge eingetreten wäre, diese Grundstücke nunmehr - für alle Zeiten - steuerfrei veräußern zu können (vgl. auch Jörg Haass, "Hase und Igel" - Zu den "Spekulationsfristen" des Steuergesetzgebers, ZRP 2001, 78).

Eine derartige Rechtsfolge wurde durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG a.F. i. V. m. § 22 Nr. 2 und § 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG aber gerade nicht angeordnet. Angeordnet wurde vielmehr nur die Steuerpflicht für Veräußerungen innerhalb bestimmter Fristen mit der Folge, dass bei Fristablauf der Tatbestand gerade nicht verwirklicht wird, sondern lediglich die Situation gegeben ist, die auch ohne Gesetz bestünde (vgl. Jörg Haass, "Hase und Igel" - Zu den "Spekulationsfristen" des Steuergesetzgebers, a.a.O.).

Unabhängig davon ist - wie das BVerfG in seiner Entscheidung zur Vorgängerregelung vom 09. Juli 1969 - 2 BvL 20/65 (a.a.O.) ausgeführt hat - der Gesetzgeber aber auch prinzipiell nicht nur zur Einführung neuer Steuerpflichten, sondern insbesondere auch berechtigt, Veräußerungen von Privatvermögen generell zu besteuern. Diese Berechtigung schließt zugleich auch das Recht ein, eine bestehende Gesetzeslage zu ändern und in auf dieser Gesetzeslage beruhende Dispositionen einzugreifen. Dabei kann es nach Auffassung des erkennenden Senats keinen Unterschied machen, ob der Gesetzgeber für einen bestimmten Tatbestand eine Steuerpflicht neu einführt oder einen Tatbestand, der nach der bisherigen Regelung durch Fristablauf aus der Steuerpflicht ausgeschieden ist, wieder in die Steuerpflicht einbezieht.

Aber auch soweit der Bekl. in seiner Steuerfestsetzung für das Streitjahr den Erlös aus einem vom Kl. bereits am 23.03.1999 - d.h. zwar nach dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages am 04.03.1999, aber noch vor Ausfertigung und Bekanntmachung des Gesetzes - getätigten Veräußerungsgeschäftes erfasst hat, ist dies nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zu beanstanden. Zwar ist insoweit von einer sog. "unechten Rückwirkung" auszugehen, weil die Rechtsfolge der ESt-Pflicht des streitbefangenen Veräußerungsgeschäfts von einem vor der Gesetzesbekanntmachung liegenden tatsächlichen Vorgang abhängig gemacht wird (vgl. auch Beschluss des FG Köln vom 25. Juli 2002 - 13 K 460/01, a.a.O.) mit der Folge, dass grundsätzlich eine Abwägung der vom Gesetzgeber mit seinem Gesetz verfolgten öffentlichen Belange und dem Vertrauen des Steuerpflichtigen auf den Fortbestand der bei Abschluss des Kaufvertrages vom 23.03.1999 noch geltenden Gesetzeslage vorzunehmen ist. Im Streitfall führt diese Abwägung jedoch zu dem Ergebnis, dass dem Kl. ein Vertrauensschutz in den Fortbestand der ursprünglichen Rechtslage nicht zuzubilligen ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG, die auch vom BFH nicht in Frage gestellt wird (vgl. u.a. Beschluss vom 10. November 1993 - I B 122/93, BStBl. II 1994, 155 m.w.N.), fällt ein Vertrauensschutz in den Fortbestand der ursprünglichen Rechtslage grundsätzlich mit dem endgültigen Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages weg. Anhaltspunkte, die geeignet wären, im Streitfall ausnahmsweise die Annahme eines Fortbestehens des Vertrauensschutzes zu rechtfertigen, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Ein Ruhen des Verfahrens hält der Senat im Streitfall nicht für angezeigt. Denn - soweit ersichtlich - ist weder beim BVerfG noch beim BFH bislang ein Verfahren ahängig, in dem - wie im Streitfall - u.a. die steuerliche Erfassung eines Veräußerungserlöses zu beurteilen ist, bei dem die zugrunde liegende Veräußerung zwar nach dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages am 04.03.1999, aber noch vor Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten am 24.03.1999 erfolgt ist. Vielmehr ist in dem bislang beim BVerfG anhängigen Verfahren (2 BvL 14/02) die maßgebliche Veräußerung noch vor dem Gesetzesbeschluss und in dem bislang beim BFH anhängigen Verfahren (IX R 46/02) die maßgebliche Veräußerung erst nach der Bekanntmachung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 S. 1 FGO. Soweit der Bekl. dem Klagebegehren im Verlauf des Klageverfahrens zum Teil entsprochen hat, beruht dies auf erstmals im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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